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Handbuch Patientenverfügung

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Die PatVerfü<br />

auch PolizistInnen sein: Diese müssen dann unverrichteter Dinge weiter fahren bzw. wenn Sie Pech haben oder<br />

sich allzu sehr daneben benommen haben, werden Sie allenfalls die Nacht in einer Polizeizelle verbringen müssen<br />

und/oder eine Strafanzeige einkassieren – rechtmäßig darf Sie die Polizei jedoch nicht mehr gegen Ihren Willen<br />

in die Psychiatrie bringen. 18 Oder, falls der sozialpsychiatrische Dienst überhaupt eine Chance bekäme, Ihnen zu<br />

begegnen 19 , dann zeigen Sie ihm stumm die PatVerfü und er muss sich trollen. Wenn Sie nicht desto trotz in einer<br />

psychiatrischen Einrichtung genannt „Krankenhaus“ gelandet sind und gleich wieder gehen möchten, das Personal<br />

jedoch Anstalten macht, sie dort festzuhalten, dann zeigen Sie ebenso Ihre PatVerfü vor. Wenn sich die „PflegerInnen“<br />

nicht zuständig fühlen sollten, dann bestehen Sie darauf, dass sofort eine für ihre Freilassung verantwortliche<br />

Person geholt wird und lassen Sie die PsychiaterInnen dann ruhig die PatVerfü studieren, kopieren oder<br />

auch mit Ihren Vorsorgebevollmächtigten telefonieren, aber lassen Sie sich dabei mit niemandem auf Gespräche<br />

ein. Falls die PsychiaterInnen dann noch immer nicht verstanden haben, dass sie von Gesetzes wegen nichts mehr<br />

gegen Ihren Willen machen können und dass sich daran auch nichts mehr ändert, wenn sie einen Richter rufen,<br />

dann erst wird es nötig, dass Sie Ihre/n Vorsorgebevollmächtigte/n kontaktieren.<br />

Sie werden in manchen Situationen (vor allem im Polizeikontakt) auch Ihren Personalausweis vorzeigen müssen,<br />

aber reden brauchen sie ansonsten mit niemandem in solchen Situationen. Im Gegenteil: Wir empfehlen ganz dringend,<br />

vor allem gegenüber einem/r PsychiaterIn, über ein „hier ist meine <strong>Patientenverfügung</strong>, ich will jetzt gehen“<br />

hinaus, eisern zu schweigen! Damit unterstreichen Sie ihren in der PatVerfü beschriebenen Willen, sich nicht<br />

„untersuchen“ und „diagnostizieren“ zu lassen, denn KlinikpsychiaterInnen und ärztliche MitarbeiterInnen des<br />

Sozialpsychiatrischen Dienstes sind ja diejenigen, welche die Macht haben, eine entstandene „Diagnose“ direkt bei<br />

Gericht einzureichen, um Zwangsmaßnahmen legalisieren zu lassen. Würden Sie zwar ihre PatVerfü vorzeigen,<br />

jedoch trotzdem beispielsweise Fragen zu ihren Erlebnissen oder ihrem Befinden oder zum Datum des betreffenden<br />

Tages beantworten, könnten PsychiaterInnen unterstellen, dass Sie sich doch von ihnen untersuchen lassen<br />

möchten. Schon ist es dann nicht mehr ihre Entscheidung, ob Sie als geisteskrank gelten oder nicht. Wie bereits<br />

deutlich geworden sein sollte: Jedes Wort kann gegen Sie verwendet werden und wenn Sie sich häufig auf Gespräche<br />

mit solchen PsychiaterInnen einlassen, dann füllen sich die Anstalts- und Behördenakten dementsprechend.<br />

Vor allem der Sozialpsychiatrische Dienst ist ein Knotenpunkt für psychiatrische „Informationen“ und tauscht sie<br />

mit anderen Behörden wie z.B. Jobcenter oder Sozialamt aus – ob legal oder illegal wegen Verstoß gegen die<br />

Schweigepflicht, müsste im Einzelfall geprüft werden.<br />

Es macht auf der anderen Seite auch insofern keinen Sinn, mit PsychiaterInnen zu diskutieren, ob Sie gerade<br />

„psychisch krank“, d.h. auch „einwilligungsunfähig“, seien oder nicht, weil selbst dann, wenn sie gerade „einwilligungsunfähig“<br />

wären, das keine Rolle spielt, weil Sie mit der PatVerfü eben darüber verfügt haben, dass in<br />

solch einer Situation keinerlei psychiatrische Intervention gegen ihren Willen stattfinden darf. Aus diesem Grunde<br />

brauchen Sie sich über psychiatrische „Diagnosen“, die sich womöglich aus früheren Zeiten angesammelt haben,<br />

auch keine Sorgen zu machen. Nur mit einer aktuellen „Diagnose“ in einem neu gestellten Gutachten kann nach<br />

PsychKG/Unterbringungsgesetzen und Betreuungsrecht ein Gerichtsbeschluss legal zur zwangsweisen Unterbringung<br />

oder Entmündigung führen.<br />

Zu den Risiken des freiwilligen oder genötigten Aufsuchens von<br />

psychiatrischen oder psychologischen Einrichtungen<br />

1) Gedrängt von Jobcenter und Co.: Was aber tun, wenn eine/r sich genötigt sieht, zu einem Termin einer psychiatrischen<br />

Begutachtung zu erscheinen, weil ansonsten womöglich das Jobcenter oder Sozialamt ihre Leistungen<br />

kürzen oder einstellen würden? Dazu ist dreierlei zu sagen:<br />

1. Informieren Sie sich im Einzelfall, ob tatsächlich solch drastische Konsequenzen eintreten können. Wenn es<br />

sich nur um ein Gerücht oder um eine Drohung handelt, die auf keiner gesetzlichen Grundlage steht, dann<br />

brauchen Sie nicht hinzugehen. Sie können höflich absagen, mit Verweis darauf, dass Sie sich grundsätzlich<br />

weder psychiatrisch noch psychologisch begutachten lassen und daher in Zukunft von solchen Einladungen<br />

verschont werden möchten.<br />

2. Direkt aus solch einer Begutachtung heraus ist die Gefahr gering, sofort einer zwangsweisen Unterbringung<br />

zugeführt zu werden. Auch für eine Entmündigung dürfte dieses Gutachten nicht direkt verwendet werden<br />

18 Fällt allerdings auf Sie der Verdacht, dass Sie erhebliche Straftaten begangen haben, kann ein forensisches Verfahren drohen.<br />

19 Falls MitarbeiterInnen des sozialpsychiatrischen Dienstes nämlich einmal vor Ihrer Wohnungstür stehen sollten, dann brauchen Sie diese<br />

erst gar nicht herein zu lassen. In Ihrer Wohnung haben Sie das Hausrecht und so brauchen Sie niemanden hereinzulassen, außer der Polizei,<br />

wenn diese einen Haft- oder Hausdurchsuchungsbefehl bzw. „Gefahr im Verzug“ vorweisen kann. Daher ist – falls nicht bereits vorhanden –<br />

das Anbringen einer Kette an der Wohnungstür lohnenswert, um zuerst in Ruhe prüfen zu können, ob etwaige BesucherInnen erwünscht sind.<br />

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