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60 AUFWÄRTS - aktive Senioren in Maintal

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K<strong>in</strong>dheitser<strong>in</strong>nerungen<br />

zur Adventszeit<br />

Es ist der 6. Dezember 1953 - klalt, trüb und<br />

Schneetreiben. Wir Geschwister, 8, 6, 5 und 1<br />

Jahr alt, warten zusammen mit unseren Eltern<br />

und Großeltern väterlicherseits auf die here<strong>in</strong>brechende<br />

Dunkelheit und den heiligen Nikolaus.<br />

Nach e<strong>in</strong>em Nachmittag mit Gesellschaftsspielen,<br />

Ovomalt<strong>in</strong>e-tr<strong>in</strong>ken und den ersten leckeren<br />

Weihnachtsplätzchen verstrich die Zeit wie<br />

im Fluge. Wir sitzen gemütlich im Wohnzimmer.<br />

Oma erzählt Geschichtchen und nur Mutti hat <strong>in</strong><br />

der Küche noch Vorbereitungen<br />

für‘s geme<strong>in</strong>same<br />

Abendessen zu treffen, als<br />

unsere Wohnungsnachbar<strong>in</strong><br />

kl<strong>in</strong>gelt und me<strong>in</strong>e Mutter<br />

um Hilfe zu sich bittet.<br />

Wir K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d doch sehr<br />

angespannt und auch e<strong>in</strong><br />

bisschen ängstlich, was auf<br />

uns zu kommt!<br />

Nur me<strong>in</strong>e zweitälteste<br />

Schwester, mehr Bub als<br />

Mädchen, hatte schon zu<br />

Beg<strong>in</strong>n der Adventszeit verkündet,<br />

dass sie nicht mehr<br />

an den Nikolaus glaubt, „alles<br />

sei Unfug, den gäbe es<br />

gar nicht“ und so verhielt<br />

sie sich auch. Heute würden<br />

wir „cool“ dazu sagen.<br />

Plötzlich polterte es laut<br />

im Flur, die Wohnungstür<br />

wurde geöffnet und kurz<br />

darauf stand der Nikolaus<br />

im wunderschönen Gewand<br />

e<strong>in</strong>es Bischofs mit<br />

Mitra (Bischofsmütze) und<br />

Bischofsstab im Wohnzimmer.<br />

Se<strong>in</strong> über die Schulter<br />

geworfener Sack fiel<br />

zu Boden und e<strong>in</strong> dickes goldenens Buch kam<br />

zum Vorsche<strong>in</strong>. In ihm stand über jeden von uns<br />

etwas geschrieben. Auch Opa, Oma, Papa und<br />

Mutter, die ja fehlte, kamen dar<strong>in</strong> vor. Nachem<br />

wir unsere Missetaten und Belobigungen gehört<br />

hatten, trugen wir je nach Alter e<strong>in</strong> Gedicht<br />

oder e<strong>in</strong> Lied vor, bevor wir unsere kle<strong>in</strong>en - für<br />

damalige Zeiten allerd<strong>in</strong>gs großen Geschenke<br />

- bekamen. So freuten wir uns über e<strong>in</strong> paar<br />

Buntstifte und e<strong>in</strong> Malbuch, für jeden e<strong>in</strong>e Tafel<br />

Schokolade, Äpfel und Nüsse. Me<strong>in</strong>e zweitälteste<br />

Schwester musterte über die ganze Zeit herausfordernd<br />

vom Kopf bis zu den Füßen den<br />

Nikolaus und platzte plötzlich heraus: „Du hast<br />

ja Mama‘s Stiefel an!“<br />

Es entstand für e<strong>in</strong>en kurzen Moment e<strong>in</strong>e<br />

Stille, <strong>in</strong> der der Nikolaus dann mit ruhiger und<br />

sehr tiefer Stimme antwortete: „Du hast Recht<br />

me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, ich habe die Stiefel de<strong>in</strong>er Mama an.<br />

Sie standen auf dem Abtreter vor eurer Wohnungstür.<br />

Me<strong>in</strong>e eigenen Stiefel s<strong>in</strong>d bei dem<br />

schlechten Wetter, da<br />

ich schon den ganzen<br />

Nachmittag unterwegs<br />

b<strong>in</strong>, so nass geworden<br />

und me<strong>in</strong>e Füße s<strong>in</strong>d<br />

so kalt, dass ich sie hier<br />

bei euch mit den Stiefeln<br />

de<strong>in</strong>er Mama e<strong>in</strong> wenig<br />

wärmen wollte. Es s<strong>in</strong>d<br />

wunderschöne Stiefel<br />

und wenn ich euch verlasse,<br />

werde ich sie wieder<br />

an ihren Platz zurückstellen.<br />

Glaubst du<br />

mir das?“<br />

Me<strong>in</strong>e Schwester blickte<br />

beschämt zu Boden<br />

und nickte. Doch als der<br />

Nikolaus kaum e<strong>in</strong>e kurze<br />

Zeit fort war, stürmte<br />

sie zur Wohnungstür<br />

und wahhaftig - da<br />

standen Mamas Stiefel<br />

wieder. Sie waren <strong>in</strong>nen<br />

nun schön wohlig warm<br />

und e<strong>in</strong>e Schachtel Pral<strong>in</strong>en<br />

steckte <strong>in</strong> ihnen. In<br />

diesem Moment öffnete<br />

me<strong>in</strong>e Mutter die Tür der<br />

Nachbar<strong>in</strong> und trat mit<br />

dieser vor die Tür. Sie fragte me<strong>in</strong>e Schwester,<br />

was sie da mache. Nun erzählte me<strong>in</strong>e Schwester<br />

alles, was sich zugetragen hatte und zum<strong>in</strong>dest<br />

für dieses Jahr war der Glaube an den heiligen<br />

Nikolaus gerettet.<br />

An diese Geschichte denke ich gerne zurück.<br />

E<strong>in</strong>e ähnliche Geschichte ereignete sich viele<br />

Jahre später mit me<strong>in</strong>em Sohn und se<strong>in</strong>en<br />

Freunden. Die erzähle ich Ihnen aber erst im<br />

nächsten Jahr zur gleichen Zeit.<br />

Ursula Pohl<br />

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