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Jahresgutachten 1983/84 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 10/669 Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode<br />

nen Anreiz, Nutzungsrechte zu handeln; für diese<br />

bildet sich ein Preis. Expandierende Unternehmen<br />

und Unternehmen, deren Luftreinhaltekosten den<br />

Marktpreis übersteigen, fragen Nutzungsrechte<br />

nach. Anbieter sind nicht nur schrumpfende oder<br />

ausscheidende Unternehmen, sondern auch solche,<br />

denen es bei dem Preis, den sie für das Nutzungsrecht<br />

erzielen können, rentabler erscheint, ihre Anlagen<br />

zu verbessern und die Luft weniger zu ver~<br />

schmutzen und das Recht auf Verschmutzung zu<br />

verkaufen. Die Ausrichtung der Entscheidungen am<br />

Marktpreis führt dazu, daß die Schadstoffverringerung<br />

auf die Anlagen mit den niedrigsten Luftreinhaltekosten<br />

konzentriert wird. Weil Vmweltnutzung<br />

einen Preis hat, lohnt es sich ferner, Anstrengungen<br />

zu unternehmen, die Vermeidungskosten durch<br />

technische Neuerungen zu senken. Der Anreiz, die<br />

Technologie der Schadstoffvermeidung zu verbessern,<br />

kann noch dadurch gesteigert werden, daß die<br />

insgesamt genehmigten Emissionsmengen für die<br />

Glocke nach einem mehrjährigen Plan verringert<br />

werden.<br />

510. Das Glockenkonzept ist in vielen Varianten<br />

denkbar. Bisher scheint es jedoch nur für einzelne,<br />

genau definierte Schadstoffe angewandt werden zu<br />

können, nicht für eine Vielzahl von heterogenen<br />

Schadstoffen. Das Hauptproblem der Glockenpolitik<br />

ist in der räumlichen Abgrenzung zu sehen. Je<br />

weiter der Raum für eine Glocke abgegrenzt wird,<br />

um so größer sind die wirtschaftlichen Vorteile. Allerdings<br />

muß vermieden werden, daß die regionale<br />

Verlagerung von Schadstoffquellen innerhalb der<br />

abgegrenzten Umweltregion zu einer Konzentration<br />

der Immissionswerte führt.<br />

Die amerikanischen Erfahrungen mit austauschbaren<br />

Nutzungsrechten reichen bis in das Jahr 1976<br />

<strong>zur</strong>ück. Die älteste Variante ist der "Offset'l- oder<br />

Kompensationsansatz; er wurde eingeführt, um die<br />

wachstumshemmenden Wirkungen der bis dahin<br />

gültigen emissionsbegrenzenden Einzelvorschriften<br />

zu mildern. Der Kompensationsansatz erlaubt es,<br />

Neuanlagen auch in hochbelasteten Gebieten zu errichten,<br />

wenn die Emissionen aus anderen bestehenden<br />

Anlagen so stark reduziert werden, daß insgesamt<br />

eine Verbesserung der Umwelt eintritt. So<br />

konnte eine Barriere des regionalen Wachstums beseitigt<br />

und zugleich die Luftqualität verbessert werden.<br />

Die Glockenpolitik wurde im Jahre 1979 formell<br />

eingeführt, praktiziert wurde sie jedoch schon<br />

früher. Mit dem Emission Trading Policy Statement<br />

im Jahre 1982 wurden sogenannte Emissionsguthaben-Banken<br />

zugelassen. Diese "Banken u<br />

dienen als<br />

Clearingstelle für anerkannte Emissionsverringerungen<br />

von einzelnen Verursachern.<br />

511. Die Grundidee, Umweltschutz marktkonform<br />

zu betreiben, ist auch in Deutschland nicht neu. Die<br />

Wassergenossenschaften an der Ruhr haben schon<br />

vor vielen Jahren institutionelle Regelungen gefunden,<br />

die Nachteile einer Einzelmengenregulierung<br />

vermeiden. Bei diesen Wassergenossenschaften ist<br />

es nicht die Transferierbarkeit von Emissionsrechten<br />

oder Emissionsguthaben, die eine kostengünstige<br />

Entsorgung ermöglicht, sondern eine geeig-<br />

nete Aufschlüsselung der Beseitigungskosten zwischen<br />

den Mitgliedern, also eine Spielart der Preisvariante<br />

der Marktlösung.<br />

512. Eine marktkonforme Preislösung für den Umweltschutz<br />

ist die Abgabe je Mengeneinheit des<br />

Schadstoffes oder des Schadstoffträgers. Diese Abgabe<br />

für Umweltnutzung wird die Verursacher veranlassen,<br />

Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen.<br />

Sie werden alle rentabel erscheinenden Möglichkeiten<br />

nutzen, die Abgabenlast zu vermeiden, ihre Investitionspläne<br />

ändern, Verfahrenswechsel vornehmen,<br />

die Produktion drosseln, notfalls auch den Betrieb<br />

dorthin verlagern, wo keine oder nur eine geringe<br />

Abgabe erhoben wird. Der Anpassungszwang<br />

der Unternehmen kann auch gering ausfallen,<br />

wenn es ihnen weitgehend gelingt, die Kosten der<br />

Abgabe im Preis auf ihre Abnehmer zu überwälzen.<br />

Doch wäre dies nur Ausdruck dafür, daß den Gütern,<br />

die sie produzieren, ein sehr hoher Wert beigemessen<br />

wird, ein höherer als einer weiteren Verbesserung<br />

der Umweltqualität.<br />

In der Bundesrepublik ist mit der Abwasserabgabe<br />

ein Schritt auf eine allgemeine marktkonforme Regelung<br />

der Abwassereinleitung hin getan worden.<br />

Die Abwasserabgabe ist freilich nur eine Ergänzung<br />

zu den im Wasserhaushaltsgesetz festgelegten<br />

Mindestanforderungen. Werden von einem Einleiter<br />

die Anforderungen der Einleitungsgenehmigung<br />

erfüllt, so wird der Abgabensatz auf die Restverschmutzung<br />

<strong>zur</strong> Hälfte reduziert. Man könnte<br />

daran denken, die Anforderungen nach dem Wasserhaushaltsgesetz<br />

zu lockern, dafür aber die Abgabensätze<br />

zu erhöhen; so ließe sich dieselbe Entlastung<br />

des Wasserhaushaltes mit niedrigeren Gesamtkosten<br />

erzielen. Keinesfalls aber sollte dem<br />

entgegengerichteten Vorschlag gefolgt werden, der<br />

die völlige Abgabefreiheit für den Fall vorsieht, daß<br />

ein Einleiter die gesetzlich fixierten Mindestnormen<br />

einhält. Der Anreiz, mehr zugunsten des Umweltschutzes<br />

zu tun, wäre dann aufgehoben.<br />

Das gravierendste Problem bei der Einführung einer<br />

Abgabe ist das des Vertrauensschutzes. Die<br />

Rentabilität der früher getätigten Investitionen<br />

wird durch die Abgabe gemindert. Manche Investitionen<br />

hätte man, wenn bekannt gewesen wäre, daß<br />

später eine Umweltschutzabgabe erhoben wird,<br />

möglicherweise unterlassen; andere wären in veränderter<br />

Form durchgeführt worden. Deshalb sollte<br />

die Einführung einer Abgabe frühzeitig bekanntgegeben<br />

werden.<br />

513. Das Hauptproblem der Abgabelösung ist die<br />

Fixierung des Abgabesatzes. Es kommt nicht darauf<br />

an, mit der Abgabe dem Staat Mittel zu verschaffen,<br />

sondern ein marktwirtschaftliches Steuerungsinstrument<br />

einzusetzen, das zu einem wirtschaftlichen<br />

Umgang mit dem knappen Gut Umwelt<br />

anhält. Im Idealfall ist die Abgabe gerade so hoch,<br />

daß alle Verursacher so viele Maßnahmen <strong>zur</strong> Verbesserung<br />

der Umwelt ergreifen, daß der gewünschte<br />

Entlastungseffekt erreicht wird. Das was<br />

die Verursacher dann an Abgaben zu zahlen haben,<br />

könnte im Vergleich zu einer Lösung mit niedrige-<br />

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