SPRACHROHR 3/2006
Zeitung des ver.di-Landesfachbereichs Medien, Kunst und Industrie Berlin-Brandenburg.
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3|06 sprachrohr berichte<br />
100 Filme ganz von hier<br />
Zweites Filmfestival achtung berlin – new berlin film award<br />
Große Ausdruckskraft<br />
trotz kleinem Budget<br />
Immerhin 6000 Besucher lockte<br />
das Festival in das Hackesche Höfe<br />
Filmtheater. Vom 11. bis 17. Mai<br />
erhielten dort vor allem Filme mit<br />
kleinem Budget eine Chance auf<br />
Publikum. Um am Wettbewerb<br />
„Made in Berlin“ teilzunehmen,<br />
musste der Film in der Hauptstadtregion<br />
produziert worden<br />
sein; Filme in der Konkurrenz „Towards<br />
Berlin“ mussten in Berlin-<br />
Brandenburg spielen. „Das Interesse<br />
der Filmschaffenden war<br />
groß“, sagt Ulla Drenckhan, Mitorganisatorin<br />
des Festivals. Etwa<br />
400 Filme seien eingereicht worden,<br />
rund 100 konnten gezeigt<br />
werden.<br />
In der Kategorie „Made in Berlin-Brandenburg“<br />
ging der Preis<br />
in Höhe von 2.500 Euro für den<br />
besten Spielfilm an „Der Kick“<br />
von Andres Veiel. Dem Film liegt<br />
eine wahre und schockierende Geschichte<br />
zugrunde. 2002 quälten<br />
in dem uckermärkischen Ort Potzlow<br />
mehrere Skinheads einen<br />
Mitschüler zu Tode. Die Jury prämiierte<br />
den Film, weil er „intelligent<br />
und spannend zwischen den<br />
Genres wandert und es wagt, mit<br />
brillanten Darstellern und stilisierter<br />
Filmsprache ein reales Ereignis<br />
zu hinterfragen.“ Mit gezielt eingesetzten<br />
Mitteln werde ein<br />
schmerzhafter Blick in gesellschaftliche<br />
und soziale Abgründe gewährt.<br />
Die Auszeichnung als bester in<br />
Berlin produzierter Dokumentarfilm<br />
wurde geteilt: Jeweils 1.250<br />
Euro erhielten „Friendly Enemy<br />
Alien“ von John Burgan und „Manana<br />
al Mar“ von Ines Thomsen.<br />
Ersterer überzeugte die Jury wegen<br />
seines packenden Inhalts: Gezeigt<br />
wird das Versagen von Regierungen,<br />
die mit Flüchtlingen<br />
konfrontiert werden. „John Burgan<br />
erzählt mit klarer persönlicher<br />
Haltung zwei Geschichten von<br />
Exil, Zufall und Glück. Geschichten,<br />
die erzählt werden müssen.“<br />
Manana al Mar überzeugte die<br />
Jury mit seiner formalen Stärke<br />
und Ausdruckskraft. Ines Thomsen<br />
hat als Drehbuchautorin, Regisseurin<br />
und Kamerafrau eine<br />
Gruppe von Senioren am Stadtstrand<br />
von Barcelona begleitet.<br />
Ganz normale alte Menschen, die<br />
hier im Winter ihre Tage verbringen,<br />
weil sie das Meer lieben,<br />
weil sie gerne baden, Sport treiben<br />
oder plaudern. Sie haben ihren<br />
ganz persönlichen Weg gefunden,<br />
um sich die letzte Etappe<br />
ihres Lebens so angenehm wie<br />
möglich zu gestalten. „Ines<br />
Thomsen hat einen poetischen<br />
Film gedreht und beweist darin<br />
einen exakten, emotionalen und<br />
erfrischend unaufgeregten Blick<br />
für große Bilder.“<br />
Sachpreise gab es in der Kategorie<br />
„Towards Berlin“. Zum besten<br />
Spielfilm kürte die Jury „Neun Szenen“<br />
von Dietrich Brüggemann. In<br />
neun Tableaus entfalte der Film<br />
um eine Abiturientin einen Reigen<br />
von Beziehungen, Missverständnissen<br />
und Verwicklungen.<br />
Zum besten Berlin-Dokumentarfilm<br />
gewählt wurde „Portamento“<br />
von Katharina Werner. Die<br />
Regisseurin zieht durch Berlin,<br />
ein Klapptischchen und Stühle im<br />
Gepäck. Sie bittet Passanten, ihre<br />
Taschen zu öffnen und zu erklären,<br />
was sie mit sich führen. Die<br />
Angesprochenen aber eröffnen<br />
ihr viel mehr: Portamento gebe<br />
tiefe Einblicke in unterschiedliche<br />
Lebensentwürfe, Schicksale und<br />
in einen Alltag, der plötzlich poetisch<br />
aufleuchtet. Weitere Preise<br />
gab es für Kurzspielfilme und -dokumentationen.<br />
Zumindest für die Siegerfilme<br />
sieht Drenckhan gute Chancen,<br />
einen Verleih zu finden und in die<br />
Kinos zu kommen. ucb<br />
Gekippt<br />
In einer faktischen Nacht-und-<br />
Nebel-Aktion hat der Bundestag<br />
am 1. Juni langjährigen<br />
Selbstständigen die gerade eröffnete<br />
Möglichkeit einer freiwilligen<br />
Arbeitslosenversicherung<br />
wieder genommen. Und zwar<br />
mit sofortiger Wirkung. Wer vor<br />
2004 selbständig wurde und<br />
bestimmte Voraussetzungen erfüllte,<br />
hatte nach der ursprünglichen<br />
Gesetzesfassung eine Übergangsfrist<br />
bis zum 31. Dezember<br />
<strong>2006</strong>, um einen Antrag auf<br />
freiwillige Arbeitslosenversicherung<br />
zu stellen (ausführlich siehe<br />
Sprachrohr1/06). Diese Frist<br />
wurde mit einem bürokratischen<br />
Winkelzug jetzt kassiert.<br />
Wer es bis zum 31. Mai nicht<br />
geschafft hat, den Antrag bei<br />
seiner zuständigen Arbeitsagentur<br />
zu stellen, wird nun voraussichtlich<br />
leer ausgehen.<br />
ver.di-Vize Frank Werneke protestierte<br />
gegen das „unglaubliche<br />
Vorgehen“, das laut „Süddeutsche<br />
Zeitung“ darauf zurückzuführen<br />
sei, dass „zu viele<br />
Selbständige die Möglichkeit<br />
nutzten, um relativ günstig an<br />
eine Beitragsleistung zu kommen“.<br />
Das ver.di-Selbständigen-<br />
Forum mediafon rät dennoch<br />
zu versuchen, weitere Anträge<br />
abzugeben. Darüber hinaus<br />
würden rechtliche Möglichkeiten<br />
gegen die Gesetztesänderung<br />
ausgelotet. red.<br />
Was lange währt …<br />
Buchhandel: Urabstimmung besiegelt Abschluss<br />
Verfahrene Kiste<br />
Schaubühne: Beschäftige fordern Entgelterhöhung<br />
Bei den seit vier Jahren andauernden<br />
Tarifverhandlungen für den<br />
herstellenden und verbreitenden<br />
Buchhandel in Berlin und Brandenburg<br />
wurde am 9. Mai ein Abschluss<br />
erzielt. Er sieht erstmals<br />
wieder Entgelterhöhungen vor,<br />
die 1,9 Prozent betragen sollen<br />
und – so ver.di in einer Tarifinformation<br />
– „die Preiserhöhungen der<br />
letzten Jahre“ etwas „mildern“<br />
sollen. Auch die Azubi-Vergütungen<br />
werden angehoben. Die von<br />
Arbeitgeberseite geforderte Stufenregelung<br />
zur Arbeitszeit konnte<br />
abgewehrt werden. Allerdings<br />
bedeutet die vereinbarte „Arbeitszeitanpassung“<br />
zum 1. Juli,<br />
dass die Beschäftigten im Osten<br />
zwar 39,5 Wochenstunden statt<br />
bisher 40 arbeiten werden, die im<br />
Westteil Berlins allerdings dann<br />
37,5 statt 37 Stunden. Die 30minütige<br />
Arbeitszeiterhöhung und<br />
geringfügige Reduzierung von<br />
Freistellungen werden als „Preis“<br />
für den Tarifabschluss gesehen,<br />
der auch umfasst, dass der Manteltarif<br />
ab Juli wieder in Kraft tritt.<br />
Die Tarifkommission hat den Kompromiss<br />
akzeptiert, gleichzeitig<br />
aber die Urabstimmung darüber<br />
beschlossen. Die ver.di-Mitglieder<br />
in den Berliner und Brandenburger<br />
Buchverlagen stimmten in<br />
der Urabstimmung ebenfalls zu,<br />
wie am 31. Mai bekanntgegeben<br />
wurde.<br />
red<br />
Die wirtschaftliche und tarifpolitische<br />
Lage in der Schaubühne<br />
am Lehniner Platz scheint heillos<br />
verfahren. Nachdem die gewerblichen<br />
Beschäftigten zwei Jahre<br />
lang durch Gehaltsverzicht das<br />
Überleben des Hauses gefördert<br />
hatten, bestehen sie nun auf der<br />
Einhaltung der tarifvertraglichen<br />
Vereinbarungen und den damit<br />
verbundenen Entgelterhöhungen<br />
ab 1. Januar <strong>2006</strong>.<br />
Die Direktion hat bislang die<br />
Rückkehr zur geltenden Tarifsituation<br />
verweigert und statt Gehaltserhöhung<br />
Arbeitszeitverkürzung<br />
angeboten. Das lehnen die<br />
Beschäftigten ab. Nach einem eindeutigen<br />
Votum der ver.di-Mitgliederversammlung<br />
vom 18. Mai<br />
wurde die Geschäftsführung erneut<br />
zur Zahlung aufgefordert.<br />
Das sei „eine grundlegende Voraussetzung“<br />
dafür, dass überhaupt<br />
darüber nachgedacht werden<br />
könnte, in der Laufzeit der<br />
geltenden Tarifverträge zu neuen<br />
Absprachen zu kommen, informierte<br />
ver.di-Verhandlungsführer<br />
Andreas Köhn.<br />
Für den Fall, dass jetzt nicht<br />
eingelenkt wird, müssten die<br />
(Nach-) Forderungen von den Beschäftigten<br />
individuell geltend gemacht<br />
und notfalls mit Gewerkschaftshilfe<br />
eingeklagt werden.<br />
Betroffen sind rund 100 Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter. red<br />
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