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Und diese Tendenzen sind Ihrer<br />

Meinung nach veranlagt?<br />

Männer sind körperlich stärker. Sie<br />

sind anders gebaut und ihnen wird<br />

von Geburt an beigebracht, dass<br />

sie der Vorstellung von Männlichkeit<br />

zu entsprechen haben.<br />

Welchen Einfluss hat die Emanzipation<br />

der Frau auf das gesellschaftliche<br />

Bild des Mannes?<br />

Die Emanzipation der Frau hat einen<br />

großen Einfluss, weil Männer nicht<br />

länger eine Monopolstellung haben.<br />

Bis zu einem gewissen Grad ist die<br />

westliche Welt heute eine Frauen -<br />

welt. Im Westen haben Frauen am<br />

Arbeitsplatz viele Vorteile. Ihre<br />

natürlichen Talente, wie emotionale<br />

Intelligenz, ihre Team- und Kommunikations<br />

fähigkeiten sind in der<br />

modernen Arbeitswelt gefragt. In<br />

Amerika dominieren Frauen in zwischen<br />

den Arbeitsmarkt. Und diese Entwicklung<br />

wird fortschreiten, weil Menschen<br />

in allen Branchen erkennen, dass<br />

Frauen besser sind.<br />

Wie sieht der ideale moderne Mann<br />

aus? Was macht ihn dazu?<br />

Über Ideale sollte man sich keine<br />

Gedanken machen. Das bringt nur<br />

Ärger. Ein historischer Landsmann<br />

von Ihnen hatte jedenfalls eine<br />

Vorstellung davon, wie der ideale<br />

Mann auszusehen habe (lacht).<br />

Sie meinen Hitlers Schönheitsideal<br />

vom blonden arischen Hünen …<br />

doch lassen wir extremistische<br />

Ideologien mal außen vor. Sie haben<br />

eine Tochter in meinem Alter,<br />

was wäre der ideale Mann für sie?<br />

Er sollte sie glücklich machen.<br />

Das ist aber sehr vage formuliert.<br />

Vielleicht sucht sie nach einem<br />

unbelehrbaren Neandertaler,<br />

aber das bezweifle ich. Es gibt kein<br />

Rezept für den perfekten Mann.<br />

In welche Richtung sollte sich<br />

„der Mann von heute“ aus Ihrer<br />

Sicht entwickeln?<br />

Männer sollten sich den Anforderungen<br />

der Zeit stellen; sie müssen sich<br />

verändern, weil die Welt sich verändert.<br />

Das ist aber ein Luxus problem<br />

des Westens – der Minderheit der<br />

Weltbevölkerung. Die meisten<br />

Männer leben in Entwicklungsländern<br />

Bemalte Vasen<br />

sind typisch für<br />

Grayson Perrys<br />

Werk. Vorder- und<br />

Rückansicht von<br />

„The Rosetta Vase“<br />

(2011)<br />

und befassen sich mit den Problemen<br />

und Traditionen der dortigen<br />

Gesellschaften. Das sind oft Probleme,<br />

die wir bei uns schon seit hunderten<br />

von Jahren aus dem Weg geräumt<br />

haben.<br />

Kann man also gar nicht von DEM<br />

globalisierten Mann sprechen?<br />

Es besteht da ein Konflikt zwischen der<br />

westlichen Welt, die sehr tolerant und<br />

liberal ist, auch gegenüber Schwulen<br />

etwa, und den Entwicklungs ländern, die<br />

intoleranter und konservativer ticken.<br />

Allerdings begünstigen die modernen<br />

Kommunikationsmittel und Medien ein<br />

Umdenken. Wir wissen, was in anderen<br />

Ländern vor sich geht. Ein schwuler<br />

Mann in Uganda oder Nigeria hat im<br />

Internet Zugang zu Videos, die zeigen,<br />

wie Schwule in Deutschland und<br />

Großbritannien leben.<br />

In einigen Dingen scheint das<br />

männ liche Geschlecht weltweit<br />

nachzuhängen, zum Beispiel in<br />

Sachen emotionale Intelligenz.<br />

Bei emotionaler Intelligenz geht es um<br />

Empathie. Man muss sich in die Gefühle<br />

einer anderen Person hineinversetzen<br />

können, um Sympathie und Empathie<br />

zu entwickeln. Männer werden aber zur<br />

Stärke erzogen. Sie lernen, ihre eigenen<br />

Gefühle zu ignorieren, also sind sie auch<br />

für die Emotionen anderer weniger<br />

empfänglich. Solche Strukturen zu<br />

verändern, dauert sehr lange. Wie<br />

gesagt: Es ist einfacher, in Islington über<br />

solche Themen zu diskutieren als in<br />

Pakistan. In England gehen junge<br />

Männer auf Privatschulen und danach<br />

machen sie einen Abschluss in Kunstgeschichte<br />

oder Soziologie. Bauarbeiter in<br />

Pakistan haben solche Entfaltungsmöglichkeiten<br />

nicht.<br />

Welche Rolle spielt die Gleichberechtigung<br />

der Geschlechter in einer<br />

modernen Beziehung?<br />

Ich habe einen interessanten Artikel<br />

gelesen: Wissenschaftler haben<br />

herausgefunden, dass gleichberechtigt<br />

lebende Ehepartner weniger Sex<br />

haben.<br />

Können Sie sich das erklären?<br />

Das könnte daran liegen, dass die<br />

Paare geschlaucht von ihrem Alltag<br />

sind. Sie teilen sich die Kinderbetreuung,<br />

haben zwei Jobs. Einmal<br />

FOTOS: CO U RTESY THE ARTIST A ND V ICTORIA MIRO, LONDON © GRAYSON P <strong>ER</strong>RY<br />

„Map of Truths and<br />

Beliefs“ (2011): Diesen<br />

Wandteppich ließ Grayson<br />

Perry nach einer digitalen<br />

Vorlage in Belgien weben<br />

habe ich ein Publikum dazu befragt,<br />

ob sie Sexfantasien hätten, in denen<br />

die Gleichberechtigung der<br />

Geschlechter eine tragende Rolle<br />

spielt.<br />

Wie sahen die Antworten aus?<br />

Keiner der 1.500 Menschen im Saal<br />

hat die Hand gehoben. Stattdessen<br />

fantasiert man, am Arbeitsplatz vom<br />

Chef verführt zu werden oder wie<br />

man die Sekretärin verführt. Das<br />

Macht gefälle zwischen den Geschlechtern<br />

wirkt erregend. Die männliche<br />

Sexualität ist so ausgelegt, dass sie<br />

nach Unterschieden sucht. Sie fühlt sich<br />

von Gegensätzen angezogen. Vielleicht<br />

spielt gerade dieses Machtungleichgewicht<br />

eine ent scheidende Rolle für die<br />

sexuelle Anziehungskraft. Das heißt,<br />

sobald man gleichberechtigt ist, wird<br />

das Verlangen schwächer. Außerdem<br />

gehört zu einer glücklichen Ehe viel<br />

mehr als guter Sex. Ich denke, viele<br />

Menschen haben dieses Traumszenario<br />

im Kopf, dass in einer glücklichen<br />

Ehe der Sex überragend sein muss.<br />

Das stimmt aber nicht immer.<br />

Warum denken Sie, wird die Frauenmode<br />

von Männern bestimmt?<br />

Männer dominieren alles, nicht wahr?<br />

(lacht) Das kann man historisch<br />

zurückverfolgen. Generationen über<br />

Generationen von Männern wurden in<br />

ihrem Selbstbewusstsein und ihrem<br />

Verhalten bestärkt. Frauen hingegen<br />

wird eingetrichtert, dass sie weniger<br />

wert sind, und so bleibt das System<br />

bestehen.<br />

„MÄNN<strong>ER</strong> WOLLEN<br />

LETZTENDLICH DIE ROLLE<br />

DES ENTSCHEID<strong>ER</strong>S<br />

EINNEHMEN UND<br />

NICHT DIE DES<br />

BESTIMMTEN“<br />

Die Männermode hat sich über die<br />

Jahrzehnte kaum verändert.<br />

Exzentrische Trends sind die Ausnahme.<br />

Stabilisiert das Design die<br />

Machtposition des Mannes?<br />

Männer haben nie wirklich die<br />

Chance ergriffen, Paradiesvögel zu<br />

sein. Sie wollen nicht angestarrt<br />

werden. In Kleiderfragen haben<br />

Frauen weitaus mehr Spielraum.<br />

Wenn man sich so kleidet wie ich,<br />

sind die Blicke nicht unbedingt<br />

angenehm. Männer wollen letztendlich<br />

die Rolle des Entscheiders und<br />

nicht des Bestimmten einnehmen.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Männer schauen und Frauen werden<br />

angeschaut. Was ist das typischste<br />

Männeroutfit? Wahrscheinlich ein<br />

grauer Anzug. Der ist langweilig, aber<br />

warum wird der graue Anzug von<br />

Männern getragen? Weil sie damit<br />

nicht zum Objekt werden, weil sie so<br />

keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.<br />

Ihre Aufgabe ist es, sich umzuschauen.<br />

Umso männlicher man ist, desto<br />

unscheinbarer tritt man auf.<br />

Umso unscheinbarer man ist, desto<br />

mehr Macht besitzt man in der Rolle<br />

des Betrachters. Es ist wie im<br />

Wachturm eines Gefängnisses. Von<br />

dort aus beobachtet man die anderen:<br />

Schwarze, Schwule, Frauen.<br />

Wie stehen Sie zu Modemachern wie<br />

J.W. Anderson, die Männer in<br />

Kleider und Röcke stecken?<br />

Alle Jahre wieder greifen Modedesigner<br />

dieses Thema auf. Es wird aber lange<br />

dauern, unseren Sinn für Schönheit zu<br />

verändern, gerade weil die meisten<br />

Leute Männer in Röcken und Kleidern<br />

nicht attraktiv finden. Vertrautheit ist<br />

entscheidend für unser ästhetisches<br />

Empfinden. In Ländern wie Thailand<br />

gehören Röcke an Männern zum<br />

Stadtbild. Weil es dort normal ist,<br />

finden es die Menschen attraktiv.<br />

Also steht es in Europa schlecht um<br />

den Männerrock?<br />

Röcke an Männern werden sich nur<br />

durchsetzen, wenn Männer zulassen,<br />

angeschaut zu werden – und daran<br />

54 Werk VI 55

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