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KOMM 2/2023

KOMM ist das Mitgliedermagazin der Bundesfachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di

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10<br />

RECHT<br />

Betriebsräte ohne Betriebsstätte<br />

Während in manchen Betrieben neben der klassischen Arbeit in der Betriebsstätte<br />

mehr Homeoffice stattfindet, verzichten andere Betriebe ganz auf Büros<br />

und lassen Beschäftigte von überall aus arbeiten. Das hat auch Folgen für<br />

die Betriebsräte. Im Zuge dessen stellen sich vermehrt Fragen, die die betriebliche<br />

Mitbestimmung bei der Einführung und Ausgestaltung solcher Arbeitsformen<br />

betreffen. Auf diese Fragestellung haben der Gesetzgeber und<br />

die Arbeitsgerichte bislang Antworten finden können, mit denen betriebliche<br />

Mitbestimmung bei der Umgestaltung der Arbeitsorganisation gewährleistet<br />

werden kann. Vereinzelt lassen sich jedoch auch Entwicklungen in der Organisation<br />

der Arbeitswelt erkennen, die es als fraglich erscheinen lassen, ob<br />

das Betriebsverfassungsgesetz mit dem darin zugrunde gelegten Betriebsbegriff<br />

noch geeignet ist, betriebliche Mitbestimmung zu gewährleisten.<br />

Foto: ©4th Life Photography – stock.adobe.com<br />

VON NIELS OLE BEHDER<br />

Viele Unternehmen haben in der jüngeren<br />

Vergangenheit aufgrund der entsprechenden<br />

pandemiebedingten Vorgaben<br />

gezwungenermaßen Möglichkeiten geschaffen,<br />

damit die Mitarbeitenden im<br />

Homeoffice ihrer Arbeit nachgehen konnten.<br />

Dies hat einerseits dazu geführt, dass<br />

viele Beschäftigte die Vorzüge einer solchen<br />

Arbeitsweise erkannt haben und in<br />

Zukunft nicht darauf verzichten wollen.<br />

Unternehmen wiederum haben erkannt,<br />

dass die Kosten für die Anmietung von<br />

teuren Gewerberäumen signifikant gesenkt<br />

werden können, wenn für einen<br />

Teil der Belegschaft keine Präsenzarbeitsplätze<br />

im Betrieb vorgehalten werden<br />

müssen. Flankiert werden diese Maßnahmen<br />

in mitbestimmten Betrieben regelmäßig<br />

durch den Abschluss von Betriebsvereinbarungen,<br />

in denen die Umsetzung<br />

von Homeoffice und Mobilem Arbeiten<br />

genau geregelt wird. Wichtig bei dieser<br />

Konstellation ist, dass eine Betriebsstätte<br />

regelmäßig aufrechterhalten bleibt, wenn<br />

auch in reduziertem Umfang. Daneben<br />

lässt sich in der Praxis auch beobachten,<br />

dass Arbeitgeber vollständig auf Betriebsstätten<br />

verzichten. Die Mitarbeitenden<br />

sollen hier von Heimarbeitsplätzen aus<br />

oder von anderen – mitunter frei gewählten<br />

Standorten – ihre Arbeitsleistung erbringen.<br />

Betriebsratsarbeit ohne<br />

Betriebsstätte<br />

Für Unternehmen bringt diese Variante<br />

sicherlich einige wirtschaftliche Vorteile<br />

mit sich. So entfallen insbesondere Mietkosten<br />

mitsamt allen Nebenkosten für<br />

Strom, Wasser, Reinigung. Mit Blick auf<br />

die Betriebsratsarbeit stellen sich jedoch<br />

eine Vielzahl zentraler Fragen. Wie soll<br />

etwa ein gewählter Betriebsrat seine Aufgaben<br />

ordnungsgemäß ausüben können,<br />

wenn grundlegendste Dinge fehlen wie<br />

ein Betriebsratsbüro, in dem Sitzungen<br />

und Besprechungen abgehalten werden<br />

sowie Betriebsratsunterlagen verwahrt<br />

werden können? Wo und wie sollen Betriebsversammlungen<br />

abgehalten werden,<br />

wenn es keinerlei<br />

Betriebsörtlichkeiten<br />

gibt? Die teilweise oder<br />

gar vollständige Entkopplung<br />

der Arbeitsleistung<br />

der Mitarbeitenden<br />

von einer Betriebsstätte<br />

ist damit<br />

aus Betriebsratssicht sicherlich<br />

als problematisch<br />

anzusehen. Deshalb<br />

ist zunächst zu<br />

klären, welchen Stellenwert<br />

die Erbringung von<br />

Arbeitsleistung an einer<br />

bestimmten Betriebsstätte<br />

generell unter betriebsverfassungsrechtlichen<br />

Gesichtspunkten<br />

hat. Hierfür ist eine Auseinandersetzung<br />

mit<br />

dem Begriff „Betrieb“<br />

erforderlich.<br />

Der Betriebsbegriff<br />

Es gibt keine Legaldefinition des Betriebsbegriffs.<br />

Aus diesem Grund bleibt es der<br />

Rechtsprechung und der Lehre überlassen,<br />

die konstitutiven Merkmale eines<br />

„Betriebs“ im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes<br />

(BetrVG) zu bestimmen.<br />

Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ist<br />

ein „Betrieb“ als „die organisatorische<br />

Einheit anzusehen, innerhalb derer der<br />

Unternehmer allein oder zusammen mit<br />

seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher<br />

und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische<br />

Zwecke fortgesetzt verfolgt.“<br />

Inwieweit ein Betrieb unter Zugrundelegung<br />

dieser Definition eine Betriebsstätte<br />

aufweisen muss, in der die<br />

Mitarbeitenden zumindest zu einem bestimmten<br />

Anteil ihrer Arbeit vor Ort nachgehen<br />

können, ergibt sich aus der Begriffsdefinition<br />

des BAG nicht.

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