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Wie kam es dazu, dass du<br />

Modelagentin wurdest?<br />

Das war Zufall. Ein Freund von mir<br />

war bei einer großen Berliner<br />

Modelagentur unter Vertrag und der<br />

festen Überzeugung, dass ich das<br />

Zeug zu einer tollen Agentin hätte. Er<br />

stellte mich der Geschäftsführerin<br />

vor und kurz danach konnte ich anfangen.<br />

Das ist jetzt acht Jahre her.<br />

Seit 2011 führst du deine eigene<br />

Agentur und konzentrierst dich dabei<br />

ausschließlich auf Männer. Was hat<br />

dich dazu bewegt?<br />

Ich habe nicht unbedingt das gleiche<br />

Auge für Frauen wie für Männer.<br />

Ich würde zwar ein potenzielles<br />

weibliches Model auf der Straße erkennen,<br />

aber bei den Jungs fühlt es sich<br />

irgendwie selbstverständlicher an.<br />

Mir wird oft gesagt, ich solle doch auch<br />

Frauen in die Kartei aufnehmen, was<br />

naheliegt, da man mit ihnen auch<br />

besser verdient. Aber ich glaube nicht<br />

an den Erfolg von irgendetwas<br />

nebenbei. Und Frauen wären für mich<br />

etwas, das nebenbei passiert. Momentan<br />

habe ich gar nicht die Kapazitäten,<br />

um Frauen auf dem gleichen Niveau zu<br />

führen. Aber in der Zukunft ist<br />

natürlich nichts ausgeschlossen.<br />

Verdienen weibliche Models tatsächlich<br />

so viel mehr als männliche?<br />

Ja, die Unterschiede in der Bezahlung<br />

sind ziemlich groß. Aber Geld ist<br />

nicht mein Hauptantrieb. Ich als Frau<br />

finde es sogar super, dass wir<br />

wenigstens in dieser Branche mehr<br />

verdienen als Männer. Aber klar, für<br />

mich als Agentin macht es das<br />

nicht einfacher.<br />

Nest bedient fast nur den High-<br />

Fashion-Bereich. Auch das unterscheidet<br />

dich von anderen Agenturen.<br />

Stimmt. Wir haben im Grunde keine<br />

kommerziellen Models, die man für<br />

jeden Job verbuchen könnte. Und vor<br />

allem sind wir mit unseren 200 Jungs<br />

keine Riesenagentur. Aber das ist auch<br />

gut so. Die persönliche Hinwendung<br />

darf nicht verloren gehen.<br />

Wäre also ein Kommerzmodel wie<br />

Markus Schenkenberg bei dir in der<br />

Agentur nicht gut aufgehoben?<br />

Damals, in den 90ern, zu seiner besten<br />

Zeit, wäre er das bestimmt gewesen.<br />

Aber mittlerweile hat er viel an sich<br />

machen lassen – wahrscheinlich auch<br />

Schönheitsoperationen. Das ist<br />

schade. Ein älterer Mann ohne Falten<br />

und graue Haare sieht doch<br />

un natürlich aus.<br />

Gibt es überhaupt eine Altersgrenze<br />

für Männermodels?<br />

Viele können sich je nach Typ wirklich<br />

ein Leben lang halten. Unser Ältester<br />

ist 51 Jahre alt. Wir haben nur nicht<br />

mehr ältere Männer in der Kartei, weil<br />

die meisten Models durch ihre<br />

„PRADA<br />

FAVORISI<strong>ER</strong>T<br />

AND<strong>ER</strong>E TYPEN<br />

ALS JIL SAND<strong>ER</strong><br />

OD<strong>ER</strong> GUCCI“<br />

langjährige Karriere schon ihren Platz<br />

in einer anderen Agentur gefunden<br />

haben. Nest ist noch jung. Und auf<br />

unserem Level reife Männer zu<br />

vertreten ist somit schwieriger. Ich<br />

denke, in einigen Jahren wird das<br />

anders aussehen. Die meisten Männer,<br />

die wir haben, sind sehr klassisch. Sie<br />

werden sich auch noch später im<br />

gehobenen Segment vermitteln lassen.<br />

Was wäre denn das perfekte Alter,<br />

um zu beginnen?<br />

Bei Jungs geht es später los als bei<br />

Mädchen. Mädchen fangen ja teilweise<br />

schon mit 14 Jahren an. Im Durchschnitt<br />

sind die Jungs eher 19 oder 20<br />

Jahre alt. Es gibt auch welche, die mit<br />

16 starten, aber das ist eher die<br />

Ausnahme.<br />

Wo findest du deine<br />

Nachwuchsmodels?<br />

Meistens dort, wo man es nicht<br />

vermutet. An der Supermarktkasse<br />

oder auf dem Weg zum Zahnarzt.<br />

Oft auch in Skateparks, auf Basketballfeldern<br />

oder Sportplätzen.<br />

Grundsätzlich laufe ich immer mit<br />

offenen Augen durch die Welt.<br />

In meiner Mittagspause treffe ich sie<br />

dann bestenfalls ganz unvorhergesehen<br />

in der Fußgängerzone mit der<br />

Mutter beim Einkaufen.<br />

Und wie werden die Labels und<br />

Magazine dann auf sie aufmerksam?<br />

Wenn wir ein Model ganz neu gefunden<br />

haben, wenden wir uns direkt an den<br />

Kunden. Gut ist, wenn so eine Exklusivbuchung<br />

zustande kommt. Was heißt,<br />

dass das Model zum ersten Mal durch<br />

den Designer gezeigt wird. Mit der Zeit<br />

bekommt man auch ein Gefühl dafür,<br />

welcher Typ zu welchem Kunden passt.<br />

Prada favorisiert andere Typen als<br />

Jil Sander oder Gucci.<br />

Von Berlin aus sendet ihr die Jungs<br />

dann in die ganze Welt.<br />

Richtig. Durch Partneragenturen<br />

platzieren wir unsere Models<br />

im Ausland. So wird der Kundenstamm<br />

auch größer. Aber wir<br />

suchen sehr selektiv aus. Welcher<br />

Agent von welcher Agentur passt zu<br />

welchem Jungen? Das wird sehr<br />

indi viduell entschieden. Ich lege sehr<br />

viel Wert darauf, dass sich die<br />

Jungs wohlfühlen.<br />

Melanie Constein mag Céline,<br />

Modezeitschriften und Kakteen –<br />

letztere aber nur, weil man<br />

sie nur selten gießen muss<br />

Das klingt so, als wären sie wie deine<br />

Kinder.<br />

Man entwickelt tatsächlich eine<br />

starke persönliche Bindung zu ihnen.<br />

Es ist wahnsinnig aufregend, diese<br />

jungen Menschen zu begleiten.<br />

Sie kommen nach Berlin, um zu<br />

studieren, laufen mir über den Weg und<br />

wenig später leben sie plötzlich<br />

in New York, Mailand oder Paris.<br />

Dennoch finde ich es wichtig, dass sie<br />

ihre Ausbildung fortsetzen.<br />

Das Modeln lässt sich sehr gut mit<br />

einem Studium verbinden.<br />

Viele Models halten dem Druck der<br />

Branche nicht stand. Wirst du mit<br />

Problemen wie Magersucht<br />

konfrontiert?<br />

Ich habe zum Glück noch nie einen<br />

Verdacht gehabt. Hätte ich einen, würde<br />

ich sofort das Gespräch suchen. Die<br />

Gesundheit der Jungs liegt mir sehr am<br />

Herzen. Es besteht überhaupt keine<br />

Notwendigkeit zu hungern.<br />

Sie müssen vielleicht hier und da etwas<br />

Sport treiben, um ihren Körper zu<br />

definieren, aber das reicht. Der junge<br />

männliche Körper ist meistens von<br />

Natur aus schon schlank genug,<br />

um den erforderlichen Maßen zu<br />

entsprechen. Zu dünn dürften sie gar<br />

nicht sein. Das ist auch ein Grund,<br />

warum ich mich mit dem Management<br />

von Mädchen schwer tue. Du weißt<br />

nie, wie sie zu ihrer Figur kommen.<br />

Wie bereitest du die Jungs auf ihren<br />

ersten Job vor?<br />

Anfangs reagieren sie total überrascht,<br />

dass man sie überhaupt anspricht.<br />

Wenn sie dann in die Agentur kommen,<br />

erklären wir ihnen alles sehr<br />

behutsam, denn der Einstieg in die<br />

Modelbranche ist sehr komplex.<br />

Wie ein Casting und ein Shooting<br />

abläuft, wie sie sich gegenüber Kunden<br />

verhalten sollen und auch, dass sie<br />

nicht alles mitmachen müssen –<br />

bis auf die Unterhosen ausziehen zum<br />

Beispiel. Wir geben ihnen vor allem<br />

Selbstbewusstsein.<br />

Was meinst du, finden sich deine<br />

Models selbst gutaussehend?<br />

Ich glaube, zu Beginn oft tatsächlich<br />

nicht. Aber die meisten entwickeln<br />

irgendwann ein ganz neues Bewusstsein<br />

für sich selbst, was sich auch in ihrem<br />

Kleidungsstil widerspiegelt. Ich bin<br />

immer wieder erstaunt, wie schnell sich<br />

ihr Interesse für Mode verändert und<br />

wie viel sie dann plötzlich meinen,<br />

davon zu verstehen.<br />

Wie lange dauert es in der Regel, bis<br />

ein Neuzugang das erste Mal gebucht<br />

wird?<br />

Manchmal nur wenige Tage. Dann<br />

nennen die Jungs ganz schnell alle um<br />

sich herum beim Vornamen und<br />

sprechen nicht mehr von Olivier Rizzo,<br />

dem Stylisten, sondern von Olivier.<br />

Und es ist nicht mehr Willy Vanderperre,<br />

der Fotograf, sondern der Willy.<br />

Das ist sehr amüsant. Aber umso<br />

wichtiger ist es, sie zu erden. Ich fühle<br />

mich verpflichtet, sie darauf hinzuweisen,<br />

dass sie sich gerade in einer<br />

Situation befinden, die nicht immer<br />

selbstverständlich ist.<br />

In deinem beruflichen Umfeld<br />

umgibst du dich nur mit Männern,<br />

aber privat liebst du eine Frau.<br />

Zufall?<br />

Irgendwo müssen sie ja hin, die<br />

Männer (lacht).<br />

30 Werk VI 31

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