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Jahresgutachten 1983/84 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 10/669 Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode<br />

ben, einmal ab, Ausdruck der Summe der Angebotspreise<br />

für die Leistungen all derer, die am Angebot<br />

der Güter direkt oder indirekt beteiligt sind, der<br />

Arbeitskräfte, der Kapitalgeber, der Unternehmer,<br />

der Anbieter natürlicher Ressourcen, des Auslands,<br />

des Staates. Daß sie zu hoch sind will sagen: zu<br />

hoch gemessen an dem, was die Güter denen wert<br />

sind oder wert sein können, die sie kaufen sollen,<br />

wenn man mehr Produktion und Beschäftigung haben<br />

will - das heißt zu hoch, gemessen an den<br />

Nachfragepreisen für zusätzlichen Absatz. Dieser<br />

Sachverhalt, bei dem es nicht um den rein inflatorischen<br />

Vorgang eines parallelen Steigens von Preisen<br />

und Kosten geht, kann viele Gründe haben: zu<br />

hohe Löhne, zu hohe Zinsen, zu hohe Importpreise,<br />

zu hohe Abgaben für öffentliche Leistungen, zu<br />

hohe kostenwirksame öffentliche Auflagen, zu wenig<br />

Wettbewerb (- zu hohe Gewinnansprüche), zu<br />

wenig Produktivitätsfortschritt. (Es wäre nicht völlig<br />

falsch, statt von zu hohen Preisen der Güter von<br />

zu hohen realen Kosten zu sprechen. Dabei wären<br />

jedoch die Gewinnansprüche der Unternehmer, die<br />

bei un<strong>zur</strong>eichendem Wettbewerb zum Problem werden,<br />

von vornherein ausgeblendet. Überdies ist es<br />

nicht jedermanns Sache, etwa die direkten Steuern<br />

als Kosten anzusehen, wenngleich sie es ja tatsächlich<br />

sind; sie stehen für einen Teil der Kosten der<br />

Staatstätigkeit.)<br />

Drei Aspekte seien besonders beleuchtet:<br />

- Der einleuchtendste: Für die Güter müssen<br />

Preise verlangt werden, die weit oberhalb dessen<br />

liegen, was eine zusätzliche Produktion die<br />

Voikswirtschaft kosten würde - die Kosten hier<br />

gemessen an den Nettoeinkommen als den Angebotspreisen<br />

der zusätzlich einzusetzenden<br />

Produktionsfaktoren-, weil so hohe öffentliche<br />

Abgaben zu entrichten sind. Angesichts des riesigen<br />

öffentlichen Finanzbedarfs sind hohe öffentliche<br />

Abgaben zwar unvermeidlich, aber<br />

doch nicht in der Höhe, wie derzeit auch zusätzliche<br />

Produktion beiastet ist; denn ein Großteil<br />

der Kosten der Staatstätigkeit sind fixe Kosten.<br />

Der Preis eines Gutes beträgt heute in weiten<br />

Bereichen, wegen der öffentlichen Abgaben<br />

wohi das Doppelte der genannten Kosten zusätzlicher<br />

Produktion - und mehr (Ziffer 172).<br />

- Der verwirrendste: Für die Güter müssen so<br />

hohe Preise verlangt werden, weil die Löhne, der<br />

größte Kostenfaktor der Volkswirtschaft, und<br />

die Importpreise, der zweitgrößte Kostenfaktor,<br />

so hoch sind, erstere etwa, weil sie durch Marktmacht,<br />

letztere weil sie durch Protektionismus<br />

hoch gehalten werden. Verwirrend ist der Faii<br />

für viele deshalb, weil ein irreführendes Kaufkraftargument<br />

beziehungsweise ein kurzsichtiges,<br />

auf die Inter~ssen inländischer Konkurrenten<br />

abhebendes Protektionsargument dem Befund<br />

entgegengehalten wird (Ziffern 533, 537).<br />

Auch der verbreitete Widerstand gegen kostensenkende<br />

Produktivitätsfortschritte, welche<br />

hohe Löhne rechtfertigen könnten, hat in solcher<br />

Vertauschung von Hauptsache und Nebensache<br />

seine Wurzel. Ähnlich wie der Widerstand<br />

gegen eine Senkung der Löhne, gegen mehr<br />

Handelsfreiheit und gegen Rationalisierungsanstrengungen<br />

- nämlich mit Nachfragesorgen ­<br />

wird auch der Widerstand gegen Steuersenkungen,<br />

insoweit diese eine Einschränkung der<br />

Staatsausgaben <strong>zur</strong> Voraussetzung haben, begründet.<br />

Der schwierigste: Für die Güter müssen so hohe<br />

Preise gezahlt werden, weil die Zinsen so hoch<br />

sind und ihnen folgend die von risikotragenden<br />

Investitionen verlangte Kapitalrendite. Die Zinsen<br />

hat niemand in der Hand, zumal in einer<br />

offenen Volkswirtschaft nicht. Eine mehr Vertrauen<br />

erweckende, stabile Erwartungen erzeugende<br />

Gesamtvorstellung der Volkswirtschaft<br />

kann sie senken.<br />

Es könnten sehr viel mehr Güter gekauft werden,<br />

und es würden sehr viel mehr gekauft, wenn es<br />

gelänge, die Differenz zwischen dem, was die Güter..<br />

kosten, und dem, was sie kosten dürften und kosten<br />

müßten"zu verkleinern.<br />

Der Sachverständigenrat hat diese Zusammenhänge<br />

in seinem letzten <strong>Jahresgutachten</strong> eingehend<br />

erörtert (JG 82 Ziffern 2<strong>84</strong>ff.). Dabei ist deutlich<br />

geworden, daß die Frage nach der gesamtwirtschaftlichen<br />

Bedeutung einzelwirtschaftlich faßbarer<br />

Fehler in den Erlös-Kosten-Relationen sowie die<br />

Frage einer möglichen Therapie durch die Wirtschaftspolitik<br />

und die Lohnpolitik im Sachverständigenrat<br />

teilweise unterschiedlich beantwortet<br />

wird. (Vergleiche hierzu die Minderheitsmeinung<br />

von Hans-Jürgen Krupp im <strong>Jahresgutachten</strong> 82/83,<br />

Ziffern 299ff., auf die dieser erneut verweist.) Die<br />

von Ernst Heimstädter unter Ziffern 357 folgende<br />

<strong>zur</strong> Diskussion gestellte Analyse dient dem tieferen<br />

Verständnis der langfristigen Entwicklung von Erlös<br />

und Kosten. Die Diskussion darüber, zu welchen<br />

wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen der dort<br />

dargestellte Ansatz führt, ist im Sachverständigenrat<br />

nicht abgeschlossen.<br />

330. Die Verwirrung, die von dem fortdauernden<br />

Beschäftigungsproblem angerichtet worden ist,<br />

geht inzwischen weit. Nicht einmal mehr die These<br />

ist unumstritten, es gelte die wirtschaftlichen Anreize<br />

zu kräftigen, damit neue Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

erschlossen und genutzt werden. Vielen<br />

leuchtet unmittelbar ein, daß doch das Gegenteil<br />

richtig sein müsse, gebe es doch offensichtlich<br />

schon zu viele unerfüiibare Erwerbswünsche. Verioren<br />

geht das Bewußtsein, daß die gesamtwirtschaftliehe<br />

Produktion und Beschäftigung nicht vorgegeben<br />

und nur noch zu verteilen ist, sondern abhängig<br />

davon, unter welchen Bedingungen und mit welcher<br />

Energie die einzelnen an die Verwirklichung ihrer<br />

Pläne herangehen, die Unternehmer und aiie andern,<br />

und zwar im Erfolgsfaiie mit positiven Folgen<br />

nicht nur für diejenigen, die sich besonders bemühen,<br />

sondern auch für diejenigen, die sich eher passiv<br />

verhalten.<br />

Die Beseitigung von Verzerrungen bei den wirtschaftlichen<br />

Anreizen, beispielsweise der Abbau<br />

un<strong>zur</strong>eichend begründeter Subventionen und protektionistischer<br />

Regelungen, hat die Aufgabe, den<br />

Strukturwandel zu fördern, der zwar viele der da-<br />

170<br />

.,

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