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2011-02: Dekor

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© Springer-Verlag kunst und kirche 03/<strong>2011</strong> 45<br />

Berichte<br />

özese Wien. „Auch die Materialität ist<br />

sehr schön.“ Martin Haferl vom Büro<br />

Gemeiner Haferl berechnete die Statik.<br />

Der Altar wiegt drei Tonnen. Zwischen<br />

jeder Stahlplatte liegen runde Distanzscheiben<br />

aus hochpoliertem Metall, die<br />

miteinander verschraubt sind. Sie sind<br />

so positioniert, dass sich die Platten<br />

nicht durchbiegen können. Durch ihre<br />

Zwischenräume sieht man durch den<br />

Altar hindurch, was ihm die Schwere<br />

nimmt. Wer genau schaut, erkennt den<br />

Reliquienschrein zwischen den Platten.<br />

Auch der Ambo – der Tisch des Wortes –<br />

ist aus galvanisch geschwärztem Metall.<br />

Seine Form erinnert an ein leicht<br />

gebogenes Blatt und wurde von einem<br />

geöffneten Buch abgeleitet. Er steht am<br />

vorderen Rand des neuen, schwarzen<br />

Podests und ist zum Hauptschiff ausgerichtet.<br />

Dahinter hebt sich die Sessio<br />

unter der Wand mit dem Kreuz förmlich<br />

ab: Eine Stahlplatte bildet die Basis<br />

für drei Sitzflächen aus schwarzem Leder,<br />

zentrums für junge Menschen bildet, in<br />

dem täglich rund 1000 junge Menschen<br />

aus und ein gehen. Die Neugestaltung<br />

wurde von Diözesanbischof Dr. Egon<br />

Kapellari dem deutschen Künstler Klaus<br />

G. Gaida übertragen. Seit vielen Jahren<br />

arbeitet der in Belgien lebende Künstler<br />

mit historischen bildlichen Versatzstücken<br />

und setzt diese behutsam in Gegenwartskontexte<br />

ein und um. Ein wesentliches<br />

Gestaltungselement in dem<br />

schwierigen historistischen Raum, dessen<br />

Raumhülle bei der Erneuerung unverändert<br />

blieb, ist die vollkommene<br />

Verkleidung von 15 großflächigen Fensterflächen<br />

– insgesamt ca. 170 qm –<br />

durch Alabasterplatten, die den Raum<br />

in eine warme, feierliche Stimmung tauchen<br />

und gleichzeitig zu Bildflächen eines<br />

lebendigen Materials werden, die<br />

zur Meditation des Schöpfungsganzen<br />

einladen. Unterstützt wird diese Gesamtatmosphäre<br />

durch neue, in massiver<br />

Eiche ausgeführte Kirchenbänke.<br />

Im Zentrum steht ein auf gewachstem<br />

Gipsputz mit unregelmäßiger Oberfläche<br />

in edlem, dunklen Rot herausgekratzter,<br />

bekleideter Gekreuzigter auf<br />

vergoldetem Kreuzhintergrund – ein bewusster<br />

Rekurs auf die Anfänge christlicher<br />

Kunst. Das Vorbild dieser Darstellung,<br />

das im Jahre 586 entstandene,<br />

von denen die mittlere eine Rücken-<br />

Sie verleihen dem Raum, nicht zuletzt syrische „Rabbula-Evangeliar”, zeigt<br />

lehne mit Kopfstütze hat: der Priestersitz,<br />

dem die Sessio ihre kreuzähnliche<br />

Form verdankt. Die Ministrantenbänke<br />

auf den Stufen zum alten Hochaltar führen<br />

die Leichtigkeit noch weiter: ihre ledernen<br />

Sitzflächen liegen auf Plexiglas.<br />

Das wirkt, als würden sie schweben.<br />

Aus demselben Grund stellt der Mesner<br />

auch das transparente Buchpodest<br />

für die Bibel gern auf den Altar. „Von<br />

hinten hat man den Eindruck, die Bibel<br />

schwebt.“ Am 2. Mai 2010 wurde das<br />

neue sakrale Mobiliar – Mensa, Ambo<br />

und Sessio – in St. Michael eingeweiht.<br />

„Damit ist die Kirche im 21. Jahrhundert<br />

gelandet“, sagt Pfarrer Hofians. Die Gemeinde<br />

ist begeistert.<br />

Historismus neu gedacht.<br />

Die Kirche des Augustinum in Graz,<br />

gestaltet von Klaus G. Gaida<br />

Johannes Rauchenberger und<br />

Alois Kölbl<br />

In Graz gelang mit der Neugestaltung<br />

einer aus der historistischen Epoche<br />

stammenden Hauskirche des einstigen<br />

Knabenseminars ein gelungener zeitgenössischer<br />

Raum von Sakralität, der nun<br />

durch die ungewöhnliche Wangenform,<br />

einen zusätzlichen Halt. Sieben Radleuchter<br />

mit Alabasterschalen greifen<br />

die uralte Tradition auf und transformieren<br />

sie in heutige Formensprache. Die<br />

drei großen Rundbogenflächen an der<br />

Front wurden in einer vom Künstler entwickelten<br />

Technik ausgeführt, die an die<br />

historische Sgraffito-Technik anknüpft.<br />

eine der frühesten Kreuzigungsdarstellungen<br />

des Christentums: Sie findet<br />

sich auf einer Bildseite mit den Darstellungen<br />

des Kreuzigungs- und Auferstehungsgeschehens.<br />

Christus trägt das<br />

mit Goldborten nobilitierte, sogenannte<br />

„Colobium”, ein ärmelloses Gewand<br />

der Antike. Seine Seite ist bereits vom<br />

Soldaten durchbohrt. Der Austritt von<br />

die Mitte eines pulsierenden Bildungs- Die von Klaus G. Gaida neu gestaltete Kirche des Augustinum in Graz, <strong>2011</strong> (Fotos © Klaus G. Gaida).

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