2012 Oktober / Lebenshilfe Freising / Tausendfüßler-Magazin
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umfassend zugänglich gemacht werden. Dies erfasst<br />
alle Verständnishindernisse gleich welcher Art, also z.B.<br />
auch die Verständigung mit Menschen mit geistiger<br />
Behinderung über Leichte Sprache.<br />
Neben dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen<br />
können auch unabhängige Gutachter die Begutachtung<br />
zur Pflegebedürftigkeit des Versicherten<br />
durchführen. Antragsteller werden im Rahmen der<br />
Begutachtung zudem über ihren Anspruch informiert,<br />
das Gutachten zugesandt zu bekommen. Auch wird<br />
gleichzeitig der Bedarf an medizinischer Rehabilitation<br />
ermittelt und in einer gesonderten Rehabilitationsempfehlung<br />
zusammengefasst. Wird ein Bedarf festgestellt<br />
(z.B. für eine Kur der Rentenversicherung) und<br />
stimmt der Versicherte zu, leitet die Pflegekasse diese<br />
Empfehlung zukünftig automatisch an den zuständigen<br />
Rehabilitationsträger weiter.<br />
Wird der Pflegebescheid nicht innerhalb von fünf<br />
Wochen nach Antragsstellung erteilt, zahlt die Pflegekasse<br />
dem Versicherten für jede angefangene Woche<br />
70 €. Dies gilt nicht für Antragsteller, die sich in stationärer<br />
Pflege befinden und bereits mindestens Pflegestufe<br />
I haben, oder wenn die Pflegekasse die Verzögerung<br />
nicht zu vertreten hat. Diese Regelung tritt erst<br />
zum 1. Juni 2013 in Kraft.<br />
4) Förderung von Wohngruppen<br />
Eine ambulant betreute Wohngruppe aus mindestens<br />
drei Pflegebedürftigen in einer gemeinsamen Wohnung<br />
erhält einen Zuschlag von 200 € monatlich. Zur<br />
Gründung gibt es als Anschubfinanzierung für die<br />
altersgerechte oder barrierearme Umgestaltung der<br />
Wohnung einmalig einen Betrag von bis zu 2500 € pro<br />
Pflegebedürftigem bzw. maximal 10 000 € pro ambulanter<br />
Wohngruppe. Der Anspruch muss innerhalb eines<br />
Jahres nach Gründung der Wohngruppe geltend<br />
gemacht werden.<br />
5) Anteiliges Pflegegeld<br />
Die von den Pflegekassen seit 2011 durchgeführte Praxis<br />
der Kürzung des anteiligen Pflegegeldes bei Leistungsberechtigten,<br />
die in einer Einrichtung der Behindertenhilfe<br />
leben (vgl. Hinweis im <strong>Tausendfüßler</strong> vom<br />
Januar <strong>2012</strong>), wird nun gesetzlich beendet. Zukünftig<br />
besteht ein Anspruch für diesen Personenkreis auf ungekürztes<br />
anteiliges Pflegegeld für die Tage, an denen<br />
sie sich in häuslicher Pflege befinden. Damit ist klargestellt,<br />
dass die Pflegekassen die übliche Berechnungsmethode<br />
anzuwenden haben.<br />
6) Erweiterte Altersgrenze<br />
bei Kurzzeitpflege<br />
Seit 2008 haben zu Hause gepflegte Kinder unter 18<br />
Jahren die Möglichkeit, die Kurzzeitpflege etwa bei<br />
Krankheit des pflegenden Elternteils auch in einer<br />
Einrichtung der Behindertenhilfe zu verbringen, die<br />
keinen Versorgungsvertrag nach SGB XI hat. Zukünftig<br />
wird dies bis zum 25. Geburtstag möglich sein.<br />
7) Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff<br />
Der seit 1995 bestehende Pflegebegriff benachteiligt insbesondere<br />
Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz<br />
und damit auch Menschen mit geistiger<br />
Behinderung. Auch beim „Pflege-Neuausrichtungsgesetz“<br />
gibt der Gesetzgeber zu, dass eine Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs<br />
unumgänglich ist. Dennoch geht er es<br />
nicht an sondern spricht von einem Übergangszeitraum,<br />
in dem ein neues Leistungssystem erarbeitet werden soll.<br />
Wissen muss man, dass es bereits seit 2009 Empfehlungen<br />
für einen neuen Pflegebegriff von Experten<br />
gibt, die ihn im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums<br />
entwickelt haben. Nun gibt es bereits seit März<br />
einen neuen Expertenbeirat zur konkreten Ausgestaltung<br />
eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs.<br />
Die Gründe, weshalb eine neue Definition des Pflegebegriffs<br />
noch nicht erfolgt ist, hängen mit den Abgrenzungsschwierigkeiten<br />
der Eingliederungshilfe<br />
(SGB XII) zur Pflege (SGB XI) zusammen. Nach wie vor<br />
fehlt ein Gesamtkonzept von Teilhabe und Pflege.<br />
8) Mehr Wahlmöglichkeiten bei<br />
Pflegeleistungen<br />
Die Leistungen der Pflegeversicherung sollen flexibler in<br />
Anspruch genommen und kombiniert werden können.<br />
Neben den heute geltenden verrichtungsbezogenen<br />
Tätigkeiten der Pflegedienste können künftig auch Zeitkontingente<br />
vereinbart werden, innerhalb derer Leistungen<br />
bedarfsgerecht erbracht werden können. In Betracht<br />
kommt z.B. eine Stundenvergütung, die je nach tatsächlichem<br />
Aufwand an Zeit anteilig berechnet wird. Welche<br />
Leistungen der Pflegedienst in dieser Zeit erbringt, obliegt<br />
der freien Auswahl durch den Pflegebedürftigen.<br />
9) Stärkung der Selbsthilfe<br />
Der Gesetzgeber will mit zehn Cent je Versicherten<br />
und Kalenderjahr, also insgesamt acht Millionen Euro,<br />
Selbsthilfegruppen fördern, die Pflegebedürftigen,<br />
Menschen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf<br />
und deren Angehörige unterstützen.<br />
SO WAR´S – DIE CHRONIK DER LEBENSHILFE FREISING // 17