2011-02: Dekor
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© Springer-Verlag kunst und kirche 03/<strong>2011</strong> 17<br />
gesucht wird, zum Beispiel bei jedem Gottesdienstbesuch?<br />
Und: Ist es nicht denkbar, dass ein Kirchenraum durch das<br />
Kolumbarium für einen Menschen zum Taburaum wird, so<br />
dass Kirche hier ihre Funktion als Lebensbegleiterin gar nicht<br />
mehr wahrnehmen kann? Beide Anfragen haben ihr Recht.<br />
Ihnen könnte dadurch begegnet werden, dass man Kirchen so<br />
umwidmet, dass sie ausschließlich als Kolumbarien genutzt<br />
werden.<br />
Dieser möglichen Konsequenz stehen jedoch andere Überlegungen<br />
gegenüber: Die Einrichtung eines Kolumbariums in<br />
einer Kirche eröffnet die Möglichkeit, eine Auseinandersetzung<br />
mit dem Tod und der Hoffnung über den Tod hinaus<br />
zu kultivieren, die jenseits direkter persönlicher Betroffenheit<br />
stattfindet. So können sowohl für die Gemeinde als ganze als<br />
auch für einzelne Personen im Blick auf den akuten Fall Gestaltungs-<br />
und Kommunikationsräume eröffnet werden, die<br />
eine gelingende Trauerarbeit befördern. Dies ist in besonderer<br />
Weise der Fall, wenn man Kolumbarien in regulär gemeindlich<br />
genutzten Kirchen einrichtet. Darüber hinaus würde in einem<br />
solchen Arrangement die Wirklichkeit, dass das Leben in seinen<br />
vielfältigen Bezügen weitergeht, durch die Repräsentanz<br />
der Toten im Lebensraum Kirche abgebildet und gestaltbar<br />
Insa Meyer-Rohrschneider<br />
einer entsprechenden Gestaltung eher gefördert werden kann.<br />
Die Gestaltung eines Kolumbariums sollte jedoch jenseits finanzieller<br />
Erwägungen den ausgeführten dogmatischen und<br />
seelsorgerlichen Erfordernissen gerecht werden.<br />
Gleichwohl gibt es zahlreiche Themen, die bei einer konkreten<br />
Planung gründlich zu bedenken sind und die eine Umsetzung<br />
nicht geraten sein lassen könnten. Dazu gehören<br />
neben der Gemeindekonzeption und den personellen Ressourcen<br />
zur Umsetzung eines solchen Projektes auch Fragen<br />
des Friedhofsrechts, der öffentlichen Zugänglichkeit, bereits<br />
vorhandener (alternativer) Bestattungsformen, der Belegung,<br />
möglicher Einschränkungen bei der Nutzung des Kirchenraumes<br />
u. v. a. m.<br />
Aus systematisch- und praktisch-theologischen Gründen,<br />
insbesondere wegen der unüberbietbaren Darstellbarkeit der<br />
christlichen Hoffnung auf Auferweckung im gottesdienstlichen<br />
Vollzug und wegen der Wahrnehmung der Kirchengebäude<br />
als Repräsentanten lebendiger Gemeinden, erscheint eine Einrichtung<br />
von Kolumbarien in regulär gemeindlich genutzten<br />
Kirchen als geratene der denkbaren und durchaus möglichen<br />
Optionen. Dieses jedoch widerspricht der Idee, mit Hilfe der<br />
Kolumbarien leer stehende Kirchengebäude zu erhalten.<br />
gemacht: Das Leben der Hinterbliebenen geht weiter (Alltag<br />
und Feste) – ohne eine direkte Mitwirkung der Toten, aber Anmerkungen<br />
auch nicht ohne sie, da die gemeinsam erlebte Geschichte die<br />
Wahrnehmung der Gegenwart weiterhin prägt.<br />
Des Weiteren kann die Repräsentanz der Toten einen Kommunikationsprozess<br />
über das Verhältnis der Toten zu den Lebenden<br />
und ihrer Lebensgestaltung anregen und damit eine<br />
1 Vgl. dazu z. B. die Überlegungen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen<br />
Kirche Deutschlands und des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen<br />
Weltbundes zur Umnutzung und zum Verkauf von Kirchen vom<br />
November 2003 „Was ist zu bedenken, wenn eine Kirche nicht mehr<br />
als Kirche genutzt wird? Leitlinien des Theologischen Ausschusses der<br />
VELKD und des DNK/LWB“ (http://www.velkd.de/downloads/velkd_texte_122_2003.pdf).<br />
Dort werden in Anmerkung 2 weitere Veröffentlichungen<br />
zum Thema genannt, unter anderem die von der Konferenz der (jur.)<br />
Dynamik in die Bilder der Lebenden von den Toten bringen.<br />
Dies kann einer – im positiven wie im negativen Sinne möglichen<br />
Baudezernenten der Gliedkirchen der EKD herausgegebenen „Gesichts-<br />
– ‚Ikonisierung‘ entgegen wirken. Dies alles kann das punkte und rechtliche Empfehlungen zur Umnutzung und Abgabe von<br />
Kirchen“ vom 24. März 1994. Inzwischen haben auch einige Landeskirchen<br />
eigene Texte verfasst.<br />
Gelingen von Trauerprozessen fördern. In Fällen, in denen die<br />
Repräsentanz eines toten Menschen den Trauerprozess nachhaltig<br />
2 Die hier angestellten Überlegungen überschneiden sich insbesondere hin-<br />
stört, ist eine Umbettung als ultima ratio denkbar.<br />
sichtlich der Gesamtsicht und der praktisch-theologischen Erörterungen<br />
mit den insgesamt etwas breiter angelegten der Theologischen Kammer<br />
Eine gestalterische Aufgabe ist in diesem Zusammenhang allerdings<br />
zu lösen: Damit die Beisetzung in einem Kolumbaritorin<br />
ist. Sie tragen den Titel „‚… ich habe lieb die Stätte deines Hauses<br />
der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, deren Mitglied die Auum<br />
auch wirklich den Charakter einer Bestattung hat, so dass …‘ Überlegungen zur Einrichtung von Kolumbarien in Kirchen“ und werden<br />
voraussichtlich bald öffentlich zugänglich sein.<br />
der Trauerprozess einen vorläufigen Abschluss erfährt, sollte 3 Dazu und zum Folgenden vgl. Gese, H.: Der Tod im Alten Testament, in:<br />
die Urne im Urnenfach nicht oder nur schemenhaft sichtbar Ders.: Zur biblischen Theologie, Tübingen 1989, 31–54, und Kittel, G.:<br />
sein und im Zusammenhang der Trauerfeier würdig dort untergebracht<br />
Befreit aus dem Rachen des Todes. Tod und Todesüberwindung im Alten<br />
werden können. Nach Ende der Liegezeit muss 4 Vgl. zum Folgenden: Dalferth, I. U.: Volles Grab, leerer Glaube? Zum Streit<br />
Testament, Göttingen 1999.<br />
eine endgültige Beisetzung erfolgen. Sie kann analog zur Einebnung<br />
um die Auferweckung des Gekreuzigten, in: ZThK 95 (1998), 379–409.<br />
eines Erdgrabes auf einem Friedhof gesehen werden 5 Vgl. Jüngel, E.: Tod, 5. Aufl., Gütersloh 1993.<br />
und daher in einem Sammelgrab geschehen.<br />
6 Der Begriff stammt von Wilfried Härle und findet insbesondere in seiner<br />
Dogmatik (3., überarb. Aufl. 2007) Verwendung.<br />
Kirchenerhaltung durch Kolumbarien?<br />
Insgesamt ergeben die oben angestellten und ausgeführten<br />
Überlegungen, dass aus theologischer Sicht keine grundlegenden<br />
Einwände gegen die Einrichtung von Kolumbarien in Kirchen<br />
geltend gemacht werden können, weil die Verkündigung<br />
des Evangeliums dadurch nicht eingeschränkt, sondern bei<br />
Grabeskirche Liebfrauen Dortmund (Foto: Michael Fries, Bielefeld)