Die Muster- knaben - Rondo
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Da Capo<br />
Gezischtes Doppel: Premieren notizen<br />
der RONDO-Opernkritik<br />
<strong>Die</strong> Feen. Solisten,<br />
Kinderkomparsen und<br />
Chor der Oper Leipzig<br />
Wagner-Urschlamm<br />
Oper Leipzig<br />
Richard Wagner: „<strong>Die</strong> Feen“<br />
Wie ist es möglich, dass ein musikalisches Ass<br />
wie Wagner eine dermaßen fürchterliche Oper<br />
schrieb?! Wirre Handlung. Endlos mäandernde<br />
Matsch-Lawinen. Und Partien, bei denen sich<br />
die sattelfestesten Sänger die Stimme verrenken.<br />
Nichts gegen Wagner generell! Aber „<strong>Die</strong> Feen“ –<br />
ähnlich dem anderen verstoßenen Frühwerk<br />
„Das Liebesverbot“, aber nicht so schlimm wie<br />
„Rienzi“ – sind ein Lehrstück dieses Wagner-<br />
Jahrs: gerade deswegen, weil man um eine<br />
Erklärung ringt für diesen Bauchklatscher.<br />
<strong>Die</strong> Aufführung in Leipzig ist nicht Schuld.<br />
Sondern tut, was man vermag. Szenisch aufwendig<br />
auf diverse Ebenen verteilt und mit unzähligen<br />
Szenenwechseln aufgehübscht, sorgt<br />
Regisseur René Doucet (früher Choreograf und<br />
Coach von Alfredo Kraus und Mirella Freni) für<br />
Buntheit und Variation. Das Fantasy-Biedermeier<br />
der Schürzchen, Bausch-Röckchen<br />
und Elefantenärmel bildet einen märchenhaften<br />
Gegensatz zum Spukmittelalter der<br />
Feldherren und Zofen. König Arindal ist ein<br />
Radiohörer von heute, der sich – so will es<br />
das Inszenierungskonzept – von einer Rundfunk-Übertragung<br />
live aus der Oper Leipzig<br />
anstecken und in die Handlung hineinziehen<br />
lässt. Niedliche Sache. Der man die Not freilich<br />
anmerkt, etwas Neues zu schaffen und gleichzeitig<br />
keine liebe Seele im (diesmal stets ausverkauften!)<br />
großen Haus der Leipziger Oper<br />
zu verschrecken.<br />
Arnold Bezuyen ward die Krafttenor-<br />
Hauptrolle des Arindal gewiss nicht an der<br />
28<br />
Wiege gesungen. Er stemmt sich beachtlich<br />
von Ton zu Ton. Christiane Libor (Ada)<br />
muss vokal wehrhaft militant und schreckhaft<br />
lyrisch zugleich bleiben. Respekt! Dirigent<br />
Ulf Schirmer spielt mit souverän ordnender<br />
Hand den Schupo in diesem permanenten<br />
Stoß- und Kreisverkehr. <strong>Die</strong> hingebungsvolle<br />
Leistung bringt einen überhaupt erst zu der<br />
Erkenntnis: dass Wagner wohl das einzige<br />
Genie der Musikgeschichte war, das sich dermaßen<br />
aus dem Urschlamm der eigenen Eingebungen<br />
hervor gewühlt hat. Anlässlich der<br />
Wagner-Feierlichkeiten dieses Jahres reist<br />
die Produktion dahin, wo diese Einsicht hingehört:<br />
nach Bayreuth. Robert Fraunholzer<br />
Kaufhaus<br />
statt Kartoffel<br />
Petersburg<br />
Eröffnung des „Mariinsky II“<br />
Theatertechnik auf der Höhe der Zeit im<br />
prestigeträchtigsten kulturellen Neubau seit<br />
der Zarenära. 4000 Quadratmeter iranischer,<br />
von LED-Technik hinterleuchteter Onyx,<br />
brasilianischer Marmor, Buche aus Deutschland,<br />
ebenso die vibrierend warme Akustik.<br />
Nach innen gewandte Schlichtheit, doch<br />
zielsicheres Geltungsbewusstsein. Auf der<br />
Bühne Plácido Domingo, Anna Netrebko, der<br />
deutsche Bass René Pape und ein Vorabausschnitt<br />
aus Sasha Waltz’ neuem „Sace du<br />
printemps“, im Graben einer der führenden<br />
Dirigenten unserer Zeit. Das alles im größten,<br />
produktivsten Musiktheaterkomplex der Welt.<br />
Vor zwei Dekaden hätte solche harte Fakten<br />
in Russland keiner von einem Opernhaus zu<br />
träumen gewagt.<br />
Eigentlich müsste gleich hinter dem<br />
Krjukov-Kanal in St. Petersburg das alte<br />
pistaziengrüne Mariinsky-Theater von einer<br />
Goldenen Kartoffel überragt werden. Eine<br />
solche hatte nämlich vor zehn Jahren der<br />
Architekt Dominique Perrault geplant. Es<br />
wurde aber eine Kaufhauskiste von dem<br />
Kanadier Jack Diamond, denn dem übermächtigen<br />
Musikzaren Valery Gergiev hatte<br />
der erste Entwurf nicht behagt. Und da er anschaffte<br />
und der andere Zar, sein Freund<br />
Vladmir Putin, zahlte, steht da jetzt zehnstöckig<br />
eine unproportioniert monströse Jurastein-,<br />
Stahl- und Glaskiste, die als Mariinsky II<br />
für über 534 Millionen Euro zu den teuersten<br />
Theaterbauten der Welt zählt.<br />
An seinem 60. Geburtstag, 25 Jahre nachdem<br />
er hier angefangen hat und einen Tag<br />
nachdem er vom Präsidenten mit vier anderen<br />
zum „Held der Arbeit“ geadelt worden war<br />
(zum ersten Mal seit 20 Jahren wurde der einst<br />
stalinistische Titel wieder verliehen), eröffnete<br />
Gergiev in dessen Anwesenheit seine neueste<br />
Bühne mit einem so vergnüglich wie feinsinnig<br />
komponierten, die unhörbaren Fähigkeiten<br />
der deutschen Bühnentechnik vortrefflich<br />
ausspielenden Galaprogramm.<br />
Valery Gergiev regiert nun über zwei<br />
Opernhäuser sowie den nahen, ebenfalls<br />
Musiktheater anbietenden Mariinsky Konzertsaal.<br />
Über 2500 Mitarbeiter herrscht er, allein<br />
das Orchester wird jetzt auf 250 feste Musiker<br />
aufgestockt, die vier Aufführungen gleichzeitig<br />
meistern sollen. 1000 Vorstellungen<br />
im Jahr sind geplant. Nur wer soll die alle besuchen?<br />
Roland Mackes<br />
Fotos: Kirsten Nijhof