Jahresgutachten 1983/84 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 10/669 Deutscher Bundestag - 10.Wahlperiode<br />
ziert ist. Letzteres spricht für ein Fortbestehen der<br />
unteren Proportionalzone. Um die Besteuerungsidee<br />
verständlicher zu machen, sollte es nur wenige<br />
Tarifelemente geben, die in plausibler Weise mit·<br />
einander zu verbinden wären.<br />
Vor allem aber sollten die Grenzsteuersätze gesenkt<br />
werden. Sie sind es in erster Linie, die gerade<br />
den Antriebskräften entgegenwirken, deren Freisetzen<br />
die einzige Chance bietet, daß soviel neue<br />
Arbeitsplätze entstehen oder erhalten bleiben, wie<br />
nötig sind, damit alle, die arbeiten wollen, auch arbeiten<br />
können und die Arbeit finden, die nach Art<br />
und Dauer ihren Wünschen arn besten entspricht.<br />
Ein deutliches Absenken der Grenzsteuersätze<br />
hätte ireilich große Einnahmenausfälle <strong>zur</strong> Folge;<br />
wegen des hohen Finanzhedarfs aber auch aus<br />
Gründen der Steuerlastverteilung scheinen die<br />
Grenzen dafür ziemlich eng gezogen. Diese Grenzen<br />
lassen sich jedoch verhältnismäßig weit hinausschieben,<br />
wenn die Bemessungsgrundlage nach<br />
oben revidiert, also erweitert wird. Manches von<br />
dem, was heute als Betriebsausgaben und als Werbungskosten<br />
gilt, sowie vieles von dem, was jenseits<br />
der Betriebsausgaben, der Abschreibungen und der<br />
Werbungskosten gegenwärtig abzugsfähig ist,<br />
müßte also <strong>zur</strong> Disposition gestellt werden, und<br />
auch von den Einkommensteilen, die den Finanzämtern<br />
nicht <strong>zur</strong> Kenntnis gebracht werden, aber<br />
eigentlich steuerpflichtig sind, wären mehr zu erfassen.<br />
Steuervergünstigungen aller Art wären zu<br />
beseitigen oder doch wesentlich zu kürzen, und<br />
auch Finanzhilfen auf der Ausgabenseite müßten<br />
abgebaut werden. Die Ratio der Reform wäre, daß<br />
möglichst viele Bürger zwar fast ebenso viel Steuern<br />
zahlen wie bisher, aber deutlich weniger im<br />
Zusammenhang mit Einkommenssteigerungen.<br />
63*. Wir erörtern in diesem Gutachten mehrere<br />
Alternativen für eine Reform des Einkommensteuertarifs<br />
(Ziffern 406 ff.).<br />
Geldpolitik<br />
(Ziffern 416 ff.)<br />
64". Die Bundesbank hat zugelassen, daß die Ausweitung<br />
der Zentralbankgeldmenge von dem Pfad<br />
abgewichen ist, den sie für stabilitätsgerecht erklärt<br />
hatte. Nicht nur die mittlere Linie des vorgegebenen<br />
Zielkorridors, sondern sogar dessen Obergrenze<br />
wurde überschritten.<br />
Die Bundesbank hat diese Abweichung, soweit sie<br />
das Überschreiten der Obergrenze des Zielbandes<br />
betrifft, nicht gewünscht. Es wäre ihr aber nicht<br />
unmöglich gewesen, für ein Einhalten der Zielvorstellungen<br />
zu sorgen. Sie hat einiges getan, eine<br />
Rückkehr in den Zielkorridor zu begünstigen, aber<br />
nicht sehr viel.<br />
65". Die Erfahrungen mit früheren Abweichungen<br />
vom Pfad einer am Wachstum der Produktionsmöglichkeiten<br />
der Volkswirtschaft orientierten Geldmengensteuerung<br />
lassen es nicht zu, daß man eine<br />
solche Entwicklung leicht nimmt.<br />
Zum reinen Administrator einer an mittelfristigen<br />
Zielgrößen orientierten Geldpolitik soli sich die<br />
Bundesbank zwar nicht machen. Auch der Sachverständigenrat<br />
hat in mehreren Jahren Abweichungen<br />
für gerechtfertigt gehalten. Doch die Sorgen<br />
hinsichtlich unerwünschter Nebenwirkungen, die<br />
sich mit situationsbezogener Rechtfertigung verbinden,<br />
haben sich doch auch regelmäßig als begründet<br />
erwiesen.<br />
66*. Gegen den Versuch, die weitere konjunkturelle<br />
Erholung mit Mitteln der Geldpolitik zu stimulieren,<br />
gibt es grundsätzlich Einwände. Aber auch<br />
wenn man diese nicht teilt, bestünde kein Anlaß, für<br />
19<strong>84</strong> etwa noch ein expansives Element einzuplanen.<br />
Die wirtschaftliche Aufwärtsbewegung ist in<br />
Gang gekommen, und wenn sie noch nicht die Kraft<br />
hat, die man sich wünschen mag, so liegt das jedenfalls<br />
nicht an der Geldpolitik.<br />
Dies gilt auch für die Gründe, welche von der Angebotsseite<br />
an den monetären Märkten her die Zinsen<br />
hoch halten. Daß die Kapitalanleger sich scheuen,<br />
auf weiter sinkende Zinsen zu setzen, daß die Risikofähigkeit<br />
der Banken geringer geworden ist, das<br />
sind Faktoren, die die Geldpolitik nicht zu überspielen<br />
versuchen sollte, indem sie zusätzliches und billigeres<br />
Geld anbietet. Noch weniger als die Anlageneigung<br />
der Kapitalbesitzer und der Banken kann<br />
die Bundesbank die Investitionsneigung der Unternehmen<br />
durch eine expansive Geldpolitik stimulieren.<br />
Die Inflationsgefahren, die sich mit solcher Politik<br />
verbinden, die Erwartung bald wieder steigender<br />
Zinsen und die Erfahrung, im ganzen zu den<br />
Inflationsverlierern zu gehören, schließen es im<br />
Grunde aus, daß die Unternehmen die Ankündigung<br />
einer expansiven Geldpolitik umsetzen in die<br />
Erwartung höherer Gewinne - diese real gesehen<br />
und unter Berücksichtigung der Besteuerung von<br />
Scheingewinnen, und dies nicht nur kurzfristig, das<br />
heißt unter Berücksichtigung der Folgen künftiger<br />
Restriktionspolitik, die zu erwarten ist, wenn die<br />
Inflation sich beschleunigt.<br />
67*. So ist also an<strong>zur</strong>aten, die weitere Expansion<br />
des Angebots an Zentralbankgeld wieder konsequenter<br />
an den Grundsätzen für eine am Wachstum<br />
der Produktionsmöglichkeiten der Volkswirtschaft<br />
orientierte Geldmengensteuerung aus<strong>zur</strong>ichten.,<br />
Das Wachstum des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials<br />
hat sich leicht erhöht. Es ist aber<br />
immer noch gering. Wir schätzen es auf reichlich<br />
1 1 12 vH. Für einen vorläufig noch unvermeidlichen<br />
abermaligen Anstieg des Preisniveaus muß es einen<br />
Zuschlag geben. Den für den Verlauf des kommenden<br />
Jahres zu erwartenden Anstieg des gesamtwirtschaftlichen<br />
Preisniveaus schätzen wir auf<br />
2 1 /zvH bis 3 vH (den Anstieg der Verbraucherpreise,<br />
Dezember gegen Dezember gerechnet, auf reichlich<br />
2 vH). An anderer Stelle dieses Gutachtens haben<br />
wir ausführlich erörtert, inwieweit für vertretbar zu<br />
halten ist, daß das Ziel einer raschen weiteren Senkung<br />
der Inflationsrate die Vorstellungen über die<br />
richtige Geldpolitik für das Jahr 19<strong>84</strong> nicht bestimmt.<br />
14<br />
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