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Die Muster- knaben - Rondo

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Feuriges Ende<br />

verrümpelter<br />

Aufführungstraditionen<br />

(Salzburger<br />

Pfingstfestspiele<br />

2013: Bartoli,<br />

Osborn)<br />

Belcanto-Bekehrung<br />

Norma von vorn<br />

Eine „Norma“ in historischem Klanggewand beweist:<br />

Belcanto-Opern des frühen 19. Jahrhunderts sind viel<br />

besser als ihr Ruf. Von Carsten Niemann<br />

Im Grunde hat man es ja<br />

schon immer geahnt, dass<br />

etwas nicht stimmen kann<br />

mit der Oper des Belcanto.<br />

Denn auch wenn Rossini, Bellini<br />

und Donizetti, deren Werke man<br />

als erstes mit dem Begriff verbindet,<br />

in jedem Opernführer und<br />

fast jedem Opernhaus zum Kernrepertoire<br />

gehören, so scheinen<br />

doch viele ihrer ersten Hauptwerke<br />

im Vergleich zu Mozart<br />

oder zum späteren Verdi an<br />

einem merkwürdigen Mangel<br />

an dramatischer Glaubwürdigkeit<br />

zu leiden: Wie oft ist man<br />

abgestoßen von der sterilen<br />

Stimmakrobatik, die sich über<br />

8<br />

dürftigen Orchesterakkorden entfaltet,<br />

wie oft zuckt man innerlich<br />

vor stählernen Spitzentönen<br />

zusammen und wie peinlich ist<br />

man dann wiederum berührt,<br />

wenn sich Gefühl in schmierigen<br />

Kantilenen ergießt. Gehört man<br />

nicht gerade zu jenen fanatischen<br />

Stimmverkostern, die Lautstärke,<br />

Timbre oder Brillanz eines außergewöhnlichen<br />

Organs völlig losgelöst<br />

von der dramatischen<br />

Situation genießen können, dann<br />

kann man zu der Auffassung gelangen,<br />

dass die Zeit des Belcanto<br />

trotz ihrer zündenden Melodien<br />

und staunenswerten Anfor derungen<br />

an Stimme eine Zeit der<br />

dramatischen Verflachung gewesen<br />

sein muss. Was ein fataler<br />

Fehlschluss wäre.<br />

Opfer der Tradition<br />

In Wahrheit nämlich sind<br />

die Hauptwerke des Belcanto<br />

Opfer moderner Aufführungstraditionen<br />

geworden. Und<br />

die haben mit dem Ideal des<br />

„schönen Gesangs“, der den<br />

Schöpfern der Belcanto-Opern<br />

vorschwebte, nur noch sehr wenig<br />

zu tun. Doch nun deutet sich endlich<br />

eine Wende an. Unterstützt<br />

von der Musikwissenschaft hat<br />

sich eine Reihe von Musikern angeschickt,<br />

den Belcanto von jener<br />

dicken Patina zu befreien, die<br />

sich in den letzten 150 Jahren angesammelt<br />

hat. Immer größere<br />

Säle und Orchester, die damit einhergehende<br />

Bevorzugung von<br />

Brillanz und Kraft gegenüber<br />

Farbe und Ornament und eine<br />

naturalistischere Auffassung von<br />

Musikdramatik haben dazu geführt,<br />

dass das Wissen um die<br />

Aufführungspraxis des Belcanto<br />

beinahe völlig verloren ging.<br />

Hinzu kommt, dass sich auch die<br />

Stellung des Sängers grundsätzlich<br />

wandelte: Während Rossini,<br />

Bellini und Donizetti noch damit<br />

rechnen konnten, dass die Sänger<br />

ihre Partien mit improvisierten<br />

Verzierungen und ungeschriebenen<br />

Vortragsnuancen berei chern<br />

und die Partitur bei jeder Aufführung<br />

gewisserma ßen neu vollenden<br />

würden, sind die meisten<br />

heutigen Sänger zu bloßen Interpreten<br />

geworden. Was bleibt, ist<br />

der nackte, unvollendete Notentext.<br />

Doch zu retten ist die<br />

Belcanto-Opern nur, wenn man<br />

sich ihr nicht vom Puccini und<br />

dem späten Verdi, sondern aus<br />

der Perspektive des 18. Jahrhunderts<br />

nähert. Denn die Gesangskunst<br />

der Kastraten, welche<br />

der Barockoper zu ihrem bis heute<br />

ausstrahlenden Glanz verhalf,<br />

hat auch die Praxis der Belcanto-<br />

Opern entscheidend geprägt. Es<br />

Foto: Hans Jörg Michel

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