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07<br />

Von Maultaschen, Starkbier<br />

und anderen Fastenspeisen<br />

Das Städteporträt –<br />

Schweizer Rheinfelden<br />

Von alters her ist die Zeit zwischen Fasnacht und Ostern Fastenzeit.<br />

Am Aschermittwoch gehts offiziell los und auch heute noch<br />

sind in vielen Haushalten zumindest der Gründonnerstag und der<br />

Karfreitag fleischlos. Aus demselben Grund gibt es freitags traditionell<br />

Fisch und insbesondere auch die schwäbische Maultasche<br />

hat sich einen Namen als Fastenspeise gemacht.<br />

Eigentlich ist die Maultasche ja ein Schummelgericht, weswegen sie im<br />

Herkunftsland auch »Herrgottsbscheißerle« genannt wird. Nach der Legende<br />

sind die »schwäbischen Ravioli« eine Erfindung der Mönche: Am<br />

Ende des 16. Jahrhunderts – noch vor der Reformation – während der<br />

Herrschaft des württembergischen Herzogs Ulrich, war das Zisterzienserkloster<br />

Maulbronn infolge allgemeiner Armut ziemlich überlaufen. Es<br />

gab wenig zu essen und dann sollte man sich auch noch an die Fastenregeln<br />

halten. Da hatte der Koch und Laienmönch Jakob eine Idee: am<br />

Gründonnerstag legte er Fleisch in eine Salzlake ein, hackte es klein und<br />

vermengte es mit frischem Grün, Brot und Eiern. Damit man den fleischigen<br />

Inhalt nicht sehen konnte, hüllte er das Ganze in einen Nudelteig<br />

und ließ anschließend seine Maultaschen in einer heißen Fleischbrühe<br />

ziehen. Das neue Gericht fand allgemein Anklang und so trat es alsbald<br />

seinen Siegeszug durch alle Lande an und wurde nicht nur in den Klöstern<br />

zum »Gründonnerstags- oder Karfreitagsessen«.<br />

Wie der Hirsch zum Fisch wurde<br />

Auch sonst war man sehr einfallsreich, wenn es darum ging die Fastengebote<br />

auszulegen. Die Grundregel besagte, dass als Erinnerung an den<br />

Tod Jesu kein Fleisch gegessen werden durfte. Darunter verstand man<br />

allgemein das Fleisch vierfüßiger, warmblütiger Tiere. Der Fisch zählte<br />

also schon mal nicht dazu und galt traditionell als die vornehmste Fastenspeise.<br />

Die Mönche vieler Klöster versorgten sich daher aus eigenen<br />

Teichen mit Karpfen, Forelle oder Hecht. Wassertiere wie Ente, Schwan,<br />

Perlhuhn und gar der Biber wurden den Fischen gleichgesetzt und durften<br />

daher ebenfalls verspeist werden. Hühner zählten auch dazu, mit der<br />

Argumentation, dass Gott die Vögel und Fische an einem Tag erschaffen<br />

hatte. Indem man den Hirsch durch einen Bach zog, konnte schließlich<br />

auch dieser zum Fisch erklärt werden. Weiter waren natürlich Gemüse<br />

und Kräuter erlaubt und vor allem auch die Suppe, die Hauptspeise der<br />

einfachen Leute im Mittelalter. Hier ließ man sich wiederum allerlei einfallen<br />

und kreierte Mehl- , Brot- oder Einbrennsuppe, Kräuter- und Selleriesuppe,<br />

Fischrogen- oder Grießsuppe, sowie Wein- und Biersuppe.<br />

Die Gerichte wurden mit Einlagen wie Fischklößchen, Brotknödel, Backerbsen<br />

oder Goldwürfel (gebackenes Weißbrot), Mandelknödel oder<br />

Spinatknödelchen versehen.<br />

Liquida non frangunt ieunum!<br />

Um die Schwestern und Brüder trotz der jährlich zahlreichen Fastentage<br />

aufzumuntern, hat man in den Klöstern zudem zahlreiche Süßigkeiten<br />

wie Brezeln, Krapfen oder Lebkuchen erfunden. Als der Kakao aus<br />

Amerika bekannt wurde, verwendete man ihn reichlich und in vielen<br />

Variationen, denn »Schockolade bricht das Fasten nicht«, hieß die neue<br />

Fastenregel. Durch Alkohol wurden die Speisen energiereicher, wie bei<br />

der Biersuppe oder bei »Rostige, Arme Ritter«, bei denen man altes Brot<br />

in Rotwein einlegte, es in einer Eimasse wendete und zuletzt in Öl frittierte.<br />

Auch in Schmalz Gebackenes machte die Speisen kalorienreicher,<br />

wie Krapfen oder Fasnachtsküchle, die auch heute noch regelmäßig in<br />

der Fasnachtszeit auftauchen, oder auch die beliebte brezelartige mit<br />

Kümmel bestreute »Faschtewaihe«. Und überhaupt: Brot und Bier waren<br />

Hauptnahrungsmittel im Alltag der Klöster, denn die Mönche hatten das<br />

Backen und Brauen als Überlebensstrategie gegen den Hunger entdeckt.<br />

»Heute back ich, morgen brau ich und übermorgen hol ich der Königin<br />

ihr Kind.« Aufgrund dieser Aussage des Rumpelstilzchens, das in einem<br />

lila Gewand ums Feuer tanzt, vermutet man, dass ein Mönch das Vorbild<br />

der Märchenfigur war.<br />

»Liquida non frangunt ieunum«, »was flüssig ist, bricht kein Fasten«, hieß<br />

eine Fastenregel und damit war der Weg frei für eine weitere wichtige Erfindung:<br />

das Starkbier. Fünf Maß des »flüssiges Brotes« jeden Tag waren<br />

Klosterbrauch. Wieviel eine Maß hatte, variierte von Kloster zu Kloster:<br />

zwischen einem und zwei Litern. Damit ließ sich notfalls auch eine längere<br />

Fastenzeit durchstehen! Durch den Zusatz von Hopfen wurde zudem<br />

die Haltbarkeit des Gerstensafts wesentlich verlängert. Die Mönche<br />

bestanden daher die Fastenzeit bei bester Laune und waren gleichzeitig<br />

satt – die bekannten Bilder wohlgenährter und zufriedener Klosterbrüder<br />

beweisen es. Zudem sollte das »flüssige Brot« auch noch gesund sein:<br />

Schon die mittelalterliche Nonne Hildegard von Bingen und der Arzt Paracelsus<br />

empfahlen das Bier als Heilmittel gegen alle Krankheiten, gegen<br />

Schwermut oder bei großer körperlicher Schwäche. Tatsächlich ist der<br />

Gerstensaft äußerst energie-, vitamin- und mineralstoffreich und enthält<br />

vor allem Kalium und Vitamin B.<br />

Auch heutzutage wird das Fasten wieder geschätzt, wenn auch ohne Alkohol<br />

und für längere Zeit nur unter ärztlicher Kontrolle. Fasten dient zum<br />

Entschlacken oder Abnehmen, zur inneren Reinigung und Entwässerung.<br />

Es strafft die Haut, stärkt das Bindegewebe und kräftigt das Haar. Fasten<br />

trägt zu einer Senkung der Blutfette bei und ist daher für die Arterien<br />

und das Kreislaufsystem sehr gesund. Außerdem wird das Immunsystem<br />

gestärkt und die inneren Heilkräfte werden angekurbelt. Durch die<br />

eiweißarme Ernährung wird der Körper entsäuert und das Fasten stärkt<br />

die Psyche und die Wahrnehmung. Aus religiöser Sicht schließlich – denn<br />

Fasten gibt es in allen Religionen – geht es um den sinnvollen Umgang<br />

mit den Gaben Gottes und der Schöpfung.<br />

Von Christine Krueger<br />

Fastenrezepte<br />

Karpfen blau (4 Personen)<br />

1 Bund Suppengrün, 1 Lorbeerblatt, 10 Pfefferkörner, 3 Gewürznelken,<br />

5 Pimentkörner und eine geviertelte Zwiebel in 2 Liter Wasser mit 2 Esslöffel<br />

Salz und 6 Esslöffel Essig aufkochen. Den Karpfen (1,5 kg) dazu<br />

geben und 30 Minuten garziehen lassen. Der Karpfen ist fertig, wenn sich<br />

die Rückenflosse leicht lösen lässt. Dazu passen Petersilien-Kartoffeln,<br />

Meerrettich und Rosenkohl- oder Suppengemüse.<br />

Biersuppe<br />

1/4 l gesalzenes Wasser mit 50 g Perlgraupen zum Kochen bringen und<br />

45 Minuten garkochen. 3/4 l Bier hinzufügen und das mit etwas Suppe<br />

verschlagene Eigelb unterziehen. 1 Eiweiß mit 60 g Zucker zu steifem<br />

Schnee schlagen und mit einem Teelöffel zu Klößchen abstechen, auf die<br />

heiße Suppe setzen und zugedeckt fünf Minuten garen.<br />

Rheinfelden, da denkt man gleich an unsere<br />

rechtsrheinische Stadt mit der »Aluminium«,<br />

an Chemie oder ans Wasserkraftwerk. Dass<br />

es jedoch genau gegenüber ein schweizerisches<br />

Exemplar desselben Namens gibt,<br />

entdeckt man erst auf den zweiten Blick.<br />

Schweizer Rheinfelden hat eine lange Tradition<br />

und die mittelalterliche Altstadt ist allemal<br />

einen Besuch wert.<br />

Es geht gleich los mit den Legenden und Geschichten,<br />

sobald man von der badischen Seite her<br />

einen Fuß auf die steinerne Brücke setzt, die dank<br />

der neuen Autobahnüberquerung inzwischen Autofreiheit<br />

genießt. Nach dem ersten Brückenpfeiler<br />

beginnt das sogenannte »St. Anna Loch«, eine<br />

über dreißig Meter tiefe tektonische Verwerfung<br />

im Flussbett mit starken Wirbelbildungen. Nach<br />

der Sage wurde die Stadt einst von den Hunnen<br />

angegriffen. Bei der Belagerung ließ die Burgherrin<br />

Anna alle Wertgegenstände, so auch die goldene<br />

Glocke der Burgkapelle in den Rhein werfen.<br />

Zur Rache wurde sie in den Fluss, in die Untiefe hinein<br />

geworfen. Wenn später jemand hier ertrank,<br />

sagte man: »Anna hat ihn zu sich genommen.«<br />

Entsprechend finden wir unten am Ufer auf der<br />

deutschen Seite eine Brunnen-Skulptur mit einer<br />

amphibischen Anna, die ein ertrunkenes Kind in<br />

den Armen hält. Die nächste Station ist das »Inseli«,<br />

auf das der erste Brückenteil jetzt mündet.<br />

Um das Jahr 930 ließ sich dort eine Familie aus<br />

dem burgundischen Hochadel nieder. Diese späteren<br />

Grafen von Rheinfelden erbauten dort eine<br />

Burg, den »Stein zu Rheinfelden«. Zusätzlich zu<br />

ihren linksrheinischen Besitzungen in Rheinfelden<br />

erhielten sie auch das rechtsrheinische Gebiet als<br />

Lehen vom deutschen Kaiser.<br />

Eine Holzbrücke machte den Anfang<br />

Zunächst waren beide Gebiete mit Fähren verbunden.<br />

Schließlich wurde eine Holzbrücke erbaut,<br />

die zum linken Rheinufer hin durch die Burg, zum<br />

rechten Rheinufer hin durch einen zusätzlichen<br />

Turm befestigt war. Dadurch wurde die Brücke<br />

optimal gegen Angreifer geschützt und im Notfall<br />

konnte sie durch Abwerfen der letzten Brückenteile<br />

für den Feind unbrauchbar gemacht werden.<br />

Von der Burganlage ist heute kaum mehr etwas<br />

zu sehen. Lediglich ein kleiner, von Pflanzen<br />

überwucherter Rest der ehemaligen Stützmauer<br />

am südöstlichen Teil der Insel erinnert an die alte<br />

Wehranlage. An Stelle der Burg wurde um 1900<br />

ein Park auf dem Inseli angelegt. Spaziert man<br />

zum Ufer hinunter, kann man den Rest der Vorgängerbrücke<br />

sehen, die 1897 einem Brand zum<br />

Opfer fiel. Hier unten hat sich ein kleiner Strand<br />

gebildet, an dem im Sommer gerne gebadet wird.<br />

Weiter geht es jetzt auf dem zweiten Brückenabschnitt<br />

zum schweizer Ufer und direkt in die halbkreisförmig<br />

angelegte historische Altstadt. Der<br />

östliche und der südliche Teil der Stadtmauer ist<br />

mitsamt Wehrgang und Türmen noch vollständig<br />

erhalten. Wir spazieren nun die Marktgasse entlang<br />

und kommen linkerhand am Rathaus vorbei,<br />

das nach einem Brand im Jahr 1531 im Barockstil<br />

neu erbaut wurde.<br />

Die Uhr des Obertorturms geht immer sieben<br />

Minuten vor<br />

Am Ende der Straße liegt der Albrechtsplatz mit<br />

dem Brunnen in der Mitte und der Figur Herzog<br />

Albrechts VI. Die Marktgasse schließt mit dem<br />

östliche Stadttor, dem Storchennestturm. Der früher<br />

»Kupferturm« genannte Bau hat zwei Durchgänge<br />

– einer war für Pferdefuhrwerke bestimmt,<br />

der andere für Fußgänger. Die Mauerschlitze für<br />

die Verriegelung kann man heute noch sehen.<br />

Nun geht es zum Rhein hinunter, zum Messerturm<br />

mit seiner charakteristischen Spitzhaube.<br />

Der Grundriss des aus dem 15. Jahrhundert stammenden<br />

Turms ist dreieckig, wobei eine Ecke in<br />

den Fluss hineinragt. Der Name stammt von den<br />

Messern, die einst in der dortigen Folterkammer<br />

verwendet wurden. Im Süden schließlich finden<br />

wir den Obertorturm mit einer Kuriosität. Keinesfalls<br />

sollten wir uns auf dessen Turmuhr verlassen,<br />

denn die geht seit Jahrhunderten um sieben<br />

Minuten vor. Der Grund ist, dass die Tore früher<br />

abends um Punkt fünf Uhr geschlossen wurden.<br />

Damit aber die Bauern draußen auf den Feldern<br />

genügend Zeit hatten, in die Stadt zurückzukehren,<br />

hat man die Turmuhr vorgestellt und das bis<br />

heute beibehalten.<br />

Etwas außerhalb des Ortes im Westen befindet<br />

sich auf einer Anhöhe die sehenswerte Feldschlösschen-Brauerei,<br />

deren Fabrikgebäude im<br />

Stil einer mittelalterlichen Burg erbaut worden<br />

sind. Dort finden immer im Spätsommer die<br />

Open Air Kinotage statt. Unterhalb der Insel liegt<br />

auch die Anlegestelle der Basler Personenschifffahrt.<br />

Von hieraus kann man eine Wasserreise bis<br />

nach Basel hinunter unternehmen. An der Rheinfelder<br />

Brücke beginnt auch die Schiffbarkeit des<br />

Rheins, der von hier bis zur Nordsee befahren<br />

werden kann. Einen Besuch wert ist auch das alljährliche<br />

Brückenfest beider Rheinfelden, das jeweils<br />

Ende Juni an und auf der alten Rheinbrücke<br />

mit vielfältigem kulturellen und kulinarischem<br />

Programm stattfindet.<br />

Von Thomas Peter

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