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KOMM 2/2023

KOMM ist das Mitgliedermagazin der Bundesfachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di

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<strong>KOMM</strong><br />

02/<strong>2023</strong>WWW.TK-IT.VERDI.DE<br />

VODAFONE KABELGESELLSCHAFTEN<br />

Dickes Plus für die Beschäftigten<br />

Foto: ©Ralf – stock.adobe.com<br />

ver.di erreichte in der zweiten Verhandlungsrunde<br />

am 24. Februar<br />

eine Tarifeinigung für die ver.di-Mitglieder<br />

bei den Vodafone-Kabelgesellschaften.<br />

Die Beschäftigten<br />

erhalten mehr Geld und in zwei<br />

Schritten die Inflationsausgleichsprämie<br />

in voller Höhe.<br />

In den Verhandlungsraum brachte ver.di<br />

den Arbeitgeber:innen zwei „Geschenke“<br />

mit: Auf eng bedruckten Transparenten<br />

waren die namentlichen Statements zu<br />

lesen, die die ver.di-Mitglieder ihrer<br />

Verhandlungsdelegation mitgegeben hatten.<br />

„Damit konnten wir dem Arbeitgeber<br />

aufzeigen, dass ihm nicht nur eine Verhandlungskommission<br />

gegenübersitzt,<br />

sondern dass viele Kolleginnen und Kollegen<br />

bereit sind, für ihre Lohn forderungen<br />

aktiv zu werden“, sagt ver.di-Verhandlungsführer<br />

Tim Feise. Eine Botschaft, die<br />

ihre Wirkung nicht verfehlte.<br />

Das Ergebnis<br />

In mehreren Verhandlungsschritten konnte<br />

eine Einigung erzielt werden, die den<br />

ver.di-Mitgliedern zur Bewertung vorgelegt<br />

wurde: Danach wird im September<br />

<strong>2023</strong> die erste Stufe einer tabellenwirksamen<br />

Entgelterhöhung in Höhe von 5,2<br />

Prozent gezahlt. Die Einkommen steigen<br />

noch einmal um 3,3 Prozent im August<br />

2024. Zusätzlich erhalten die Beschäftigten<br />

eine steuer- und sozialversicherungsfreie<br />

Inflationsausgleichsprämie in zwei<br />

Schritten, zunächst 1500 Euro im Mai<br />

<strong>2023</strong>. Teilzeitbeschäftigte bekommen sie<br />

anteilig, mindestens aber 400 Euro, Auszubildende<br />

550 Euro. Zu den selben Konditionen<br />

wird sie noch einmal im Juni<br />

2024 gezahlt. Der Tarifvertrag hat eine<br />

Laufzeit bis Ende Februar 2025. In einer<br />

bundesweiten Online-Konferenz bewerteten<br />

die ver.di-Mitglieder die Einigung<br />

positiv, die ver.di-Tarifkommission stimmte<br />

danach zu. Das Verhandlungsergebnis<br />

könne sich in der Branche sehen lassen<br />

und sei von den Kolleginnen und Kollegen<br />

mit großer Mehrheit positiv aufgenommen<br />

worden, erklärten Petra<br />

Schuster aus Baden-Württemberg und<br />

Michael Haering aus Nordrhein-<br />

Westfalen, beide Mitglied der ver.di-<br />

Tarifkommission. Die Betriebsgruppenvorsitzenden<br />

betonten zudem, dass sie sich<br />

gerade mit Blick auf die kommenden<br />

Energieabrechnungen sehr darüber freuen,<br />

dass auch die Inflationsausgleichsprämie<br />

gezahlt wird.<br />

SIL


2<br />

INHALT<br />

2 Sozialwahlen<br />

Sozial wählen –<br />

ver.di wählen!<br />

3 Editorial<br />

Termine der<br />

Betriebsgruppen<br />

4 T-Systems<br />

Schwere Entscheidung<br />

5 Branchenpolitik<br />

Kerstin Marx trifft Robert<br />

Habeck<br />

Öffentlicher Dienst<br />

Respektloses Angebot<br />

6 Branchenpolitik<br />

Prämie als Turbo für den<br />

Glasfaserausbau<br />

Sozial wählen<br />

heißt ver.di<br />

wählen!<br />

Es ist wieder soweit. Im nächsten Jahr finden die Sozialwahlen<br />

statt. Versicherte der BARMER, der DAK-Gesundheit,<br />

der KKH, der TK, der hkk sowie der Deutschen Rentenversicherung<br />

Bund haben die Möglichkeit, die selbstverwaltenden<br />

Parlamente dieser Versicherungsträger zu bestimmen. Dafür<br />

werden ab März <strong>2023</strong> die Briefwahlunterlagen versandt.<br />

Bei der BARMER, der DAK-Gesundheit, der KKH und der TK,<br />

wird es zusätzlich die Möglichkeit der Online-Wahl geben.<br />

Jede Stimmabgabe ist wichtig, damit sozialpolitische Kompetenz<br />

von ver.di weiterhin anerkannt bleibt. Nach Erhalt der<br />

Unterlagen gleich ver.di wählen, denn „sozial wählen heißt<br />

ver.di wählen!<br />

SOZIALWAHLEN<br />

ver.di steht in der Selbstverwaltung<br />

für folgende Inhalte:<br />

Dienstleistung ist gefragt<br />

Modernität und Menschennähe<br />

Solidarität stärken<br />

Gesetzliche Rente muss reichen<br />

Sozial wählen –<br />

Gesundheitsschutz vor Krankheit<br />

ver.di wählen!<br />

Pflege daheim und stationär stärken<br />

Unfälle verhüten, aber anders<br />

Alle sechs Jahre Gute Arbeit werden führt zu guter die Leistung Versichertenparlamente<br />

bei Selbstverwaltung den Sozialversicherungsträgern<br />

gewählt. Demokratie Der und Mitbestimmung nächste fördern Wahltermin<br />

statt Staat<br />

ist der 31. Mai <strong>2023</strong>. Ob bei den gesetzlichen<br />

Kranken-, Renten- oder Unfall-<br />

Gemeinsam fordern wir die Politik<br />

auf, die soziale Selbstverwaltung zu<br />

versicherungsträgern, stärken! die Versicherten<br />

bestimmen mit. ver.di stellt eigene Listen<br />

mit ihren Kandidat:innen auf. Und erstmals<br />

gibt es ein ver.di-Wahlprogramm, in<br />

dem wir unsere Ziele benennen und die<br />

Spitzenkandidat:innen vorstellen.<br />

Impressum:<br />

ver.di · 10112 Berlin · Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik · V.i.S.d.P.: Dagmar König<br />

Layout: VH7 Medienküche GmbH · W-3889-21-1122<br />

https://kurzelinks.de/agmr<br />

sozial wählen<br />

ver.di wählen<br />

verdi-waehlen.de<br />

Vereinte<br />

Dienstleistungsgewerkschaft<br />

2753_05_Sozialwahl_<strong>2023</strong>.indd 1-3 18.11.22 11:09<br />

7 Deutsche Funkturm GmbH<br />

Tarifeinigung erzielt<br />

8/9 Jugend<br />

Der Plan: Kreativ sein und<br />

sich einmischen<br />

VER.DI BUNDESFACHGRUPPE IKT<br />

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die die IT- und TK-Branche bewegen.<br />

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Foto: Jasmin Gerschewski<br />

10/11 Recht<br />

Betriebsräte ohne Betriebsstätte<br />

12/13 Frauen<br />

Konstruktiv, zugewandt und<br />

selbstbewusst<br />

14 Citizen Development<br />

Demokratisierung der IT<br />

15 Energiegeld<br />

ver.di fordert Gleichbehandlung<br />

Besoldung<br />

Amtsangemessene Besoldung<br />

auf Kante genäht<br />

16 Gewerkschaften helfen<br />

Spendenaufruf für<br />

Erdbebenopfer<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>KOMM</strong> Nr. 2/<strong>2023</strong><br />

@verdiikt<br />

https://twitter.com/verdiikt/<br />

ver.di_IKT zur Netzpolitik<br />

https://twitter.com/verdi_Netzpol<br />

23. Jahrgang<br />

Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Bundes vorstand: Frank Werneke<br />

Christoph Schmitz, Fachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)<br />

Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, Telefon: 030 6956-0 Internet: https://tk-it.verdi.de<br />

Erscheinungsweise: 8 Ausgaben pro Jahr<br />

Redaktion: Jessica Sauerwald, Silke Leuckfeld (SIL) E-Mail: redaktion.komm@verdi.de<br />

Layout: datagraphis GmbH, Wiesbaden-Nordenstadt Internet: https://datagraphis.de<br />

Gedruckt auf GraphoSilk FSC® 80g/m 2<br />

Druck: Schaffrath DruckMedien GmbH Auflage: 81 539<br />

Anzeigen und Beilagen: Jessica Sauerwald<br />

Telefon: 030 6956-2442<br />

E-Mail: redaktion.komm@verdi.de<br />

Redaktionsschluss nächste Ausgabe: 21. April <strong>2023</strong>


3<br />

<strong>KOMM</strong> 02/<strong>2023</strong><br />

EDITORIAL<br />

Diese Ausgabe ...<br />

... zeigt, wie wichtig es ist, wenn viele Beschäftigte in ver.di sind. Bei der T-Systems<br />

musste ver.di einen Tarifabschluss akzeptieren, der nicht zu starken Entgeltsteigerungen<br />

für die Beschäftigten führt. Dabei ist es gerade jetzt, wo die Preise in bisher ungeahnte<br />

Höhen klettern, besonders wichtig, mehr Geld im Portemonnaie zu haben. Dass es auch<br />

anders geht, haben die Beschäftigten von Vodafone deutlich gemacht. Sie gaben ihrer<br />

Verhandlungskommission schriftliche Botschaften an ihre Arbeitgeber:innen mit. Die<br />

auf zwei Banner gedruckten Statements hängten die Mitglieder der ver.di-Verhandlungskommission<br />

an die Wand im Sitzungsraum. Heraus kam ein Abschluss, der den Kolleginnen<br />

und Kollegen effektiv mehr Geld bringt.<br />

Während diese Ausgabe von der Redaktion produziert wird, zeigen die Beschäftigten<br />

im öffentlichen Dienst, wie stark sie für ihre Tarifforderungen eintreten. In allen<br />

Bundesländern wird Mitte März von verschiedenen Berufsgruppen gestreikt. Zuvor<br />

hatten die Arbeitgeber bei den Verhandlungen am 22./23. Februar in Potsdam ein<br />

Angebot vorgelegt, das eine tabellenwirksame Erhöhung von drei Prozent zum 1. Oktober<br />

<strong>2023</strong> und zwei Prozent zum 1. Juni 2024 über eine Laufzeit von 27 Monaten<br />

vorsieht. Dazu wollen sie eine Inflationsausgleichsprämie in zwei Raten von 1500 und<br />

1000 Euro zahlen. Dass sie damit nicht durchkommen, haben ihnen die Beschäftigten<br />

im öffentlichen Dienst klar gezeigt. Ob Stadtreinigung, Flughäfen, Krankenhäuser, Sozial-<br />

und Erziehungsdienste… Die Liste ist noch sehr viel länger. Und es gab Schwerpunkttage,<br />

so auch einen Jugendstreiktag. Darüber haben wir uns besonders gefreut<br />

und das sollte den Arbeitgeber:innen zu denken geben. Mit uns „Alten“ stirbt die<br />

Gewerkschaft nicht aus.<br />

<br />

Die <strong>KOMM</strong>-Redaktion<br />

www.mitgliedwerden.verdi.de<br />

TERMINE DER BETRIEBSGRUPPEN<br />

Foto: geralt/pixabay<br />

Sie sind online zu finden unter:<br />

https://tk-it.verdi.de/<br />

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4<br />

T-SYSTEMS<br />

Foto: Manfred Geneschen<br />

SCHWERE ENTSCHEIDUNG<br />

Zwei Monate wurde mit den ver.di-Mitgliedern diskutiert, ob das Angebot<br />

der Arbeitgeberseite angenommen werden soll oder nicht. In vielen Diskussionen<br />

und einer Online-Umfrage zeigte sich ein einheitliches Bild – mit<br />

einer leichten Mehrheit hatten die ver.di-Mitglieder die Annahme empfohlen.<br />

Es war dennoch eine schwere Entscheidung, vor allem, weil ein erheblicher<br />

Teil das Angebot nicht annehmen wollten. Dennoch stimmte ver.di<br />

letztendlich zu.<br />

„Viele empfahlen zähneknirschend die<br />

Annahme nur, weil sie wissen, dass wir<br />

derzeit nicht stark genug sind, um ein<br />

besseres Ergebnis durchzusetzen“, sagte<br />

Tim Feise, ver.di-Verhandlungsführer. Die<br />

Chance, durch Streiks zu einem besseren<br />

Ergebnis zu kommen, schätzten die wenigsten<br />

als realistisch ein. An der Umfrage<br />

hatten sich auch nur rund ein Viertel der<br />

ver.di-Mitglieder beteiligt.<br />

Nicht auf Augenhöhe<br />

„Für Verhandlungen auf Augenhöhe<br />

brauchen wir deutlich mehr“, betont Tim<br />

Feise. Mehr bedeutet, mehr ver.di-Mitglieder<br />

und damit auch mehr Durchsetzungskraft.<br />

Diese Situation war der Arbeitgeberseite<br />

durchaus bewusst. Damit<br />

wurde das Tarifergebnis für das Deutschlandsegment<br />

der Telekom übernommen,<br />

obwohl es in der Grundstruktur nicht zur<br />

T-Systems passt. Der Großteil der Beschäftigten<br />

erhält die Einmalzahlungen<br />

erst gar nicht. Auch bei der prozentualen<br />

Erhöhung bekommen die meisten nur<br />

den niedrigsten Wert der Staffelung. „In<br />

Zeiten, wo viele Unternehmen in der<br />

IT-Branche Probleme haben, geeignete<br />

Fachkräfte für sich zu gewinnen, führt<br />

dieser Weg in die falsche Richtung. Ob<br />

die T-Systems mit dieser Vorgehensweise<br />

ein attraktiver Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt<br />

ist, wird sich zeigen“, sagt Tim<br />

Feise.<br />

Das Ergebnis<br />

Die Einkommen steigen in den Vergütungsgruppen<br />

1 – 5 nun rückwirkend zum<br />

1. Januar <strong>2023</strong> um 3,1 Prozent, in der<br />

Vergütungsgruppe 6 um 2,9 Prozent und<br />

in den Vergütungsgruppen 7 – 10 um 2,7<br />

Prozent. Zum 1. März 2024 steigen die<br />

Einkommen dann noch einmal um 2,1<br />

Prozent. Die Vergütungsgruppen 1 – 6 erhalten<br />

eine steuer- und sozialabgabenfreie<br />

Inflationsausgleichsprämie in Höhe<br />

von 500 Euro und noch einmal 500 Euro<br />

im Januar 2024. Der Entgelttarifvertrag ist<br />

frühestens zum 31. Dezember 2024<br />

kündbar.<br />

Ausgangslage<br />

Vereinbart waren Nachklappgespräche im<br />

Herbst 2022 zur Tarifrunde 2021, die im<br />

November auch aufgenommen wurden.<br />

Dabei hat die Arbeitgeberseite erklärt,<br />

dass die aktuelle wirtschaftliche Lage der<br />

T-Systems keine rückwärtige Erhöhung<br />

zulässt. Außerdem kündigten sie an, dass<br />

sie den zu diesem Zeitpunkt gültigen Einkommenstarifvertrag<br />

eventuell von ihrer<br />

Seite kündigen werden, um den Druck<br />

zur Verhandlungsaufnahme auf ver.di zu<br />

erhöhen. Parallel dazu legte die Arbeitgeberseite<br />

das Angebot für die Jahre<br />

<strong>2023</strong> und 2024 auf den Tisch. All dies<br />

fand im Rahmen von Sondierungsgesprächen<br />

statt, die sonst üblichen Tarifverhandlungen<br />

hat es nicht gegeben.<br />

„Jetzt zeigt sich deutlich, wie wichtig<br />

es ist, dass man eine große und starke<br />

Gemeinschaft ist“, betont Tim Feise. „Wir<br />

dürfen uns das Heft des Handelns nicht<br />

aus der Hand nehmen lassen. Bis zur<br />

nächsten Verhandlungsmöglichkeit muss<br />

sich die Aktions- und Durchsetzungsfähigkeit<br />

deutlich verbessern.“ SIL<br />

JETZT ONLINE BEITRETEN<br />

mitgliedwerden.verdi.de


5 <strong>KOMM</strong> 02/<strong>2023</strong><br />

BRANCHENPOLITIK<br />

Kerstin Marx trifft Robert Habeck<br />

Die Telekom-Konzernbetriebsratsvorsitzende Kerstin Marx forderte im Gespräch<br />

mit Bundeswirtschafts minister Robert Habeck mehr Geschwindigkeit<br />

bei Infrastruktur- und Netzausbau in Deutschland. Europa brauche eigene<br />

Weltmarktführer im Bereich Pharma-, Netzwerkausstatter-, Chip-, Solar- und<br />

Windkraftindustrie.<br />

Die DAX40-Betriebsräte haben ein weiteres<br />

Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister<br />

Robert Habeck geführt. Die Unternehmen<br />

stehen vor großen Herausforderungen:<br />

Die Corona-Pandemie führte zu<br />

Lieferengpässen, der russische Angriffskrieg<br />

gegen die Ukraine hat gezeigt, dass<br />

Frieden und Sicherheit nicht selbstverständlich<br />

sind. Und die Energiekrise in<br />

Europa, die eine direkte Folge des Krieges<br />

ist, zeigt, dass die Unternehmen sich auf<br />

nichts verlassen dürfen, was in der Vergangenheit<br />

selbstverständlich war.<br />

Gemeinsam Krisen meistern<br />

Die Gewerkschaften haben in dieser<br />

schwierigen Zeit ihren Wert unter Beweis<br />

gestellt und einen wichtigen Beitrag geleistet,<br />

um die Folgen der Krise für die<br />

Menschen abzumildern. Die Verwerfungen<br />

an den Energiemärkten haben zu einem<br />

massiven internationalen Wettbewerbsnachteil<br />

geführt, der bereits Folgen hatte.<br />

40 Prozent der Chemieunternehmen drosseln<br />

die Produktion, 23 Prozent verlagern<br />

ins nichteuropäische Ausland und zehn<br />

Prozent wollen Anlagen stilllegen.<br />

Standort Deutschland<br />

Der Standort Deutschland steht an einem<br />

Scheideweg: Entweder die Unternehmen<br />

investieren jetzt mutig und viel Geld in die<br />

Transformation der Industrie und der Arbeitswelt<br />

oder sie müssen zusehen, wie<br />

die Industrie Zug um Zug in andere Teile<br />

der Welt zieht. Um dem entgegenzuwirken,<br />

muss der Ausbau der erneuerbaren<br />

Energien intensiviert und beschleunigt<br />

werden. Auch Deregulierung bei Industrieinvestitionen<br />

und staatliche Anschubhilfen<br />

sind notwendig, um massiven<br />

Arbeitsplatzverlusten entgegenzuwirken.<br />

Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten<br />

ganze Produktionsbereiche abwandern<br />

lassen und zahlt nun einen hohen<br />

Preis dafür.<br />

Kerstin Marx fordert ein Umdenken:<br />

„Wir sind auf entscheidenden Feldern<br />

nicht nur von Rohstoffen anderer abhängig,<br />

sondern inzwischen auch von Bauteilen,<br />

Grund- und Wirkstoffen bis hin zu<br />

kompletten Produkten. Die Lieferketten<br />

sind nicht sicher, Engpässe bestimmen<br />

das Bild.“ Besonders betroffen seien die<br />

Pharma- und Netzwerkausstatter sowie<br />

die Chip-, Solar- und Windkraftindustrie.<br />

Siemens, einst der weltweit größte Netzwerkausrüster<br />

der Telekommunikationsunternehmen,<br />

ist heutzutage vom Markt<br />

verschwunden. Die TK-Ausrüster Ericsson<br />

und Nokia sind zusammen nicht einmal<br />

so stark wie Huawai oder ZTE allein.<br />

„Es ist an der Zeit, sich diesen Herausforderungen<br />

zu stellen und den Standort<br />

Deutschland in seiner internationalen<br />

Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und zu<br />

stärken“, fordert die Vorsitzende des Konzernbetriebsrats<br />

der Deutschen Telekom<br />

im Gespräch mit dem Minister.<br />

ÖFFENTLICHER DIENST<br />

Respektloses Angebot<br />

In den laufenden Tarifverhandlungen<br />

für die mehr als 2,5 Millionen<br />

Beschäftigten von Bund und Kommunen<br />

konnte auch in der zweiten<br />

Verhandlungsrunde am 22./23. Februar<br />

<strong>2023</strong> in Potsdam kein Fortschritt<br />

erzielt werden. ver.di fordert<br />

für die Angestellten von Bund und<br />

Kommunen 10,5 Prozent mehr Gehalt,<br />

mindestens aber 500 Euro mehr<br />

im Monat bei einer Laufzeit von<br />

zwölf Monaten. Verhandelt wird<br />

auch für die Beschäftigten der Bundesnetzagentur.<br />

„Das Angebot der Arbeitgeber sorgt, was<br />

Höhe, Laufzeit und den fehlenden sozialen<br />

Ausgleich betrifft, bei den Beschäftigten<br />

für Enttäuschung und Ablehnung.<br />

Das empfinden die Menschen als respektlos<br />

und werden sich nicht damit abfinden“,<br />

erklärte Frank Werneke, ver.di-Vorsitzender:<br />

„Mit den Inhalten ihres Angebots<br />

lösen die Arbeitgeber den Tarifkonflikt<br />

nicht. Die Konsequenz ist: Die<br />

Warnstreiks werden ausgeweitet.“ Im<br />

gesamten Bundesgebiet streikten daraufhin<br />

Beschäftigte.<br />

Prämie nicht nachhaltig<br />

Zuvor hatten die Arbeitgeber ein Angebot<br />

vorgelegt, das eine tabellenwirksame Erhöhung<br />

von drei Prozent Ende <strong>2023</strong> und<br />

zwei Prozent Mitte 2024 über eine Laufzeit<br />

von 27 Monaten vorsieht. Dazu<br />

kommt eine Inflationsausgleichsprämie in<br />

zwei Raten von 1500 und 1000 Euro. Die<br />

sei aber nicht nachhaltig, kritisierte Werneke:<br />

„Die Preise bleiben auch dann noch<br />

hoch, wenn die Prämien längst nicht<br />

mehr wirken.“ Ein Mindestbetrag als<br />

soziale Komponente für die unteren Einkommensgruppen<br />

ist nicht vorgesehen.<br />

ver.di fordert in der laufenden Tarifrunde<br />

für die Angestellten von Bund und<br />

Kommunen 10,5 Prozent mehr Gehalt,<br />

mindestens aber 500 Euro mehr im Monat<br />

bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Das<br />

Foto: Kay Herschelmann<br />

Tarifergebnis soll zeit- und wirkungsgleich<br />

auf Beamtinnen und Beamte, Richterinnen<br />

und Richter, Soldatinnen und Soldaten sowie<br />

auf Versorgungsempfängerinnen und<br />

-empfänger übertragen werden. ver.di<br />

führt die Tarifverhandlungen gemeinsam<br />

mit GdP, GEW, IG BAU sowie mit dbb beamtenbund<br />

und tarifunion.<br />

Die Verhandlungen werden in der dritten<br />

Runde vom 27. bis 29. März <strong>2023</strong><br />

(nach Redaktionsschluss) in Potsdam fortgesetzt.<br />

ver.di-Internetseite zur Tarifrunde:<br />

https://zusammen-geht-mehr.verdi.<br />

de/


6<br />

Foto: Sven Guski<br />

BRANCHENPOLITIK<br />

Prämie als Turbo für<br />

den Glasfaserausbau<br />

Viele Unternehmen bauen deutschlandweit<br />

Glasfaserinfrastruktur aus.<br />

Viele Investoren tummeln sich auf<br />

dem Markt und investieren Milliarden<br />

in den Ausbau. Trotzdem geht<br />

es Bürger:innen, aber auch vielen<br />

Politiker:innen nicht schnell genug.<br />

Deutschland brauche noch mehr<br />

Tempo. Eine Idee, den Ausbau zu beschleunigen,<br />

ist eine Glasfaser-<br />

Prämie.<br />

VON CHRISTOPH HEIL<br />

Christoph Heil<br />

ver.di-Bereich<br />

Mitbestimmung<br />

und<br />

Branchenpolitik<br />

Deutschland ist sich einig darin, dass wir<br />

für die Digitalisierung des Landes eine<br />

möglichst flächendeckende hochleistungsfähige<br />

Glasfaser-Infrastruktur brauchen.<br />

Nur so kann die Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Landes im internationalen Vergleich<br />

gewährleistet werden. Andererseits<br />

müssen auch strukturschwache Gebiete<br />

erschlossen werden, um das Stadt- Land-<br />

Gefälle zu nivellieren. Aber gerade in<br />

strukturschwachen Gebieten ist die Nachfrage<br />

der Kunden nach einem modernen<br />

Glasfaseranschluss oft schwach. Die Crux:<br />

Wenn zu wenig Nachfrage bei den Kunden<br />

besteht, lohnt sich für die Unternehmen<br />

der Ausbau eines Glasfasernetzes<br />

nicht, da sich die Investitionen nicht<br />

amortisieren würden.<br />

Staatliche Förderung<br />

Bund und Länder fördern den Glasfaser-<br />

Infrastrukturausbau da, wo ein privatwirtschaftlicher<br />

Ausbau durch erschwerte<br />

Bedingungen nicht erfolgt. Doch es werden<br />

nicht der eigentliche Glasfaserausbau<br />

in Straßen und Siedlungen gefördert, sondern<br />

lediglich kommunale Projekte, die<br />

darauf abzielen, die Erschließung der geförderten<br />

Gebiete durch privatwirtschaftliche<br />

Aktivitäten zu erleichtern.<br />

Diese Förderung setzt bisweilen jedoch<br />

falsche Anreize, da durch die Förderungen<br />

unter Umständen Gebiete und Regionen<br />

erschlossen werden, in denen viel<br />

zu wenig Nachfrage besteht. Andere Gebiete<br />

dagegen gehen leer aus, obwohl<br />

ausreichend Nachfrage bestünde. Hier<br />

fehlen dann Geld und Tiefbaukapazitäten.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass die<br />

Umsetzung geförderter Ausbauprojekte<br />

durchschnittlich dreimal so lange wie ein<br />

vergleichbarer eigenwirtschaftlicher Ausbau<br />

dauert.<br />

Die Lösung<br />

Die zwei wichtigen Branchenverbände im<br />

TK-Sektor, BREKO und VATM, schlagen<br />

eine Gutscheinlösung vor, um die Nachfrage<br />

in ausbaubedürftigen Gebiete anzureizen.<br />

Mit einer Glasfaser-Prämie, in<br />

Form eines Gutscheins, hoffen die beiden<br />

Verbände auf eine deutliche Steigerung<br />

der Nachfrage bei den<br />

Kunden. So werden<br />

Ausbaugebiete attraktiver<br />

und vorher unwirtschaftliche<br />

Gebiete<br />

erschließbar, da<br />

sich mehr Bürger:innen<br />

und Unternehmen<br />

für einen Glasfaseranschluss<br />

entscheiden<br />

könnten. Auf eine<br />

langwierige Ausbauförderung<br />

nach<br />

dem Gigabitförderprogramm<br />

kann in<br />

diesen Gebieten verzichtet<br />

werden.<br />

Da nur Bürger:innen<br />

und Unternehmen<br />

die Prämie gegen<br />

Nachweis des erfolgten<br />

Ausbaus des Glasfaser-Hausanschlusses<br />

oder -Vertragsabschlusses<br />

einlösen<br />

können, kommt jedes investierende Unternehmen<br />

in den Genuss der erhöhten<br />

Nachfrage, wenn es einerseits eine erfolgreiche<br />

Vermarktung betrieben und<br />

andererseits auch tatsächlich ausgebaut<br />

hat. Die Verteilung entsprechender Prämien<br />

müsste im Rahmen von fairen wettbewerblichen<br />

Regeln erfolgen.<br />

Die beiden Verbände bringen drei Prämien-Varianten<br />

ins Spiel. Eine Prämie sollte<br />

einen Anreiz für eine Verlegung von<br />

Glasfaser vom Bürgersteig bis ins Gebäude<br />

darstellen und sich auf rund 1000 Euro<br />

belaufen. Eine zweite Variante könnte<br />

einen Vertragsabschluss anreizen, der<br />

eine Mindestbandbreite von mehr als 250<br />

Mbit/s mit einem Zuschuss von 500 Euro<br />

beinhaltet und eine dritte Variante zielt<br />

als Anreiz auf eine Glasfaserverkabelung<br />

im Gebäude und könnte sich auf etwa<br />

150 Euro belaufen.<br />

Fazit:<br />

Foto: ©Christian Schwier – stock.adobe.com<br />

ver.di hat bereits vor Jahren eine Idee<br />

entwickelt, über Gutscheine für Kunden<br />

die Nachfrage für moderne TK-Anschlüsse<br />

zu beleben. Jeder Ausbau fördert Arbeitsplätze<br />

weit über die TK-Branche hinaus<br />

und sichert für Netzbetreiber und<br />

Diensteanbieter zukunftsfähige und<br />

nachhal tige Geschäftsmodelle. Eine Förderung<br />

für die Kunden ist eine interessante<br />

Idee, die es verdient, in der Gigabitstrategie<br />

des Bundes berücksichtigt zu<br />

werden. In anderen Branchen ist das<br />

längst selbstverständlich, man denke da<br />

nur mal an die Abwrackprämie im Automobilsektor.


7 <strong>KOMM</strong> 02/<strong>2023</strong><br />

DEUTSCHE FUNKTURM GMBH<br />

Tarifeinigung erzielt<br />

Foto: ver.di<br />

In der zweiten Verhandlungsrunde für die ver.di-Mitglieder bei der Deutsche<br />

Funkturm GmbH (DFMG) gab es ein Angebot der Arbeitgeberseite, welches<br />

sich – wie in der Vergangenheit – nah am Telekom abschluss orientierte.<br />

Das Angebot<br />

Die DFMG bot zunächst 2,8 Prozent tabellenwirksame<br />

Erhöhung rückwirkend<br />

zum 1. Februar <strong>2023</strong> sowie 2,1 Prozent<br />

zum 1. Februar 2024 an. Sie waren bereit,<br />

eine Inflationsprämie von 500 Euro<br />

für die unteren Entgeltgruppen im ersten<br />

Halbjahr <strong>2023</strong> und eine Inflationsprämie<br />

von ebenfalls 500 Euro an die<br />

Tarifbeschäftigten im zweiten Halbjahr<br />

<strong>2023</strong> zu zahlen. „Dies war für die<br />

ver.di-Verhandlungskommission nicht<br />

ausreichend“, sagt Dorothea Forch,<br />

ver.di-Verhandlungsführerin. „Für uns<br />

war es wichtig, dass alle Beschäftigten<br />

von den Einmalzahlungen profitieren<br />

und die Spreizung nicht so groß<br />

wird.“ Um den Forderungen – zehn Prozent<br />

Entgelterhöhung und eine Mitgliederkomponente<br />

– Nachdruck zu verleihen,<br />

haben sich zwischen der zweiten<br />

und dritten Verhandlungsrunde Kolleginnen<br />

und Kollegen an einer Fotoaktion<br />

beteiligt. „An dieser Stelle ein großes<br />

Dankeschön für eure Unterstützung und<br />

für eure Sichtbarkeit. Das hat uns sehr<br />

den Rücken gestärkt“, sagt Dorothea<br />

Forch.<br />

Das Ergebnis<br />

Nach etlichen Austauschrunden in der<br />

dritten Verhandlungsrunde unterbreitete<br />

der Arbeitgeber ein nachgebessertes Angebot.<br />

Die ver.di-Verhandlungskommission<br />

empfiehlt die Annahme, obwohl die<br />

geforderte deutliche Steigerung der Tabellenentgelte<br />

nicht durchsetzbar war.<br />

Angeboten sind 2,8 Prozent mehr Geld<br />

rückwirkend zum 1. Februar. Zum 1. Februar<br />

2024 sollen die Einkommen dann<br />

um weitere 2,3 Prozent steigen. Der Tarifabschluss<br />

soll eine Laufzeit bis zum<br />

31. Dezember 2024 haben. Alle Tarifbeschäftigten<br />

sollen in diesem Jahr im Mai<br />

700 Euro Inflationsprämie – also steuerund<br />

sozialabgabenfrei – erhalten. Die<br />

unteren Entgeltgruppen sollen jeweils<br />

im August <strong>2023</strong> und im Februar 2024<br />

weitere 500 Euro Inflationsprämie bekommen.<br />

Nach dem Gesetz können<br />

insgesamt 3000 Euro bis Ende 2024<br />

steuer- und sozialabgabenfrei (brutto für<br />

netto) gezahlt werden. Die DFMG hat<br />

ver.di die Zusage gegeben, über die Ausschöpfung<br />

der Gesamtsumme weitere<br />

Gespräche zu führen. Verlängert werden<br />

soll zudem der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz<br />

(TV Ratio) bis 31. Dezember<br />

2024.<br />

So geht es weiter<br />

Die Tarifvertragsparteien haben eine<br />

sogenannte Erklärungsfrist bis zum<br />

20. März <strong>2023</strong> (nach Redaktionsschluss)<br />

vereinbart. Bis dahin wird die ver.di-Tarifkommission<br />

einen Beschluss über die Ablehnung<br />

oder Annahme des Angebotes<br />

treffen. Die Mitglieder haben bereits ihr<br />

Votum abgegeben: Bei einer Beteiligung<br />

von 81 Prozent der ver.di-Mitglieder an<br />

der Befragung haben sich 56 Prozent der<br />

Teilnehmer:innen für die Annahme des<br />

Verhandlungsergebnisses ausgesprochen.<br />

Der überwiegende Teil davon jedoch<br />

nicht, weil das Ergebnis so gut ist, sondern<br />

weil die Einschätzung vorliegt, dass<br />

wir nicht stark genug sind, mehr rauszuholen.<br />

Neben den Mitgliedern haben wir<br />

auch die Beschäftigten befragt, wie sie<br />

zum Angebot des Arbeitgebers stehen.<br />

Auch hier zeigt sich eine deutliche Ablehnung.<br />

Zudem zeigen viele der Befragten<br />

Unverständnis gegenüber dem Arbeitgeber,<br />

der das Ergebnis als Erfolg darstellt.<br />

Die ver.di-Aktiven werden sich nun beraten,<br />

wie sie weiter im Betrieb aktiv werden,<br />

um für die nächste Tarifrunde besser<br />

aufgestellt zu sein.<br />

SIL


8<br />

JUGEND<br />

DER PLAN:<br />

Kreativ sein und<br />

sich einmischen<br />

Mit Optimismus und der „Lust drauf,<br />

sich zu engagieren“ gingen junge<br />

ver.di-Mitglieder vor vier Jahren daran,<br />

sich in der Gewerkschaft in einem<br />

neuen Fachbereich zusammenzufinden.<br />

Dieses Vorhaben ist schon<br />

ein Stück weit gediehen. Schauen<br />

wir auf die Ergebnisse der ersten<br />

Bundesjugendkonferenz des Fachbereichs<br />

Anfang Februar. Erstmals<br />

haben sich dazu in Gladenbach 54<br />

Delegierte der verschiedenen Branchen<br />

getroffen.<br />

VON NGOC-HIEN LE UND<br />

JASMIN GERSCHEWSKI<br />

An den Vorbereitungen waren viele beteiligt<br />

– erstes Kennenlernen war programmiert.<br />

Nun geht es ans „Zusammenwachsen“,<br />

so das aktuelle Motto.<br />

Und so unterschiedlich wie die Berufsfelder<br />

im Fachbereich „Finanzdienste,<br />

Kommunikation und Technologie, Kultur,<br />

Ver- und Entsorgung“ (FB A) sind, so<br />

gleich sind die Interessen, etwa wenn es<br />

um gute Ausbildungsbedingungen mit<br />

der dazugehörigen Vergütung oder der<br />

Mitbestimmung in den Betrieben geht.<br />

Wechsel an der Spitze<br />

Eröffnet wurde die Konferenz von Oskar<br />

Michel. Der bisherige Vorsitzende des Jugendfachkreises<br />

auf Bundesebene bei der<br />

Bundesfachgruppe Informations- und<br />

Kommunikationstechnologie (IKT), verabschiedete<br />

sich, da er den Jugendstrukturen<br />

entwachsen ist. Wie auch Kai Reinartz,<br />

ehrenamtlicher Vorsitzender der<br />

ver.di-Jugend, ging Oskar Michel auf die<br />

Herausforderungen in der vergangenen<br />

Wahlperiode ein, die stark von globalen<br />

Krisen geprägt war. Dennoch habe es viele<br />

Erfolge in dieser Zeit gegeben, betonte<br />

Kai Reinartz. So hat sich die ver.di-Jugend<br />

für eine Mindestausbildungsvergütung<br />

eingesetzt. Das entsprechende Gesetz<br />

über 680 Euro im Monat wurde verabschiedet.<br />

Keine Ausbildung darf mit weniger<br />

vergütet werden. Begonnen wurde,<br />

für eine Ausbildungsplatzgarantie zu<br />

streiten. Das heißt, jeder soll einen Ausbildungsplatz<br />

staatlich garantiert bekommen.<br />

Der erste Gesetzentwurf steht zur<br />

Diskussion. Hier wird die ver.di-Jugend<br />

dranbleiben.<br />

Fotos: Jasmin Gerschewski


9 <strong>KOMM</strong> 02/<strong>2023</strong><br />

„Mischt euch ein!“<br />

Neugier und Freude als zentrale Faktoren<br />

für das Zusammenwachsen im Fachbereich<br />

bescheinigte Christoph Schmitz,<br />

Bundesfachbereichsleiter FB A, den Delegierten<br />

in seinem Grußwort. Wichtig sei<br />

die gewerkschaftliche Arbeit im Betrieb.<br />

Junge Leute sollten hier Gewerkschaft<br />

leben, um mehr Mitstreiter:innen zu gewinnen.<br />

Er verwies auf die vielen aktuell<br />

laufenden Tarifverhandlungen, wie die im<br />

Öffentlichen Dienst. Dabei müsse es ver.di<br />

noch stärker als bisher gelingen, auf Verbesserungen<br />

für Auszubildende und dual<br />

Studierende zu drängen. „Attraktiv für<br />

junge Arbeitskräfte zu sein, ist für unsere<br />

Gewerkschaft ebenso eine Überlebensfrage,<br />

wie für die Unternehmen.“ Er rief auf:<br />

„Mischt euch ein, seid kreativ und bleibt<br />

hartnäckig bei allen Fragen, die euch und<br />

eure Kolleginnen und Kollegen betreffen!“<br />

Innerhalb der Gewerkschaft müssten<br />

die Jugendkoordinator:innen weiter<br />

gestärkt werden. Aber klar sei auch, dass<br />

Jugendarbeit nicht nur von der Jugend<br />

gemacht werden müsse. Das sei eine Aufgabe<br />

für alle, so Christoph Schmitz.<br />

Auch Jugendkoordinator Thomas<br />

Bachmann ist überzeugt, dass der Sinn<br />

von ver.di der Austausch, das Netzwerken<br />

und das gemeinsame Grübeln – neudeutsch:<br />

Brainstorming – ist, um Arbeitsund<br />

Ausbildungsbedingungen zu verbessern.<br />

Unsere „Waffe“ dafür ist unsere<br />

Solidarität. Werkzeuge dafür lieferte auch<br />

Romy Schneider vom Projekt Aktivierende<br />

Gewerkschaftsarbeit, dessen Leitsatz lautet:<br />

„Das Herz der Gewerkschaft schlägt<br />

im Betrieb.“<br />

Nach der Entlastung des alten Vorstands<br />

wurde der neue geschäftsführende Vorstand<br />

gewählt und seine Mitglieder bestätigt.<br />

Herzlichen Glückwunsch an: Joana<br />

Starck, Lukas Gertzen, Dustin Pilz und<br />

Nino-Pascal Bündgen. Mit den kämpferischen<br />

Worten von Dustin Pilz geht es nun<br />

an die Arbeit: „Wir haben uns lange genug<br />

in den letzten Jahren mit uns selbst<br />

und unserer Struktur beschäftigt. Es ist<br />

Zeit, sich Problemen, die wir auch in der<br />

Ausbildung haben, zu stellen und nach<br />

vorne zu schauen.“<br />

schaften in den Schulen befasste. Weitgehende<br />

Einigkeit konnte darüber erzielt<br />

werden, dass Gewerkschaften und ihre<br />

Themen viel mehr in Schulen präsent sein<br />

müssen und ver.di viel besser mit den demokratischen<br />

Schüler:innen-Vertretungen<br />

zusammenarbeiten sollte. Deshalb wurde<br />

dem Antrag zugestimmt. Heftig diskutiert<br />

wurde auch ein Antrag zu den Jugendstrukturen<br />

bei der Telekom. Die Besonderheit<br />

dort, nach dem eigenen Ausbildungstarifvertrag<br />

gibt es Auszubildenden-Vertretungen,<br />

die eigenständig wie ein „kleiner<br />

Betriebsrat“ agieren können. Die<br />

Antragsteller votierten dafür, das zu ändern.<br />

Das ergab Widerspruch gepaart mit<br />

der Warnung, wie gefährlich es sei, gut<br />

funktionierende, tarifvertraglich vereinbarte<br />

Strukturen aufzugeben. Mehrheitlich<br />

wurde der Antrag abgelehnt.<br />

Nach einer 20er-Jahre-Party am Abend<br />

wurden am nächsten Tag weitere Anträge<br />

angenommen, die unter anderem mit<br />

Aufsichtsratsmandaten, dem JAV-Wahlalter<br />

und einer Home-Office-Pauschale befasst<br />

waren. Beschlossen wurde ebenfalls,<br />

dass die Fachbereichsjugend diverse Veranstaltungen<br />

planen sollte. Neben regelmäßigen<br />

Konferenzen ist da beispielsweise<br />

an „Vernetzungsfestivals“ gedacht.<br />

Breite Zustimmung fanden auch Anträge<br />

für eine Bier-/Softdrink-Preisbremse in gewerkschaftlichen<br />

Bildungseinrichtungen.<br />

Abschließend haben sich die Delegierten<br />

mit zwei Initiativanträgen beschäftigt,<br />

die sich für bezahlbaren Wohnraum für<br />

Nachwuchskräfte und die Unterstützung<br />

frauenrechtlicher und antisexistischer Bewegungen<br />

einsetzten. Widerspruch für<br />

diese Ziele gab es nicht.<br />

Leidenschaftliche Diskussionen<br />

Foto: ver.di Jugend<br />

Jasmin<br />

Gerschewski<br />

Diese Energie war auch bei der Antragsberatung<br />

spürbar, die sehr leidenschaftlich<br />

geführt wurde. Großes Diskussionspotenzial<br />

hatte ein Antrag, der sich mit Gewerk-<br />

Ngoc-Hien Le<br />

Foto: ver.di Jugend


10<br />

RECHT<br />

Betriebsräte ohne Betriebsstätte<br />

Während in manchen Betrieben neben der klassischen Arbeit in der Betriebsstätte<br />

mehr Homeoffice stattfindet, verzichten andere Betriebe ganz auf Büros<br />

und lassen Beschäftigte von überall aus arbeiten. Das hat auch Folgen für<br />

die Betriebsräte. Im Zuge dessen stellen sich vermehrt Fragen, die die betriebliche<br />

Mitbestimmung bei der Einführung und Ausgestaltung solcher Arbeitsformen<br />

betreffen. Auf diese Fragestellung haben der Gesetzgeber und<br />

die Arbeitsgerichte bislang Antworten finden können, mit denen betriebliche<br />

Mitbestimmung bei der Umgestaltung der Arbeitsorganisation gewährleistet<br />

werden kann. Vereinzelt lassen sich jedoch auch Entwicklungen in der Organisation<br />

der Arbeitswelt erkennen, die es als fraglich erscheinen lassen, ob<br />

das Betriebsverfassungsgesetz mit dem darin zugrunde gelegten Betriebsbegriff<br />

noch geeignet ist, betriebliche Mitbestimmung zu gewährleisten.<br />

Foto: ©4th Life Photography – stock.adobe.com<br />

VON NIELS OLE BEHDER<br />

Viele Unternehmen haben in der jüngeren<br />

Vergangenheit aufgrund der entsprechenden<br />

pandemiebedingten Vorgaben<br />

gezwungenermaßen Möglichkeiten geschaffen,<br />

damit die Mitarbeitenden im<br />

Homeoffice ihrer Arbeit nachgehen konnten.<br />

Dies hat einerseits dazu geführt, dass<br />

viele Beschäftigte die Vorzüge einer solchen<br />

Arbeitsweise erkannt haben und in<br />

Zukunft nicht darauf verzichten wollen.<br />

Unternehmen wiederum haben erkannt,<br />

dass die Kosten für die Anmietung von<br />

teuren Gewerberäumen signifikant gesenkt<br />

werden können, wenn für einen<br />

Teil der Belegschaft keine Präsenzarbeitsplätze<br />

im Betrieb vorgehalten werden<br />

müssen. Flankiert werden diese Maßnahmen<br />

in mitbestimmten Betrieben regelmäßig<br />

durch den Abschluss von Betriebsvereinbarungen,<br />

in denen die Umsetzung<br />

von Homeoffice und Mobilem Arbeiten<br />

genau geregelt wird. Wichtig bei dieser<br />

Konstellation ist, dass eine Betriebsstätte<br />

regelmäßig aufrechterhalten bleibt, wenn<br />

auch in reduziertem Umfang. Daneben<br />

lässt sich in der Praxis auch beobachten,<br />

dass Arbeitgeber vollständig auf Betriebsstätten<br />

verzichten. Die Mitarbeitenden<br />

sollen hier von Heimarbeitsplätzen aus<br />

oder von anderen – mitunter frei gewählten<br />

Standorten – ihre Arbeitsleistung erbringen.<br />

Betriebsratsarbeit ohne<br />

Betriebsstätte<br />

Für Unternehmen bringt diese Variante<br />

sicherlich einige wirtschaftliche Vorteile<br />

mit sich. So entfallen insbesondere Mietkosten<br />

mitsamt allen Nebenkosten für<br />

Strom, Wasser, Reinigung. Mit Blick auf<br />

die Betriebsratsarbeit stellen sich jedoch<br />

eine Vielzahl zentraler Fragen. Wie soll<br />

etwa ein gewählter Betriebsrat seine Aufgaben<br />

ordnungsgemäß ausüben können,<br />

wenn grundlegendste Dinge fehlen wie<br />

ein Betriebsratsbüro, in dem Sitzungen<br />

und Besprechungen abgehalten werden<br />

sowie Betriebsratsunterlagen verwahrt<br />

werden können? Wo und wie sollen Betriebsversammlungen<br />

abgehalten werden,<br />

wenn es keinerlei<br />

Betriebsörtlichkeiten<br />

gibt? Die teilweise oder<br />

gar vollständige Entkopplung<br />

der Arbeitsleistung<br />

der Mitarbeitenden<br />

von einer Betriebsstätte<br />

ist damit<br />

aus Betriebsratssicht sicherlich<br />

als problematisch<br />

anzusehen. Deshalb<br />

ist zunächst zu<br />

klären, welchen Stellenwert<br />

die Erbringung von<br />

Arbeitsleistung an einer<br />

bestimmten Betriebsstätte<br />

generell unter betriebsverfassungsrechtlichen<br />

Gesichtspunkten<br />

hat. Hierfür ist eine Auseinandersetzung<br />

mit<br />

dem Begriff „Betrieb“<br />

erforderlich.<br />

Der Betriebsbegriff<br />

Es gibt keine Legaldefinition des Betriebsbegriffs.<br />

Aus diesem Grund bleibt es der<br />

Rechtsprechung und der Lehre überlassen,<br />

die konstitutiven Merkmale eines<br />

„Betriebs“ im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes<br />

(BetrVG) zu bestimmen.<br />

Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ist<br />

ein „Betrieb“ als „die organisatorische<br />

Einheit anzusehen, innerhalb derer der<br />

Unternehmer allein oder zusammen mit<br />

seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher<br />

und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische<br />

Zwecke fortgesetzt verfolgt.“<br />

Inwieweit ein Betrieb unter Zugrundelegung<br />

dieser Definition eine Betriebsstätte<br />

aufweisen muss, in der die<br />

Mitarbeitenden zumindest zu einem bestimmten<br />

Anteil ihrer Arbeit vor Ort nachgehen<br />

können, ergibt sich aus der Begriffsdefinition<br />

des BAG nicht.


11 <strong>KOMM</strong> 02/<strong>2023</strong><br />

Betriebsbegriff bei teilweisem<br />

Verzicht auf Betriebsstätte<br />

Die Situation, dass ein Teil der Belegschaft<br />

seine Arbeitsleistung außerhalb einer Betriebsstätte<br />

erbringt, und wie sich dies<br />

mit dem Betriebsbegriff des BetrVG verhält,<br />

ist in jüngster Zeit bereits Gegenstand<br />

von Gerichtsentscheidungen im<br />

Zusammenhang mit dem Thema Homeoffice<br />

gewesen. Homeoffice stellt eine<br />

Variante des Mobilen Arbeitens dar. Unter<br />

Mobilem Arbeiten wiederum ist eine<br />

Arbeitsweise zu verstehen, die nicht an<br />

einen fest eingerichteten Telearbeitsplatz<br />

(§ 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung –<br />

ArbStättVO) oder an eine Arbeitsstätte<br />

(§ 2 Abs. 1 ArbStättVO) gebunden ist und<br />

die ein Tätigwerden von beliebigen Orten<br />

aus zulässt. Beim Homeoffice haben Beschäftigte<br />

dagegen lediglich die Möglichkeit,<br />

zeitweilig und nach Abstimmung mit<br />

dem Arbeitgeber im Privatbereich, regelmäßig<br />

in den eigenen Wohnräumen, unter<br />

Nutzung tragbarer IT-Systeme tätig zu<br />

werden. Liegt nun beim Homeoffice der<br />

Arbeitsplatz naturgemäß außerhalb der<br />

Betriebsstätte des Arbeitgebers, stellt sich<br />

die Frage, ob dann noch ein betrieblicher<br />

Arbeitsplatz vorliegt, der als Teil des Betriebs<br />

anzusehen ist. Dies wird überwiegend<br />

bejaht. Der Hintergrund dieser<br />

Rechtsauffassung ist darin zu sehen, dass<br />

der Betriebsbegriff des BetrVG nicht<br />

räumlich, sondern funktional verstanden<br />

wird. Aus diesem Grund bleiben Mitarbeitende<br />

weiterhin betriebszugehörig, wenn<br />

sie zwar außerhalb der Betriebsstätte tätig<br />

sind, jedoch weiterhin in die arbeitstechnische<br />

Organisation des Betriebs<br />

eingebunden sind.<br />

Betriebsbegriff bei vollständigem<br />

Verzicht auf Betriebsstätte<br />

Diese neue Entwicklung ist – soweit ersichtlich<br />

– noch nicht Gegenstand arbeitsgerichtlicher<br />

Entscheidungen gewesen.<br />

Als Vorüberlegung sollte man sich vor<br />

Augen führen, dass der vollständige Verzicht<br />

eines Unternehmens auf Betriebsstätten<br />

nicht den Ausschluss von betrieblicher<br />

Mitbestimmung nach dem BetrVG<br />

zur Folge haben darf. Anderenfalls bestünde<br />

hier die Gefahr, dass betriebliche<br />

Mitbestimmung gezielt unterbunden<br />

wird. Gerade in IT-lastigen Branchen, in<br />

denen ein flexibles und nicht standortgebundenes<br />

Arbeiten ohne Weiteres möglich<br />

ist, bestünde ein erhebliches Missbrauchspotenzial.<br />

Weiterhin ist zu beachten,<br />

dass soweit Beschäftigte in die<br />

arbeitstechnische Organisation eines Unternehmens<br />

eingeordnet sind, sie notwendigerweise<br />

auch betriebszugehörig<br />

sind. Denn werden Mitarbeitende beschäftigt,<br />

ohne dass es eine Betriebsstätte<br />

gibt, an der sie ihre Arbeitsleistung erbringen<br />

können, erfordert dies organisatorische<br />

Vorgaben durch den Arbeitgeber<br />

mitsamt einer organisatorischen Einbindung<br />

der Mitarbeitenden in Arbeitsprozesse.<br />

Betriebsräte bestimmen in beiden<br />

Konstellationen mit<br />

Nach allem ist festzuhalten, dass der teilweise<br />

Verzicht auf das Vorhalten von Betriebsstätten<br />

nicht dazu führt, dass die<br />

betriebliche Mitbestimmung nach dem<br />

BetrVG für die außerhalb einer Betriebsstätte<br />

tätigen Mitarbeitenden ausgeschlossen<br />

wird. Das gilt auch für Beschäftigte,<br />

die für Unternehmen tätig sind, in<br />

denen es überhaupt keine Betriebsstätten<br />

gibt. Betriebliche Mitbestimmung ist nicht<br />

zwingend von dem Vorhandensein einer<br />

Betriebsstätte abhängig. Der Betriebsbegriff<br />

des BetrVG ist flexibel interpretierbar.<br />

Abgrenzungsschwierigkeiten können<br />

sich jedoch ergeben, wenn es um die<br />

Zuordnung einzelner Beschäftigter zu<br />

mehreren denkbaren Betriebskonstellationen<br />

innerhalb eines Unternehmens<br />

ohne Betriebsstätte geht.<br />

Folgeprobleme für die<br />

Mitbestimmung<br />

Trifft ein Unternehmen die unternehmerische<br />

Entscheidung, vollständig auf Betriebsstätten<br />

zu verzichten, darf dies nicht<br />

dazu führen, dass die betriebliche Mitbestimmung<br />

erschwert oder gar unterbunden<br />

wird. Verzichtet ein Unternehmen<br />

auf den Unterhalt von Betriebsstätten,<br />

geht dies regelmäßig offenbar mit der<br />

Einstellung einher, dass auch keine Räumlichkeiten<br />

für Betriebsratsarbeit mehr zur<br />

Verfügung gestellt werden können/müssen.<br />

Eine rein virtuelle Betriebsratsarbeit<br />

ist aber bekanntlich (noch) nicht zulässig.<br />

Um beispielsweise den Vorrang der Präsenz<br />

bei Betriebsratssitzungen nach § 30<br />

Abs. 2 Nr. 1 BetrVG erfüllen zu können,<br />

muss zwangsläufig eine für Betriebsratssitzungen<br />

geeignete Räumlichkeit vorgehalten<br />

werden. Das BetrVG sieht in diesem<br />

Zusammenhang ausdrücklich eine<br />

Ausstattung von Betriebsräten mit Räumen<br />

und Sachmitteln vor, die ein Gremium<br />

in die Lage versetzt, seine Arbeit<br />

sachgerecht erledigen zu können, § 40<br />

Abs. 2 BetrVG. Die Kosten trägt in diesem<br />

Zusammenhang der Arbeitgeber, § 40<br />

Abs. 1 BetrVG. An dieser klaren gesetzlichen<br />

Regelung ändert die Entscheidung<br />

eines Unternehmens, vollständig auf Betriebsstätten<br />

zu verzichten, nichts. Dies<br />

DARUM GEHT ES<br />

1. Betriebliche Mitbestimmung muss<br />

auch gewährleistet werden,<br />

wenn es keine Betriebsstätte gibt<br />

und sämtliche Mitarbeitende<br />

virtuell beschäftigt werden.<br />

2. Der Arbeitgeber muss Betriebsräte<br />

– auch wenn es keine Betriebsstätte<br />

gibt – mit Räumen<br />

und Sachmitteln ausstatten.<br />

3. Auch für die viermal im Jahr stattfindenden<br />

Betriebsversammlungen<br />

muss der Arbeitgeber geeignete<br />

Räumlichkeiten vorhalten.<br />

gilt auch für die Durchführung von Betriebsversammlungen.<br />

Gibt es keine geeigneten<br />

betrieblichen Räume, die für<br />

eine Betriebsversammlung genutzt werden<br />

können, hat der Arbeitgeber zur Not<br />

geeignete Räume auf seine Kosten anzumieten,<br />

§ 40 Abs. 1 BetrVG.<br />

Verlässliche Rahmenbedingungen<br />

wünschenswert<br />

Die Gewährleistung betrieblicher Mitbestimmung<br />

ist unter Berücksichtigung der<br />

Regelungen des BetrVG möglich, selbst<br />

wenn keinerlei Betriebsstätten zur Verfügung<br />

gestellt werden und sämtliche Mitarbeitende<br />

virtuell beschäftigt werden.<br />

Der Betriebsbegriff kann unabhängig von<br />

einer konkreten Betriebsstätte definiert<br />

werden. Betriebsräte, die mit einer Auflösung<br />

aktuell noch bestehenden Betriebsstätten<br />

konfrontiert werden, sind<br />

gefordert, einer Unterminierung der betrieblichen<br />

Mitbestimmung konsequent<br />

entgegenzuwirken.<br />

Viele in diesem Zusammenhang auftretende<br />

Streitfragen werden gerichtlich<br />

überprüft werden müssen, woraus sich<br />

dann für die Zukunft hoffentlich verlässliche<br />

Rahmenbedingungen ableiten lassen.<br />

Dieser Artikel erschien zuerst in ungekürzter<br />

Fassung in der Zeitschrift Arbeitsrecht<br />

im Betrieb im Bund-Verlag.<br />

www.bund-verlag.de<br />

Niels Ole Behder<br />

LL.M. Fachanwalt<br />

für Arbeitsrecht<br />

AfA Rechtsanwälte,<br />

Berlin.<br />

www.afa-anwalt.de<br />

Foto: Alan Ovaska


12<br />

FRAUEN<br />

KONSTRUKTIV, ZUGEWANDT<br />

Vereinte Kraft, keine halben Sachen und maximale Ermutigung – das waren<br />

die Devisen der ersten gemeinsamen Frauenkonferenz des ver.di-Fachbereiches<br />

A. Knapp 70 Delegierte der „Finanzdienste, Kommunikation und<br />

Technologie, Kultur sowie Ver- und Entsorgung“ erfüllten sie mit Leben.<br />

Die Frauen werden ihre Interessen auch künftig energisch vertreten – mit<br />

eigenen Strukturen und einem gewählten Vorstand. Über Kompass und<br />

Inhalte herrschte großes Einvernehmen, fast alle Beschlüsse fielen einstimmig.<br />

Neben Referaten zur ver.di-Frauenpolitik und zur Lage im Energiesektor<br />

bestimmten acht Themen in Form eines Worldcafés die Konferenzdebatten.<br />

VON HELMA NEHRLICH<br />

Konstruktiv und zugewandt, aber durchaus<br />

auch selbstbewusst, so präsentierte<br />

sich diese 1. Bundesfachbereichsfrauenkonferenz<br />

am 22. und 23. Februar <strong>2023</strong>.<br />

Sie startete nicht am Punkt Null. Das<br />

machten Nicole Seelemann-Wandtke und<br />

Ayse Tekin, die bislang Fraueninteressen<br />

im Gründungsvorstand des neuen Fachbereiches<br />

vertreten hatten, schon zur Begrüßung<br />

klar. Durch alle Debatten zog<br />

sich der Begriff des „Arbeitspakets Frauen-<br />

und Gleichstellungspolitik“, der sich<br />

DER NEUE FRAUENFACHBEREICHSVORSTAND<br />

für die engagierte Vorbereitungs- und<br />

Koordinierungsarbeit frauenspezifischer<br />

Themen sowie für ihre Streiterinnen im<br />

künftigen ver.di-Fachbereich eingebürgert<br />

hatte.<br />

In Ergänzung des schriftlichen Geschäftsberichts<br />

wurden Aktive interviewt,<br />

die sich in diesem Formierungsprozess<br />

bereits für Frauenanliegen stark gemacht<br />

hatten. Sigrid Schubecker aus dem Bereich<br />

Finanzdienste etwa berichtete, wie<br />

es unter Pandemiebedingungen trotzdem<br />

gelungen sei, ein Projektpapier und Satzungsvorschläge<br />

zu erarbeiten, um Frauen<br />

Nicole Seelemann-Wandtke (IKT), Susanne Treptow (IKT), Yvonne Schroeder<br />

(IKT), Martina Uhlenbrok (IKT), Lisa-Marie Brüllke (IKT), Berlinda Kestler, Sigrid<br />

Schubecker, Chris Henke (IKT), Claudia Kipferler (IKT), Tanja Endres (IKT), Regina<br />

Fischer, Frauke Hüttmann, Christiane Kutil-Bleibaum, Nicole Schlabach, Iris<br />

Frisch, Sabine Knappe, Sophia Nerrether, Claudia Kettenbeil, Sandra Becker,<br />

Jasmin Bozok, Gisela Basler-Wind (IKT), Andrea Dube (IKT), Veronika Moos (IKT)<br />

und Verena Barg (IKT). Ein weiteres Mandat ist noch nicht besetzt.<br />

* In Klammern gekennzeichnet die Kolleginnen aus der Fachgruppe IKT<br />

im neuen Fachbereich „sichtbar zu machen<br />

und die Arbeit mitzugestalten“. Frauen<br />

hätten „überall in den bisher gewählten<br />

Gremien Mandate bekommen“, darin<br />

sah Energiewerkerin Frauke Hüttmann ein<br />

Highlight des bisherigen Engagements.<br />

Dass „nichts Gutes verlorengeht“, war Antrieb<br />

für Walburga Rempe-Baldin, Freiberuflerin<br />

im Medien- und Kulturbereich, wo<br />

heterogene Interessenvertretung bereits<br />

über einen Frauenvorstand koordiniert<br />

worden war. Projektleiterin Alkmene Maiwald<br />

würdigte Gestaltungswillen und<br />

Enthusiasmus der Mitstreiterinnen im Arbeitspaket,<br />

deren Erfahrungen und Vorschläge<br />

auch in die Vorbereitung der<br />

Konferenz eingeflossen seien.<br />

Eigener Vorstand<br />

Nur folgerichtig schien, dass für die künftige<br />

Form der Arbeit im Fachbereich der<br />

weitestgehende Vorschlag die Zustimmung<br />

der Delegierten fand: Statt sich nur<br />

offener oder projektbezogener Arbeit zu<br />

bedienen, votierte die Konferenz einstimmig<br />

für die Bildung eines Bundesfachbereichsfrauenvorstandes,<br />

der – mit eigenem<br />

Budget und Gestaltungskompetenz<br />

ausgestattet – Fraueninteressen im neuen<br />

Fachbereich vertreten soll. Vierundzwanzig<br />

Gewählte aus den verschiedenen<br />

Fachgruppen und Landesbezirken erhielten<br />

den Rückhalt der Delegierten, nun mit<br />

vereinter Kraft Fraueninteressen voranzubringen.<br />

„Keine Anpassung an die Vorstellungen<br />

alter weißer Männer!“ ermutigte<br />

auch Bundesfachbereichsleiter Christoph


13 <strong>KOMM</strong> 02/<strong>2023</strong><br />

UND SELBSTBEWUSST<br />

Schmitz die Teilnehmerinnen zur spezifischen<br />

Wahrnehmung ihrer Interessen:<br />

„Machen wir uns nichts vor, diese Gesellschaft<br />

ist immer noch strukturell patriarchalisch.<br />

Wir müssen gemeinsam mit den<br />

Männern immer wieder Impulse setzen<br />

– auch in der Gewerkschaft, in den Interessenvertretungen,<br />

Tarifkommissionen<br />

und Vorständen – um Strukturen und<br />

Denken zu verändern.“ Da bleibe viel zu<br />

tun. Und es gehöre zum Wesen von Neuerungen,<br />

dass beim Ausprobieren auch<br />

„mal etwas schiefgehen könne“.<br />

Breit gefächerte Themen<br />

Vorschläge als „ganzen Fächer frauenpolitischer<br />

Themen, mit denen Ihr euch<br />

künftig beschäftigen könntet“, offerierte<br />

Alexa Wolfstädter vom ver.di-Bereich<br />

Frauen- und Gleichstellungspolitik. Das<br />

Risiko eines „frauenpolitischen Roll-Back“<br />

sei real, betonte sie in ihrem Impulsreferat.<br />

„Die aktuellen globalen Krisen sind<br />

nur gut zu lösen, wenn frauenpolitische<br />

Fragen darin integriert sind.“ Das schließe<br />

die Verringerung und Beseitigung gravierender<br />

Gender-Lücken ein, die zumeist<br />

auch im Gleichstellungsbericht der Bundesregierung<br />

benannt würden: von einer<br />

Digitalisierungs-Lücke, über den bekannten<br />

Gender-Pay-Gap, die ungerechte Verteilung<br />

von Sorgearbeit, nötige Umverteilungen<br />

in der Arbeitszeitpolitik bis hin zur<br />

vielfach existenziell bedrohlichen Renten-Lücke.<br />

Diese und weitere Themen spiegelten<br />

sich nachfolgend an den „Thementischen“<br />

des Worldcafés wieder. Den unterschiedlich<br />

angelegten, parallel laufenden<br />

Diskussionsforen konnten sich die<br />

Teilnehmerinnen nach eigener Wahl anschließen,<br />

Fragen aufwerfen und Vorschläge<br />

einbringen. Dabei ging es um die<br />

tarifpolitische Arbeit von Frauen, um<br />

Frauen und Digitalisierung, um Homeoffice<br />

und das „New Normal“ im Bereich<br />

Gute Arbeit, um Kommunikation, Netzwerken<br />

und die Gewinnung von mehr<br />

weiblichen Nachwuchskräften, etwa mit<br />

dem Projekt RONJA, aber auch um Sexismus<br />

und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz<br />

oder die Vorstellung der Vertrauensstelle<br />

Themis.<br />

Mit Blick auf die Digitalisierung sei es<br />

nicht leicht, einen „frauenspezifischen<br />

Zuschnitt“ zu finden, erläuterte Dorothea<br />

Forch von der Bundesfachgruppe IKT bei<br />

der späteren Auswertung, da sie alle Beschäftigten<br />

betreffe. Doch gehe es vor<br />

allem bei nötigem Nachteilsausgleich darum,<br />

Frauenbedürfnisse stärker zu berücksichtigen<br />

und dafür in der Arbeitswelt<br />

Verbündete und Unterstützer zu<br />

finden.<br />

Gewerkschaftliches Arbeitspaket<br />

Etliche solcher Schwerpunkte fanden sich<br />

in Anträgen wieder, die die Konferenz am<br />

Abschlusstag verabschiedete. Eine einstimmig<br />

beschlossene tarifpolitische Forderung<br />

verlangt etwa die Prüfung aller<br />

neu verhandelten Tarifverträge im Fachbereich<br />

auf die Einhaltung von Entgeltgleichheit.<br />

Weitere Anträge zielen darauf,<br />

die Arbeitsbedingungen von Frauen in<br />

selbstständiger Erwerbsarbeit stärker zu<br />

fördern sowie angemessene Basishonorare<br />

für selbstständige Kreative durchzusetzen.<br />

Im Rahmen der gewerkschaftlichen<br />

Digitalisierungsstrategie für Geschlechtergerechtigkeit<br />

zu sorgen und Qualifizierung<br />

zur Beschäftigungssicherung in<br />

Digitalisierungsprozessen zu nutzen, darauf<br />

zielten zwei spezielle Anträge. Die<br />

Delegierten stimmten für einen höheren<br />

Frauenanteil in TOP-Führungspositionen<br />

und forderten eine gerechtere Arbeitszeitpolitik.<br />

Dazu zählten sie eine gesetzlich<br />

verbriefte bedingungslose Rückkehrmöglichkeit<br />

in ein Vollzeitarbeitsverhältnis,<br />

eine Informationspflicht für Arbeitgeber<br />

bei Rückkehrgesprächen aus der<br />

Elternzeit sowie die Gewährung von<br />

Freistellungen für ehrenamtliche gewerkschaftliche<br />

Arbeit. Einhellige Zustimmung<br />

fand auch der Antrag, sich für die Streichung<br />

der unverhältnismäßigen Einkommensprüfung<br />

für die Grundrente einzusetzen.<br />

Dass die Bundesfachbereichskonferenz<br />

eine Resolution „Frauen. Leben.<br />

Freiheit. Solidarität mit dem Widerstand<br />

iranischer Frauen“ ebenfalls einstimmig<br />

angenommen hat, auch das ein Zeichen<br />

der Ermutigung.<br />

Helma<br />

Nehrlich<br />

Freie Journalistin<br />

Foto: privat Fotos: Stephanie von Becker


14<br />

CITIZEN DEVELOPMENT<br />

Demokratisierung der IT<br />

Mitarbeitende reagieren sehr unterschiedlich auf sich immer schneller verändernde<br />

disruptive Technologien. Die einen sind vom Fortschritt begeistert<br />

und probieren neue digitale Tools direkt aus, andere sind verunsichert und<br />

bangen gar um ihren Job. Vermehrt macht in diesem Kontext der Begriff der<br />

demokratischen IT die Runde, die für mehr Transparenz und Vertrauen<br />

sorgen soll. Was steckt dahinter und welchen konkreten Nutzen können<br />

Mitarbeitende daraus ziehen?<br />

Prozesse besser feststellen können als<br />

jene Mitarbeitenden, die auch täglich damit<br />

zu tun haben? Die Barriere zwischen<br />

den Menschen, die die Software schreiben<br />

und den Menschen, die die Software<br />

nutzen, wird damit aufgebrochen und<br />

Raum geschaffen für ein neues Zusammenarbeiten.<br />

Digitale Veränderungsprozesse werden<br />

meist nach dem Top-Down-Prinzip durchgeführt,<br />

bei dem unternehmensweite<br />

Entscheidungen von der obersten Führungsebene<br />

getroffen und dann dem<br />

restlichen Team mitgeteilt werden. Mit<br />

Citizen Development kommt ein neuer<br />

Ansatz ins Spiel, der wie kein anderer für<br />

die Demokratisierung der IT steht. Im Fokus<br />

stehen dabei die einzelnen Mitarbeitenden,<br />

die aktiv in die Software-Entwicklung<br />

integriert werden. Die sogenannten<br />

Citizen Developer sind Mitarbeitende einer<br />

Organisation, die nicht in der IT tätig<br />

sind und dennoch digitale Prozesse aus<br />

eigener Kraft umsetzen können.<br />

Mit No Code zum Digitalisierungsprofi<br />

werden<br />

Wenn Mitarbeitende ohne formale Ausbildung<br />

in der Softwareentwicklung Anwendungen<br />

erstellen, nennt man das<br />

„Bürgerentwicklung“ oder auch „Citizen<br />

Development“. Da diese Anwender in der<br />

Regel keine Programmiersprachen beherrschen,<br />

benötigen Sie Werkzeuge, die<br />

ohne Programmiercode auskommen. Realisiert<br />

wird das Ganze mit Unterstützung<br />

von sogenannten No-Code-Tools, die<br />

Usern die Erstellung von Anwendungssoftware<br />

mittels Drag-and-drop von vorgefertigten<br />

Bausteinen ermöglichen.<br />

No-Code-Technologie ist branchenübergreifend<br />

überall dort im Einsatz, wo analoge<br />

in digitale Prozesse umgewandelt<br />

werden sollen. So lassen sich beispielsweise<br />

klassische Klemmbrettprozesse wie<br />

Checklisten, Abnahmen und Protokolle<br />

spielend leicht digitalisieren.<br />

In der Logistikbranche etwa wird No<br />

Code eingesetzt, um den Wareneingang<br />

zu dokumentieren, Qualitätssicherungen<br />

durchzuführen, Schäden zu melden und<br />

viele weitere Prozesse digital abzubilden.<br />

Im Energiesektor werden Zählerstände<br />

erfasst, Instandhaltungen angestoßen<br />

und Wartungen protokolliert. So hat jede<br />

Branche seine typischen Einsatzgebiete.<br />

Und wer im Unternehmen sollte den Optimierungsbedarf<br />

der täglich gelebten<br />

Digitale Fertigkeiten<br />

ausbauen<br />

Wenn Mitarbeitende merken,<br />

dass sie bei der Frage nach neuen<br />

Digitalisierungstools nicht<br />

länger in der passiven Rolle feststecken,<br />

sondern eine aktive<br />

Treiberrolle einnehmen können,<br />

wirkt sich das positiv auf den<br />

Arbeitsalltag und das Zugehörigkeitsgefühl<br />

im Unternehmen<br />

aus. Citizen Developer, die zuvor<br />

womöglich gar keine Berührungspunkte<br />

mit IT-Themen hatten,<br />

erlernen neue digitale Skills,<br />

die sie einsetzen können, um ihr<br />

Team oder Umfeld zu optimieren.<br />

Denn wer selbst unmittelbar<br />

an der Digitalisierung der<br />

eigenen Prozesse beteiligt ist,<br />

fördert dadurch auch das eigene<br />

Prozessdenken. Doch prinzipiell<br />

gilt: Teilhabe wird in der Regel<br />

nicht auf dem Silber tablett serviert! Um<br />

das volle Potenzial von Konzepten wie<br />

Citizen Development auszuschöpfen, ist<br />

Pro-Aktivität von allen Seiten gefragt.<br />

Technologie dient dem Menschen<br />

und nicht andersherum<br />

Veränderungsprozesse gehen immer mit<br />

neuen Herausforderungen einher. Umso<br />

wichtiger ist es, den Menschen dabei im<br />

Fokus zu behalten und ihn aktiv am Wandel<br />

zu beteiligen. Eine offene Kommunikation<br />

über Bedenken, Risiken und Ängste<br />

sowie Transparenz sind dabei essenziell.<br />

Denn nur Mitarbeitende, die keine<br />

Angst vor Veränderungen (mehr) haben,<br />

werden diese aktiv unterstützen. Zudem<br />

ist es sinnvoll, Lernkonzepte zu erstellen<br />

und auch Freiräume für Versuch und Irrtum<br />

zu schaffen. Wenn Unternehmen<br />

diese Faktoren bedenken und den Menschen<br />

bei allen Entscheidungen in den<br />

Mittelpunkt des Handelns stellen, können<br />

Bedenken beseitigt und die Chancen<br />

neuer Technologien ergriffen werden.


15 <strong>KOMM</strong> 02/<strong>2023</strong><br />

ENERGIEGELD<br />

ver.di fordert Gleichbehandlung<br />

Die Telekom zahlt im März<br />

<strong>2023</strong> eine Infla tions ausgleichsprämie<br />

in Höhe von<br />

1000 Euro, allerdings nur<br />

an ihre Tarifbeschäftigten<br />

und an beurlaubte Beamt:innen.<br />

Die Zahlung an<br />

die bei ihr beschäftigten<br />

aktiven und zugewiesenen<br />

Beamtinnen und Beamte<br />

hat die Telekom kategorisch<br />

abgelehnt.<br />

VON ANITA SCHÄTZLE<br />

Hohe Inflation und stark gestiegene<br />

Preise, insbesondere<br />

bei Energie und Lebensmitteln,<br />

machen das gewohnte<br />

Leben teuer. Davon betroffen<br />

sind die Tarifbeschäftigten,<br />

aber ebenso die Beamt:innen<br />

im Telekom-Konzern. Eine freiwillige<br />

Sonder zahlung des Arbeitgebers kann<br />

ent lasten.<br />

Inflationsausgleichsprämie<br />

Bis zu 3000 Euro können Arbeitgeber:innen<br />

seit dem 26. Oktober 2022 bis Ende<br />

2024 als freiwillige Leistung ihren Beschäftigten<br />

steuer- und abgabenfrei gewähren.<br />

Die Inflationsausgleichsprämie<br />

ist Teil des dritten Entlastungspakets vom<br />

3. September 2022. Grundlage ist das<br />

„Gesetz zur temporären Senkung des<br />

Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen<br />

über das Erdgasnetz“.<br />

Telekom lehnt ab<br />

ver.di hat die Telekom aufgefordert, unabhängig<br />

von der Tarif- und Besoldungsrunde<br />

Öffentlicher Dienst (ÖD), ihren aktiven<br />

und zugewiesenen Beamt:innen<br />

eine Inflationsausgleichsprämie zu zahlen.<br />

Die Telekom verweist jedoch auf die<br />

laufende Tarifrunde ÖD für Bund und<br />

Kommunen. Sollte das Tarifergebnis ein<br />

Energiegeld enthalten, ist grundsätzlich<br />

von einer Übertragung auf die Bundesbeamt:innen<br />

per Gesetz auszugehen. Doch<br />

abhängig vom Betrag eines solchen Energiegeldes<br />

kann letztlich eine Differenz zu<br />

dem von der Telekom an ihre Tarifbeschäftigten<br />

und beurlaubten Beamt:innen<br />

gezahlten Energiegeld entstehen. ver.di<br />

fordert die Telekom auf, in diesem Fall<br />

eine gegebenenfalls entstehende Differenz<br />

auszu gleichen.<br />

Foto: ©Wolfilser – stock.adobe.com<br />

BESOLDUNG<br />

Amtsangemessene Besoldung auf Kante genäht<br />

Der Entwurf eines „Bundesbesoldungs-<br />

und -versorgungsangemessenheitsgesetz“<br />

(BBVAngG) des Bundesministeriums<br />

des Innern und für<br />

Heimat (BMI) liegt in zweiter Fassung<br />

vor. Kernpunkt ist eine Novellierung<br />

des Familienzuschlags.<br />

Hintergrund ist die Umsetzung zweier<br />

Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen<br />

aus 2020 (2 BvL 4/18 und 2 BvL 6/17<br />

u. a.) zum Alimentationsprinzip. Deutliche<br />

Kritikpunkte gab es bereits zur ersten Fassung,<br />

die Zweite ist noch enttäuschender.<br />

Der Familienzuschlag Stufe 1 (Verheiratetenzuschlag)<br />

soll abgeschafft werden. Der<br />

kindbezogene Familienzuschlag bleibt in<br />

weiten Teilen unverändert. Ein alimentativer<br />

Ergänzungszuschlag (AEZ) soll – abhängig<br />

vom Familienstand und von der<br />

mittels Wohngeldgesetz zugeordneten<br />

Mietenstufe des Wohnorts inklusive eines<br />

Abschmelzbetrags – eingeführt, die Einstiegsgrundgehälter<br />

im einfachen und<br />

mittleren Dienst sowie die Beihilfebemessungssätze<br />

für berücksichtigungsfähige<br />

Angehörige und Kinder auf 90 Prozent<br />

sowie für die beihilfeberechtigte Person<br />

ab dem ersten Kind auf 70 Prozent angehoben<br />

werden.<br />

ver.di und der DGB fordern eine echte<br />

Besoldungsreform. Das betrifft insbesondere<br />

das Spannungsgefüge zwischen den<br />

Besoldungsgruppen und den Leistungsstufen<br />

innerhalb der Tabelle. Ein auf Kante<br />

genähtes Konstrukt aus Einzelmaßnahmen<br />

führt weder zu angemessener Besoldung<br />

noch zur Stärkung der Familien.<br />

Anita Schätzle<br />

Gewerkschaftssekretärin<br />

i. R.<br />

Foto: privat


16<br />

GEWERKSCHAFTEN HELFEN<br />

Spendenaufruf für Erdbebenopfer<br />

In der Nacht vom 5. auf den 6. Februar <strong>2023</strong> traf ein Erdbeben der Stärke<br />

7,8, gefolgt von Dutzenden, teils schweren Nachbeben die syrisch-türkische<br />

Grenzregion. Tausende Menschen sind ums Leben gekommen, noch viel<br />

mehr verletzt. Sowohl im Südosten der Türkei als auch im Norden Syriens<br />

sind unzählige Gebäude eingestürzt. Das Ausmaß der Zerstörung und deren<br />

Folgen sind noch kaum zu überblicken, auch weil Telefonnetze und das<br />

Internet teilweise zusammengebrochen sind.<br />

Die Lage ist dramatisch und trifft ein Gebiet,<br />

das vielerorts schon vor dem Erdbeben<br />

in Trümmern lag. In der gesamten<br />

Region leben Millionen syrische Bürgerkriegsflüchtlinge,<br />

deren Situation sich<br />

durch das Erdbeben noch einmal drastisch<br />

verschlechtert hat.<br />

Schnell, unbürokratisch und umfassend<br />

muss den Menschen geholfen werden,<br />

die alles verloren haben und bei eisigen<br />

Temperaturen auf Unterstützung<br />

warten. Wir Gewerkschaften stehen für<br />

praktische Solidarität. Sei auch du dabei,<br />

den betroffenen Menschen in ihrer akuten<br />

Not solidarisch zu helfen. Der Verein<br />

des DGB „Gewerkschaften helfen e. V.“<br />

hat dafür ein Spendenkonto unter dem<br />

SPENDENKONTO<br />

Stichwort „Erdbeben Türkei und Syrien“<br />

eingerichtet (siehe Kasten).<br />

Spender*innen, die eine Spendenquittung<br />

erhalten möchten, geben bitte direkt<br />

in der Überweisung ihren vollständigen<br />

Namen und ihre Adresse an. Ihnen<br />

wird die Spendenbescheinigung automatisch<br />

zu Beginn des nächsten Jahres<br />

zugesendet.<br />

Danke für deine Spende.<br />

Gewerkschaften helfen!<br />

Stichwort: Erdbeben Türkei und Syrien<br />

IBAN: DE55 2505 0000 0152 0114 90<br />

BIC: NOLADE2HXXX<br />

Anzeige<br />

ERDBEBEN IN SYRIEN<br />

UND DER TÜRKEI<br />

Füreinander da, wenn es darauf ankommt<br />

©istock.com/MeteCanerArican<br />

Die Situation in den Erdbebengebieten in Syrien und der Türkei ist verheerend und erfordert unsere Solidarität<br />

mit den Kolleginnen und Kollegen, die ihre Wurzeln in den betroffenen Gebieten haben.<br />

Unterstützungen sind für folgende Kosten möglich:<br />

• Belegte Reisekosten (Flugtickets/Bahnfahrkarte/Tankbelege)<br />

bis zu insgesamt 1.000 Euro pro antragstellender Person für<br />

– Reisen zum/vom Erdbebengebiet für Beschäftigte rund<br />

um Post, Postbank und Telekom **<br />

– Reisen vom Erdbebengebiet nach Deutschland für nahe<br />

Verwandte *<br />

• Pauschale Unterstützung für Anschaffungen, wenn nahe Verwandte<br />

* im eigenen Haushalt in Deutschland aufgenommen<br />

werden (500 Euro pro Person, bis maximal 1.500 Euro)<br />

Bei der Antragstellung wird die finanzielle Situation des/der<br />

Beschäftigten geprüft. Das Einkommen darf die in § 53 Nr. 2<br />

der Abgabenordnung genannten Grenzen nicht übersteigen.<br />

* Nahe Verwandte. Eltern, Großeltern, Schwiegereltern, Ehegatten, Lebenspartner*innen,<br />

Geschwister, Kinder und Kinder des Ehegatten oder Lebenspartners<br />

(auch Adoptiv- oder Pflegekinder), Ehepartner*innen der Kinder,<br />

Enkelkinder, Schwägerinnen und Schwager, Nichten und Neffen<br />

** Unter www.betreuungswerk.de/organisationen finden Sie die vollständige<br />

Liste der betreffenden Unternehmen.<br />

Weitere Informationen finden Sie unter:<br />

www.betreuungswerk.de/erdbeben.<br />

BETREUUNGSWERK Post Postbank Telekom<br />

Nauheimer Straße 98 | 70372 Stuttgart<br />

mail@betreuungswerk.de | www.betreuungswerk.de<br />

Telefon: 0711 9744-13605

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