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Reise nach Ixtlan - Sapientia

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den Pflanzen sprechen könne, weil ich mir dabei albern vorkäme. Sein einziger<br />

Kommentar war, daß mein Gefühl der eigenen Wichtigkeit ungeheuerlich sei. Er<br />

schien plötzlich einen Entschluß gefaßt zu haben und sagte, ich solle nicht<br />

versuchen, mit Pflanzen zu sprechen, ehe es mir nicht einfach und normal<br />

vorkomme. »Du möchtest etwas über sie lernen, und doch willst du nichts dazutun«,<br />

sagte er vorwurfsvoll. »Was willst du eigentlich?« Meine Erklärung war, daß ich<br />

zuverlässige Informationen über den Gebrauch von Pflanzen wünschte, und ihn<br />

daher gebeten hatte, mein Informant zu werden. Ich hatte ihm sogar angeboten, ihn<br />

für seinen Aufwand an Zeit und Mühe zu bezahlen. »Du solltest das Geld annehmen.<br />

Dann wäre es für uns beide leichter. Dann könnte ich dich alles fragen, was ich<br />

wissen will, denn du würdest für mich arbeiten, und ich würde dich dafür entlohnen.<br />

Was hältst du davon?«<br />

Er sah mich verächtlich an und machte mit dem Mund ein obszönes Geräusch,<br />

indem er die Unterlippe und die Zunge unter kräftigem Ausatmen vibrieren ließ.<br />

»Das ist’s, was ich davon halte«, sagte er und lachte schallend über mein<br />

anscheinend völlig überraschtes Gesicht. Es war mir klar, daß er nicht der Mann war,<br />

mit dem ich ein leichtes Spiel haben würde. Trotz seines Alters besaß er eine<br />

überschäumende Vitalität und unglaubliche Kraft. Ich hatte angenommen, daß er, da<br />

er so alt war, ein hervorragender Informant für mich sein würde. Alte Leute, das hatte<br />

ich erfahren, waren die besten Informanten, weil sie zu schwach waren, um etwas<br />

anderes zu tun als reden. Don Juan hingegen war ein miserables Versuchsobjekt.<br />

Ich hielt ihn für unberechenbar und gefährlich. Mein Freund, der uns miteinander<br />

bekannt gemacht hatte, hatte Recht. Er war ein exzentrischer alter Indianer; und<br />

wenn er auch nicht, wie mein Freund gesagt hatte, die meiste Zeit sinnlos betrunken<br />

war, so war er doch nur noch schlimmer, er war verrückt. Wieder verspürte ich die<br />

schon früher empfundenen furchtbaren Zweifel und das Unbehagen. Ich hatte<br />

geglaubt, das inzwischen überwunden zu haben. Es war mir sogar nicht einmal<br />

schwer gefallen, mich zu überzeugen, daß ich ihn wieder besuchen wollte. Als ich<br />

erkannte, wie gern ich mit ihm zusammen war, hatte mich jedoch der Gedanke<br />

beschlichen, ich könnte vielleicht selbst ein wenig verrückt sein. Seine Vorstellung,<br />

daß mein Gefühl der eigenen Wichtigkeit für mich ein Hindernis sei, übte auf mich<br />

tatsächlich eine große Wirkung aus. Aber all dies war offensichtlich nur eine<br />

intellektuelle Übung meinerseits; in dem Augenblick, da ich mit seinem seltsamen<br />

Benehmen konfrontiert war, fühlte ich mich unbehaglich und wollte abreisen.

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