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tung des Niedersachsen oder<br />

Friesen; anderes wird eher<br />

überraschen, etwa die deutlich<br />

stärkere Tendenz zu sexueller<br />

Freizügigkeit im (katholischen)<br />

Süden, verglichen mit<br />

dem (protestantischen) Norden,<br />

oder die flächendeckende,<br />

vor allem in Ostdeutschland<br />

massierte, Neigung zu Innerlichkeit<br />

und Grübelei.<br />

Karlheinz Weißmann<br />

Aufstand, verlängert<br />

Botho Strauß: Der Aufstand<br />

gegen die sekundäre Welt.<br />

Aufsätze, 3. erweiterte Auflage,<br />

München: Hanser 2012. 175S.,<br />

17.90 €<br />

Der Essay »Anschwellender<br />

Bocksgesang« gehört zu den<br />

mythischen Texten der Neuen<br />

Rechten. Wer ihn im Februar<br />

1993 las und in den Monaten<br />

danach die Reaktionen, weiß<br />

seither, wie es ist, wenn eine<br />

Debatte mit offenem Ausgang<br />

geführt wird, in der es um<br />

nichts weniger geht <strong>als</strong> um die<br />

Frage, ob die Deutungsmacht<br />

links bleibe oder rechts werde.<br />

Ein dieser Phase vergleichbares<br />

Ringen hat es seither nicht<br />

wieder gegeben.<br />

Thorsten Hinz<br />

schreibt im zweiten<br />

Band des Staatspolitischen<br />

Handbuchs<br />

(Schlüsselwerke,<br />

Schnellroda 2011)<br />

über die Sammlung<br />

Aufstand gegen die<br />

sekundäre Welt, daß<br />

Botho Strauß mit solchen<br />

Texten »Irritationen<br />

und Beängstigungen<br />

in einer saturierten,<br />

doch ihrer<br />

selbst nicht sicheren liberalen<br />

Gesellschaft« auslöse, und resümiert:<br />

»Die Fernwirkung<br />

dauert an.« Das allein schon<br />

ist Grund genug für jeden, der<br />

noch nicht ausgestattet ist, zu<br />

der deutlich erweiterten, dritten<br />

Auflage der Sammlung zu<br />

greifen: Sie enthält nun einmal<br />

Schlüsseltexte gegen die<br />

»Total herrschaft der Gegenwart«<br />

(Strauß).<br />

Neu aufgenommen sind Texte<br />

aus dem vergangenen Jahrzehnt<br />

– wichtig der über<br />

Spenglers aus dem Nachlaß<br />

herausgegebenen persönlichen<br />

Aufzeichnungen, die Strauß<br />

eben nicht mit Skandalwitterung<br />

liest, sondern zu einem<br />

Aufruf für ein an Spengler geschultes<br />

»abendländisches<br />

Wachsein« nutzt, für ein »Denken<br />

in groben Zügen«. Und<br />

wenn Strauß sich den 81. Band<br />

der Heidegger-Gesamtausgabe<br />

vornimmt, weiß man, daß er<br />

auf seinem Refugium in Brandenburg<br />

tatsächlich sich ohne<br />

Blick auf die journalistische<br />

Verwertbarkeit an einem Feuer<br />

wärmt, »das einen Haufen zeitgeschichteten<br />

Müll verbrennt«.<br />

Götz Kubitschek<br />

Konziliare Revolution<br />

Roberto de Mattei: Das<br />

Zweite Vatikanische Konzil.<br />

Eine bislang ungeschriebene<br />

Geschichte, Ruppichteroth:<br />

Canisius Werk 2011. 667 S.,<br />

35,90 €<br />

Das Zweite Vatikanische Konzil<br />

war das bedeutendste Ereignis<br />

in der Geschichte der<br />

katholischen Kirche des 20.<br />

Jahrhunderts. Es intendierte<br />

die »Heutigwerdung« der Kirche,<br />

das Aggiornamento. Die<br />

Kluft von alltäglicher Lebenswelt<br />

einerseits und<br />

der »Existenz des<br />

Christen« (Romano<br />

Guardini) sollte,<br />

wenn nicht überwunden,<br />

so doch deutlich<br />

verringert werden.<br />

Wie sind die<br />

Folgen dieser Versammlung<br />

höherer<br />

Kirchenvertreter zu<br />

bewerten? Progressive<br />

Interpreten erkennen<br />

Anzeichen<br />

einer »Hermeneutik des Bruches«<br />

im Vergleich zur Vergangenheit,<br />

ebenso ihre traditionalistischen<br />

Kritiker. Freilich<br />

sind die jeweiligen Beurteilungen<br />

unterschiedlich. Eine davon<br />

gänzlich verschiedene Sicht<br />

vertritt der gegenwärtige Papst.<br />

Benedikt XVI. bevorzugt eine<br />

»Hermeneutik der Reform«, ja<br />

der Kontinuität. Auch wenn<br />

das gleichgebliebene Subjekt<br />

Kirche nach außen hin seine<br />

Gestalt gewandelt habe, die<br />

Lehrauffassung sei indessen<br />

bewahrt worden. Welche Deu-<br />

tung ist nun die adäquate? Mit<br />

Roberto de Mattei hat sich ein<br />

Geschichtswissenschaftler und<br />

ehemaliger Berater der italienischen<br />

Regierung der Materie<br />

angenommen. Seine detaillierte<br />

Studie hat den renommierten<br />

Historiker-Preis »Premio Acqui<br />

Storia« erhalten. Der Autor<br />

zeichnet die theologisch-kirchenpolitischen<br />

Veränderungen<br />

bereits der 1950er Jahre nach,<br />

etwa den »Neomodernismus«<br />

unter dem Pontifikat Pius’ XII.,<br />

und schildert die Umstände der<br />

Konzils-Einberufung, die nicht<br />

von der Persönlichkeit Johannes<br />

XXIII. zu trennen sind. Des<br />

weiteren belegt die Arbeit wissenschaftlich<br />

akribisch, was in<br />

Teilen der kirchenpolitischen<br />

Literatur ohnehin kaum strittig<br />

war und etwa in der wichtigen<br />

Schrift von Pater Ralph<br />

M. Wiltgen (Der Rhein fließt<br />

in den Tiber) vertreten wird:<br />

die »fortschrittlichen« Einflüsse<br />

der Achse der Bischöfe<br />

aus dem deutsch- und französischsprachigen<br />

Bereich (Frings,<br />

König, Suenens und so weiter)<br />

und deren theologischer Berater<br />

(Rahner, Küng, Congar<br />

und andere). Dieser Fraktion,<br />

die sich letztlich durchsetzte<br />

und die in besonderer Weise<br />

die »Epoche der konziliaren<br />

Revolution« (de Mattei) repräsentierte,<br />

stand eine konservativ-kuriale<br />

Gruppierung gegenüber,<br />

die bedeutende Kardinäle<br />

wie Ottaviani, Siri und Ruffini<br />

umfaßte. Papst Paul VI. neigte<br />

eindeutig den Neuerern zu.<br />

Alle vier Sitzungsperioden werden<br />

minutiös beschrieben.<br />

Besonders studierenswert ist<br />

das Kapitel über die »Konzilsepoche«<br />

(1965–1978). Selbst einige<br />

Etappen der Konzilsrezeption<br />

werden dargestellt, zudem<br />

eine Episode aus der Profangeschichte<br />

(»Der italienische Weg<br />

zum Kommunismus«). Die<br />

Kulturrevolution zeigte sich<br />

nicht nur im kirchlichen Leben,<br />

sondern auf allen sozialen Sektoren.<br />

Nach der Lektüre wagt<br />

der Leser es nicht mehr, die<br />

»Hermeneutik des Bruches«<br />

ernsthaft zu hinterfragen. Unstrittig<br />

ist: De Matteis Monographie<br />

stellt einen Meilenstein<br />

in der umfangreichen Literatur<br />

zu diesem Thema dar.<br />

Felix Dirsch<br />

Bücher<br />

53

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