2011-02: Dekor
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© Springer-Verlag kunst und kirche 03/<strong>2011</strong> 47<br />
Berichte<br />
bei auf der Bedeutung des Hauses für<br />
die Religion und das Christentum. Überzeugend<br />
nahm Jung Bezug auf die Anfänge<br />
des Christentums in der Antike,<br />
wo der Gottesdienst noch – wie vor kurzem<br />
in der Riedberggemeinde – in Privathäusern<br />
oder anderen nicht-sakralen<br />
Gebäuden abgehalten wurde.<br />
Das neue KirchenHaus ist keine prachtvolle<br />
Kathedrale und kein sakraler Tempel<br />
mit ehrfurchtgebietenden Gewölben<br />
und Türmen. Es ist vielmehr tatsächlich<br />
ein Haus: Ein scharf in den Himmel ragender<br />
Giebel bildet die Spitze des großen<br />
Daches, das steil abfallend die größten<br />
Außenflächen des Kirchenhauses<br />
bildet. Weder auffällige Erker und Simse,<br />
noch aufwändige Säulen und Portale<br />
durchbrechen die klaren Formen des<br />
rechteckigen Grundrisses. Die Zeit der<br />
großen Kathedralen ist vorbei, vielmehr<br />
ist es an der Zeit, als Kirche, als Gemeinde<br />
zu den Menschen zu kommen, ihnen<br />
ein guter Nachbar zu sein, ihnen sprichwörtlich<br />
eine Behausung und ein Dach<br />
über dem Kopf zu geben. Darüber hinaus<br />
schildert der Kirchenpräsident die<br />
biblischen Erzählungen aus der Zeit des<br />
alten Israel, in denen vom Zeltheiligtum<br />
berichtet wird (2. Buch Mose, und<br />
2. Buch Samuel). Das zentrale Heiligtum<br />
der Israeliten wird hier als provisorische<br />
Hütte oder Zelt beschrieben, also als ein<br />
Gebäude der Vorläufigkeit und Mobilität.<br />
Auch hier tun sich Parallelen zum Riedberger<br />
Kirchenhaus auf: Auch hier erinnern<br />
einfache Formen an ein Zelt, zudem<br />
kommt die Kirche auch hier zu den<br />
Menschen und lässt sich zwischen den<br />
großen und wuchtigen Neubauten der<br />
Trabantenstadt nieder. Man fühlt sich in<br />
diesem Zusammenhang an ein anderes<br />
Projekt der EKHN erinnert: Die LichtKirche<br />
(vgl. den Bericht in Kunst und Kirche<br />
4/2010), eine mobile Kirche, die leicht<br />
auf- und abbaubar auf Großveranstaltungen<br />
wie der Landesgartenschau zum<br />
eindrucksvollen Kirchenraum wird –<br />
und erstaunliche architektonische Ähnlichkeiten<br />
zum Kirchenhaus aufweist.<br />
Praktischer Nutzen und solide Grundfunktionen<br />
stehen also auch im Kirchenhaus<br />
im Vordergrund. Mit einer<br />
bemerkenswert ökonomischen Energiebilanz<br />
und der Möglichkeit, mit wenig<br />
Aufwand die Innenraumaufteilung des<br />
Gebäudes verschiedenen Anlässen entsprechend<br />
umzugestalten, ist das Kirchenhaus<br />
weit davon entfernt, ein monolithischer<br />
Sakralbau zu sein. Mobile<br />
Wände, modifizierbare Beleuchtungsmöglichkeiten<br />
und direkt an den Kirchenraum<br />
angeschlossene Gemeinderäume<br />
für unterschiedlichste Aufgaben<br />
und Bedürfnisse machen das Kirchenhaus<br />
zu einem Lebensmittelpunkt, der<br />
weit über die Funktion als Ort des Gottesdienstes<br />
hinaus geht.<br />
Der Architekt des Kirchenhauses, Jurij<br />
Martinoff, hatte mit seinem Architekturbüro<br />
Martinoff Architekten, Hamburg,<br />
den ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen<br />
und auf die anspruchsvollen<br />
Anforderungen und Bedürfnisse der<br />
Auftraggeber die besten Antworten. In<br />
einem kurzen Vortrag stellte Martinoff<br />
im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten<br />
die verschiedenen Raumkonzeptionen<br />
und Beleuchtungsvarianten des<br />
Gebäudes vor und ließ die hölzernen<br />
Seitenwände vor den Fenstern drehen.<br />
Im Zusammenspiel mit dem eindrucksvollen<br />
Oberlicht im Giebel entstanden<br />
so auf einfachste Weise ganz neue<br />
Raumatmosphären, die auch das von<br />
Scheinwerfern projizierte große Lichtkreuz<br />
im Altarraum zu neuer Geltung<br />
brachten.<br />
Kirche wird Haus, so könnte man das<br />
Projekt „Kirchenhaus“ der Riedberggemeinde<br />
zusammenfassen. Riedberger<br />
Kirchenhaus wird jedoch nicht Haus<br />
und Raum für die unterschiedlichsten<br />
Menschen, Bedürfnisse, Gruppen und<br />
Anlässe wie dies zahlreiche der vielgescholtenen<br />
multifunktionalen Gemeindezentren<br />
der vergangenen Jahrzehnte<br />
geschah, in denen die Zusammenführung<br />
aller Räumlichkeiten des Gemeindelebens<br />
in ein Gebäude häufig einer<br />
seelenlosen Beliebigkeit und architektonischer<br />
Banalität geopfert wurden. Hiervon<br />
ist das Kirchenhaus der Riedberggemeinde<br />
glücklicherweise weit entfernt.<br />
Solide und gute Architektur trifft hier<br />
auf bescheidene Formen und hochwertige<br />
Materialien, die, wenn der metallene<br />
Kirchturm erst einmal fertig ist, in der<br />
neuen Frankfurter Siedlung sicherlich<br />
ihren festen Platz haben werden.<br />
Swiss Church, London<br />
Isabel Zürcher<br />
Es ist ein Haus im Haus, das mit dem<br />
Entwurf von Christ & Gantenbein in<br />
die Swiss Church von London Eingang<br />
fand. Mit seiner verspiegelten Glasfassade<br />
zum Kirchenraum hin übt es äusserste<br />
Zurückhaltung und wacht doch<br />
geradezu gebieterisch über die helle,<br />
fast schmucklose Reinheit des Raums.<br />
Die bildhafte Architektur mit der auf-