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Menschen<br />
Beim „Chinesenkellner“<br />
Wahl-<strong>Rothenburg</strong>er<br />
Ort der Handlung: Ein<br />
bis auf den letzten<br />
Platz gefülltes Gotteshaus<br />
in Ansbach kurz vor<br />
Beginn des Kirchenkonzertes.<br />
Auch der <strong>Rothenburg</strong>er Kellner<br />
Christoph Nürnberger<br />
sitzt in der dritten Reihe, fühlt<br />
sich wohl in der vertraulichen<br />
und zugleich anonymen Atmosphäre<br />
des Publikums, in<br />
dem ihn keiner kennt, keiner<br />
etwas von ihm will an seinem<br />
freien Tage. Andachtsvolles<br />
Schweigen nun, nur hie und<br />
da noch ein letztes vorsorgliches<br />
Hüsteln. Tiefes Durchatmen<br />
in Erwartung des<br />
mächtigen Aufklingens der<br />
Orgel - und da ertönt sie: die<br />
nicht überlaute, aber für alle<br />
vernehmbare Stimme einer<br />
alten Dame aus der 23. Reihe:<br />
„Servus, Chinesenkellner! Bist<br />
a a weng do?".<br />
Warum ihn so viele wiedererkennen,<br />
das weiß er selber<br />
auch nicht so genau. Zwar<br />
gibt es bayernweit nur drei<br />
deutsche Kellner, die in China-Restaurants<br />
arbeiten, aber von diesem Seltenheitswert<br />
des Herrn Nürnberger (sinnigerweise<br />
1954 in der gleichnamigen<br />
Stadt geboren!) weiß ja keiner. Trotz<br />
seines fränkischen Idioms denkt vielleicht<br />
sogar mancher, er sei gar kein<br />
echter Franke, sondern stamme ursprünglich<br />
aus der Gegend der aufgehenden<br />
Sonne. Rein äußerlich hat er<br />
schließlich so einen ganz verhaltenen<br />
Touch von Schauspieler-Legende Yul<br />
Brynner im „König von Siam“: Dieses<br />
Konzentrierte, Wache, Geschmeidige in<br />
Gestik und Mienenspiel, diese Anwehung<br />
von tänzerischer Eleganz wie<br />
aus dem asiatischen Kampfsport, wenn<br />
er die vor Hitze fauchenden Eisen-<br />
10<br />
platten mit all den Kostbarkeiten aus<br />
der Küche der Familie Hao in <strong>Rothenburg</strong>s<br />
Altstadt über die Köpfe der<br />
hungrigen Tischmeuten balanciert und<br />
noch Zeit und Kraft findet für aufmerksame<br />
Seitenblicke und Zuwendung:<br />
„Guavensaft kommt gleich!“ oder „Ihr<br />
brauchts doch noch a weng an Reis!“.<br />
Man beobachtet ihn gerne in seinem<br />
Tun, weil seine freudige Energie so gar<br />
nichts von dem Eindruck anstrengender<br />
Arbeitsmühsal oder bloßer Pflichterfüllung<br />
vermittelt, die den Gast anderenorts<br />
in Deutschlands Gastronomie<br />
manchmal beklommen stimmt über die<br />
Zumutung seines eigenen Vorhandenseins<br />
zur falschen Zeit am falschen Ort.<br />
„In dem Moment, wenn Sie etwas wirklich<br />
tun wollen, haben Sie die Energie<br />
dafür“, sagt der östliche Wahrheitslehrer<br />
Krishnamurti. Oder: “Energie<br />
Christoph Nürnberger<br />
bringt ihre eigene Disziplin<br />
hervor“. Interessant, könnte<br />
auch von Christoph Nürnberger<br />
stammen bzw. er sagt eigentlich<br />
dasselbe mit etwas<br />
anderen Worten. Er tut das<br />
gerne, was er tut und empfindet<br />
Freude dabei, seine<br />
Arbeit gut zu machen. „Ich<br />
bügele mir spät nachts,<br />
wenn ich an sich ermüdet<br />
heimkomme, noch ein Hemd<br />
für den nächsten Tag, damit<br />
ich mich wohl fühle.“ Ist das<br />
nicht schon fast pedantisch?<br />
Da lacht er verschmitzt: „Mag<br />
sein, ich bin ja auch ein leidenschaftlicher<br />
Sammler. Da<br />
gehört das Pedantische vielleicht<br />
dazu?“. Nein, pedantisch<br />
ist er nicht, sondern<br />
einfach achtsam.<br />
Ein Sammler – was er wohl<br />
sammelt? Der erste Blick in<br />
seine Wohnung verblüfft:<br />
Hier wohnt allem Augenschein<br />
nach entweder ein<br />
Bücherantiquar, ein kirchlicher<br />
Würdenträger oder ein<br />
Sinnlicher Ästhet<br />
Kunstsammler mit Hauptinteresse an<br />
weiblichen und männlichen Aktzeichnungen.<br />
Auf jeden Fall aber lebt hier<br />
ein sinnlicher Ästhet: Um einen Strauß<br />
edler Calla ist der Kaffeetisch exquisit<br />
und delikat gedeckt mit feiner, die Tülle<br />
hochtragender Porzellankanne auf dem<br />
Rechaud. Sicher verfügt er auch über<br />
die praktische Thermovariante, aber<br />
das Besondere im Detail gehört zu seiner<br />
aufmerksamen Gastfreundlichkeit.<br />
Das Gespräch ist durchweg erfüllt von<br />
der Toleranz seines Denkens: „Vorurteile<br />
oder Diskriminierungen kann<br />
ich nicht nachvollziehen. Ich finde es<br />
überhaupt im Zusammenleben mit<br />
Menschen wichtig, keinen anderen wissentlich<br />
zu verletzen“.