Der Bedarf nach Gesundheitsbildung - Schaffler Verlag
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Was Vertrauen schafft<br />
<strong>Der</strong> <strong>Bedarf</strong> <strong>nach</strong><br />
<strong>Gesundheitsbildung</strong><br />
Um gesundheitsrelevantes Wissen im Internet nützen zu<br />
können, ist es notwendig, hochwertige Quellen als solche zu<br />
erkennen. Eine Fragebogenerhebung zeigt: Kaum ein<br />
Internetnutzer kennt Qualitätskriterien.<br />
Alexander Riegler<br />
In unserem täglichen Leben sind wir ständig mit Entscheidungen<br />
konfrontiert, die sich direkt oder indirekt auf unser<br />
Wohlbefinden auswirken. Beeinflusst werden wir dabei vielfach<br />
durch unsere Umwelt, durch Medien oder Freunde, aber auch<br />
durch individuelle Erfahrungen. Um das Für und Wider einer Entscheidung<br />
besser abwägen zu können, ist es jedoch notwendig,<br />
über eine gute Informationslage zu verfügen.<br />
Gerade im Bereich der Gesundheit können minderwertige oder falsche<br />
Informationen mehr schaden als nützen. In der heutigen Zeit<br />
ist es im Gegensatz zu den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr<br />
das Problem des mangelnden Zugangs zu medizinischen Informationen,<br />
sondern vielmehr sind wir durch das Internet mit einem<br />
Überangebot konfrontiert. Dass das Medium Internet häufig zur Informationssuche<br />
herangezogen wird, zeigen aktuelle statistische<br />
Erhebungen. Waren es im Jahr 2007 41 Prozent aller österreichischen<br />
Internetnutzer, die das Web zur Suche <strong>nach</strong> gesundheitsrelevanten<br />
Informationen genützt haben, so waren es im<br />
Jahr 2010 bereits mehr als 50 Prozent. 1 Dieser Trend ist<br />
nicht einzig und alleine auf Österreich oder Europa beschränkt,<br />
Daten aus Amerika weisen für das Jahr 2009<br />
bereits einen Wert von über 61 Prozent aus. 2<br />
Die Fülle des Angebotes bringt auch eine große qualitative<br />
Streuung mit sich. <strong>Der</strong> interessierte Leser bzw. der<br />
Konsument der Informationen ist gefordert, eigenständig<br />
jene Seiten herauszufiltern, die seriöse Informationsangebote<br />
zur Verfügung stellen.<br />
Qualitätskontrollen und Kennzeichnungen von Gesundheitsinformationen<br />
gewannen zu Beginn der 1990er-Jahre, als das Internet<br />
verstärkt in den Fokus der kommerziellen Interessen geraten<br />
ist, an Bedeutung. Experten begannen daraufhin<br />
mit der Entwicklung von ersten Verhaltenskodizes,<br />
die allgemein mit dem englischen Begriff als „Code<br />
of Conduct“ bezeichnet werden. Sie dienten dazu, die<br />
Bevölkerung besser vor Betrug und Fehlinformation zu<br />
schützen und gleichzeitig erhielten die Informationsbereitsteller<br />
erste Anhaltspunkte dafür, wie die Informationen angeboten<br />
und abgefasst werden sollten. Heute sind es vor allem internationale<br />
Initiativen zur Qualitätssicherung, die die Bevölkerung<br />
beim Erkennen von hochwertigen Informationen unterstützen.<br />
Internationale Initiativen zur Qualitätssicherung<br />
Zur Gruppe der einfachen Verhaltenskodizes gehört beispielsweise<br />
der „eHealth Code<br />
of Ethics“. Hier haben sich<br />
verschiedene Institutionen<br />
zusammengeschlossen und<br />
für ihre Mitglieder wesentliche<br />
Leitprinzipien definiert. Da der Code auf dem Grundsatz der<br />
Selbstregulierung beruht, gibt es keine Kontrollen. Auch sind keine<br />
Sanktionen für die Nicht-Einhaltung der Vorgaben vorgesehen, somit<br />
ist die Aussagekraft für den Seitenbesucher gering.<br />
Bei den Qualitätssiegeln oder selbst angewandten<br />
Verhaltenskodizes erstellt eine Organisation einen Verhaltenskodex<br />
und gestattet jenen Seitenbetreibern, die<br />
sich an diese Vorgaben halten, ein entsprechendes Logo<br />
zu tragen. Im Gegensatz zur Selbstregulierung aufgrund<br />
einfacher Verhaltenskodizes werden hier die Vorgaben<br />
regelmäßig kontrolliert. Das wahrscheinlich bekannteste<br />
Siegel stammt von der gemeinnützigen Health-on-<br />
Net (HON)-Foundation und beruht auf der Einhaltung<br />
von acht Prinzipien. Hierbei handelt es sich um Formalkriterien<br />
wie beispielsweise Offenlegung der Finanzierung oder<br />
Angaben über die Qualifikation des Autors, der eigentliche Inhalt<br />
des Informationsangebotes wird dabei jedoch nicht kontrolliert. 3<br />
Ein Vertreter der Gruppe Qualitäts- bzw. Zulassungssiegel<br />
von Drittanbietern ist das Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem<br />
(afgis). Seit 2005 wird ein<br />
(kostenpflichtiges) Prüflogo<br />
für qualitativ hochwertige Informationen<br />
offeriert, es be-<br />
20 Das österreichische Gesundheitswesen – ÖKZ<br />
52. Jg. (2011), 07 | www.schaffler-verlag.com
Was Vertrauen schafft ::<br />
ruht auf der Basis von formalen „Transparenzkriterien“. Als Weiterentwicklung<br />
ist die Formulierung von inhaltlichen Anforderungen<br />
an das Informationsangebot geplant. 4<br />
Bei der Bereitstellung von Leitfäden, beispielsweise<br />
DISCERN, kann anhand eines vorgegebenen<br />
Fragenkataloges eine eigenständige<br />
Überprüfung des Informationsangebotes<br />
durchgeführt werden. 5<br />
Das Prinzip der Filtersysteme, beispielsweise Healthfinder, beruht<br />
darauf, dass medizinisches Datenmaterial von<br />
Experten im Vorfeld gesammelt, kontrolliert,<br />
klassifiziert und kategorisiert wird. Erst da<strong>nach</strong><br />
wird es gemäß dessen Relevanz und<br />
Qualität einer bestimmten Zielgruppe zugänglich<br />
gemacht.<br />
In der Literatur finden sich viele themenspezifische<br />
Publikationen über die oben beschriebenen<br />
Initiativen, wenig ist jedoch darüber<br />
bekannt, wie diese in der Praxis von den Bürgern erlebt werden<br />
und welchen Nutzen sie daraus ziehen.<br />
Fragebogenerhebung<br />
Um einen ersten Überblick darüber zu bekommen, wurde eine<br />
Fragebogenerhebung (n=280) durchgeführt. 6 Aufgrund des begrenzten<br />
Stichprobenumfanges konnten zwar keine Rückschlüsse<br />
auf die österreichische Gesamtbevölkerung gezogen werden, trotz<br />
allem wurden aber interessante Erkenntnisse über das gesundheitsrelevante<br />
Suchverhalten gewonnen.<br />
Die Teilnehmer wurden gebeten, zumindest ein Kriterium zu nennen,<br />
das ihnen dabei hilft, eigenständig die Qualität eines vorliegenden<br />
Informationsangebotes abschätzen zu können. Nur weniger<br />
als zehn Prozent der Befragten konnten hier ein gängiges<br />
Qualitätskriterium anführen. Weiters wurde abgefragt, wie wichtig<br />
eines der besagten Kriterien bei der Auswahl von Informationen<br />
ist. Obwohl Qualitätskriterien kaum bekannt waren, stuften<br />
91 Prozent der Befragten diese als wichtig oder zumindest als<br />
teilweise wichtig ein.<br />
Nachdem die Suche <strong>nach</strong> Gesundheitsinformationen in Österreich<br />
sehr weit verbreitet ist, war es auch von Interesse, wie mit<br />
derartigen Informationen umgegangen wird. Ein Großteil der Informationen,<br />
70 Prozent, blieb ohne Bestätigung des Wahrheitsgehalts<br />
durch einen Gesundheitsexperten, beispielsweise durch<br />
den dazu befragten Hausarzt. 26 Prozent gaben an, dass ihre gefundenen<br />
Ergebnisse zumindest einmal von einem Experten als<br />
richtig eingestuft wurden. In den restlichen vier Prozent der Fälle<br />
wurde der Inhalt der gefundenen Daten von fachkundigen Personen<br />
als falsch eingestuft.<br />
Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, sich mehr Unterstützung<br />
bei der Suche <strong>nach</strong> hochwertigen Informationen zu<br />
wünschen. Die Ergebnisse der Stichprobenauswertung zeigten,<br />
dass einerseits Aufklärung in Bezug auf Qualitätskriterien notwendig<br />
ist und andererseits auch der Wunsch <strong>nach</strong> weiteren Hilfestellungen<br />
für die Suche <strong>nach</strong> seriösen Informationen besteht.<br />
Um sowohl die Suche einfacher zu gestalten als auch die eigenständige<br />
Qualitätsbeurteilung durch den Leser<br />
zu forcieren, wurden Anfang Mai 2011 ein Praxisratgeber<br />
und Praxisleitfaden unter dem Titel<br />
„Wie finde ich seriöse Gesundheitsinformation<br />
im Internet?“ von der Niederösterreichischen<br />
Patientenanwaltschaft veröffentlicht. Beide<br />
Dokumente können kostenlos über das Internet<br />
unter der Adresse www.patientenanwalt.com/<br />
bezogen werden. <strong>Der</strong> interessierte Leser findet darin Informationen<br />
zu den verschiedensten Qualitätssicherungsinitiativen und<br />
Kriterien sowie Empfehlungen darüber, wie offene Fragen mit einem<br />
Gesundheitsexperten besprochen werden können. ::<br />
<strong>Gesundheitsbildung</strong><br />
<strong>Der</strong> WHO-Definition für <strong>Gesundheitsbildung</strong> (Health Literacy)<br />
folgend, sollte jeder Bürger über genügend soziale und<br />
kognitive Fähigkeiten verfügen, die die Fähigkeit und Motivation<br />
bestimmen, selbstständig Informationen zu finden,<br />
zu verstehen und zu verwenden, um die eigene Gesundheit<br />
zu erhalten oder zu fördern. 7 Eine geringe Gesundheitskompetenz<br />
ist vielfach mit einem schlechten Gesundheitszustand<br />
assoziiert, weiters sind diese Personen weniger<br />
empfänglich für Präventionsmaßnahmen und haben Probleme,<br />
Anweisungen oder Empfehlungen von Gesundheitsexperten<br />
umzusetzen. 8<br />
Die Public-Health-Experten Don Nutbeam und Ilona Kickbusch<br />
bezeichneten daher die Förderung der <strong>Gesundheitsbildung</strong><br />
bereits im Jahr 2000 als die größte Herausforderung<br />
des 21. Jahrhunderts. 9<br />
Literatur:<br />
1<br />
Statistik Austria. IKT-Einsatz in Haushalten, 2010. http://www.statistik.at/web_de/<br />
statistiken/informationsgesellschaft/ikt-einsatz_in_haushalten/024571.html<br />
2<br />
Fox, S. The Social Life of Health Information. Pew Internet and American Life Project,<br />
2009. http://www.pewinternet.org/Reports/2009/8-The-Social-Life-of-Health-<br />
Information.aspx<br />
3<br />
Health on Net Foundation. The HON Code of Conduct for medical and health Web sites<br />
(HONcode). http://www.hon.ch<br />
4<br />
Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem. afgis-Qualitätskriterien und<br />
-Transparenz-Bausteine. http://www.afgis.de<br />
5<br />
DISCERN online. Qualitätskriterien für Patienteninformationen. http://www.discern.de<br />
6<br />
Riegler, A. Steigerung der Partizipation und des Empowerments von Bürgerinnen und<br />
Bürgern durch hochwertige Gesundheitsinformationen aus dem Internet. Medizinische<br />
Universität Graz. 2010. http://www.alexanderriegler.at<br />
7<br />
WHO. Health Promotion. 2010. http://www.who.int/healthpromotion/conferences/7gchp/<br />
track2/en/index.html<br />
8<br />
Health Care Communication Laboratory. Denkanstösse für ein Rahmenkonzept zu Health<br />
Literacy, 2005. http://www.gesundheitsfoerderung.ch/common/files/activities/policy/<br />
102733_HealthLiteracy.pdf<br />
9<br />
Nutbeam, D, Kickbusch, I. Advancing health literacy: a global challenge for the<br />
21 st century. Health Promot Int, 2000:15(3), 183-184.<br />
Foto: Privat<br />
Alexander Riegler, MPH<br />
Biomedizinischer Analytiker (BMA)<br />
am Universitätsklinikum Graz.<br />
alexander.riegler77@gmx.at<br />
52. Jg. (2011), 07 | www.schaffler-verlag.com Das österreichische Gesundheitswesen – ÖKZ 21