Download als PDF
Download als PDF
Download als PDF
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
manente Ambivalenzen oder gar modischen Freiheitsraum<br />
bewerten, sondern <strong>als</strong> groteske Widersprüche<br />
deuten, tut wenig zur Sache, auch nicht,<br />
daß sie behaupten, an der Kleidung sei die individuelle<br />
Stellung zur Politik ablesbar. Die Vielfalt<br />
der Exponate und die hunderterlei Details<br />
machen die Schau zu einer wohlsortierten Fundgrube,<br />
in der man mit Gewinn stöbert.<br />
Die Ausstellung in der Cromforder Allee 24,<br />
40878 Ratingen ist dienstags bis freitags von 10–<br />
17, am Wochenende von 11–18 Uhr geöffnet, Informationen<br />
und Buchung von Führungen unter<br />
02234/9921555.<br />
Deutsch: Bauen, Schützen, Fürchten<br />
»Denken Deutsche anders?« fragt die neue Ausgabe<br />
des 2011 gegründeten, zweimonatlich erscheinenden<br />
Philosophie Magazins auf dem Titel.<br />
Immerhin sei der »politische Einfluß der<br />
Bundesrepublik so groß wie nie zuvor in der<br />
Nachkriegszeit«. Die tautologische Fügung – <strong>als</strong><br />
hätte es vor dem Nachkrieg eine BRD gegeben<br />
– ist dem Umstand geschuldet, daß es sich bei<br />
dem reich bebilderten, über weite Strecken auf<br />
Kompilationen fußenden Magazin eben nicht<br />
um eine Fachzeitschrift, sondern um ein Medium<br />
für philosophisch interessierte Laien handelt.<br />
Aufsatzweise sehr lesenswert ist das Heft<br />
gleichwohl: Bauen, Schützen, Fürchten wird <strong>als</strong><br />
»deutscher Dreiklang« ausgemacht, wobei innerhalb<br />
des 25seitigen Dossiers die Einlassungen<br />
zum »Bauen« unentschieden mager ausfallen.<br />
Ja, die deutsche Ingenieurskunst, beflügelt<br />
durch mutmaßlich spezifisch deutsche Zutaten<br />
wie Systembauwillen, technische Vorstellungskraft,<br />
Pedanterie, Ehrgeiz und »Bastelpassion«<br />
genieße hohes Ansehen. Aber sei die resultierende<br />
Kombination aus Haltbarkeit und Nachhaltigkeit<br />
nicht nur ein Mythos, aus einem »frühen<br />
PR-Erfolg« und gelungener Selbstdarstellung<br />
erwachsen? Letztlich sei jedes Produkt aus<br />
Komponenten unterschiedlichster Herkunft zusammengesetzt,<br />
und war nicht auch die Sowjetunion<br />
»mit gutem Grund« stolz auf ihre Ingenieure?<br />
Ebenfalls kritisch, doch fundierter widmet<br />
man sich dem Aspekt des »Schützens«, und<br />
zwar entlang einer Ortsbegehung des von Rudolf<br />
Bahro mitinitiierten ökophilosophischen<br />
Beispielprojekts Lebensgut Pommritz. Fein wird<br />
die »Krux der deutschen Naturphilosophie-Misere«<br />
herausgearbeitet: Der nachkriegsbedingte<br />
Bruch mit Werten der Natürlichkeit, den biologischen<br />
und »volksseelischen« Appellen habe<br />
ein identitätsbefreites »Trauma wie nach einer<br />
Amputation« hinterlassen. Lebendiges schützen<br />
ohne die Natur unter einer rigiden Moralität zu<br />
ersticken, dieses komplizierte Unterfangen gelinge<br />
den Deutschen schwer. Hervorragend der<br />
Aufsatz der stellvertretenden Chefredakteurin,<br />
Svenja Flaßpöhler, zum »Fürchten« <strong>als</strong> Schlußton<br />
des deutschen Dreiklangs. Ist die sprichwörtliche<br />
German Angst erworben oder ererbt?<br />
Müssen wir das fürchterliche Duo aus Erwartungsangst<br />
und Gewissenhaftigkeit pathologisieren,<br />
<strong>als</strong> Ausdruck einer Enge, einer Abwehr<br />
gegen alles »Uneigentliche«? Nein, es umreißt<br />
eine existentielle Tiefe. Das »<strong>als</strong> unheimlich«<br />
Gefürchtete wäre demnach »das Eigene, das<br />
Heimische: die deutsche Heimat.« Ebenfalls lesenswert<br />
im Heft: ein Interview mit Robert Pfaller<br />
über »reaktionäre Genußfeindlichkeit« sowie<br />
ein Aufsatz von Susan Neiman gegen den<br />
Opferkult: Her mit den Helden!<br />
Das Philosophie Magazin umfaßt 100 Seiten<br />
und kostet 5.90 €; Philomagazin Verlag, Rodenbergstraße<br />
29, 10439 Berlin; www.philomag.de.<br />
Kleine Geschichte Schlesiens<br />
Daß unsere Nationalelf durch »Polen« wie Klose<br />
und Podolski bereichert wird, ist längst ebenso<br />
Gemeingut wie die statistisch relevante Zählweise,<br />
wonach Vertriebene unter »Menschen<br />
mit Migrationshintergrund« gerechnet werden.<br />
Was dürfen wir eigentlich unter der Ortsangabe<br />
»Schlesien« verstehen? Der Historiker und Slawist<br />
Helmut Neubacher, geboren 1933 in Grottkau/Oberschlesien,<br />
hat bereits vor Jahrzehnten<br />
die Broschüre Kleine Geschichte Schlesiens erarbeitet,<br />
die immer wieder rasch vergriffen war<br />
und neu aufgelegt werden mußte. Nun ist eine<br />
überarbeitete Fassung über die Geschichte (und<br />
Gegenwart) des einst reichen Grenz- und Brückenlandes<br />
in der neunten Auflage erschienen.<br />
Die knappe, doch profunde Darstellung besticht<br />
auch deshalb, weil sie inhaltlich sachgerecht ist<br />
und sprachlich poetisch dort, wo es kaum anders<br />
geht, etwa bei der Nennung der Nebenflüsse der<br />
Oder, die das Land eichenblatt ähnlich durchädern:<br />
»Rechts flossen und fließen ihr zu: Ostrawitza,<br />
Olsa, Ruda, Malapane, Stoder, Weide und<br />
Bartsch, von links: Oppa, Zinna, Hotzenplotz,<br />
Ohle, Lohe …« Man sollte sie kennen, und sei<br />
es den Namen nach, die schimmern, <strong>als</strong> sei dies<br />
Land unberührt.<br />
Das 45seitige Büchlein mit Karte, Register<br />
und ausführlichem Literaturverzeichnis ist für<br />
2.90 € zu beziehen über den Senfkorn Verlag,<br />
Brüderstraße 13, 02826 Görlitz; info@senfkornverlag.de.<br />
56 Vermischtes