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9<br />
DAS MAGAZIN FÜR LUFTFAHRT, ZEITGESCHICHTE UND OLDTIMER<br />
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Sep. 2014<br />
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Arado Ar 234<br />
Wie <strong>der</strong> Jet die<br />
Invasion ausspähte<br />
Dornier Do 19 | Heinkel He 111 | Hawker Typhoon<br />
Zeitzeugenbericht!<br />
<strong>Die</strong> <strong>letzte</strong> <strong>Stuka</strong>-<strong>Crew</strong><br />
<strong>Feuertaufe</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Ostfront</strong><br />
Junkers Ju 388/Ju 488<br />
<strong>Die</strong> Highend-Flugzeuge von Junkers<br />
■ P-51 Must<strong>an</strong>g<br />
Mitflug im Warbird<br />
■ Film »Night Flight«<br />
Fliegerschatz <strong>der</strong> 30er-Jahre<br />
H<strong>an</strong>dley Page Halifax<br />
Zweite Karriere als Lastesel<br />
■ Riesenflugboote<br />
Dorniers Gesellenstück<br />
Neue Serie!<br />
Der Luftkrieg<br />
1914–1918
GeraMond Verlag GmbH, Inf<strong>an</strong>teriestraße 11a, 80797 München<br />
Faszination Luftfahrt.<br />
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<strong>Die</strong> Fliegerei zählt<br />
zu den ältesten Sehnsüchten. Der Schwerkraft zu<br />
trotzen und sich wie ein Vogel in die Lüfte zu erheben, davon träum-<br />
Otto Lilienthal,<br />
ten die Pioniere <strong>der</strong> Luftfahrt: ob Leonardo da Vinci,<br />
Graf von Zeppelin o<strong>der</strong> die Gebrü<strong>der</strong> Wright. In chronologisch geord-<br />
neten Kapiteln sp<strong>an</strong>nt <strong>der</strong> Autor den Bogen von <strong>an</strong>fänglichen Mei-<br />
lensteinen über wegweisende Entwicklungen bis zum Space Shuttle.<br />
Eine Schatzkiste für alle Luftfahrtbegeisterten!<br />
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des Luftkampfs: Taktiken, M<strong>an</strong>ödie<br />
Tricks <strong>der</strong> Flieger-<br />
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n <strong>an</strong><strong>der</strong>es Passagier-<br />
flugzeugg charakterisiert die Ent-<br />
wicklung<br />
<strong>der</strong> internationalen<br />
Luftfahrtgeschichte so gut wie<br />
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Editorial<br />
Zusammenarbeit im Cockpit<br />
Von Anfängern zum routinierten Team: Jakubowski<br />
und Vossmeyer zusammen mit einem Fliegerkameraden<br />
(rechts)<br />
Foto Jakubowski/Voßmeyer<br />
Viel Spaß, sie gehört euch!« Ungläubig<br />
werfe ich meinem Kumpel aus <strong>der</strong><br />
Flugschule einen Blick zu. Wir kauern<br />
vor dem urtümlichen Instrumentenbrett einer<br />
Sud Aviation Caravelle, einem Linienstrahlflugzeug<br />
<strong>der</strong> ersten Stunde. In <strong>der</strong> alten Jet-<br />
Lady sollen wir im Rahmen unserer Pilotenausbildung<br />
Teamwork im Cockpit lernen.<br />
<strong>Crew</strong> Coordination Concept nennt m<strong>an</strong> das,<br />
ein Regelwerk, das die Zusammenarbeit im<br />
Cockpit definiert. Der Fluglehrer, <strong>der</strong> hinter<br />
uns auf dem Jumpseat lümmelt, weidet sich<br />
grinsend <strong>an</strong> unserer Hilflosigkeit <strong>an</strong>gesichts<br />
des völlig überfrachteten Uhrenladens, mit<br />
dem das Cockpit dieses ausr<strong>an</strong>gierten Airliners<br />
vollgestopft ist.<br />
Um es kurz zu machen: Es war ein holpriger<br />
Weg zu lernen, wie zwei Piloten im<br />
Cockpit als Team funktionieren. Bisher waren<br />
wir es gewohnt, Schulmaschinen allein<br />
zu pilotieren. Jetzt<br />
galt es, gemeinsam<br />
ein Flugzeug zu fliegen:<br />
Der eine steuert,<br />
<strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>e erledigt<br />
den Funk und<br />
Papierkram.<br />
So ähnlich muss<br />
es wohl Heinz Jakubowski<br />
und Heinz<br />
Voßmeyer erg<strong>an</strong>gen<br />
sein, die <strong>letzte</strong> heute<br />
noch lebende <strong>Stuka</strong>-<br />
Besatzung. <strong>Die</strong> meisten<br />
von Ihnen kennen<br />
die beiden Ju-87-<br />
Kameraden aus <strong>der</strong><br />
Juli-Ausgabe von <strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong>.<br />
Dort hat Peter Cronauer ihre Ausbildung geschil<strong>der</strong>t.<br />
Auch sie mussten lernen, in <strong>der</strong><br />
Junkers Ju 87 H<strong>an</strong>d in H<strong>an</strong>d zu arbeiten. Sie<br />
waren fürein<strong>an</strong><strong>der</strong> ver<strong>an</strong>twortlich, ihr Leben<br />
hing davon ab, dass <strong>der</strong> jeweils <strong>an</strong><strong>der</strong>e alle<br />
sieben Sinne beiein<strong>an</strong><strong>der</strong> hatte. Wie die <strong>Feuertaufe</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Crew</strong> Jakubowski/Voßmeyer aussah,<br />
das erfahren Sie, liebe Leser, ab Seite 14.<br />
Das blieb meinem Kumpel und mir Gott<br />
sei D<strong>an</strong>k erspart. Mehr noch: Unser Glück<br />
war, dass jene Caravelle ein Simulator ist, eine<br />
Bugsektion, <strong>der</strong> m<strong>an</strong> einen Breitbildmonitor<br />
vor die Cockpitscheibe montiert hatte.<br />
Denn was wir mit dem altehrwürdigen<br />
»Flugzeug« in <strong>der</strong> virtuellen Welt so alles <strong>an</strong>stellten,<br />
hätte uns im realen Leben ziemlich<br />
sicher den Schein gekostet.<br />
Ihr Markus Wun<strong>der</strong>lich<br />
Markus Wun<strong>der</strong>lich,<br />
Chefredakteur<br />
PS: Ab sofort gibt es <strong>FLUGZEUG</strong><br />
<strong>CLASSIC</strong> für alle Abonnenten<br />
auch kostenlos digital (<strong>der</strong>zeit nur<br />
auf iOS). Mehr dazu auf S. 13.<br />
Ihre Meinung zum<br />
Warbird-Mitflug. Mehr<br />
zum Thema ab Seite 70!<br />
Reizt Sie <strong>der</strong> Trip in<br />
einem Warbird?<br />
<strong>Die</strong> Umfrage auf www.flugzeug-classic.de – Sie haben abgestimmt:<br />
40,1 %<br />
Sobald ich das nötige Kleingeld übrig habe, bin ich <strong>an</strong> Bord!<br />
42,8 %<br />
Ich würde lieber in einem Fieseler »Storch« o<strong>der</strong> in einem Bf-109-Doppelsitzer Platz nehmen.<br />
17,1<br />
Den Luftakrobaten schaue ich lieber gemütlich vom Boden aus zu.<br />
Besuchen Sie unsere Website und machen Sie bei <strong>der</strong> aktuellen Umfrage mit!<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
3
INHALT<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9-14<br />
14 Voßmeyer<br />
Auch 1944 waren die »<strong>Stuka</strong>s« noch immer eine gefährliche Waffe.<br />
Wie etwa in den Händen <strong>der</strong> beiden Neulinge Jakubowski und<br />
– <strong>der</strong> <strong>letzte</strong>n heute noch lebenden <strong>Stuka</strong>-Besatzung<br />
TITELTHEMA<br />
ZEITGESCHICHTE<br />
Eine lebensl<strong>an</strong>ge Freundschaft – Teil 2<br />
Auf Gedeih und Ver<strong>der</strong>b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
<strong>Ostfront</strong> – <strong>der</strong> Albtraum so vieler deutscher Soldaten<br />
wurde auch für die <strong>Stuka</strong>flieger Jakubowski und<br />
Voßmeyer zum ersten Einsatzort.<br />
TECHNIK<br />
Nützlich im Krieg, vielseitig im Frieden – Teil 3<br />
Halifax: <strong>Die</strong> Kraft des Hercules . . . . . . . . . . . 22<br />
Viel zu schwach auf <strong>der</strong> Brust, war die Halifax zunächst<br />
eine Enttäuschung, doch mit neuen Motoren<br />
konnte sie endlich ihr großes Potenzial entfalten.<br />
TECHNIK<br />
Ar 234: Aufklärer über <strong>der</strong> Norm<strong>an</strong>die<br />
Geschwindigkeit ist alles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
<strong>Die</strong> Alliierten trauten ihren Augen nicht: Im August<br />
1944 donnerte ein extrem schnelles Flugzeug über<br />
ihre Köpfe hinweg. Welchen Auftrag hatte <strong>der</strong> Vogel?<br />
TECHNIK – TYPENGESCHICHTE<br />
Junkers Ju 388 – Teil 4 und Ju 488<br />
TITELTHEMA<br />
TITELTHEMA<br />
TITELTHEMA<br />
Der Baukasten-Bomber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
<strong>Die</strong> Ju 388 vermochte es nicht die Erwartungen zu<br />
erfüllen, alle Hoffnung ruhte daher auf <strong>der</strong> Ju 488.<br />
Konnte sie <strong>der</strong> Luftwaffe wie<strong>der</strong> Schlagkraft geben?<br />
70<br />
Mit mehr als 1500 PS über Usedom – und zwar in <strong>der</strong><br />
legendären P-51<br />
TECHNIK – COCKPIT<br />
Dornier Do 19<br />
Vom Labor auf den Schrottplatz . . . . . . . . 44<br />
<strong>Die</strong> Do 19 bot ein geräumiges Cockpit und damit<br />
gute Arbeitsplätze, doch das Projekt drohte dennoch<br />
rasch zu scheitern.<br />
NEU!<br />
SERIE – ERSTER WELTKRIEG<br />
<strong>Die</strong> Anfänge <strong>der</strong> Militärluftfahrt<br />
Nicht aus heiterem Himmel . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
Als die Gebrü<strong>der</strong> Wright das Tor zum Himmel aufstießen<br />
und immer mehr Flugzeuge abhoben, trat<br />
auch das Militär auf den Pl<strong>an</strong>.<br />
4
Zeitzeugenbericht!<br />
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Neue Serie!<br />
D<strong>an</strong>k <strong>der</strong> neuen Motoren erwies sich die Halifax bald als bärenstark,<br />
22 sodass m<strong>an</strong> sie sogar noch nach dem Krieg einsetzte<br />
SERIE – ZWEITER WELTKRIEG<br />
<strong>Die</strong> deutsche Luftwaffe im Abwehrkampf<br />
Schlag auf Schlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
Schier erdrückt von <strong>der</strong> alliierten Übermacht, setzte<br />
sich die deutsche Luftwaffe 1944 immer mehr mit<br />
dem Mut <strong>der</strong> Verzweiflung zur Wehr.<br />
FILM<br />
»Night Flight« – Vergessenes Flieger-Abenteuer<br />
Nachtflug über Hollywood . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />
Schafft es die Hollywood-Verfilmung, <strong>der</strong> Rom<strong>an</strong>vorlage<br />
von Saint-Exupéry gerecht zu werden?<br />
Unkonventionell, aber gut: Mit <strong>der</strong> Arado 234 wollte die deutsche<br />
30 Luftwaffe den Alliierten buchstäblich davonfliegen<br />
OLDTIMER<br />
100 Jahre »Abteilung Do«<br />
Das Boot von Seemoos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />
Auch Claude Dornier fing bescheiden <strong>an</strong> und hatte<br />
mit Rückschlägen zu kämpfen, als er unter <strong>der</strong> Regie<br />
von Ferdin<strong>an</strong>d Zeppelin sich verzweifelt bemühte,<br />
seine Riesenflugboote in die Luft zu bringen.<br />
OLDTIMER<br />
Air Fighter Academy im H<strong>an</strong>gar 10<br />
Wil<strong>der</strong> Ritt auf <strong>der</strong> Must<strong>an</strong>g . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />
Einmal in <strong>der</strong> hochberühmten P-51 mitfliegen<br />
– diesen Traum hat sich Helmuth Lage erfüllt! Von<br />
seinem Flug brachte er atemberaubende Bil<strong>der</strong> mit.<br />
62<br />
Macht auch als Flieger eine gute Figur:<br />
Clark Gable im Leinw<strong>an</strong>ddrama »Night Flight«<br />
LESERALBUM<br />
Von Sk<strong>an</strong>dinavien bis Sizilien – Teil 2<br />
Bei den Torpedofliegern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />
M<strong>an</strong>chmal müssen Bil<strong>der</strong> für sich sprechen. <strong>Die</strong>s gilt<br />
auch für diese kleine, aber eindrucksvolle Sammlung,<br />
die den Alltag bei den Torpedofliegern zeigt.<br />
Flugzeuge in dieser Ausgabe<br />
Airbus A310.........................9<br />
Arado Ar 234 .....................30<br />
Blériot XI............................50<br />
Ch<strong>an</strong>ce Vought F4U.............10<br />
Curtiss SB2C .....................13<br />
de Havill<strong>an</strong>d D.H.89..............9<br />
de Havill<strong>an</strong>d D.H.98............10<br />
Dornier Do 19 ....................44<br />
Dornier Rs.I bis IV...............66<br />
Fieseler Fi 103.....................8<br />
H<strong>an</strong>dley Page Halifax...........22<br />
Hawker Siddeley Harrier.......29<br />
Hawker Typhoon ...................8<br />
Heinkel He 111..................78<br />
Junkers Ju 87 ................14<br />
Junkers Ju 388 ..................38<br />
Junkers Ju 488 ..................42<br />
Klemm L 25.......................12<br />
Messerschmitt Bf 109 ........80<br />
NA P-51 Must<strong>an</strong>g................62<br />
RUBRIKEN<br />
Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
Bild des Monats. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
P<strong>an</strong>orama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
Background. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
Modellbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />
Termine/Museumstipp/Bücher . . . . . 60<br />
Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />
<strong>Vorschau</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
9<br />
Dornier Do 19 | Heinkel He 111 | Hawker Typhoon<br />
DAS MAGAZIN FÜR LUFTFAHRT, ZEITGESCHICHTE UND OLDTIMER<br />
Arado Ar 234<br />
Wie <strong>der</strong> Jet die<br />
Invasion ausspähte<br />
<strong>Die</strong> <strong>letzte</strong> <strong>Stuka</strong>-<strong>Crew</strong><br />
<strong>Feuertaufe</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Ostfront</strong><br />
H<strong>an</strong>dley Page Halifax<br />
Zweite Karriere als Lastesel<br />
Junkers Ju 388/Ju 488<br />
<strong>Die</strong> Highend-Flugzeuge von Junkers<br />
■ P-51 Must<strong>an</strong>g ■ Film »Night Flight« ■ Riesenflugboote<br />
Mitflug im Warbird Fliegerschatz <strong>der</strong> 30er-Jahre Dorniers Gesellenstück<br />
TITELBILD<br />
Arado: D. Herm<strong>an</strong>n<br />
Ju 388: H. Ringlstetter<br />
Halifax: RAF<br />
Der Luftkrieg<br />
1914–1918<br />
TITELSEITE: Mit <strong>der</strong> Ju 87 D flog die <strong>Stuka</strong>besatzung Jakubowski/<br />
Voßmeyer ihre ersten Einsätze <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Ostfront</strong> Foto Slg. H. Ringlstetter<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
5
BILD DES MONATS<br />
Unbek<strong>an</strong>nter Wolkenstürmer<br />
Filip Gerhardt, <strong>der</strong> Sohn des Biltema-Airshow-Grün<strong>der</strong>s<br />
Bertil Gerhardt, steuert die<br />
P-51D Must<strong>an</strong>g SE-BIL durch die Wolkenberge.<br />
<strong>Die</strong>se Maschine war das erste Exemplar<br />
in <strong>der</strong> Biltema-»Warbird«-Sammlung und<br />
kam im Jahr 2007 in einem Container aus<br />
den USA nach Schweden.<br />
Heber Costello, einer <strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ischen<br />
Besitzer, gab ihr nach einer l<strong>an</strong>gen Restaurationszeit<br />
den passenden Namen »It’s<br />
About Time«. Dabei ist die Entstehungs -<br />
geschichte des Flugzeuges bis heute un -<br />
bek<strong>an</strong>nt. M<strong>an</strong> weiß nur, dass sie in den<br />
1960er- und 1970er-Jahren ihren <strong>Die</strong>nst in<br />
El Salvador versah, bevor sie 1974 in die<br />
USA zurückkehrte und die Seriennummer<br />
44-10753 von einer <strong>an</strong><strong>der</strong>en P-51 erhielt.<br />
Seit dieser Zeit war sie in zivilem Besitz und<br />
nennt nun Ängelholm ihr Zuhause.<br />
Text und Foto Andreas Zeitler<br />
6
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
7
PANORAMA<br />
70 Jahre britische Luftmacht: die<br />
Typhoon ZK308 in enger Formation<br />
mit <strong>der</strong> ebenfalls son<strong>der</strong>lackierten<br />
Spitfire MK356 Foto Richard Paver<br />
■ EUROFIGHTER TYPHOON<br />
70 Jahre »D-Day«<br />
Anlässlich des 70. Jahrestages <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dung<br />
in <strong>der</strong> Norm<strong>an</strong>die am 6. Juni 1944 hat die<br />
Royal Air Force ihre in Coningsby stationierte<br />
Eurofighter Typhoon ZK308 mit einem Son<strong>der</strong><strong>an</strong>strich<br />
versehen. So trägt die Maschine<br />
nun die bek<strong>an</strong>nten schwarz-weißen Invasionsstreifen,<br />
die die seinerzeit am »D-Day« beteiligten<br />
Flugzeuge erhalten haben. <strong>Die</strong> RAF<br />
möchte damit <strong>an</strong> die bedeutende Rolle <strong>der</strong><br />
Flugzeugführer erinnern, die während <strong>der</strong> Invasion<br />
und d<strong>an</strong>ach im Cockpit <strong>der</strong> Hawker<br />
Typhoon saßen.<br />
Während <strong>der</strong> Feierlichkeiten absolvierte<br />
die ZK308 einen gemeinsamen Vorbeiflug<br />
mit <strong>der</strong> ähnlich gestrichenen D-Day-Spitfire<br />
MK356, die Teil <strong>der</strong> RAF Britain Memorial<br />
Flight ist.<br />
Richard Chapm<strong>an</strong> ■<br />
Foto Roger Soupart<br />
Kermit Weeks’ Replikat <strong>der</strong> Ry<strong>an</strong> NYP<br />
■ N-211-NX<br />
Der »Spirit of<br />
St. Louis« lebt!<br />
Das 1:1-Replikat N-211-NX von Charles Lindberghs<br />
berühmter Ry<strong>an</strong> NYP »Spirit of St.<br />
Louis« wird <strong>an</strong>lässlich des 100. Jubiläums <strong>der</strong><br />
Pariser Luftfahrtschau auf dem Flughafen Le<br />
Bourget ausgestellt. Zuvor war die Maschine<br />
in dem jetzt geschlossenen F<strong>an</strong>tasy of Flight<br />
Museum zu sehen. Nach <strong>der</strong> Ausstellung wird<br />
sie in die USA zu ihrem Eigentümer zurückkehren,<br />
wo m<strong>an</strong> sie in flugtüchtigen Zust<strong>an</strong>d<br />
bringen möchte.<br />
Roger Soupart ■<br />
■ V1 REICHENBERG RE4<br />
<strong>Die</strong> V1 als »Ultraleicht-Flieger«?<br />
In Karlsruhe entsteht <strong>der</strong>zeit ein 1:1-Replikat<br />
einer V1 Reichenberg. Das Team um den<br />
Leichtflugzeugbauer Jens Göke konstruiert <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d<br />
von einigen Originalteilen und zahlreichen<br />
Zeichnungen zunächst ein Stryropor-Modell in<br />
Carbon-GFK-Bauweise, das ein Abfluggewicht<br />
von maximal 350 Kilogramm aufweisen wird.<br />
Sobald das Ausstellungsexemplar fertig ist, beginnen<br />
die Arbeiten <strong>an</strong> einem flugfähigen Modell.<br />
Hierfür dient die V1 Reichenberg RE4 als<br />
Vorbild, eine Trainer-Vari<strong>an</strong>te mit L<strong>an</strong>deklappen,<br />
von <strong>der</strong> Originalunterlagen, aber keine Fotos<br />
existieren. Beim Bau sollen auch einige Teile eines<br />
Segelflugzeugherstellers Verwendung finden,<br />
insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Steuerung und dem Einziehfahrwerk.<br />
Daher wird auch ein UL-Rettungssystem<br />
nicht fehlen. <strong>Die</strong> Zulassung wird allerdings<br />
die größte Herausfor<strong>der</strong>ung sein. JMB ■<br />
Bald in <strong>der</strong> Luft?<br />
Das Replikat <strong>der</strong> V1<br />
Foto Jens Göke<br />
8
■ DIE P-51D<br />
Must<strong>an</strong>g galoppiert<br />
in Fr<strong>an</strong>kreich<br />
So was hat nicht je<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Garage: <strong>Die</strong> P-51<br />
in Avignon mit ihren mark<strong>an</strong>ten Balkenkreuzen<br />
Vor einigen Monaten hat sich <strong>der</strong> Airshow-Pilot Frédérik<br />
Akary eine P-51D Must<strong>an</strong>g zugelegt, den Traum jedes<br />
Warbird-Piloten. Seine auf dem Flugplatz Avignon stationierte<br />
Must<strong>an</strong>g mit <strong>der</strong> W.Nr. 44-73656 wurde 1944 in Inglewood,<br />
Los Angeles, ausgeliefert, ihre neue Registrierung<br />
44-12473 bekam sie erst 1974. Eingesetzt war die Maschine<br />
zunächst bei <strong>der</strong> 352d Fighter Squadron und bei <strong>der</strong> 487th<br />
Fighter Group. Sie trägt noch immer das Dekor von Captain<br />
William »Bill« Whisner, einem erfolgreichen US-Piloten, <strong>der</strong><br />
allein am 21. November 1944 auf dem Weg nach Merseburg<br />
sechs Abschüsse <strong>an</strong> einem Tag verbuchen konnte. Am Bug<br />
pr<strong>an</strong>gen nicht weniger als 19 kleine Balkenkreuze, als Zeichen<br />
von Whisners Einsatzbil<strong>an</strong>z.<br />
1945 kam die P-51D Must<strong>an</strong>g zurück in die USA und wechselte<br />
öfters den Besitzer. 1963 führte die auf Must<strong>an</strong>g spezialisierte Firma Cavalier<br />
eine größere Überholung <strong>der</strong> Maschine durch. Auffallend ist <strong>der</strong> hellgraue matte<br />
Anstrich auf <strong>der</strong> Flügeloberseite, <strong>der</strong> eine Blendung des Piloten verhin<strong>der</strong>n sollte.<br />
Im Inneren <strong>der</strong> Flugzeugzelle sind noch Teile des damaligen original Anti-Korrosions<strong>an</strong>strichs<br />
zu sehen. Frédéric Akary will auch die leicht verbeulten<br />
Bleche auf <strong>der</strong> Flügeloberseite erhalten, die damals von<br />
nicht sehr sorgsam arbeitenden Waffentechnikern bei <strong>der</strong> Neubestückung<br />
<strong>der</strong> MG hinterlassen wurden. Pierre Schmitt ■<br />
Foto Pierre Schmitt<br />
■ AIRBUS A310<br />
Der »K<strong>an</strong>zler«-Airbus<br />
Am 15. Juni hat die A310 10+21 die Luftwaffe verlassen und wird<br />
in Hamburg nun für neue Aufgabe vorbereitet<br />
Foto W. Fischbach<br />
Eine A310-304 mit <strong>der</strong> militärischen Kennung 10+21 ist nach 23<br />
Jahren im »parlamentarischen Flugbetrieb« außer <strong>Die</strong>nst gestellt<br />
worden. Der sogen<strong>an</strong>nte »K<strong>an</strong>zler«-Airbus, <strong>der</strong> vor <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung<br />
mit <strong>der</strong> Kennung DDR-ABA im <strong>Die</strong>nste <strong>der</strong> ostdeutschen Interflug st<strong>an</strong>d,<br />
kam 1991 zur Flugbereitschaft <strong>der</strong> Bundeswehr. <strong>Die</strong> 10+21 war für<br />
den Tr<strong>an</strong>sport von Staats- und Regierungschefs und <strong>an</strong><strong>der</strong>er »VIPs« zuständig<br />
und kam bei <strong>der</strong> Flugbereitschaft auf insgesamt 14 000 Flugstunden<br />
und über 6000 L<strong>an</strong>dungen. <strong>Die</strong> Luftwaffe hat ihre 10+21<br />
schließlich am 15. Juni wie üblich mit Wasserfontänen verabschiedet.<br />
Zuvor war ihre vor<strong>der</strong>e Frachttür mit dem Logo <strong>der</strong> Interflug, dem<br />
Eisernen Kreuz und <strong>der</strong> Aufschrift »D<strong>an</strong>ke für treue <strong>Die</strong>nste weltweit«<br />
versehen worden. <strong>Die</strong> Nachfolger des »K<strong>an</strong>zler«-Airbus stehen in Gestalt<br />
<strong>der</strong> A340-313X und A319-133 (ACJ) bereits bereit.<br />
In <strong>der</strong> Schrottpresse wird die 10+21 allerdings nicht l<strong>an</strong>den. Vielmehr<br />
setzt die fr<strong>an</strong>zösische Raumfahrtbehörde CNES (Centre National d’Études<br />
Spatiales) den Airbus künftig für ihre Parabelflüge ein.<br />
Werner Fischbach ■<br />
■ DE HAVILLAND D.H.89 DRAGON RAPIDE<br />
Der Drache von Australien<br />
<strong>Die</strong> DH 89A Rapide mit <strong>der</strong> Baunummer 6801 und <strong>der</strong> Kennung<br />
VH-UXZ hat am 28. März am Flughafen Moorabbin nahe Melbourne<br />
ihren Erstflug nach <strong>der</strong> Restaurierung absolviert. <strong>Die</strong> RAF<br />
hat die Maschine im November 1944 als DH 89A Dominie übernommen<br />
und sie <strong>der</strong> Technical Training Comm<strong>an</strong>d Communications<br />
Flight zugewiesen. Nach dem Krieg folgten eine Reihe verschiedener<br />
Besitzer, von Charterfirmen bis Aeroclubs, die die<br />
Rapide als Tr<strong>an</strong>sportmaschine für Fallschirmspringer einsetzten.<br />
Bei einem Überschlag im Jahr 1969 wurde sie beschädigt und <strong>der</strong><br />
Betreiber lagerte sie ein, ehe sie 1982 <strong>an</strong> ihren heutigen Besitzer<br />
ging, <strong>der</strong> sie über einen Zeitraum von 30 Jahren restaurierte. 40 000<br />
Arbeitsstunden stecken insgesamt in <strong>der</strong> Rapide.<br />
<strong>Die</strong> Maschine trägt die Farben <strong>der</strong> Australi<strong>an</strong> National Airways<br />
und führt den Namen »Lady Penrhyn«. Allerdings hat sie zur Erinnerung<br />
<strong>an</strong> die originale VH-UXZ »Marika« <strong>der</strong>en Farben und Kennzeichen<br />
übernommen. Ihr öffentliches Debüt gab sie schließlich<br />
vom 28. bis zum 30. März in Temora. Dave McDonald ■<br />
<strong>Die</strong> restaurierte DH Rapide VH-UXZ.<br />
<strong>Die</strong> Originalmaschine stürzte 1943 ab<br />
Foto Phil Vabre<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
9
PANORAMA<br />
■ DE HAVILLAND D.H.98 MOSQUITO<br />
Macht <strong>der</strong> »Mossi« Beine!<br />
Zum ersten Mal seit Juni 1963 hob am 16. Juni<br />
2014 die Mosquito B.35, C-FHMJ, »F-Freddy«<br />
wie<strong>der</strong> ab. Der Flug dauerte allerdings nur 15<br />
Minuten, da Pilot Steve Hinton Probleme mit<br />
dem Fahrwerk hatte, das sich nicht vollständig<br />
einfahren ließ. Hinton flog daraufhin eine verlängerte<br />
Platzrunde und fuhr die Rä<strong>der</strong> wie<strong>der</strong><br />
aus, was allerdings erst nach mehreren Versuchen<br />
gel<strong>an</strong>g.<br />
<strong>Die</strong> Mech<strong>an</strong>iker von Victoria Air Mainten<strong>an</strong>ce<br />
wechselten daraufhin den Drehzahlmesser aus.<br />
Auch die Generatoren justierten sie nach, da<br />
diese unterschiedliche Ladeströme <strong>an</strong>zeigten.<br />
Nachdem m<strong>an</strong> zuletzt auch die Fahrwerksprobleme<br />
beseitigt hatte, führte Hinton einen<br />
zweiten Probeflug durch, <strong>der</strong> problemlos verlief<br />
und eine Stunde dauerte. <strong>Die</strong> Maschine wurde<br />
schließlich bereits am 19. Juni <strong>an</strong> ihren Besitzer<br />
in V<strong>an</strong>couver übergeben. <strong>Die</strong>ser beabsichtigt<br />
allerdings nicht, die Mosquito öffentlich auszustellen.<br />
Richard de Boer ■<br />
Auch am Boden macht das smarte<br />
»Insekt« wie<strong>der</strong> eine gute Figur<br />
<strong>Die</strong> Mosquito C-FHMJ am 16. Juni 2014 bei Ihrem ersten Flug seit 55 Jahren<br />
Fotos Richard de Boer<br />
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■ CHANCE VOUGHT F4U<br />
Corsair abgestürzt<br />
Am 16. Mai stürzte<br />
Jim Tobul, Eigentümer<br />
und Pilot <strong>der</strong> F4U<br />
Corsair, N713JT, mit <strong>der</strong><br />
Bu-No. 97143, »Kore<strong>an</strong><br />
War Hero«, bei <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dung<br />
auf dem Flughafen<br />
Peachtree Dekalb in<br />
Atl<strong>an</strong>ta ab. <strong>Die</strong> Corsair<br />
flog bei einem direkten<br />
Seitenwind von 30 Knoten<br />
<strong>an</strong>, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dung<br />
nach schräg von<br />
hinten wechselte, was<br />
dazu führte, dass sich<br />
die Maschine neben <strong>der</strong><br />
L<strong>an</strong>debahn überschlug<br />
und dabei schwer beschädigt<br />
wurde. Tobul kam mit geringen Blessuren<br />
davon. Inzwischen hat m<strong>an</strong> die Corsair<br />
per Lkw zur Reparatur nach Colorado tr<strong>an</strong>s-<br />
<strong>Die</strong> F4U »Kore<strong>an</strong> War Hero«<br />
mit Jim Tobul am Steuer<br />
portiert, die Arbeiten haben bereits Anf<strong>an</strong>g<br />
Juni begonnen.<br />
Roger Soupart ■<br />
Foto Roger Soupart<br />
10
■ CURTISS SB2C<br />
Der »Höllentaucher« ist zurück<br />
Foto Scott Willey/Jon Barrett<br />
<strong>Die</strong> Curtiss SB2C-5 Helldiver mit <strong>der</strong> Bu-<br />
No. 83479 des National Air <strong>an</strong>d Space Museum<br />
(NASM) ist nach 15 Monaten Restaurierung<br />
wie<strong>der</strong> ausgestellt. <strong>Die</strong> Restauratoren<br />
haben unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em den Motor zerlegt, <strong>der</strong><br />
aus Korrosionsschutzgründen nie abgebeizt<br />
worden war. Umf<strong>an</strong>greiche Reparaturarbeiten<br />
waren unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em <strong>an</strong> Seiten- und Höhenru<strong>der</strong><br />
und am rechten Außenflügel fällig. Zuletzt<br />
trug m<strong>an</strong> den originalgetreuen Anstrich<br />
auf – in diesem Fall aus <strong>der</strong> Zeit, als die Maschine<br />
zur USS Lexington verlegte. <strong>Die</strong> US<br />
Navy übernahm den Sturzkampfbomber am<br />
19. Mai 1945 und wies ihn <strong>der</strong> Bombing Squadron<br />
(VB) 92 »Battling Beasts« auf <strong>der</strong> USS<br />
Lexington zu.<br />
<strong>Die</strong> Navy musterte die Maschine schließlich<br />
im Mai 1948 aus und lagerte sie ein. Ausgestellt<br />
wurde sie nach einer äußerlichen Restaurierung<br />
jedoch erst ab 1982 im NNAM. Zuletzt<br />
brachte das Museum sie im Mary Baker<br />
Engen Restoration H<strong>an</strong>gar des Steven F. Udvar-Hazy<br />
Center des NASM unter, um sie wie<strong>der</strong><br />
inst<strong>an</strong>d zu setzen. Dave McDonald ■<br />
Projekt abgebrochen!<br />
Eindrucksvoller Start<br />
mit Nachbrenner Foto BAE<br />
Eine Horrorbotschaft, die so m<strong>an</strong>chen (ehemaligen)<br />
Vertreter o<strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>der</strong> britischen<br />
Luftfahrtindustrie bis heute in Rage<br />
bringen k<strong>an</strong>n, wird Anf<strong>an</strong>g April 1965 von<br />
<strong>der</strong> Regierung bek<strong>an</strong>nt gegeben. Sie markiert<br />
das vorzeitige, rein politisch motivierte Ende<br />
von Großbrit<strong>an</strong>niens wohl ehrgeizigstem<br />
Rüstungsvorhaben: dem taktischen Kampfflugzeug<br />
BAC TSR-2. Konzipiert als mo<strong>der</strong>ner<br />
Nachfolger <strong>der</strong> C<strong>an</strong>berra, fliegt es erstmals<br />
vor 50 Jahren am 27. September 1964.<br />
<strong>Die</strong> zweistrahlige Maschine hat unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em<br />
Geländefolgeflugradar und Trägheitsnavigation.<br />
Maßgeschnei<strong>der</strong>t für den kalten<br />
Krieg, erreicht sie Überschall im Tiefflug, hat<br />
nukleare Angriffskapazität, ist allwetterfähig<br />
und k<strong>an</strong>n von kurzen<br />
Pisten starten. Vor allem aber ist sie<br />
eines: teuer. Viel zu teuer, wie ihre<br />
zahlreichen Gegner meinen. Denn<br />
mit <strong>der</strong> U-Boot gestützten Polaris-<br />
Rakete, seit 1962 von den USA verfügbar<br />
gemacht, ist eine billigere<br />
Alternative vorh<strong>an</strong>den. Sir Solly Zuckerm<strong>an</strong>,<br />
wissenschaftlicher Chefberater<br />
im Verteidigungsministerium, tut<br />
sich hier beson<strong>der</strong>s hervor. Er macht keinen<br />
Hehl aus seiner Geringschätzung gegenüber<br />
britischer Rüstungshochtechnologie und befürwortet<br />
stets die Beschaffung amerik<strong>an</strong>ischer<br />
Waffensysteme. Nicht nur<br />
Verschwörungstheoretiker haben dar<strong>an</strong><br />
ihre helle Freude. Tatsächlich laufen<br />
die Projektkosten für die TSR-2<br />
schnell davon. Dafür hält das erste<br />
Entwicklungsflugzeug – reine Prototypen<br />
sind aus Kostengründen nicht<br />
vorgesehen – auf seinen insgesamt<br />
24 Testflügen alles, was es verspricht.<br />
Eine zweite Maschine schafft es bis<br />
Projektende dagegen nicht mehr in die Luft.<br />
<strong>Die</strong> massiv als Alternative gepushte General<br />
Dynamics F-111 entpuppt sich schließlich als<br />
noch teurer; ihre Bestellung wird im J<strong>an</strong>uar<br />
1968 storniert. Stattdessen ist bei <strong>der</strong> RAF<br />
Durchh<strong>an</strong>geln bis 1982 <strong>an</strong>gesagt. Erst d<strong>an</strong>n<br />
kommt mit <strong>der</strong> P<strong>an</strong>avia Tornado, die technisch<br />
durchaus vom TSR-2-Programm profitiert,<br />
adäquater Ersatz zur Truppe. Wie sagte<br />
Sir Sidney Camm abschließend so schön:<br />
»Alle mo<strong>der</strong>nen Flugzeuge haben vier Dimensionen:<br />
Sp<strong>an</strong>nweite, Länge, Höhe und<br />
Politik. Bei <strong>der</strong> TSR-2 haben halt nur die ersten<br />
drei gepasst.« Wolfg<strong>an</strong>g Mühlbauer ■<br />
<strong>Die</strong> TSR-2 darf nur 24 Flüge absolvieren<br />
Foto BAE<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
11
PANORAMA<br />
■ KLEMM L 25<br />
Das Ende des Klassikers?<br />
<strong>Die</strong> L 25a war das bek<strong>an</strong>nteste Flugzeug aus <strong>der</strong> Sammlung des »Fliegenden Museums«. Auch das<br />
Museum selbst muss inzwischen um seinen Erhalt fürchten<br />
Foto Stef<strong>an</strong> Bartm<strong>an</strong>n<br />
Am Abend des 6. Juli stürzte die Klemm<br />
L 25a aus <strong>der</strong> Sammlung des »Fliegenden<br />
Museums« auf dem Flugplatz Großenhain ab<br />
und wurde schwer beschädigt. Der 27-jährige<br />
Pilot und sein 16-jähriger Passagier wurden<br />
leicht verletzt.<br />
Der Unfall geschah nach Abschluss eines sogen<strong>an</strong>nten<br />
»Fliegenden Wochenendes«, wie es<br />
die Museumsleute alle paar Wochen ver<strong>an</strong>stalten.<br />
Es heißt, beim Eindrehen in den Quer<strong>an</strong>flug<br />
zur L<strong>an</strong>dung sei <strong>der</strong> leichte Eindecker in einen<br />
überzogenen Flugzust<strong>an</strong>d geraten und abgerutscht.<br />
Jetzt ermitteln die Flugunfall-Experten.<br />
Ungezählten Flugtagsbesuchern war die g<strong>an</strong>z<br />
aus Holz gefertigte Maschine seit Jahren ein vertrauter<br />
Anblick. Ein großes TV-Publikum bekam<br />
diesen echten Klassiker in dem Elly-Beinhorn-<br />
Biopic »Alleinflug« (siehe <strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong><br />
3/2014) in Aktion zu sehen.<br />
<strong>Die</strong> Dresdner L 25a mit Salmson-AD9-Sternmotor<br />
war die zweitälteste fliegende Klemm in<br />
Deutschl<strong>an</strong>d – aber die älteste mit diesem Motorentyp.<br />
Sie galt als authentisch, obwohl Bitz-<br />
Flugzeugbau bei <strong>der</strong> Restauration <strong>der</strong> D-EFTE<br />
viel verrottetes Holz ersetzen musste. Über einen<br />
erneuten Wie<strong>der</strong>aufbau muss noch entschieden<br />
werden. Stef<strong>an</strong> Bartm<strong>an</strong>n ■<br />
■ FLUGHAFEN-MUSEUM DEELEN<br />
»Waffenlager« <strong>der</strong> Luftwaffe ausgeraubt!<br />
Am Freitag, dem 4. Juli 2014, stiegen Räu -<br />
ber in das Flughafen-Museum Deelen<br />
(Deelen AFB Museum) ein und verwüsteten<br />
es schwer. Sie zerschlugen Vitrinen, um <strong>an</strong><br />
die gewünschten Stücke zu kommen, und<br />
richteten dabei erheblichen Schaden <strong>an</strong>.<br />
Wenngleich noch nicht bek<strong>an</strong>nt ist, was alles<br />
gestohlen wurde, so scheint es doch, als hätten<br />
es die <strong>Die</strong>be beson<strong>der</strong>s auf die ausgestellten<br />
Waffen abgesehen. Dazu gehörten kleinere<br />
H<strong>an</strong>dfeuerwaffen ebenso wie ein MG 131 und<br />
eine MK 108. Auch <strong>an</strong><strong>der</strong>e, meist deutsche<br />
Ausstellungsstücke wie das Luftlog einer V1,<br />
ein kleiner Propeller mit Zählwerk (ein sehr<br />
seltenes Stück!), ließen sie mitgehen.<br />
Das Museum hat inzwischen wie<strong>der</strong> geöffnet.<br />
Es zeigt die Geschichte des Stützpunktes,<br />
<strong>der</strong> unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em als Basis für die Nachtjäger<br />
<strong>der</strong> Luftwaffe diente. Eine wichtige<br />
Rolle spielte die Basis zuletzt während <strong>der</strong><br />
alliierten Luftl<strong>an</strong>deoperation »Market Garden«,<br />
die für Amerik<strong>an</strong>er und Briten zum Debakel<br />
wurde. <strong>Die</strong> Präsentation schließt mit<br />
den ruhigen Nachkriegsjahren ab, als die<br />
nie<strong>der</strong>ländische Luftwaffe den Stützpunkt<br />
nutzte.<br />
Roger Soupart ■<br />
Kenntnisreiche <strong>Die</strong>be: Sie wussten, wo sie zul<strong>an</strong>gen mussten<br />
Foto Roger Soupart<br />
12
<strong>Die</strong> Corsair kehrt von ihrem ersten Testflug zurück<br />
Foto Scott Willey/Jon Barrett<br />
■ CHANCE VOUGHT F4U<br />
Neues Herz, alte Glie<strong>der</strong><br />
Nach rund dreieinhalb Jahren Arbeit ist<br />
es den Restauratoren <strong>der</strong> Hall Aviation<br />
in Cheraw, South Carolina, gelungen,<br />
eine Corsair flugtüchtig zu restaurieren.<br />
Das Flugzeug mit <strong>der</strong> Bu-No. 88090 und<br />
<strong>der</strong> Kennung NZ5612 (N43FG) gehört zu<br />
den wenigen noch existierenden Exemplaren<br />
<strong>der</strong> neuseeländischen Luftwaffe<br />
(RNZAF). In ihrer aktiven Zeit von Juli<br />
bis August 1945 flog die Maschine bei <strong>der</strong><br />
No.17 und No.14 Squadron, ehe sie nach<br />
Neuseel<strong>an</strong>d zurückkehrte und dort auf<br />
dem Rukuhia-Flugzeugfriedhof l<strong>an</strong>dete.<br />
Ihre nächste Station war das Museum of<br />
Tr<strong>an</strong>sport & Technology, bis schließlich<br />
Barry Avent die Corsair 2007 erwarb und<br />
ab 2010 inst<strong>an</strong>d setzen ließ.<br />
Bereits <strong>der</strong> erste Testflug verl<strong>an</strong>gte <strong>der</strong> alten<br />
Maschine viel ab. So führte <strong>der</strong> Pilot<br />
eine Reihe von Tests durch, wozu auch ein<br />
Strömungsabriss und Steuerflächen-Flatterprüfungen<br />
gehörten. Außer dem benutzerfreundlicheren<br />
Motor, einem R-2800-CB3,<br />
und <strong>der</strong> Zünd<strong>an</strong>lage wurde die Corsair gemäß<br />
den Original-Goodyear- und RNZAF-<br />
Spezifikationen restauriert. In <strong>der</strong> Zwischenzeit,<br />
bis über ein endgültiges Farbschema<br />
entschieden ist, trägt <strong>der</strong> Jäger einen komplett<br />
dunkelblauen Farb<strong>an</strong>strich ohne Hoheitszeichen.<br />
Dave McDonald ■<br />
■ SCALARIA AIR CHALLENGE<br />
Spektakel am Wolfg<strong>an</strong>gsee<br />
<strong>Die</strong> diesjährige scalaria air challenge f<strong>an</strong>d vom 3. bis zum 6. Juli am St. Wolfg<strong>an</strong>gsee<br />
statt. Neben dem Stelldichein von Wasserflugzeugen bot die Ver<strong>an</strong>staltung ein umf<strong>an</strong>greiches<br />
Showprogramm, das von Kunstspringern bis zu Kunstflügen reichte. Zur fliegerischen<br />
Prominenz gehörte Kermit<br />
Weeks, Grün<strong>der</strong> und Besitzer des<br />
F<strong>an</strong>tasy of Flight-Museums in Flori -<br />
da. Höhepunkt <strong>der</strong> Challenge war<br />
<strong>der</strong> Samstag, als ab 17:30 Uhr die<br />
Vorführungen <strong>der</strong> »Flying Emotions«<br />
und »Flying Opera« beg<strong>an</strong>nen.<br />
Hier präsentierten unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em<br />
Piloten aus aller Herren Län<strong>der</strong> ihr<br />
Können. Ein weiteres High light<br />
stellte die Kunstfluggruppe »Baltic<br />
Bees jet team» aus Lettl<strong>an</strong>d dar, die<br />
zum ersten Mal <strong>an</strong> den scalaria-Tagen<br />
teilgenommen hatte. SK ■<br />
<strong>Die</strong> B-25J <strong>der</strong> »The Flying Bulls«<br />
Foto scalaria<br />
In eigener Sache<br />
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<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
13
ZEITGESCHICHTE<br />
<strong>Die</strong> <strong>letzte</strong> Ju-87-Besatzung<br />
EINE LEBENSLANGE FREUNDSCHAFT – TEIL 2<br />
418 Tage – Auf Gedeih<br />
und Ver<strong>der</strong>b<br />
Im J<strong>an</strong>uar 1944 verließ die Besatzung Jakubowski/Voßmeyer das <strong>Stuka</strong>geschwa<strong>der</strong> 151<br />
(siehe <strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 7/2014). <strong>Die</strong> Versetzung vom Ergänzungsgeschwa<strong>der</strong> zur<br />
I./SG 1 war für beide ein großer Schritt ins Ungewisse … jetzt ging es <strong>an</strong> die Front<br />
Von Peter Cronauer<br />
14
Im Frühjahr 1944 lag die erste Gruppe des<br />
Schlachtgeschwa<strong>der</strong> 1 im Mittelabschnitt<br />
<strong>der</strong> <strong>Ostfront</strong> in Bobruisk. Dorthin führte die<br />
Fahrstrecke <strong>der</strong> Deutschen Reichsbahn von<br />
P<strong>an</strong>cevo aus nach Osten über Belgrad, Novi<br />
Sad, Sobotica, Szegedin, Großwardein, den<br />
Dukla-Pass, Lemberg, Dubno und Luniniec<br />
nach Bobruisk. Alles in allem waren das rund<br />
1500 Kilometer. Am 28. J<strong>an</strong>uar 1944, dem Versetzungstag,<br />
herrschte grimmig kaltes Winterwetter.<br />
Dennoch war es in den überfüllten<br />
Waggons stickig und heiß. <strong>Die</strong> halbe Wehrmacht<br />
schien per Bahn zu reisen. Der Zug rollte<br />
durch Serbien, Ungarn, das Generalgouvernement<br />
und die Ukraine bis nach Weißrussl<strong>an</strong>d;<br />
<strong>der</strong> Begleitoffizier und seine Leute<br />
teilten Wachposten <strong>an</strong> den Türen ein, denn auf<br />
russischem Gebiet herrschte Partis<strong>an</strong>engefahr.<br />
Am 1. Februar 1944 meldete sich die<br />
Besatzung Jakubowski/Voßmeyer auf <strong>der</strong><br />
Schreibstube <strong>der</strong> I./SG 1. Der Gruppenkomm<strong>an</strong>deur,<br />
Major Horst Kaubisch, war ein erfahrener<br />
<strong>Stuka</strong>-Flieger, <strong>der</strong> im November<br />
1942 mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet<br />
worden war, im Juni 1944 das Eichenlaub<br />
zum Ritterkreuz erhalten sollte und im März<br />
1945 – nach weit mehr als 1000 Feindflügen –<br />
<strong>an</strong> <strong>der</strong> O<strong>der</strong> fiel. Er begrüßte die neue Besatzung,<br />
teilte sie <strong>der</strong> 3. Staffel zu und wünschte<br />
ihr noch alles Gute.<br />
<strong>Die</strong> 3. Staffel griff meistens die Flakstellungen<br />
<strong>der</strong> Russen im Zielgebiet <strong>an</strong>. Der eigentliche<br />
Staffelkapitän war gerade auf Heimaturlaub<br />
in Wien, ein ebenfalls von dort<br />
stammen<strong>der</strong> Oberleutn<strong>an</strong>t führte die Staffel<br />
<strong>an</strong> seiner Stelle.<br />
Für die <strong>Stuka</strong>-Besatzung Jakubowski/Voßmeyer<br />
wurde es Anf<strong>an</strong>g 1944 ernst, als sie <strong>an</strong> die gefürchtete<br />
<strong>Ostfront</strong> kamen. Hier führt Leutn<strong>an</strong>t<br />
Jakubowski im Juni 1944 eine Kette Ju 87 D-5<br />
im Steigflug zu Übungsstürzen mit <strong>der</strong> neuen<br />
Bombenziel<strong>an</strong>lage BZA<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
15
ZEITGESCHICHTE<br />
<strong>Die</strong> <strong>letzte</strong> Ju-87-Besatzung<br />
Eine Ju 87 »Dora« rollt mit zwei Bomben SC 250<br />
unter den Flächen sowie einer SC 500 unter dem<br />
Rumpf zum Start<br />
Foto Sammlung Ringlstetter<br />
Für die Neu<strong>an</strong>kömmlinge war alles ungewohnt<br />
und neu: Auf <strong>der</strong> <strong>Stuka</strong>schule und bei<br />
<strong>der</strong> Ergänzungsgruppe hatten die Besatzungen<br />
gemeinsam auf einer »Bude« gelegen,<br />
doch beim Frontverb<strong>an</strong>d galt die militärische<br />
Dreiteilung: M<strong>an</strong>nschaften, Unteroffiziere<br />
und Oberoffiziere. Der »Jaku« kam zu einem<br />
Oberfähnrich aufs Zimmer, <strong>der</strong> Voßmeyer<br />
zog ins Quartier <strong>der</strong> Unteroffiziere. Morgens,<br />
mittags und abends aßen Jakubowski im Offizierskasino,<br />
Voßmeyer im Unteroffizierskasino<br />
und die M<strong>an</strong>nschaften in <strong>der</strong> K<strong>an</strong>tine.<br />
Kaum, dass sie zu einer Besatzung geworden<br />
waren, kamen die beiden jetzt nur noch bei<br />
den Einsätzen zusammen.<br />
Zuvor geriet jedoch <strong>der</strong> Unteroffizier <strong>der</strong><br />
Klei<strong>der</strong>kammer völlig aus dem Häuschen:<br />
<strong>Die</strong> Neuen hatten keine Winterklamotten dabei!<br />
<strong>Die</strong> hatten sie in P<strong>an</strong>cevo auf <strong>der</strong> Klei<strong>der</strong>kammer<br />
abgeben müssen. Nun gab es in<br />
Bobruisk zwar Kopfhauben und Brillen, doch<br />
Pullover, Fliegerh<strong>an</strong>dschuhe, Winterkombis<br />
und Pelzstiefel mussten erst einmal aus dem<br />
rund 270 Kilometer entfernten Rückhalthorst<br />
in Lida her<strong>an</strong>geschafft werden, und bis dahin<br />
flog die neue Besatzung in ihrer Sommeruniform.<br />
Bei rund -20° C in 3500 Meter Höhe.<br />
Ein guter väterlicher Rat<br />
Gepackte und nummerierte Fallschirme erhielten<br />
sie gegen Unterschrift und auf <strong>der</strong><br />
Schreibstube die für die Einsätze notwendigen<br />
Flugkarten, um sich mit <strong>der</strong> Umgebung<br />
vertraut machen zu können. Darüber hinaus<br />
blieben ihnen viele Fragen. Heinz Jakubowskis<br />
Vater hatte seinem Sohn einst gesagt:<br />
»Du musst mit den Augen und den Ohren<br />
stehlen gehen, dabei k<strong>an</strong>n dich keiner bestrafen!«<br />
Der »Jaku« schaute und horchte in alle<br />
Richtungen, aber keiner sagte ihm etwas. Ob<br />
die Kameraden alle dachten, er wüsste Bescheid?<br />
Mit <strong>der</strong> Erfahrung von null Einsätzen?<br />
Heinz Voßmeyer erging es kaum <strong>an</strong><strong>der</strong>s.<br />
Zu den Einsätzen wurde die Staffel mit<br />
dem Holzvergaser-LKW zum Liegeplatz gefahren,<br />
wobei es keine Chargenunterschiede<br />
gab; die Besatzungen stiegen gemeinsam auf.<br />
Einzig die Staffelkapitäne fuhren mit dem<br />
VW <strong>der</strong> Gruppe zuerst zur Einsatzbesprechung<br />
beim Gruppenkomm<strong>an</strong>deur und <strong>an</strong>schließend<br />
zu den Liegeplätzen. Wie üblich,<br />
Jakubowski auf <strong>der</strong> Festung Modlin im »Generalgouvernement«<br />
(Polen) im Oktober 1944<br />
erhielten die »Neuen« die l<strong>an</strong>gsamste Mühle<br />
<strong>der</strong> Staffel. Beim Start in Gruppenstärke verspürte<br />
Jakubowski keine Angst, »aber ein komisches<br />
Gefühl im Körper, denn die Sitzfläche<br />
– <strong>der</strong> ›Hintern‹ – war gegen Beschuss von<br />
unten nicht geschützt«.<br />
Aller Anf<strong>an</strong>g ist schwer<br />
Nachein<strong>an</strong><strong>der</strong> schraubten sich die Maschinen<br />
über dem Platz in die Höhe, allmählich nahmen<br />
<strong>der</strong> Stab und die drei Staffeln ihre Positionen<br />
ein. <strong>Die</strong> Angriffshöhe <strong>der</strong> führenden<br />
Komm<strong>an</strong>deursmaschine betrug in <strong>der</strong> Regel<br />
rund 3000 Meter, die dritte Staffel flog am<br />
höchsten, griff als <strong>letzte</strong> <strong>an</strong> und musste entsprechend<br />
höher hinauf. Jakubowski und<br />
Voßmeyer saßen in <strong>der</strong> <strong>letzte</strong>n Maschine <strong>der</strong><br />
3. Staffel in rund 3500 Meter Höhe, als kleines<br />
Pünktchen über allem. Anf<strong>an</strong>gs flog Jakubowski<br />
den <strong>an</strong><strong>der</strong>en einfach hinterher: »Wo<br />
wollen die hin? Wie halte ich im Verb<strong>an</strong>d meine<br />
Position?« Das Ziel hatte er zuvor auf <strong>der</strong><br />
Karte eingehend studiert, doch beim senkrechten<br />
Sturz mit 680 km/h nach unten konnte<br />
er nichts erkennen, warf dem Vor<strong>der</strong>m<strong>an</strong>n<br />
beinahe seine Bomben ins Kreuz, weil <strong>der</strong> viel<br />
später abfing als gedacht, kam d<strong>an</strong>n selbst<br />
beim Abf<strong>an</strong>gen gefährlich tief herunter und<br />
verlor in <strong>der</strong> <strong>an</strong>schließenden Sammelkurve<br />
nach links auch noch den Anschluss <strong>an</strong> die<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>en Maschinen. So ein Sturz<strong>an</strong>griff dauerte<br />
zirka zwölf bis 20 Sekunden, d<strong>an</strong>n war<br />
rechtzeitiges Abf<strong>an</strong>gen <strong>der</strong> Maschine lebens-<br />
Fotos, soweit nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s <strong>an</strong>gegeben, Heinz Jakubowski/Heinz Voßmeyer<br />
16
Leihweise <strong>der</strong> 3. Staffel überlassene Ju 87 D-5 <strong>der</strong> II./SG 1, die<br />
von <strong>der</strong> Besatzung Jakubowski/Voßmeyer geflogen wurde<br />
Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus<br />
wichtig! Doch nun mühte er sich mit Vollgas<br />
den <strong>an</strong><strong>der</strong>en hinterher und hatte dabei ein<br />
»saublödes Gefühl im Hintern«.<br />
Ein einzelner, dem Verb<strong>an</strong>d hinterher hinken<strong>der</strong><br />
und ohnehin recht l<strong>an</strong>gsamer <strong>Stuka</strong><br />
war für feindliche Jäger natürlich eine günstige<br />
Gelegenheit. Jakubowski sprach sich mit<br />
Voßmeyer ab: »Du magst zwar <strong>der</strong> beste<br />
Schütze sein, aber wenn die uns abschießen<br />
wollen, d<strong>an</strong>n machen wir Folgendes: Du<br />
zählst mir die Entfernung runter: 400, 300, 200<br />
Meter … und wenn wir d<strong>an</strong>n bei 100 Metern<br />
sind, schiebe ich das Dach auf und fahre die<br />
Klappen aus, denn d<strong>an</strong>n sind wir plötzlich<br />
g<strong>an</strong>z l<strong>an</strong>gsam in <strong>der</strong> Luft und <strong>der</strong> Iw<strong>an</strong> vergisst<br />
das Schießen.« Und so kam es auch.<br />
Zweimal wurden die beiden von einem Jäger<br />
<strong>an</strong>gegriffen, und beide Male führte diese Taktik<br />
zum Erfolg.<br />
Zurück am Platz gab es dennoch einen<br />
»Anschiss« vom Gruppenkomm<strong>an</strong>deur:<br />
»Wenn Sie nicht aufschließen beim Abflug<br />
und da hinten g<strong>an</strong>z alleine rumfliegen, d<strong>an</strong>n<br />
leben Sie nicht l<strong>an</strong>ge! Bleiben Sie am Verb<strong>an</strong>d!«<br />
– »Jawohl, Herr Major!« Jakubowski<br />
Zweimal wurden die beiden von einem<br />
Jäger <strong>an</strong>gegriffen.<br />
versuchte zu erklären: »Ladedruck schon bei<br />
1,4 … alte Mühle …« – »Bleiben Sie gefälligst<br />
dr<strong>an</strong>!«, unterbrach ihn Kaubisch. »Ich fliege<br />
schon mit 0,6 Ladedruck und fall’ bald runter<br />
wegen Ihrer Herumschleicherei. Dr<strong>an</strong>bleiben!«<br />
– »Jawohl, Herr Major!« <strong>Die</strong> Szenerie<br />
wie<strong>der</strong>holte sich noch mehrmals, dabei war<br />
das Hinterherhinken keineswegs das Einzige,<br />
was Jakubowski zu schaffen machte: »Beispielsweise<br />
hörte ich die alten Hasen sagen,<br />
dass da unten, zwischen den Häusern, frische<br />
Truppen liegen müssen. Ich fragte d<strong>an</strong>n in<br />
diesem Fall einen Oberfeldwebel mit Deutschem<br />
Kreuz in Gold, woher er denn das wisse.<br />
Er sah mich nur verständnislos <strong>an</strong>: Hast<br />
Du’s nicht gesehen? Ich sagte: Was denn? Da<br />
führten doch Strohspuren von so einem Heuschober<br />
in die Häuser hinein! Ich hatte kein<br />
Stroh gesehen. Und noch nicht einmal Häuser.«<br />
Anf<strong>an</strong>gs konzentrierte sich <strong>der</strong> »Jaku«<br />
vor allem auf die Technik und darauf, eine<br />
Karambolage zu vermeiden.<br />
»Viel Glück bei uns!«<br />
Der eigentliche Staffelkapitän, Oberleutn<strong>an</strong>t<br />
H<strong>an</strong>s Schal<strong>an</strong>da, von allen kurz »Sch<strong>an</strong>i« gen<strong>an</strong>nt,<br />
trug ebenfalls das Ritterkreuz. Auch er<br />
sollte später noch das Eichenlaub zum Ritter-<br />
Der teils gep<strong>an</strong>zerte Abwehrst<strong>an</strong>d einer Ju 87 D mit MG 81 Z, Kaliber 7,92 mm. Pro Lauf st<strong>an</strong>den<br />
1000 Schuss zur Verfügung Fotos (2) Sammlung Ringlstetter<br />
Der Schütze/Funker beim Einlegen des<br />
Munitionsgurtes in das Zwillings-MG<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
17
ZEITGESCHICHTE<br />
<strong>Die</strong> <strong>letzte</strong> Ju-87-Besatzung<br />
Ju 87 D-3 mit vier 50-kg-Bomben mit Abst<strong>an</strong>dzün<strong>der</strong>n<br />
und einem Abwurfbehälter AB 500,<br />
<strong>der</strong> mit Kleinbomben (ein o<strong>der</strong> vier Kilogramm)<br />
gefüllt war. Derart bewaffnet gilt <strong>der</strong> Angriff<br />
speziell ungep<strong>an</strong>zerten Zielen<br />
Foto Sammlung Ringlstetter<br />
kreuz erhalten und im März 1945 <strong>an</strong> <strong>der</strong> O<strong>der</strong><br />
fallen. »Viel Glück bei uns in <strong>der</strong> Dritten!«, begrüßte<br />
<strong>der</strong> »Sch<strong>an</strong>i« bei seiner Rückkehr aus<br />
dem Urlaub die Neuen, um d<strong>an</strong>n zu verkünden:<br />
»Jakubowski, Sie fliegen bei mir die<br />
Nummer drei!« – »Jawohl, Herr Oberleutn<strong>an</strong>t,<br />
die Nummer drei.« <strong>Die</strong>se Position behielt<br />
die Besatzung Jakubowski/Voßmeyer<br />
während ihrer gesamten <strong>Stuka</strong>-Laufbahn bei,<br />
Hauptm<strong>an</strong>n Schal<strong>an</strong>da steht im weißrussischen<br />
Ulla neben seiner Ju 87 D-5<br />
und endlich erhielten sie auch eine neue Maschine:<br />
eine Ju 87 »Dora 3« mit <strong>der</strong> Einzelkennung<br />
»M« wie »Martha«.<br />
Angriff auf P<strong>an</strong>zer und Artillerie<br />
Der »Jaku« stieg in den Flugzeugführersitz,<br />
ließ sich vom 1. Wart beim Anschnallen helfen,<br />
den Blick über die Instrumente schweifen<br />
sowie nach draußen rechts und links. In <strong>der</strong><br />
neuen Maschine fühlte er sich auf Anhieb<br />
wohl, sie flog sich gut, schon bald k<strong>an</strong>nte er<br />
alle kleinen Eigenarten des Vogels und wusste<br />
sie zu nutzen. Mit zunehmen<strong>der</strong> Erfahrung<br />
als »Sch<strong>an</strong>is« Nummer drei lernte er allmählich<br />
nicht nur zu sehen, son<strong>der</strong>n löste sich<br />
auch ein wenig aus <strong>der</strong> Fallrichtung <strong>der</strong> Kette:<br />
»Der Staffelkapitän stürzte vorneweg, die<br />
Nummer zwei ihm hinterher, und ich als<br />
Nummer drei folgte den <strong>an</strong><strong>der</strong>en nicht in direkter<br />
Linie, son<strong>der</strong>n ein wenig seitlich versetzt,<br />
wodurch ich mein Abf<strong>an</strong>gen besser<br />
kontrollieren konnte.«<br />
Jakubowski durchlief den Lernprozess eines<br />
jeden Neulings <strong>an</strong> <strong>der</strong> Front: »Dergleichen<br />
sagte einem jedoch kein Mensch! Auf<br />
<strong>der</strong> Schule lernte m<strong>an</strong> vor allem die Technik<br />
und das grundsätzliche Verhalten, alles <strong>an</strong><strong>der</strong>e<br />
lernte m<strong>an</strong> erst im Einsatz <strong>an</strong> <strong>der</strong> Front.<br />
Da musste m<strong>an</strong> selbst beobachten, daraus<br />
seine Schlüsse ziehen und Schritt für Schritt<br />
dazulernen. Es gab auch keinen, <strong>der</strong> gesagt<br />
hätte: ›Jaku, das musst Du so o<strong>der</strong> so machen<br />
… achte mal auf dieses, mal auf jenes<br />
…!‹ Für die Erfahrenen zählten nur die Ein-<br />
sätze, und nach jedem war es eben eine Ziffer<br />
mehr.«<br />
Anf<strong>an</strong>gs griff die Gruppe im Dnepr-Gebiet<br />
in frontnahen Einsätzen Truppen- und P<strong>an</strong>zer<strong>an</strong>sammlungen<br />
o<strong>der</strong> Artilleriestellungen<br />
<strong>an</strong>, die Ziele lagen bei Mogilew, Rogatschew,<br />
Schlobin, Rjetschiza o<strong>der</strong> Gomel. Und mit jedem<br />
Einsatz lernte »Jaku« dazu: »Schal<strong>an</strong>da<br />
flog als Nummer eins, rechts d<strong>an</strong>eben und erhöht<br />
die Nummer zwei, links von Nummer<br />
eins und nochmals höher flogen wir, die<br />
Nummer drei. Im Verb<strong>an</strong>dsflug nutzte ich eine<br />
Art Kimme und Korn, um meinen Abst<strong>an</strong>d<br />
richtig einzuschätzen. Als Kimme suchte ich<br />
mir einen Fleck auf meiner Scheibe, als Korn<br />
diente das gelbe Dreick des Öleinfüllstutzens<br />
<strong>an</strong> Schal<strong>an</strong>das Maschine. Wenn sich die beiden<br />
deckten, war mein Abst<strong>an</strong>d richtig. Bei<br />
den ersten Einsätzen war ich d<strong>an</strong>n voll und<br />
g<strong>an</strong>z auf Schal<strong>an</strong>das Maschine konzentriert<br />
– nicht zu nah, nicht zu weit weg, nicht zu<br />
schnell o<strong>der</strong> zu l<strong>an</strong>gsam. Mit <strong>der</strong> Zeit kam die<br />
Routine. Ein kurzes Flächenwackeln war<br />
d<strong>an</strong>n Schal<strong>an</strong>das Signal zum Angriff. Meist<br />
tat er dies in einer Linkskurve, ich drückte<br />
d<strong>an</strong>n kurz nach unten weg, um sofort steil<br />
hochzuziehen, oben über den Kopf zu ziehen<br />
und den <strong>an</strong><strong>der</strong>en hinterherzustürzen.<br />
Ohne Funk geht’s auch!<br />
War Schal<strong>an</strong>da beim Rückflug gut gelaunt,<br />
zelebrierte er das Verb<strong>an</strong>dsfliegen geradezu.<br />
D<strong>an</strong>n dirigierte er uns mit dem Zeigefinger so<br />
nah her<strong>an</strong>, bis meine Luftschraube beinahe<br />
18
seine Flächenspitze berührte. <strong>Die</strong> Nummer<br />
zwei machte dies auf <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en Seite ebenso.<br />
Während wir uns einen Spaß daraus machten,<br />
so eng zu fliegen, f<strong>an</strong>den unsere Bordfunker<br />
das gar nicht lustig. Auch Voßmeyer saß<br />
hinten drin, die eine H<strong>an</strong>d in <strong>der</strong> Schlaufe des<br />
Bowdenzuges mit dem m<strong>an</strong> das Dach abwerfen<br />
konnte, und die <strong>an</strong><strong>der</strong>e auf dem Gurtverschluss,<br />
auf den m<strong>an</strong> nur draufschlagen musste,<br />
um ihn zu lösen. Sie rechneten mit einem<br />
je<strong>der</strong>zeitigen Zusammenstoß. Wir waren jung<br />
und übermütig.« Allmählich ging das Proze<strong>der</strong>e<br />
in Fleisch und Blut über: »Schal<strong>an</strong>da kündigte<br />
den Angriff durch ein kurzes Flächenwackeln<br />
<strong>an</strong>. Derartige Zeichen lernte m<strong>an</strong> im<br />
Lauf <strong>der</strong> Zeit zu verstehen. Es gab keinerlei<br />
Ankündigung per Funk, ohnehin herrschte<br />
absolutes Funkverbot. Wir wussten ja auch so,<br />
w<strong>an</strong>n es so weit war. In <strong>der</strong> Tasche <strong>an</strong> unserem<br />
linken Oberschenkel bef<strong>an</strong>d sich die Karte,<br />
darin hatte ich mit Fettstift unseren jeweiligen<br />
Flugweg schwarz markiert, und den<br />
fuhr ich in <strong>der</strong> Luft mit dem linken Daumen<br />
nach. Auch zeigte unsere Fliegeruhr die vergehende<br />
Zeit <strong>an</strong>, wir wussten also auch ohne<br />
Komm<strong>an</strong>do von außen, w<strong>an</strong>n es so weit war.<br />
Außerdem sahen wir die <strong>an</strong><strong>der</strong>en Staffeln und<br />
den Stab, und spätestens d<strong>an</strong>n, wenn die zum<br />
Angriff in den Sturz gingen, war die Reihe<br />
auch <strong>an</strong> uns. Große Absprachen gab es da vorher<br />
nicht, m<strong>an</strong> musste hellwach sein und darauf<br />
achten, was ›<strong>der</strong> da vorne‹ machte.«<br />
Training für die Ju 87<br />
Wenn die Besatzungen zwischen zwei Einsätzen<br />
bei ihren Maschinen warten mussten,<br />
weil die Wetterlage schlecht war o<strong>der</strong> weil<br />
<strong>der</strong> Gruppenkomm<strong>an</strong>deur die Staffelkapitäne<br />
zur Nach- und Vorbesprechung einberufen<br />
hatte, d<strong>an</strong>n wurde am Liegeplatz schon mal<br />
überlegt, wie m<strong>an</strong> die alte Ju 87 ein wenig<br />
wendiger machen könnte. An <strong>der</strong>en Tragflächenenden<br />
gab es kleine, schmale Trimmbleche,<br />
die dem Ru<strong>der</strong>ausgleich dienten. Wenn<br />
m<strong>an</strong> diese mit den flachen Trimmz<strong>an</strong>gen etwas<br />
nach oben o<strong>der</strong> unten »bügelte», erhöhte<br />
Jakubowski, Voßmeyer und Heinz Marquardt (rechts) teilen sich am 25. August 1944<br />
Fliegerschokolade<br />
das die Kurvenwendigkeit. Tatsächlich lieferte<br />
die Praxis dafür den Beweis.<br />
Als »fliegende Artillerie« war <strong>der</strong> <strong>Stuka</strong> eine<br />
Präzisionswaffe zur »Punktzielbekämpfung«<br />
im Rahmen taktischer Luft<strong>an</strong>griffe.<br />
Doch von Orscha aus unternahm die Gruppe<br />
vorübergehend eine ungewohnte Angriffsserie:<br />
Von Sp<strong>an</strong>iern geflogene Messerschmitts<br />
begleiteten die <strong>Stuka</strong>s weit über die<br />
außer Sicht geratende Hauptkampflinie hinaus.<br />
»Häufig wurden wir dabei von einem<br />
sp<strong>an</strong>ischen Hauptm<strong>an</strong>n mit Ritterkreuz begleitet,<br />
<strong>der</strong> uns oftmals so un<strong>an</strong>genehm <strong>an</strong>flog,<br />
dass mein Bordschütze ihn bereits als her<strong>an</strong>nahenden<br />
Feindjäger meldete, bevor wir<br />
ihn und seine Messerschmitt erk<strong>an</strong>nten. Er<br />
ging d<strong>an</strong>n längsseits, winkte, insbeson<strong>der</strong>e<br />
unserem Staffelkapitän – die beiden waren<br />
gut befreundet –, und d<strong>an</strong>n turnte er noch ein<br />
wenig um uns herum.« Der l<strong>an</strong>ge An- und<br />
Wir machten uns einen Spaß daraus eng zu fliegen,<br />
was die Bordfunker nicht lustig f<strong>an</strong>den.<br />
Angehörige <strong>der</strong><br />
3./SG 1 warten hier<br />
am 25. August 1944<br />
im lettischen Ezere auf<br />
den Einsatz. Links sitzt<br />
Jakubowski; Voßmeyer<br />
sitzt mit dem Rücken<br />
zur Kamera<br />
Abflug ging südlich <strong>an</strong> Witebsk vorbei bis<br />
zum rund 120 Kilometer entfernten Smolensk.<br />
Dort war die Hauptkampflinie nicht<br />
mehr auszumachen, allerdings sah m<strong>an</strong> aufblitzendes<br />
Mündungsfeuer von Artillerie, <strong>der</strong><br />
Schnee war stellenweise schwarz verfärbt.<br />
<strong>Die</strong> Gruppe stieg auf 4000 Meter und darüber,<br />
und da die dritte Staffel noch höher hinauf<br />
musste, flogen sie mit Sauerstoffmaske. Oben<br />
hörte <strong>der</strong> »Jaku« Klaviermusik in seiner Kopfhaube:<br />
»Vielleicht Bach mit seinen Br<strong>an</strong>denburgischen<br />
Konzerten? O<strong>der</strong> Schum<strong>an</strong>ns Arabeske?<br />
O<strong>der</strong> Rachm<strong>an</strong>inow?« Tief unten<br />
wechselten weiße Schneeflächen und von<br />
Pulverdampf schwarz gefärbte Fel<strong>der</strong> ein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />
ab, <strong>der</strong> Anblick erinnerte Heinz Jakubowski<br />
<strong>an</strong> eine Tastatur, und in seiner Erinnerung<br />
verschmolz die schwarz-weiße Front<br />
um Witebsk mit <strong>der</strong> Musik im Kopfhörer zum<br />
»Winterklavier«. <strong>Die</strong> wie<strong>der</strong>holten Angriffe<br />
<strong>der</strong> <strong>Stuka</strong> auf Fabrik<strong>an</strong>lagen im Süden von<br />
Smolensk, tief im Hinterl<strong>an</strong>d des Feindes, galten<br />
zwar als Erfolg, doch womöglich war <strong>der</strong><br />
dafür zu treibende Aufw<strong>an</strong>d insgesamt zu<br />
groß. Jedenfalls wurden die Flüge nach Smo-<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
19
ZEITGESCHICHTE<br />
<strong>Die</strong> <strong>letzte</strong> Ju-87-Besatzung<br />
Technische Daten: Bombenabwurf im Bahnneigungsflug<br />
Höhe 250–3000 m<br />
Neigungswinkel 15–80°<br />
Anstellwinkel des Flugzeugs 0,3–2,4°<br />
Eigengeschwindigkeit 400–800 km/h<br />
Windgeschwindigkeit +/–100 km/h<br />
Luftdruck über NN 950–1050 mb<br />
Zielhöhe 0–1000 m<br />
lensk bald wie<strong>der</strong> eingestellt und die Gruppe<br />
griff wie<strong>der</strong> Ziele in <strong>der</strong> Hauptkampflinie<br />
<strong>an</strong>, denn <strong>der</strong> <strong>Stuka</strong> war eben kein Fernbomber,<br />
son<strong>der</strong>n zur Unterstützung <strong>der</strong> Erdtruppe<br />
in <strong>der</strong> Hauptkampflinie gebaut.<br />
<strong>Die</strong> sp<strong>an</strong>ischen Begleitjäger waren bei diesen<br />
Einsätzen kaum gefor<strong>der</strong>t. Über eigenem<br />
Gebiet griffen sowjetische Jäger selten ein, weil<br />
das das Hoheitsgebiet <strong>der</strong> russischen Flak war,<br />
die un<strong>an</strong>genehm präzise schoss. Dabei offenbarte<br />
<strong>der</strong> <strong>Stuka</strong> auch eine große Schwachstelle:<br />
»Bei Schieß<strong>an</strong>griffen im Tiefflug, wie beispielsweise<br />
im Raum südöstlich von Bobruisk,<br />
rauschten wir häufig zwischen Bauernhöfen<br />
durch. Zurück auf unserem Platz, stellte uns<br />
unser 1. Wart d<strong>an</strong>n häufig zur Rede und zeigte<br />
uns die Telefondrähte, die wir irgendwo abgerissen<br />
und die sich um die Fahrwerksbeine<br />
gewickelt hatten. Dabei wurde eine Fehlkonstruktion<br />
<strong>der</strong> Ju 87 offenbar: <strong>Die</strong> Bremsleitungen<br />
verliefen <strong>an</strong> <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>seite <strong>der</strong> Fahrwerksbeine<br />
<strong>an</strong>statt geschützt dahinter.<br />
Nahmen wir im Winter die Verkleidungen ab,<br />
weil sich darin Schnee und Matsch <strong>an</strong>sammelten,<br />
lagen diese Leitungen ungeschützt offen.<br />
Ein im Tiefflug abgerissenes Kabel konnte sie<br />
d<strong>an</strong>n beschädigen und m<strong>an</strong> hatte bei <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dung<br />
keine Bremswirkung mehr.«<br />
<strong>Die</strong> Besatzung Jakubowski/Voßmeyer<br />
f<strong>an</strong>d sich rasch in die Gruppe ein. Nach 25<br />
Feindflügen erhielt sie die Frontflugsp<strong>an</strong>ge<br />
für Kampfflieger in Bronze, zugleich aber<br />
auch den Beweis dafür, dass es keine Gar<strong>an</strong>tie<br />
fürs Gutgehen gab: Vom Fliegerhorst Biala<br />
Podlaska aus flog die I./SG 1 Einsätze in <strong>der</strong><br />
Ukraine. Kowel war von <strong>der</strong> Roten Armee<br />
eingeschlossen, wurde von General Gille verteidigt,<br />
die Flugzeit dorthin betrug 27 Minuten.<br />
17 Tage l<strong>an</strong>g wurden von früh bis spät<br />
Entsetzungseinsätze geflogen, d<strong>an</strong>n war Kowel<br />
befreit – um drei Monate später von <strong>der</strong><br />
Roten Armee endgültig erobert zu werden.<br />
Während jener Einsätze musste eine Maschine<br />
<strong>der</strong> 3. Staffel im Kessel notl<strong>an</strong>den, und als<br />
die vermisste Besatzung viele Tage später und<br />
zur Überraschung aller wie<strong>der</strong> am Liegeplatz<br />
<strong>der</strong> Staffel eintraf, waren sowohl <strong>der</strong> Flugzeugführer<br />
als auch sein Bordschütze vollkommen<br />
am Ende.<br />
Hohe Treffergenauigkeit<br />
Ihre Hände zitterten so sehr, dass m<strong>an</strong> ihnen<br />
für die gereichten Zigaretten kaum Feuer geben<br />
konnte. Und während sich diese beiden<br />
rasch wie<strong>der</strong> erholten, fielen <strong>der</strong> Staffelkapitän<br />
<strong>der</strong> 2./SG 1, ebenfalls ein Ritterkreuzträger,<br />
und sein Bordschütze bei einem Einsatz<br />
gegen Erdziele südöstlich vom Platz. Nur wenige<br />
Tage später, Ende April 1944, erhielten<br />
Jakubowski und Voßmeyer nach 60 Kampfeinsätzen<br />
die Frontflugsp<strong>an</strong>ge für Kampfflieger<br />
in Silber sowie das EK 2.<br />
Bobruisk, Weißrußl<strong>an</strong>d, im Dezember 1943:<br />
Blick auf das Rollfeld vor dem Start <strong>der</strong> 3./SG 1<br />
20<br />
20
Reguläre Ju 87 D-5 <strong>der</strong> I./SG 1. Der Kennung A5+KL nach gehörte<br />
die Maschine zur 3. Staffel (L), lackiert war die »87« in<br />
RLM 70/71/65<br />
Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus<br />
89 Tage l<strong>an</strong>g blieb die Gruppe in Biala Podlaska,<br />
und während dieser Zeit lieh ihr die<br />
II./SG 1 drei Ju 87 D-5. <strong>Die</strong> Maschinen waren<br />
mit <strong>der</strong> neuen Bomben-Ziel<strong>an</strong>lage von<br />
C. Zeiss-Ikon in Dresden ausgerüstet, das Gerät<br />
saß mittig oben außen auf dem festen Teil<br />
vom Kabinendach. Neu war eine »Krawatte»,<br />
die auf <strong>der</strong> senkrechten Achse des Zielkreises<br />
lief. War die Zielhöhe erreicht, sollte <strong>der</strong><br />
Flugzeugführer das Ziel möglichst im Fadenkreuz<br />
haben, einen Anstellwinkel von 0,3 bis<br />
2,4 Grad »<strong>an</strong>ziehen« und die Bomben mit<br />
Knopfdruck am Steuerknüppel auslösen. <strong>Die</strong><br />
Besatzungen wurden von <strong>der</strong> Treffergenauigkeit<br />
überrascht. Beim Schießen wurde die Ve<br />
eingesteuert, die Zielgeschwindigkeit geschätzt<br />
mit Vorhaltekreis (siehe Kasten, oben).<br />
Der »Jaku« führte eine Kette zu Übungsstürzen<br />
im Großraum um Biala Podlaska. »Es<br />
war ein ungewohntes Gefühl, hier mal nicht<br />
zum Einsatz zu starten. Wir hatten von den<br />
enorm guten Zielgeräten <strong>der</strong> US-Airforce gehört.<br />
Deren Jäger brauchten nur das Bild des<br />
Feindflugzeuges einzustellen, und schon waren<br />
Schussentfernung, Vorhaltewinkel und all<br />
das <strong>an</strong><strong>der</strong>e eingeblendet. Bei <strong>der</strong> Ju 87 D-3 und<br />
D-5 <strong>der</strong> Baujahre 1943 bis 1944 war das Reflexvisier<br />
Revi C 12 C mit Schwenkplatte Sp 1 von<br />
Zeiss-Jena eingebaut. Das Gerät war zum Führersitz<br />
hin gepolstert, damit m<strong>an</strong> sich bei einer<br />
Bruchl<strong>an</strong>dung nicht den Schädel einschlug.«<br />
Endlich Urlaub!<br />
Als Anf<strong>an</strong>g Mai neue Besatzungen zur Gruppe<br />
versetzt wurden, erhielt die Besatzung Jakubowski/Voßmeyer<br />
den l<strong>an</strong>ge erwarteten<br />
und immer wie<strong>der</strong> verschobenen Heimaturlaub.<br />
Voßmeyer fuhr nach Hause zu seinen<br />
Eltern nach Bremen, <strong>der</strong> »Jaku« konnte nicht<br />
nach Berlin fahren, da die elterliche Wohnung<br />
in Berlin-Charlottenburg im November des<br />
Vorjahres bei einem britischen Luft<strong>an</strong>griff<br />
vollkommen zerstört worden war. Stattdessen<br />
fuhr er zu seiner Großmutter »auf’s L<strong>an</strong>d«,<br />
wie einst in jedem Jahr während <strong>der</strong> Schulferien.<br />
Im Dorf W<strong>an</strong>dritsch im Kreise Wohlau in<br />
Nie<strong>der</strong>schlesien traf er seine Eltern und auch<br />
»seine Gerda«. Deren Onkel erkundigte sich<br />
bei einem gemeinsamen Spazierg<strong>an</strong>g nach<br />
<strong>der</strong> Stimmungslage unter den Fliegern <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />
Front. Stimmung und Moral seien gut, <strong>an</strong>twortete<br />
Jakubowski, er habe aber Angst, denn<br />
wenn Witebsk falle, sei <strong>der</strong> Russe in Berlin.<br />
Da geriet <strong>der</strong> Onkel außer sich und schimpfte,<br />
dass <strong>der</strong> »Jaku« mit so einer Einstellung<br />
gar nicht mehr zur Truppe zurückzukehren<br />
bräuchte. Jener k<strong>an</strong>nte aber den täglichen<br />
Frontverlauf von den Lagekarten auf dem Gefechtsst<strong>an</strong>d<br />
<strong>der</strong> Gruppe, <strong>der</strong> Onkel nur die<br />
tägliche Ausgabe des »Völkischen Beobachters«.<br />
Acht Monate später sollten die Einwohner<br />
des Ortes W<strong>an</strong>dritsch vor <strong>der</strong> Roten<br />
Armee fliehen. Doch noch war es nicht so<br />
weit, und in den <strong>letzte</strong>n Urlaubstagen kehrten<br />
Jakubowskis Ged<strong>an</strong>ken vermehrt zurück zur<br />
Staffel. Beim Abschied ermahnte ihn die Mutter:<br />
»Junge, pass auf dich auf!« – »Jawohl,<br />
Mutti, ich brauche ein heiles Kreuz, kein eisernes!«<br />
Doch genau dieses erhielt die Besatzung<br />
Jakubowski/Voßmeyer bei ihrer Rückkehr<br />
nach Biala Podlaska.<br />
Mitte Juni 1944 verlegte die I./SG 1 auf eine<br />
grüne Wiese bei Kobina, 62 Kilometer von<br />
Warschau entfernt. Hier hauste die 3. Staffel<br />
in Zelten, ohne Einsätze zu fliegen, und sollte<br />
stattdessen in Trupps zu je zwölf M<strong>an</strong>n versuchen,<br />
in den umliegenden Dörfern polnische<br />
Partis<strong>an</strong>en aufzuspüren. Da jedoch polnische<br />
Mädels als Hilfskräfte die Kartoffeln für die<br />
<strong>Stuka</strong>-Gruppe schälten, wussten die »Partis<strong>an</strong>en«<br />
vermutlich besser über die deutschen<br />
Flieger Bescheid als die Staffel<strong>an</strong>gehörigen<br />
selbst. »Jakus« Gruppe konnte auch keine Partis<strong>an</strong>en<br />
entdecken, tauschte aber Socken und<br />
Unterwäsche gegen Eier, Wurst und Speck.<br />
Fünf Tage später verlegt die Gruppe ins<br />
500 Kilometer entfernte Ulla <strong>an</strong> <strong>der</strong> Westlichen<br />
Düna im Mittelabschnitt <strong>der</strong> <strong>Ostfront</strong>.<br />
<strong>Die</strong>se war hier vorübergehend in Form eines<br />
großen Fragezeichens stehen geblieben und<br />
aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Wehrmacht völlig überdehnt.<br />
<strong>Die</strong> im Verhältnis 1:20 überlegene Rote<br />
Armee st<strong>an</strong>d südlich <strong>der</strong> Pripjet Sümpfe,<br />
östlich von Tschernobyl und ab Witebsk rund<br />
500 Kilometer weit nach Westen. Von Ulla aus<br />
erreichten die <strong>Stuka</strong>s <strong>der</strong> I./SG 1 innerhalb<br />
von zwölf Minuten ihre Ziele im Raum Witebsk<br />
und bei Gorodok – P<strong>an</strong>zerspitzen und<br />
Bereitstellungen –, doch nach nur zwei Tagen<br />
mussten sie den Platz schon wie<strong>der</strong> räumen.<br />
Der Feind in den eigenen Reihen<br />
Hatte er sich schon <strong>an</strong>gesichts seiner Leutseligkeit<br />
gegenüber Gerdas Onkel, den er gar<br />
nicht k<strong>an</strong>nte, im Nachhinein gefragt, ob er sich<br />
auf diese Weise nicht in größte Schwierigkeiten<br />
bringen könnte, kam es im Raum Witebsk<br />
zu einer ungleich heikleren Situation: »An <strong>der</strong><br />
›Jawohl, Mutti, ich brauche ein<br />
heiles Kreuz, kein eisernes!‹<br />
Front besaß ich ein kleines Philips-Kurzwellenradio.<br />
<strong>Die</strong> nur mit Siegellack fixierten Kondensatoren<br />
waren leicht zu lösen und zu verdrehen,<br />
damit ich auch ausländische Sen<strong>der</strong><br />
hören konnte. Als Frühaufsteher saß ich schon<br />
früh morgens im Feldkasino, wartete auf meine<br />
Mehlsuppe und mein Spiegelei und klopfte<br />
ged<strong>an</strong>kenverloren mit den Fingern das ›Tatatataaa‹<br />
<strong>der</strong> BBC auf die Tischplatte. Neben<br />
mir saß ein Oberfähnrich aus Memel und uns<br />
gegenüber <strong>der</strong> Stabsintend<strong>an</strong>t. <strong>Die</strong>ser vernahm<br />
mein Klopfen, blickte mich plötzlich<br />
durchdringend <strong>an</strong> und drohte mir mit einer<br />
Meldung wegen ›Hören von Feindsen<strong>der</strong>n‹.<br />
Ich fragte im Gegenzug, woher er denn das<br />
Londoner ›Tatatataaa‹ kenne. Ob er es wohl<br />
auch hörte und dass ich ihn d<strong>an</strong>n meinerseits<br />
melden würde. Wütend verließ er daraufhin<br />
den Raum und <strong>der</strong> Vorfall verlief für alle Beteiligten<br />
gänzlich folgenlos im S<strong>an</strong>de.«<br />
Lesen Sie in einer kommenden Ausgabe<br />
von <strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong>, wie es mit <strong>der</strong> Besatzung<br />
Jakubowski/Voßmeyer weitergeht! ■<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
21
TECHNIK<br />
H<strong>an</strong>dley Page Halifax<br />
NÜTZLICH IM KRIEG, VIELSEITIG IM FRIEDEN – TEIL 3<br />
<strong>Die</strong> Kraft des Hercules<br />
22
Es sind Sternmotoren dieses Namens, die <strong>der</strong> Halifax endlich genug »Muskelkraft«<br />
verleihen, um aus dem Schatten <strong>der</strong> Avro L<strong>an</strong>caster herauszutreten und die eigene<br />
Vielseitigkeit besser auszuspielen<br />
Von Wolfg<strong>an</strong>g Mühlbauer<br />
Vom Sorgenkind zum Musterschüler: D<strong>an</strong>k verbesserter<br />
Motoren konnte die Halifax endlich zeigen, was in ihr<br />
steckte. Hier die B Mk.III mit den ursprünglichen Tragflächen<br />
ohne zusätzliche R<strong>an</strong>dkappen. Sie wird zur meistgebauten<br />
Hauptvari<strong>an</strong>te <strong>der</strong> Halifax Foto Sammlung Mühlbauer<br />
Sie ist zwar als robustes Schwergewicht<br />
im vierten Kriegsjahr längst zum unentbehrlichen<br />
zweiten St<strong>an</strong>dbein des Bomber<br />
Comm<strong>an</strong>d geworden. Doch egal, wie<br />
m<strong>an</strong> es dreht und wendet: Mit den bisher verwendeten<br />
Merlin-Motoren wird die Halifax<br />
nie ein »vernünftiges« Kampfflugzeug werden<br />
(siehe <strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 12/2013).<br />
Hier hilft nur ein <strong>an</strong><strong>der</strong>es und vor allem<br />
stärkeres Triebwerk. Eine Erkenntnis, die<br />
H<strong>an</strong>dley Page (HP) l<strong>an</strong>ge schon bewusst ist<br />
und <strong>letzte</strong>n Endes zur neuen Hauptversion<br />
B Mk.III führt. Interess<strong>an</strong>terweise hat das<br />
Luftfahrtministerium bereits im Frühjahr 1939<br />
nach Alternativen gesucht, den dringenden<br />
Vorschlag zur Verwendung luftgekühlter<br />
Bristol-Hercules-Sternmotoren aber trotz<br />
günstiger Leistungsprognosen abgelehnt.<br />
Chefkonstrukteur Volkert wies in diesem<br />
Zusammenh<strong>an</strong>g unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em eindringlich<br />
auf das komplizierte und unzuverlässige<br />
Kühlsystem <strong>der</strong> vorgeschriebenen Reihenmotoren<br />
hin. G<strong>an</strong>z zu schweigen vom hohen<br />
Kostenaufw<strong>an</strong>d, den allein die mehrfach gewölbten<br />
Verkleidungsbleche in <strong>der</strong> Fertigung<br />
verursachen. Konzernchef Sir Fre<strong>der</strong>ick hatte<br />
darum allen Grund, weiter Pläne für die<br />
»HP. 61« gen<strong>an</strong>nte Ausführung <strong>der</strong> Halifax<br />
mit luftgekühltem Antrieb zu schmieden.<br />
Alternative Sternmotor<br />
Im Oktober 1939 schlug er sogar vor, eventuell<br />
amerik<strong>an</strong>ische Triebwerke zu verwenden.<br />
Doch hatte sich Volkerts Team bis dahin<br />
längst auf den Hercules VI eingeschossen. Zudem<br />
gab es damals weit wichtigere Aufgaben<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
23
TECHNIK<br />
H<strong>an</strong>dley Page Halifax<br />
Mit ihren Hercules-100-Triebwerken gilt die<br />
B Mk.VI als leistungsstärkste Bomberversion<br />
<strong>der</strong> Halifax. Das abgebildete Flugzeug gehört<br />
zur No 102 Squadron<br />
Foto via Buttler<br />
Als Prototyp <strong>der</strong> B Mk.III fungiert die auf Her -<br />
cules-VI-Motoren umgebaute R9534. Auf dem<br />
Foto fiel ihr H2S-Radar im Unterrumpf aus<br />
Geheimhaltungsgründen <strong>der</strong> Zensur zum Opfer<br />
Foto via Buttler<br />
24
mit Vorr<strong>an</strong>g zu bewältigen, sodass die g<strong>an</strong>ze<br />
Sache erst im Sommer 1941 ernsthaft in<br />
Schwung kam – als im Ministry of Aircraft<br />
Production (MAP) die Angst vor eventuellen<br />
Lieferengpässen bei den Merlin-Motoren aufkeimte.<br />
Da die Bomberfertigung keinesfalls deswegen<br />
ins Stocken geraten durfte, folgte im<br />
August <strong>der</strong> offizielle Auftrag, mit <strong>der</strong> Integration<br />
des Hercules VI in die Halifax <strong>an</strong>zuf<strong>an</strong>gen.<br />
<strong>Die</strong> Arbeiten kamen freilich nur l<strong>an</strong>gsam<br />
vor<strong>an</strong>, um die laufende Ausbringung <strong>der</strong><br />
Bomber nicht zu beeinträchtigen.<br />
Als Musterflugzeug <strong>der</strong> neuen, ab Oktober<br />
1941 als B Mk.III bezeichneten Grundversion<br />
diente eine umgebaute B Mk.II Series 1 (Special),<br />
die genau ein Jahr später zum ersten<br />
Mal abhob. Nennenswerte Schwierigkeiten<br />
gab es lediglich mit dem Seitenleitwerk. Erst<br />
die Umstellung auf die rechteckige D-Fin-<br />
Bauform gewährte ausreichend Richtungsstabilität.<br />
erwartet auf voller Linie. So fällt die gesamte<br />
Höhen-, Reichweiten- und Geschwindigkeitsleistung<br />
erheblich besser aus als zuvor.<br />
Mittlerweile stemmt <strong>der</strong> konditionsstarke<br />
»Heavy« gar ein maximales Abfluggewicht<br />
von 28 577 Kilogramm.<br />
Halifax B Mk.III, serial MZ707, <strong>der</strong> RAF<br />
No 640 Squadron, stationiert in Leconfield,<br />
Yorkshire. »Tommy the Tourist« absolvierte<br />
zwischen Mai und August 1944<br />
38 Kampfeinsätze Zeichnung Ju<strong>an</strong>ita Fr<strong>an</strong>zi<br />
Überzeugende Leistung<br />
Dass d<strong>an</strong>n im Februar 1943 vom MAP verfügt<br />
wird, alle künftigen Versionen des Bombers<br />
mit Hercules-Triebwerken auszurüsten, hängt<br />
allem vor<strong>an</strong> mit den keineswegs gesicherten<br />
Produktionsraten bei Rolls Royce zusammen.<br />
Darum verbleibt auch die grundlegend überarbeitete<br />
B Mk.IV mit Merlin-60-Höhenmotoren<br />
auf dem Reißbrett, wenngleich sich einige<br />
ihrer konstruktiven Merkmale in <strong>der</strong> Mk.III<br />
wie<strong>der</strong>finden. Zum Beispiel <strong>der</strong> knapp 410 Liter<br />
fassende austauschbare Treibstofft<strong>an</strong>k in<br />
einem <strong>der</strong> Bombenschächte des Innenflügels.<br />
<strong>Die</strong> Massenherstellung <strong>der</strong> Mk.III läuft ab<br />
August 1943; die erste Serienmaschine startet<br />
am 29. des Monats. Angetrieben werden jene<br />
Flugzeuge von vier Hercules-XVI-Motoren,<br />
die es maximal auf je 1698 PS bringen –<br />
insgesamt gut 800 Pferdestärken mehr, als<br />
die im direkten Vorgänger verwendeten Merlin<br />
22 gemeinsam schaffen. Allerdings k<strong>an</strong>n<br />
selbst die neue Version keine <strong>der</strong> 4000 lb<br />
(knapp 1815 Kilogramm) o<strong>der</strong> 8000 lb (etwa<br />
3629 Kilogramm) schweren Luftminen tragen.<br />
Denn die Mitführung des H2S-Radars<br />
im hinteren Rumpfbereich hat Priorität gegenüber<br />
einem geräumigeren Waffenschacht,<br />
zumal es nicht möglich scheint, mit vertretbarem<br />
Aufw<strong>an</strong>d den Platzbedarf für beides<br />
zu gewährleisten.<br />
Davon einmal abgesehen, überzeugt die<br />
B Mk.III d<strong>an</strong>k <strong>der</strong> größeren Motorkraft wie<br />
In <strong>der</strong> Endphase des Krieges in Europa kommt die B Mk.VII in geringer Stückzahl zum Einsatz.<br />
Hier eine Maschine <strong>der</strong> No 346 Free French Squadron<br />
Foto via Buttler<br />
H<strong>an</strong>dley Page Halton 2 – nur ein Unikat<br />
HP Halton 2 <strong>der</strong> BOAC Foto Slg. Mühlbauer<br />
<strong>Die</strong> BOAC leiht sich im Oktober 1945 einige<br />
Halifax-Tr<strong>an</strong>sporter für den Postdienst. D<strong>an</strong>k<br />
guter Erfahrungen lässt sie im Anschluss<br />
zwölf C Mk.VIII für den Passagierverkehr modifizieren,<br />
um damit die Zeitsp<strong>an</strong>ne bis zur<br />
Auslieferung erster echter Airliner zu überbrücken.<br />
<strong>Die</strong> als HP.70 Halton bezeichneten Maschinen<br />
werden bei Short Brothers in Belfast<br />
aufwändig umgebaut. Zur komfortablen Fluggastkabine<br />
mit zehn Sitzen, Bordküche, Toilette,<br />
größeren Seitenfenstern und separater<br />
Einstiegstür kommt eine geschlossene Bugnase,<br />
in <strong>der</strong> Gepäck verstaut wird. Der Liniendienst<br />
nach Kairo beginnt im September 1946.<br />
Doch häufen sich bald tech nische Probleme,<br />
sodass m<strong>an</strong> die ersten sechs Halton ins<br />
Werk zurückschickt. Erst ab Juli 1947 läuft<br />
<strong>der</strong> Liniendienst rundum erfolgreich – unter<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>em nach Pakist<strong>an</strong>, Ceylon o<strong>der</strong> Nigeria.<br />
Er dauert trotzdem nur bis zum folgenden<br />
Mai, ehe sich BOAC von <strong>der</strong> Halton wie<strong>der</strong><br />
trennt. <strong>Die</strong> einzige Halton 2 entsteht im Februar<br />
1946 für den Maha radscha von Baroda.<br />
Sie fliegt in seinem Namen bei British Americ<strong>an</strong><br />
Air Services zwischen Indien und Engl<strong>an</strong>d,<br />
ehe sie im April 1947 verkauft wird. ■<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
25
TECHNIK<br />
H<strong>an</strong>dley Page Halifax<br />
Zudem wird die Sp<strong>an</strong>nweite mit abgerundeten<br />
R<strong>an</strong>dkappen, die m<strong>an</strong> je nach Produktionszeitraum<br />
nachträglich o<strong>der</strong> sofort ab Werk<br />
<strong>an</strong>bringt, bei vielen Maschinen auf 31,6 Meter<br />
verlängert. So steigt die maximale Marschflughöhe<br />
nochmals um einen halben Kilometer.<br />
Weitere Detailverfeinerungen, etwa ein einziehbares<br />
Spornrad o<strong>der</strong> die zum Teil verstärkte<br />
Tragfläche, tragen auch ihr Scherflein bei.<br />
Begehrt am europäischen Zivilmarkt<br />
Alles in allem muss sich die B Mk.III als<br />
erste Version <strong>der</strong> Halifax nicht mehr vor <strong>der</strong><br />
L<strong>an</strong>caster ducken. Der Zulauf beim Bomber<br />
Comm<strong>an</strong>d beginnt im November 1943, Einsatzdebüt<br />
ist am 1. Dezember. Zur Jahreswende<br />
fliegt sie bereits bei neun Frontverbänden;<br />
zwei Monate später sind ihre<br />
Vorgänger nahezu völlig beim Einsatz über<br />
Deutschl<strong>an</strong>d abgelöst. <strong>Die</strong> Halifax Production<br />
Nach Kriegsende wird die Halifax rasch zum gefragten Zivilflugzeug. Einerseits gibt es bis 1948<br />
kaum Alternativen, zum <strong>an</strong><strong>der</strong>en sind oft nahezu fabrikneue Exemplare für kleines Geld zu haben.<br />
Beson<strong>der</strong>s die C-Mk.VIII-Tr<strong>an</strong>sporter finden fast alle kommerzielle Abnehmer, die sie in unterschiedlichster<br />
Weise modifizieren lassen und nutzen, etwa zum lukrativen Tr<strong>an</strong>sport von Südfrüchten<br />
o<strong>der</strong> als T<strong>an</strong>ker.<br />
C Mk.VIII, Kennung G-AHZL, ein »Fruchttr<strong>an</strong>sporter«<br />
<strong>der</strong> London Aero & Motor<br />
Services<br />
Noch immer in Tarnlackierung: C Mk.VIII,<br />
Kennung F-BCJZ, <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen<br />
SOCOTRA, Ende 1947<br />
HP Halton <strong>der</strong> Westminster Airways.<br />
Umgebaut zum T<strong>an</strong>ker, nimmt sie <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />
Berliner Luftbrücke teil<br />
Group stellt – samt unterschiedlicher Abw<strong>an</strong>dlungen<br />
– 2090 Stück her, was die Mk.III<br />
schließlich zur meistgefertigten Hauptvari<strong>an</strong>te<br />
werden lässt.<br />
Tropentauglich<br />
Der Leistungssteigerung zum Trotz bleiben<br />
die Verlustraten prozentual vorerst noch immer<br />
höher als bei <strong>der</strong> L<strong>an</strong>caster. Deshalb wird<br />
im Februar 1944 unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em die Abwehrkraft<br />
zahlreicher Maschinen durch einen Preston-Green-Drehturm<br />
mit 12,7-mm-MG im<br />
Unterrumpf verstärkt. Dafür muss aus Platzm<strong>an</strong>gel<br />
das H2S-Radar weichen.<br />
Schon seit Mitte des Vorjahres steht mit<br />
dem Hercules 100 eine höhenoptimierte Ausführung<br />
des Sternmotors bereit. Er verbrennt<br />
Kraftstoff mit 100 Okt<strong>an</strong> und erreicht beim<br />
Start 1675 PS. Ein Einbau in die Halifax<br />
drängt sich förmlich auf und mündet in die<br />
leistungsstärkste Version, die B Mk.VI.<br />
Hauptunterschiede zum Vorläufer sind neben<br />
den Triebwerken ein vereinfachtes, für<br />
den Tropeneinsatz zugeschnittenes Kraftstoffsystem<br />
sowie die Verlagerung eines Flächent<strong>an</strong>ks<br />
in den äußeren Waffenschacht im<br />
Innenflügel. Beides zieht mehr Spritkapazität<br />
nach sich, führt aber im Gegenzug zu weniger<br />
Abwurflast.<br />
Ausgeliefert werden die Bomber von Beginn<br />
<strong>an</strong> mit verlängerten Tragflächen und<br />
Radar. Das zugehörige Musterflugzeug absolviert<br />
am 19. Dezember 1943 seinen Erstflug,<br />
die erste Serienmaschine steigt jedoch<br />
erst am 10. Oktober 1944 in die Luft. <strong>Die</strong>s liegt<br />
wohl da r<strong>an</strong>, dass, wie so oft, die Fertigungsraten<br />
von Mo toren- und Zellenindustrie nicht<br />
harmonieren.<br />
Zwischenlösung<br />
Da Bristol also mit <strong>der</strong> Ausbringung des Hercules<br />
100 hinterherhinkt, muss die Halifax<br />
Production Group improvisieren. Ergebnis ist<br />
die B Mk.VII – eine Zwischenlösung mit <strong>der</strong><br />
Zelle <strong>der</strong> Mk.VI und Hercules-XVI-Motoren.<br />
Ab Juni 1944 im <strong>Die</strong>nst, verlassen 408 Stück<br />
inklusive aller Umbauten die Werke. Nur 158<br />
davon sind tatsächlich Bomber, weshalb lediglich<br />
drei Kampfverbände damit fliegen.<br />
Teilweise ähnlich verhält es sich mit <strong>der</strong><br />
Mk.VI. Insgesamt 468 Exemplare rollen aus den<br />
Fertigungshallen. Sie greift als Bomber erst Anf<strong>an</strong>g<br />
1945 ins Geschehen ein, und bis zum Ende<br />
<strong>der</strong> Feindseligkeiten in Europa ziehen nur<br />
noch eine Einsatzstaffel <strong>der</strong> RAF sowie zwei<br />
des Freien Fr<strong>an</strong>kreich damit in den Kampf.<br />
Das Coastal Comm<strong>an</strong>d hat ebenso Interesse<br />
<strong>an</strong> <strong>der</strong> Hercules Halifax, erhält aber <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs<br />
nur wenige. Unter <strong>der</strong> Bezeichnung GR<br />
MK.III gel<strong>an</strong>gen die ersten passend ausgerüsteten<br />
Flugzeuge im Februar 1945 dorthin.<br />
Zusätzlich übernimmt m<strong>an</strong> ab März Wetteraufklärer<br />
vom Typ Met Mk.III sowie Met<br />
Fotos, soweit nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s <strong>an</strong>gegeben, Wolfg<strong>an</strong>g Mühlbauer<br />
26
Mk.VI, während die GR Mk.VI erst kurz nach<br />
Kriegsende eintrifft.<br />
Ihrer erzwungenen Vielseitigkeit verd<strong>an</strong>kt<br />
die Halifax eine Reihe von Unterstützungsaufgaben<br />
im Bomber Comm<strong>an</strong>d, die ihr omnipotenter<br />
Gegenspieler L<strong>an</strong>caster so kaum übernehmen<br />
k<strong>an</strong>n. Denn die notwendigen Gerätschaften<br />
zur elektronischen Kriegsführung, die<br />
stetig wichtiger wird, sind in <strong>der</strong> geräumigeren<br />
Mk.III eindeutig besser aufgehoben.<br />
Elektronische Kampfführung<br />
Derart ausgerüstet, betreiben die inoffiziell als<br />
B Mk.III (BS) bek<strong>an</strong>nten Spezialflugzeuge im<br />
Regelfall bei <strong>der</strong> im November 1943 ins Leben<br />
gerufenen No 100 Group elektronische Aufklärung.<br />
O<strong>der</strong> sie führen mithilfe <strong>der</strong> M<strong>an</strong>drel<br />
und Airborne Cigar Störsysteme die deutsche<br />
Jagdabwehr in die Irre.<br />
Als Absetz- und Schleppflugzeug kommt<br />
die Hercules Halifax natürlich ebenso in Betracht.<br />
Den Anf<strong>an</strong>g machen passend hergerichtete<br />
Maschinen mit <strong>der</strong> Bezeichnung<br />
A.Mk.III. Sie stehen erstmals beim Luftl<strong>an</strong>deunternehmen<br />
gegen Arnheim im Gefecht<br />
(Operation »Market Garden«). <strong>Die</strong> A.Mk.VII<br />
mit externem Tr<strong>an</strong>sportbehälter unter dem<br />
Bombenschacht, <strong>der</strong> rund 3,65 Tonnen Fracht<br />
fasst, erlebt ihre <strong>Feuertaufe</strong> im März 1945 bei<br />
<strong>der</strong> Rheinüberquerung.<br />
Flexibler Tr<strong>an</strong>sporter<br />
Letzter Spross dieser »Airborne-Familie«<br />
wird die A Mk.IX, werksintern HP.71 gen<strong>an</strong>nt.<br />
Sie bleibt die einzige Ausführung, die<br />
vom Reißbrett weg zur Unterstützung von<br />
Luftl<strong>an</strong>de-Operationen konzipiert ist. 145<br />
Stück rollen aus den Hallen, die ersten davon<br />
im November 1945.<br />
Zu guter Letzt gibt die flexible Viermotorige<br />
auch einen passablen Militärtr<strong>an</strong>sporter<br />
ab. Zwar hätte HP schon Ende 1943 gerne ein<br />
echtes Frachtflugzeug geschaffen, doch das<br />
wird nicht genehmigt. Neben dem besagten<br />
Tr<strong>an</strong>sportbehälter entstehen stattdessen Umbauten<br />
vom Typ C Mk.III, C Mk.VI und<br />
C Mk.VII. Deren militärische Ausrüstung ist<br />
weitgehend entfernt, während sich im Rumpf<br />
Platz für bis zu neun Kr<strong>an</strong>kenbahren o<strong>der</strong><br />
acht Passagiersitze findet. Bei den meisten<br />
Flugzeugen lässt sich zusätzlich ein Frachtbehälter<br />
<strong>an</strong>hängen. Es bleibt jedoch bei geringen<br />
Stückzahlen; die erste Indienststellung findet<br />
im November 1944 statt.<br />
H<strong>an</strong>dley Page Halton, serial PP310, »Falkirk«<br />
<strong>der</strong> BOAC. Sie flog von 1946 bis 1948<br />
im Liniendienst. Anschließend wurde sie <strong>an</strong><br />
Aviation Tra<strong>der</strong>s <strong>an</strong>d Bonds Air Services<br />
Ltd. verkauft und nahm <strong>an</strong> <strong>der</strong> Berliner<br />
Luftbrücke teil<br />
Zeichnung Ju<strong>an</strong>ita Fr<strong>an</strong>zi<br />
Dagegen ist die C Mk.VIII, im Werk HP 70<br />
gen<strong>an</strong>nt und ein Ableger <strong>der</strong> B Mk.VI, von<br />
Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> als Tr<strong>an</strong>sporter ausgelegt. Der<br />
»Frachtkorb« gehört zum St<strong>an</strong>dard. Zusätzlich<br />
k<strong>an</strong>n sie bis zu 17 Passagierplätze aufweisen.<br />
<strong>Die</strong> Produktion umfasst 98 Stück, die<br />
ersten erreichen im Juni 1945 die Truppe.<br />
Beim Kriegsende in Europa hat das Bomber<br />
Comm<strong>an</strong>d knapp 82 775 Einsätze mit <strong>der</strong><br />
Halifax absolviert und dabei 1833 Stück einge<br />
büßt. Im fernen Osten, wo sie nur als<br />
Schleppflugzeug o<strong>der</strong> zur elektronischen<br />
Aufklärung fungiert, bleibt sie dagegen eine<br />
R<strong>an</strong><strong>der</strong>scheinung.<br />
<strong>Die</strong> B Mk.III wird im August 1946 für veraltet<br />
erklärt, die <strong>letzte</strong>n scheiden ein Jahr später<br />
aus dem aktiven <strong>Die</strong>nst. 1948/49 ereilt die<br />
Tr<strong>an</strong>sporter das gleiche Schicksal, während<br />
die B Mk.VI ab Oktober 1950 als obsolet gilt.<br />
Ist von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> als Schlepp- und Absetzflugzeug<br />
konzipiert, wird aber zu spät für den Einsatz im<br />
Zweiten Weltkrieg fertig: Halifax A Mk.IX<br />
Foto via Buttler<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
27
TECHNIK<br />
H<strong>an</strong>dley Page Halifax<br />
Tr<strong>an</strong>sportflugzeug vom Typ C Mk.VIII mit dem<br />
charakteristischen Frachtbehälter, aufgenommen<br />
im Mai 1945<br />
Foto via RAF<br />
Clevere Idee: ein externer »Korb« für bis zu 3,6 Tonnen Fracht, <strong>der</strong> sich unter dem Bombenschacht<br />
einhängen lässt<br />
Foto via Buttler<br />
Technische Daten – H<strong>an</strong>dley Page Halifax B Mk.VI<br />
Länge<br />
21,85 m<br />
Höhe<br />
6,60 m<br />
Sp<strong>an</strong>nweite<br />
31,75 m<br />
Tragflügelfläche 118,30 m²<br />
Triebwerk 4 luftgekühlte Bristol Hercules 100<br />
14-Zylin<strong>der</strong>-Doppelsternmotoren mit 1675 PS Startleistung<br />
max. Startmasse<br />
30 872 kg<br />
Höchstgeschwindigkeit 497 km/h in 5944 m Höhe<br />
Reichweite<br />
2333 km mit maximaler Zuladung<br />
<strong>Die</strong>nstgipfelhöhe<br />
6706 m<br />
Bewaffnung<br />
vier 7,65-mm-MG im oberen Drehturm<br />
vier 7,65-mm- o<strong>der</strong> zwei 12,7-mm-MG im hinteren Drehturm<br />
ein 12,7-mm-MG in <strong>der</strong> Bugk<strong>an</strong>zel<br />
ein 12,7-mm-MG im unteren Drehturm (falls eingerüstet)<br />
maximal 5443 kg Bombenlast<br />
Besatzung<br />
7 M<strong>an</strong>n<br />
Schlusslichter sind die Wetteraufklärer, die<br />
zum Teil noch bis März 1952 fliegen.<br />
Nicht unerwähnt bleiben dürfen die wenigen<br />
Nutzer aus dem Ausl<strong>an</strong>d. Fr<strong>an</strong>kreich<br />
erhält 64 B Mk.VI, die bis 1952 verwendet<br />
werden, Ägypten übernimmt offenbar Ende<br />
1946 neun zivil registrierte Halifax <strong>der</strong><br />
Version A Mk.XI, die m<strong>an</strong> wie<strong>der</strong>bewaffnet<br />
und teilweise noch 1956 nutzt. Ebenso kauft<br />
Pakist<strong>an</strong> sieben B Mk.VI mit Zivilkennung,<br />
die dort bis 1954 in unterschiedlichen militärischen<br />
Rollen dienen.<br />
In den ersten Nachkriegsjahren hat die<br />
wie<strong>der</strong> aufkeimende kommerzielle Luftfahrt<br />
Westeuropas großen Bedarf <strong>an</strong> gebrauchten<br />
Militärflugzeugen, denn erschwingliche zivile<br />
Neuentwicklungen gibt es kaum. So stehen<br />
beson<strong>der</strong>s die Tr<strong>an</strong>sportausführungen<br />
<strong>der</strong> Halifax für den Charter- und Frachtbetrieb<br />
zeitweilig hoch im Kurs. Demilitarisiert<br />
und passend umgebaut, werden insgesamt<br />
zwei Mk.III- und 33 Mk.VI-Bomber<br />
sowie 32 A Mk.IX sowie 94 C Mk.VIII zivil<br />
zugelassen.<br />
Das Nutzungsspektrum reicht vom Passagierflugzeug<br />
bis zum Brennstofft<strong>an</strong>ker. Bei<br />
<strong>der</strong> Berliner Luftbrücke sind 41 <strong>der</strong> Maschinen<br />
mit dabei. D<strong>an</strong>ach wird es aber bald<br />
sehr ruhig um die »zivilisierten« Halifax, da<br />
<strong>der</strong>en Lufttüchtigkeitszeugnisse nach und<br />
nach ablaufen. Ohnehin nie son<strong>der</strong>lich wirtschaftlich,<br />
sind die <strong>letzte</strong>n wenige Jahre später<br />
vom Himmel verschwunden.<br />
■<br />
Quellen (Auswahl):<br />
Bingham, V.: »Halifax – Second to None.«<br />
Airlife Publishing Ltd., 1986<br />
Buttler, T.: »H<strong>an</strong>dley Page Halifax.«<br />
Warpaint Series No. 46, 2006<br />
28
Senkrechtstarter<br />
BACKGROUND<br />
DIE TÜCKEN DES VERTIKALEN STARTS<br />
Up, up <strong>an</strong>d away<br />
Kraftakt: Senkrechtstarter wie diese Hawker Harrier<br />
sind sicherlich eine praktische Sache, doch <strong>der</strong><br />
technische Aufw<strong>an</strong>d ist immens Foto US Marine Corps<br />
Von einem »H<strong>an</strong>dtuch« aus Beton mit voller Beladung<br />
starten, auf Jet-Geschwindigkeit beschleunigen<br />
und fast überall wie<strong>der</strong> l<strong>an</strong>den zu<br />
können, klingt wie ein Märchen. <strong>Die</strong> Hawker Siddeley<br />
»Harrier« ist so ein Wun<strong>der</strong>vogel. Schon seit 1966 düst<br />
<strong>der</strong> Kampfflieger umher, meist von Flugzeugträgern.<br />
Dort lässt er, oft mithilfe einer Ski-Jump-Sprungsch<strong>an</strong>ze,<br />
klassische Seeflugzeuge alt aussehen; <strong>der</strong>en Piloten<br />
müssen weiterhin mit risk<strong>an</strong>ten Katapultstarts und<br />
schweißtreibenden L<strong>an</strong>dungen auf lächerlich kurzen<br />
Pisten leben.<br />
BEIM VTOL (Vertical Takeoff <strong>an</strong>d L<strong>an</strong>ding) ist enorme<br />
Triebwerksleistung <strong>an</strong>gesagt, und eine technische<br />
Störung ruft schnell den Sensenm<strong>an</strong>n herbei. Wie<br />
überwinden »Hubzeuge« die Schwerkraft? Bei <strong>der</strong><br />
Dornier Do 31, einem 25-Tonnen-Tr<strong>an</strong>sporter, Erstflug<br />
1967, werkelten nicht weniger als acht (!) Hubtriebwerke<br />
und zwei Marschtriebwerke mit schwenkbaren<br />
Schubdüsen plus eine Steuerdüse am Heck. Das gleiche<br />
Mischprinzip nutzte <strong>der</strong> Experimental-Über-<br />
schalljet VFW-Fokker VAK 191 B (in <strong>der</strong> Luft: 1971 bis<br />
1975), zeitweilig als Nachfolger für das leichte Erdkampfflugzeug<br />
Fiat G-91 im Gespräch.<br />
Warum es hierzul<strong>an</strong>de trotz hohen Aufw<strong>an</strong>ds und<br />
großer Erfahrung einfach nicht klappte, Senkrechtstarter<br />
zu verkaufen, lag zum Teil <strong>an</strong> den geän<strong>der</strong>ten<br />
militärischen Anfor<strong>der</strong>ungen, einem hohen Wartungsaufw<strong>an</strong>d<br />
und <strong>der</strong> komplexen Technik. Auch<br />
die erst mühsam herbeizuschaffende Infrastruktur <strong>an</strong><br />
den »Feldflugplätzen« ließ konventionelle Jets und<br />
normale Luftwaffenbasen plötzlich wie<strong>der</strong> glänzen.<br />
Deutschl<strong>an</strong>d hatte ja genug Startbahnen; notfalls genügte<br />
die Autobahn. Da brauchte m<strong>an</strong> keine teuren<br />
Vertikalflieger.<br />
DIE AUSGEMUSTERTEN VÖGEL wurden nicht wie<br />
sonst üblich zu Bierdosen geschred<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n kamen<br />
ins Museum. Do-31-Triebwerke flogen später im<br />
»Harrier«, die Fly-by-wire-Technik <strong>der</strong> VAK-191 war<br />
Vorbild für jene im »Tornado« – ein kleiner Trost für<br />
die Ingenieure.<br />
Rolf Stünkel ■<br />
»Eine technische<br />
Störung ruft<br />
schnell den<br />
Sensenm<strong>an</strong>n<br />
herbei.«<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
29
TECHNIK<br />
Arado Ar 234<br />
AUFKLÄRER ÜBER DER NORMANDIE<br />
Geschwindigkeit<br />
Am 2. August 1944 fliegt ein deutsches Flugzeug mit unglaublicher Geschwindigkeit<br />
über die fr<strong>an</strong>zösische K<strong>an</strong>alküste hinweg. Seit <strong>der</strong> Invasion in <strong>der</strong> Norm<strong>an</strong>die wimmelt<br />
es dort von alliierten Jägern, gegen sie haben die Reste <strong>der</strong> Luftwaffe normalerweise<br />
keine Ch<strong>an</strong>ce. Aber diese Maschine ist <strong>an</strong><strong>der</strong>s – sie scheint un<strong>an</strong>greifbar zu sein<br />
Von <strong>Die</strong>tmar Herm<strong>an</strong>n<br />
30
ist alles<br />
Oberleutn<strong>an</strong>t Erich Sommer absolvierte<br />
den weltweit ersten düsengetriebenen<br />
Aufklärungsflug<br />
Düsentriebwerke spielen Zukunftsmusik: Mit <strong>der</strong> pfeilschnellen<br />
Arado 234 hoffte die deutsche Führung im<br />
Juni 1944, Aufklärungsbil<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Invasionsfront machen<br />
zu können<br />
Foto Eddie Nielinger<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
31
TECHNIK<br />
Arado Ar 234<br />
<strong>Die</strong> Ar 234 V1, TG+KB, auf dem Startwagen.<br />
Sie flog erstmals am 30. Juli 1943<br />
<strong>Die</strong> erfolgsverwöhnten Piloten <strong>der</strong><br />
Amerik<strong>an</strong>er und Englän<strong>der</strong> staunen<br />
nicht schlecht, als das unbek<strong>an</strong>nte<br />
Flugzeug pfeilschnell am Himmel über <strong>der</strong><br />
Norm<strong>an</strong>die entl<strong>an</strong>grast. Jedes Mal, wenn sie<br />
es abf<strong>an</strong>gen wollen, haben sie das Nachsehen:<br />
Der schnittige Vogel eilt ihnen einfach<br />
davon. Und auch ihre Kameraden von <strong>der</strong><br />
Inf<strong>an</strong>terie reiben sich verwun<strong>der</strong>t die Augen.<br />
Waren das nicht diese neuartigen Düsentriebwerke,<br />
<strong>der</strong>en charakteristisches Jaulen<br />
alle in Hörweite aufblicken ließ?<br />
Nein, sie irren sich nicht. Was dort dem Horizont<br />
zustrebt, ist <strong>der</strong> neue Aufklärer <strong>der</strong> Luftwaffe,<br />
die Arado Ar 234. Das Beson<strong>der</strong>e <strong>an</strong> ihr:<br />
Strahltriebwerke vom Typ Jumo 004 sorgen für<br />
eine überlegene Geschwindigkeit von rund<br />
900 km/h. Bis auf die britische Gloster Meteor<br />
k<strong>an</strong>n es zu diesem Zeitpunkt keine alliierte Maschine<br />
mit ihr aufnehmen.<br />
<strong>Die</strong> Arado Ar 234 ist in den Jahren 1941/42<br />
zunächst als reiner Aufklärer konzipiert worden;<br />
seither hat sie einen l<strong>an</strong>gen Entwicklungsweg<br />
hinter sich – und ist in vielerlei<br />
Hinsicht außergewöhnlich. Um Gewicht zu<br />
sparen und innen Platz zu gewinnen, startet<br />
sie auf einem abwerfbaren dreirä<strong>der</strong>igen Karren<br />
und l<strong>an</strong>det nach ihrer Mission auf Kufen.<br />
Der Vorteil: Sie k<strong>an</strong>n überall l<strong>an</strong>den, ob auf<br />
Gras, Schnee o<strong>der</strong> Matsch. Doch nach dem<br />
Bodenkontakt hat m<strong>an</strong> keine Kontrolle mehr<br />
über die Maschine.<br />
Im Oktober 1941 erhalten die Arado Flugzeugwerke<br />
den Projektauftrag für einen einsitzigen<br />
Schnellaufklärer mit TL-Triebwerk<br />
und Kufenl<strong>an</strong>dung (Projekt E 370), am 17. Ap -<br />
ril 1942 ergeht <strong>der</strong> Bauauftrag für sechs Versuchsmaschinen.<br />
Arado konstruiert den nun<br />
»Ar 234« bezeichneten Aufklärer in Hochdeckerbauweise,<br />
so können die Strahltriebwerke<br />
unter <strong>der</strong> Tragfläche gut gewartet werden.<br />
Der Pilot sitzt vorn im Bug in einem voll verglasten<br />
Cockpit. Ende Dezember 1942 wird<br />
<strong>der</strong> Auftrag auf 20 Maschinen erweitert.<br />
Im J<strong>an</strong>uar 1943 taucht <strong>der</strong> Ged<strong>an</strong>ke auf,<br />
die Ar 234 auch als Bomber zu verwenden.<br />
Damit verbunden ist <strong>der</strong> notwendige Einbau<br />
eines Einziehfahrwerks, das nun die Kufen<br />
ersetzen soll. Anf<strong>an</strong>g Juni erhält Arado den<br />
Auftrag zum Bau von 20 Maschinen mit Einziehfahrwerk<br />
als Nullserie. Damit beginnt<br />
Durch die überlegene Geschwindigkeit<br />
entfällt eine mögliche Abwehrbewaffnung.<br />
sich <strong>der</strong> Aufklärer zum Schnellbomber zu<br />
w<strong>an</strong>deln. In <strong>der</strong> Reichsmarschallsitzung vom<br />
13. Juli 1943 erhält die Ar 234 offiziell den Status<br />
eines Mehrzweckkampfflugzeugs. Arado-<br />
Direktor Blume sagt den Bau von 100 Exemplaren<br />
bis Ende 1944 zu. Nur zwei Wochen<br />
später, am 30. Juli 1943, startet die Ar 234 V1<br />
zum Erstflug. Im November 1943 wird <strong>der</strong><br />
Bauumf<strong>an</strong>g von 100 auf 200 Stück bis Ende<br />
1944 erweitert.<br />
<strong>Die</strong> Triebwerksfrage<br />
Für den Einsatz als schneller Aufklärer reicht<br />
die Schubkraft von zwei Jumo-004-Triebwerken<br />
normalerweise völlig aus. Durch die<br />
überlegene Geschwindigkeit entfällt von Anf<strong>an</strong>g<br />
<strong>an</strong> eine mögliche Abwehrbewaffnung.<br />
Der Fokus wird bei <strong>der</strong> Ar 234 aber im weiteren<br />
Entwicklungsverlauf mehr und mehr<br />
auf die Schnellbomber-Rolle gelegt. <strong>Die</strong><br />
Ar 234 V9 startet als Prototyp für die B-Serie<br />
am 12. März 1944 – als erste Maschine mit<br />
Einziehfahrwerk. Mit dem neuen Einsatzzweck<br />
steigt auch das Gewicht. <strong>Die</strong> Leistungen<br />
<strong>der</strong> Ar 234 gehen dadurch zw<strong>an</strong>gsläufig<br />
Messerschmitt Me 262<br />
<strong>Die</strong> zweistrahlige und ebenfalls mit Jumo<br />
004 <strong>an</strong>getriebene Me 262 ist <strong>der</strong> erste<br />
einsatzfähige Düsenjäger <strong>der</strong> Luftwaffe.<br />
Adolf Hitler sieht in ihr seinen neuen<br />
»Blitzbomber«, <strong>der</strong> durch seine überlegene<br />
Geschwindigkeit ungehin<strong>der</strong>t die Invasionsstrände<br />
bombardieren soll. Doch<br />
die »Schwalbe« wurde ursprünglich als<br />
reiner Jäger konzipiert. Deshalb muss<br />
zeitaufwendig eine spezielle Bombenaufhängung<br />
unter dem Rumpf konstruiert<br />
und gebaut werden. Als Bomber kommt<br />
die Me 262 damit zu spät. Mit Verfügbarkeit<br />
des Düsenbombers Ar 234 B darf<br />
die Me 262 auch als Jäger eingesetzt<br />
werden. Es gilt aber: ein Jäger für einen<br />
Bomber. <strong>Die</strong>se unsinnigen Befehle verhin<strong>der</strong>n<br />
einen frühzeitigen Einsatz <strong>der</strong> Me<br />
262. Trotz Kin<strong>der</strong>kr<strong>an</strong>kheiten zeigen sich<br />
die wenigen eingesetzten Maschinen den<br />
alliierten Kolbenjägern überlegen. ■<br />
Fotos, soweit nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s <strong>an</strong>gegeben, <strong>Die</strong>tmar Herm<strong>an</strong>n<br />
32
Ar 234 V7 mit Startwagen. Mit ihr wurden<br />
im August 1944 erste Aufklärungsflüge<br />
über <strong>der</strong> Norm<strong>an</strong>die absolviert<br />
Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus<br />
zurück. Arado schlägt daraufhin vor, die Leistung<br />
zukünftig mit vier BMW-003-Triebwerken<br />
zu steigern. <strong>Die</strong>se neue C-Serie soll nach<br />
dem Auslauf <strong>der</strong> 200 Maschinen für die B-Serie<br />
<strong>an</strong>schließend in Massen gebaut werden.<br />
Mit dem Rücken zur W<strong>an</strong>d<br />
<strong>Die</strong> Kriegslage im Frühjahr 1944 ist prekär. Im<br />
Osten und Süden muss sich die Wehrmacht<br />
und damit auch die Luftwaffe mehr und<br />
mehr zurückziehen. Im Westen ist die Lage<br />
zunächst noch ruhig. M<strong>an</strong> weiß aber, dass eine<br />
Invasion im Norden Fr<strong>an</strong>kreichs bevorsteht.<br />
Doch Zeitpunkt und Ort sind bisl<strong>an</strong>g<br />
unbek<strong>an</strong>nt. Was aber noch viel schlimmer ist:<br />
Kein Flugzeug <strong>der</strong> Luftwaffe ist in <strong>der</strong> Lage,<br />
die Situation über dem Feindgebiet zu beobachten.<br />
Während über Deutschl<strong>an</strong>d britische<br />
Holzflugzeuge vom Typ De Havill<strong>an</strong>d Mosquito<br />
in großen Höhen fast unbehelligt je<strong>der</strong>zeit<br />
Aufklärungseinsätze fliegen können,<br />
sieht die Lage über Engl<strong>an</strong>d genau umgekehrt<br />
aus.<br />
Ein verzweifelter Versuch?<br />
Als die ersten Ar-234-Versuchsmaschinen zur<br />
Verfügung stehen, kommt <strong>der</strong> Ged<strong>an</strong>ke auf,<br />
zwei dieser Flugzeuge schnellstmöglich als<br />
Aufklärer einzusetzen. <strong>Die</strong> enorme Geschwindigkeit<br />
würde ihr die nötige Sicherheit<br />
über dem Feindgebiet geben, ohne von britischen<br />
o<strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ischen Jägern sofort<br />
abgeschossen zu werden. Am 23. Mai 1944<br />
werden deshalb zwei Ar-234-A-Versuchs -<br />
maschinen, die V5 und V7, für diesen Son<strong>der</strong>einsatz<br />
bei <strong>der</strong> 1. Staffel des Versuchsverb<strong>an</strong>des<br />
vom OKL (Oberkomm<strong>an</strong>do <strong>der</strong> Luftwaffe)<br />
eingepl<strong>an</strong>t. Lediglich die V5 ist zu<br />
diesem Zeitpunkt fertig, die V7 befindet sich<br />
noch in <strong>der</strong> Endmontage.<br />
Doch es ist zu spät. Am 6. Juni 1944, wenige<br />
Tage nach <strong>der</strong> Entscheidung, beginnen<br />
die Alliierten mit ihrer Invasion. Durch die<br />
materielle Überlegenheit <strong>der</strong> Alliierten gerät<br />
die Luftwaffe im Westen massiv unter Druck.<br />
Obwohl fast alle einmotorigen Jagdverbände<br />
zur Unterstützung aus <strong>der</strong> Reichsverteidi-<br />
<strong>Die</strong> Ar 234 V1. Als Werkspilot Selle am 25. August 1944 l<strong>an</strong>den wollte, nahmen die Triebwerke<br />
kein Gas <strong>an</strong>. Selle musste daher außerhalb des Platzes notl<strong>an</strong>den. Er blieb unverletzt, doch die V1<br />
ging komplett zu Bruch<br />
Das R-Gerät, hier g<strong>an</strong>z links unter dem Flügel <strong>der</strong> V9, verlieh <strong>der</strong> Ar 234 einen zusätzlichen Schub<br />
von 580 Kilopond beim Start. Es wurde nach dem Ausbrennen abgeworfen und l<strong>an</strong>dete <strong>an</strong>schließend<br />
per Fallschirm am Boden<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
33
TECHNIK<br />
Arado Ar 234<br />
Mit vier BMW-003-A-Triebwerken startet die<br />
V6 erstmals am 25. April 1944. Es ist <strong>der</strong><br />
weltweit erste Flug mit vier Turbinen<br />
gung abgezogen werden, gelingt es nicht, die<br />
Invasionstruppen wirkungsvoll zu bekämpfen.<br />
<strong>Die</strong> alliierten Verbände setzen sich fest<br />
und rücken weiter vor. Doch die deutsche<br />
Luftwaffe und die Bodentruppen können sich<br />
kein Bild <strong>der</strong> Lage machen, denn über <strong>der</strong><br />
Norm<strong>an</strong>die schaffen es die l<strong>an</strong>gsamen Aufklärer<br />
<strong>der</strong> Luftwaffe nicht, die moment<strong>an</strong>e<br />
Situation genau aufzuklären.<br />
Dennoch gehen die Vorbereitungen für einen<br />
Son<strong>der</strong>einsatz weiter. Ein neuer Verb<strong>an</strong>d<br />
wird in Or<strong>an</strong>ienburg aufgestellt. Zwei altgediente<br />
Piloten sollen die schnellen Ar-234-<br />
<strong>Die</strong> Ar 234 als Bomber<br />
Als Bomber soll die Ar 234 in <strong>der</strong> C-Version<br />
in die Massenproduktion gehen – ausgestattet<br />
mit BMW-003-Doppeltriebwerken.<br />
Damit will die Luftwaffe zwei Fliegen<br />
mit einer Klappe schlagen. Zum einen<br />
bekommt m<strong>an</strong> die Jumo-004-Triebwerke<br />
für den Hochlauf <strong>der</strong> Me 262 frei und<br />
zum <strong>an</strong><strong>der</strong>en werden die Leistungen <strong>der</strong><br />
Ar 234 als Kampfflugzeug erheblich besser.<br />
Gepl<strong>an</strong>t sind ein- und zweisitzige Versionen<br />
als Bomber und Aufklärer. Auch<br />
eine Nachtjägerversion wird erstmals<br />
projektiert. Doch die C-Serie hat einen<br />
Haken. Damit sie <strong>an</strong>laufen k<strong>an</strong>n, muss<br />
die erfolgreiche B-Serie in <strong>der</strong> Produktion<br />
gestoppt werden. Nur wenige C-Maschinen<br />
werden tatsächlich noch fertig. ■<br />
Aufklärer im Einsatz fliegen: Oblt. Horst Götz<br />
und Oblt. Erich Sommer.<br />
Zunächst sammeln beide erste Erfahrungen<br />
mit <strong>der</strong> für sie völlig ungewohnten Maschine.<br />
Nach dem Umbau zum Aufklärer unternimmt<br />
Götz mit <strong>der</strong> V5 am 15. Juli 1944 den<br />
ersten Bildflug. <strong>Die</strong> V7 kommt wenige Tage<br />
d<strong>an</strong>ach, am 22. Juni, hinzu. Mit ihr unternimmt<br />
Oblt. Sommer vier Tage später den ersten Bildflug<br />
in elf Kilometer Höhe. Ein <strong>an</strong>schließen<strong>der</strong><br />
Bahnneigungsflug mit bis zu 950 km/h zeigt<br />
keine wesentlichen Be<strong>an</strong>st<strong>an</strong>dungen.<br />
Oblt. Sommer testet Ende Juni die Reichweitenleistung<br />
mit <strong>der</strong> V5. Er fliegt zwei<br />
Stunden und 20 Minuten, erreicht dabei eine<br />
Flughöhe von zehn Kilometern und eine<br />
Reichweite von 1650 Kilometern.<br />
Nachdem sich das Son<strong>der</strong>komm<strong>an</strong>do mit<br />
<strong>der</strong> Ar 234 vertraut gemacht hat, verlegt die<br />
kleine Aufklärereinheit am 20. Juli 1944 nach<br />
Juvincourt bei Reims. Sommer fliegt fünf Tage<br />
später mit <strong>der</strong> Ar 234 V 7 nach Juvincourt,<br />
Götz folgt ihm am 2. August. Beide Maschinen<br />
tragen nun Verb<strong>an</strong>dskennungen: die V5–<br />
T9+LH und die V7–T9+MH.<br />
Der erste Einsatz über Feindgebiet<br />
Nachdem alle Vorbereitungen getroffen sind,<br />
beginnt noch am 2. August die erste Aufklärungsmission.<br />
Oblt. Sommers Maschine ist<br />
einsatzbereit. Das vorausgesagte Wetter über<br />
dem Zielgebiet verspricht gute Bil<strong>der</strong>. Erich<br />
Sommer macht sich startfertig, die Bodentechniker<br />
prüfen nochmals <strong>letzte</strong> Details.<br />
Das Cockpit <strong>der</strong> Maschine ist wie ein Glashaus,<br />
es bietet ausreichende Sicht nach vorn<br />
und zur Seite. Doch nach hinten ist <strong>der</strong> Pilot<br />
blind. An seiner linken Seite befinden sich<br />
die zwei Gashebel für die empfindlichen Jumo-004-Triebwerke.<br />
Ein <strong>letzte</strong>r Blick nach draußen zeigt, dass alles<br />
in Ordnung ist. Über Funk werden <strong>letzte</strong><br />
Das pfeifende Geräusch <strong>der</strong> Triebwerke war<br />
für die Anwohner sicherlich etwas Neues.<br />
Instruktionen ausgetauscht, das Flugzeug ist<br />
jetzt startklar. L<strong>an</strong>gsam beschleunigt die Arado.<br />
Das pfeifende Geräusch <strong>der</strong> Düsentriebwerke<br />
dürfte für die Anwohner von Juvincourt<br />
bis dahin sicher unbek<strong>an</strong>nt gewesen sein.<br />
Kurz nach dem Start wirft <strong>der</strong> Pilot den<br />
Startwagen ab und zieht wenig später die drei<br />
Stützkufen ein. In <strong>der</strong> Start- und L<strong>an</strong>dephase<br />
ist die Ar 234 beson<strong>der</strong>s <strong>an</strong>greifbar. Deshalb<br />
stehen Bf 109 zum Schutz bereit. Sie sollen<br />
die Ar 234 vorerst eskortieren.<br />
Uneinholbar für den Feind<br />
Sommer steigt mit seiner Ar 234 auf zehneinhalb<br />
Kilometer Einsatzhöhe. Bei Cherbourg<br />
geht er Richtung Küste in einen leichten Sinkflug<br />
über. In dieser Höhe k<strong>an</strong>n ihn jetzt we<strong>der</strong><br />
eine Must<strong>an</strong>g noch eine Spitfire <strong>an</strong>greifen.<br />
Der Himmel ist wolkenfrei und bietet ideale<br />
Bedingungen, um Fotos zu schießen. <strong>Die</strong> Ar<br />
234 überfliegt nun mit 740 km/h die besetzten<br />
Strände <strong>der</strong> Norm<strong>an</strong>die – und hinterlässt<br />
bei den dort stationierten Soldaten einen bleibenden<br />
Eindruck.<br />
Mit seinen eingeschalteten RB-50/30-Ka -<br />
meras b<strong>an</strong>nt Sommer die Szenerie unter sich<br />
auf Film. <strong>Die</strong> dabei einstehenden Bil<strong>der</strong> zeigen<br />
einen mit Schiffen vollgestopften Nachschubhafen<br />
bei Arrom<strong>an</strong>ches. 87 Kriegsschiffe, darunter<br />
ein Zerstörer, 155 L<strong>an</strong>dungsschiffe und<br />
34
dazu Frachter mit einer Gesamttonnage von<br />
250 000 BRT liegen dort vor Anker. Sommer fotografiert<br />
weiter Richtung Inl<strong>an</strong>d. Der Rückflug<br />
verläuft ohne Zwischenfälle. Er l<strong>an</strong>det seine<br />
Arado auf Kufen in Juvincourt. Seine<br />
mitgebrachten 380 Bil<strong>der</strong> verschaffen <strong>der</strong> Luftwaffe<br />
erstmalig einen Überblick über die<br />
Feindlage in <strong>der</strong> Norm<strong>an</strong>die.<br />
Es ist die weltweit erste Aufklärungsmission,<br />
die mit einem Strahlflugzeug geflogen<br />
wird. In <strong>der</strong> Zwischenzeit ist auch Oblt. Götz<br />
mit <strong>der</strong> V7 eingetroffen. Von nun <strong>an</strong> stehen<br />
zwei Ar 234 bereit, um die Situation über gegnerischem<br />
Gebiet zu beobachten.<br />
<strong>Die</strong> Ar 234 als Aufklärer<br />
Einen Monat nach diesem ersten erfolgreichen<br />
Einsatz zeichnet <strong>der</strong> Staffelkapitän Oberleutn<strong>an</strong>t<br />
Götz ein genaues Bild über die gesammelten<br />
Erfahrungen mit <strong>der</strong> neuen Ar 234<br />
als Aufklärer bei <strong>der</strong> 1./Versuchsverb<strong>an</strong>d d.<br />
OKL/Komm<strong>an</strong>do Sperling. Er schreibt am<br />
13. September 1944:<br />
»Gemäß Befehl Führungsstab stellte die<br />
1./Versuchsverb<strong>an</strong>d d. OKL ein Einsatzkomm<strong>an</strong>do<br />
Ar 234 zusammen. Zur Verfügung<br />
st<strong>an</strong>den V5 und V7 mit Jumo 004 B1 in Kufen -<br />
ausführung. Komm<strong>an</strong>dostärke 2 Flugzeugführer,<br />
18 M<strong>an</strong>n technisches Personal, 2 Zivilmonteure<br />
für Zelle und 1 Zivilmonteur für<br />
Triebwerk. Nach kurzer Einweisung bei Arado<br />
verlegte das Komm<strong>an</strong>do am 20.7.1944<br />
nach Juvincourt bei Reims. Da Luftverlegung<br />
nicht genehmigt wurde, verzögerte sich <strong>der</strong><br />
Gerätetr<strong>an</strong>sport und damit <strong>der</strong> Einsatz beträchtlich.<br />
Von 2 mit Son<strong>der</strong>gerät beladenen<br />
Waggons kam nur einer am Einsatzort <strong>an</strong>.<br />
Auf Vorschlag des Komm<strong>an</strong>dos bei <strong>der</strong> Luftflotte<br />
3 wurden auf dem Luftwege die zum<br />
sofortigen Einsatz unbedingt notwendigen<br />
Ersatzteile und Son<strong>der</strong>geräte überführt.<br />
Aufträge: <strong>Die</strong> Einsatzbefehle wurden<br />
durch die Luftflotte 3 über FAG 123 <strong>an</strong> das<br />
Komm<strong>an</strong>do gegeben. Wetterberatung erfolgte<br />
durch die örtliche Wetterwarte, FAG 123<br />
und die Luftflotte 3. Belichtete Filme gingen<br />
nach dem Einsatz sofort zur weiteren Bearbeitung<br />
und Auswertung <strong>an</strong> das FAG 123.<br />
Flugbetrieb: Zur Überwachung des Startund<br />
L<strong>an</strong>devorg<strong>an</strong>ges wurde am Platz ein<br />
Auch die Ar 234 V6 erhielt noch ein Kufenfahrwerk. Gerade wird eines <strong>der</strong> vier Triebwerke <strong>an</strong>gelassen<br />
Ar 234 B vom Son<strong>der</strong>komm<strong>an</strong>do<br />
Sperling im November 1944. Geflogen<br />
wurde die W.Nr. 140 151 von Oberleutn<strong>an</strong>t<br />
Werner Muffey<br />
Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus<br />
FuG 16 eingesetzt, das während des Fluges <strong>an</strong><br />
ein weiteres Gerät im Gefechtsst<strong>an</strong>d abgab,<br />
von dem die Jägerlage, soweit bek<strong>an</strong>nt, durchgesagt<br />
wurde. Außerdem war zeitweilig die<br />
Möglichkeit, auf gleicher Frequenz den am<br />
Platz befindlichen Tornado-Peiler zu benutzen.<br />
<strong>Die</strong> Flugzeuge waren mit FuG 16 ausgerüstet.<br />
<strong>Die</strong> Maschinen wurden zum Start geschleppt,<br />
Anmarschweg 20 Minuten. <strong>Die</strong><br />
Startwagen und abgeworfenen R-Geräte wurden<br />
nach dem Start durch bereitgestellte LKW<br />
gesammelt. Darauf sofortige Vorbereitung<br />
zum L<strong>an</strong>devorg<strong>an</strong>g. Zwei Rauchzeichenpunkte<br />
zum Anvisieren und L<strong>an</strong>den zwischen<br />
den Bombentrichtern, die des ständigen Alarmes<br />
wegen nicht mehr aufgefüllt werden<br />
konnten, wurden besetzt. Heber, Böcke und<br />
Startwagen st<strong>an</strong>den <strong>an</strong> LKW gehängt, bereit.<br />
Aufbockzeit etwa 30 Minuten, Gesamtzeit bis<br />
Maschine in <strong>der</strong> Box eine Stunde.<br />
Flug: Bei allen Flügen wurde <strong>der</strong> Reichweite<br />
wegen vom Platz zum Ziel gerade mit<br />
va 420–340 bis Arbeitshöhe durchgestiegen<br />
und möglichst unter Kondenshöhe geblieben.<br />
<strong>Die</strong> Feindlage wurde durch Gefechtsst<strong>an</strong>d,<br />
FuG 16, den Maschinen zugesprochen. Jäger<strong>an</strong>sätze<br />
wurden versucht, blieben aber erfolglos.<br />
Da jede Sicht nach hinten, oben und<br />
unten fehlte, waren die 30 Minuten Steigzeit<br />
<strong>der</strong> empfindlichste Teil des Fluges. Auch fehlte<br />
jede Möglichkeit, Kondensbildung festzustellen.<br />
Trotz vorheriger Fluko-Meldung wurden<br />
die Maschinen auf allen Plätzen durch<br />
eigene Flak beschossen, V5 ging auf diese<br />
Weise am 28.8.1944 verloren.<br />
Gesamtflüge V5 und V7 bis zum 13.9.1944,<br />
Einweisung, Erprobung, Verlegungen und<br />
Einsätze 31, davon Einsätze: 14.<br />
Technische Erfahrungen: Als obere Geschwindigkeitsgrenze<br />
wurden bei Bahnneigungsflug<br />
mit V5 900 km/h in 8000 m<br />
festgestellt. <strong>Die</strong> Maschine war bei dieser Fahrt<br />
in allen Ru<strong>der</strong>n steuerlos. V5 zeigte bei 300<br />
km/h va in Bodennähe bei mäßigem Kurven<br />
Abschmierneigung.<br />
Zelle: Startwagenbetrieb, beson<strong>der</strong>s bei<br />
nicht gut ausgebesserten, zerbombten Plät-<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
35
TECHNIK<br />
Arado Ar 234<br />
Start und L<strong>an</strong>dung <strong>der</strong> Ar 234<br />
<strong>Die</strong>se Bildreihe zeigt den Start und die L<strong>an</strong>dung <strong>der</strong> Ar 234 V2, DP+AW. Gestartet wurde hier mit<br />
zwei R-Geräten RI 202 b, die für zusätzlichen Schub sorgen. <strong>Die</strong> L<strong>an</strong>dung findet mit ausgefahrenen<br />
Kufen, zwei Stützkufen unter den Triebwerken und <strong>der</strong> Hauptkufe unter dem Rumpf statt<br />
Ein Fallschirm bremst den Fall<br />
des Startwagens, sodass m<strong>an</strong><br />
ihn wie<strong>der</strong>verwerten k<strong>an</strong>n<br />
Der Startwagen wird direkt nach<br />
dem Abheben abgeworfen<br />
Hydrauliköl <strong>der</strong> hinteren Hauptkufenstrebe<br />
und Übert<strong>an</strong>ken von J2. Durch Anbringen<br />
von Abweisblechen gel<strong>an</strong>g fast völlige Beseitigung.<br />
Startwagen: Startwagen löste sich in einem<br />
Fall nicht. Grund: Nicht ausreichen<strong>der</strong><br />
Ausklinkweg durch zu kurz verspleißtes Auslösekabel<br />
und gleichzeitiges Abreißen des Steckers<br />
<strong>der</strong> elektrischen Ausklinkvorrichtung<br />
und bei<strong>der</strong> Bremskupplungen. <strong>Die</strong> Maschine<br />
konnte mit dem Wagen gel<strong>an</strong>det werden.<br />
<strong>Die</strong> Ausklinkvorrichtung wurde daraufhin<br />
vereinfacht und durch eine Soll-Bruchstelle<br />
ersetzt, die bisher störungsfrei arbeitete. <strong>Die</strong><br />
Startwagen kamen in jedem Fall zu stehen,<br />
die Bremsschirme öffneten sich stets.<br />
Feindeinwirkung am Boden: In drei Fällen<br />
wurden Bordwaffen<strong>an</strong>griffe auf die gel<strong>an</strong>deten<br />
Maschinen geflogen, einmal entging die<br />
V7 bei einem Bombenteppich <strong>der</strong> Vernichtung.<br />
Zerstört wurde ein T<strong>an</strong>kwagen für J2<br />
und ein Holzgas-LKW.<br />
Verlegungen: <strong>Die</strong> Verlegungen waren wegen<br />
Fehlens jeden geeigneten La<strong>der</strong>aumes<br />
nur durch rigorose Selbsthilfe des Komm<strong>an</strong>dos<br />
möglich. Keinerlei Material wurde vernichtet<br />
o<strong>der</strong> fiel in Feindesh<strong>an</strong>d. Trotz schwierigster<br />
Verlegung mit primitivsten Mitteln<br />
konnte das Komm<strong>an</strong>do am neuen Einsatzort<br />
sofortige Einsatzbereitschaft melden.<br />
Vorschläge: <strong>Die</strong> Ar 234 hat sich im Westraum<br />
bewährt. Für den laufenden Einsatz<br />
und die Erfüllung aller gestellten Aufgaben<br />
sind Fahrwerksmaschinen erfor<strong>der</strong>lich. <strong>Die</strong><br />
weiteren Maschinen müssen unbedingt mit<br />
FuG 16 ZY und Erstling (FuG 25 a) ausgerüstet<br />
werden. Sichtmöglichkeit nach hinten<br />
dringendst erfor<strong>der</strong>lich. Außenspiegel wegen<br />
zen, ist für den Einsatz ungeeignet. Beson<strong>der</strong>s<br />
nach <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dung ist eine solche Maschine zu<br />
l<strong>an</strong>ge <strong>der</strong> Feindeinwirkung ausgesetzt. Ständige<br />
Störungen entst<strong>an</strong>den durch Nachlassen<br />
<strong>der</strong> Haupt- und Stützkufen, was zu häufigen<br />
Zerstörungen <strong>der</strong> R<strong>an</strong>dbögen führte.<br />
Kabinenheizung durch TL wegen Abgas nicht<br />
brauchbar.<br />
Triebwerk: <strong>Die</strong> Triebwerke wurden schonendst<br />
nach Temperatur geflogen. Ausfälle<br />
traten bisher nicht ein. Geflogene Gesamtzeit<br />
ohne Störung V7 ca. 25 Stunden, V5 ca. 22 Stunden.<br />
<strong>Die</strong> zugeschaltete dritte Düsennnadelstellung<br />
brachte einen va-Zuwachs von<br />
ungefähr 25 km/h in 10 000 m. Abstellschwie -<br />
Wie ein Skispringer l<strong>an</strong>det die<br />
Arado schließlich auf Kufen<br />
rigkeiten traten durch Nachbrennen ein,<br />
wenn mit Wind gel<strong>an</strong>det werden musste. Der<br />
Einspritzdruck konnte bis 11 000 m gehalten<br />
werden, Stehenbleiben <strong>der</strong> Triebwerke trat<br />
nicht ein. Hohe Kompassfehler störten sehr,<br />
ließen sich auch nicht beseitigen.<br />
F.T.: Verständigung war in allen Höhen<br />
gut, Reichweite normal, leichtes Weglaufen<br />
wurde nach kurzer Betriebszeit festgestellt,<br />
Empfänger konnte ohne Schwierigkeiten<br />
nachgestimmt werden.<br />
Bildgeräte: Bildgeräteschwierigkeiten traten<br />
durch Einfrieren <strong>der</strong> Mech<strong>an</strong>ik auf. Beschlagen<br />
und Vereisen traten nicht ein, dagegen<br />
Verölen des vor<strong>der</strong>en Gerätes durch<br />
Arados holpriger Start<br />
Arado war bisl<strong>an</strong>g nur bek<strong>an</strong>nt durch<br />
seine gelungenen Schulflugzeugkonstruktionen<br />
wie die Ar 96. Auch das<br />
Tr<strong>an</strong>sportflugzeug Ar 232 war eine beeindruckende<br />
Konstruktion. Bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />
mo<strong>der</strong>ner Kampfflugzeuge<br />
scheiterte Arado aber oftmals <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />
Konkurrenz, wie etwa mit <strong>der</strong> Ar 80 gegen<br />
die mo<strong>der</strong>nere Messerschmitt<br />
Bf 109. Erst mit <strong>der</strong> Ar 240 konnte das<br />
Werk wertvolle Erfahrungen mit zweimotorigen<br />
Hochleistungskampfflugzeugen<br />
sammeln. Doch bei <strong>der</strong> Ar 240 blieb es<br />
nur bei einer Versuchsserie. Erst mit<br />
<strong>der</strong> Ar 234 gel<strong>an</strong>g <strong>der</strong> große Wurf. ■<br />
36
Vereisung nicht möglich, schlagen Periskop<br />
vor, wegklappbar und heizbar. Versuche mit<br />
120-m-Kassette müssen gemacht werden. Es<br />
ist weiter zu versuchen, den Bildgeräteraum<br />
evtl. durch die Triebwerke zu beheizen. <strong>Die</strong><br />
Möglichkeit einer brauchbaren Kabinenheizung<br />
ist zu prüfen. <strong>Die</strong> Kompass<strong>an</strong>lage ist<br />
<strong>der</strong> großen Ablenkungsfehler wegen nicht<br />
ausreichend, Kreiselstützung wird vorgeschlagen,<br />
Einbau im Rumpf wahrscheinlich<br />
günstiger. Bei laufendem Einsatz müssen unbedingt<br />
vorh<strong>an</strong>den sein, da das Komm<strong>an</strong>do<br />
völlig auf sich allein gestellt ist: 2 Trecker o<strong>der</strong><br />
mittlere Gleis-Ketten-LKW, 1 kleiner PKW,<br />
2 LKW 3 ½ T, 1 mittleres Krad, 3 Kleinst-Krä<strong>der</strong>,<br />
2 Anlasswagen für Start und FT-Betrieb,<br />
1 T<strong>an</strong>kwagen für J2.<br />
›Wenn ich erst einmal unterwegs war,<br />
konnte mich niem<strong>an</strong>d mehr schlagen. Es gab<br />
kein Flugzeug, keinen Jäger mehr, <strong>der</strong> mich<br />
<strong>an</strong>greifen konnte. Da kam niem<strong>an</strong>d in Schussposition.‹<br />
– Horst Sommer«<br />
Wie aus dem Bericht hervorgeht, wird die<br />
V5 am 28. August 1944 von <strong>der</strong> eigenen Flak<br />
bei Brüssel getroffen und beschädigt. Zunächst<br />
versucht Oblt. Götz die Arado-Werke<br />
in Br<strong>an</strong>denburg <strong>an</strong>zufliegen. Doch <strong>der</strong> dortige<br />
Flugplatz ist nach einem Luft<strong>an</strong>griff stark<br />
beschädigt. Er fliegt weiter nach Or<strong>an</strong>ienburg.<br />
Bei <strong>der</strong> <strong>an</strong>schließenden Bauchl<strong>an</strong>dung wird<br />
die V5 weiter beschädigt, Götz trägt dabei<br />
starke Gesichtsverletzungen davon. Zu allem<br />
Unglück rammt wenig später ein Flugschüler<br />
mit einer Fw 190 die Arado von hinten und<br />
kommt dabei ums Leben.<br />
Dem Komm<strong>an</strong>do steht nun nur noch die<br />
V7 als Aufklärer zur Verfügung. Doch die<br />
Produktion <strong>der</strong> Ar 234 B mit einziehbarem<br />
Fahrwerk ist in <strong>der</strong> Zwischenzeit gut vor<strong>an</strong>gekommen.<br />
Am 23. September erhält das<br />
Komm<strong>an</strong>do erstmals eine Ar 234 B-2 – mit<br />
Einziehfahrwerk – als Ersatzmaschine.<br />
<strong>Die</strong> weiteren Einsätze mit <strong>der</strong> Ar 234 zeigen<br />
die hohe Effektivität <strong>der</strong> Maschine als<br />
Aufklärer. In den kommenden Wochen wird<br />
<strong>der</strong> Versuchsverb<strong>an</strong>d deshalb weiter aufgestockt.<br />
Anf<strong>an</strong>g November verfügt m<strong>an</strong> in Or<strong>an</strong>ienburg<br />
über fünf Aufklärer und drei weitere<br />
Piloten. <strong>Die</strong> V7 ist die einzige Maschine, die<br />
noch mit dem Startwagen starten muss. Sie<br />
fällt beim Start am 1. November 1944 vom linken<br />
Ausleger. Dabei werden die Rumpfunterseite<br />
und das Seitenru<strong>der</strong> beschädigt.<br />
Doch das spielt keine Rolle mehr, es gibt<br />
jetzt genügend Ersatz. <strong>Die</strong> Luftwaffe hat endlich<br />
einen schnellen Aufklärer, <strong>der</strong> we<strong>der</strong> von<br />
den Jägern <strong>der</strong> RAF noch von den amerik<strong>an</strong>ischen<br />
Jägern abgef<strong>an</strong>gen werden k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong><br />
Ar 234 fliegen Einsätze über Südengl<strong>an</strong>d und<br />
fotografieren dort vollgestopfte Flugplätze.<br />
Aber es ist zu spät. <strong>Die</strong> Luftwaffe k<strong>an</strong>n die<br />
Ergebnisse nicht mehr wirkungsvoll für eigene<br />
Gegen<strong>an</strong>griffe nutzen.<br />
■<br />
Das mitgebrachte Bild vom Aufklärungsflug am 2. August 1944 zeigt die enorme Schiffs<strong>an</strong>sammlung<br />
<strong>an</strong> <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Küste bei Arrom<strong>an</strong>ches<br />
Zeichnung <strong>der</strong> Ar 234 A mit ein- und ausgefahrenen Kufen. <strong>Die</strong> beiden Kameras wurden im Heck<br />
<strong>der</strong> Maschine eingebaut<br />
Foto Sengfel<strong>der</strong><br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
37
TECHNIK<br />
Typengeschichte<br />
JUNKERS JU 388 – TEIL 4 UND JU 488<br />
Highendflieger und<br />
Baukasten-Bomber<br />
1944 kamen die ersten Ju 388 zur Truppenerprobung. Nun musste die<br />
Zweimot ihre Qualitäten unter Beweis stellen. Mit <strong>der</strong> Ju 488 entst<strong>an</strong>d<br />
1944 das Konzept eines überaus leistungsfähigen schweren Kampfflugzeugs<br />
– praktisch eine Art Baukasten-Bomber Von Herbert Ringlstetter<br />
38
<strong>Die</strong> deutsche Luftwaffe bef<strong>an</strong>d sich<br />
Mitte 1944 in einer schier ausweglosen<br />
Lage, die Luftüberlegenheit <strong>der</strong><br />
westlichen Alliierten wurde immer erdrücken<strong>der</strong>,<br />
<strong>der</strong> Feind rückte von Tag zu Tag<br />
näher. Neue, überlegene Flugzeuge mussten<br />
her, um das Ru<strong>der</strong> doch noch einmal herumzureißen.<br />
Einer dieser Hoffnungsträger war<br />
die Junkers Ju 388, die nun erprobt werden<br />
sollte.<br />
Am 15. Juli 1944 wurde das Erprobungskomm<strong>an</strong>do<br />
388 aufgestellt, das gegen Monatsende<br />
im mecklenburgischen Rechlin<br />
Quartier bezog. Doch kaum hatte die Gruppe<br />
mit zunächst sieben Ju 388 ihre Arbeit<br />
aufgenommen, hinterließ ein schwerer Bomben<strong>an</strong>griff<br />
durch amerik<strong>an</strong>ische Boeing B-17<br />
am 25. August 1944 neben zahlreichen Toten<br />
schwerste Verwüstungen auf dem Gelände<br />
in Rechlin. Auch die inzwischen neun Ju 388<br />
des Ekdo 388 waren davon betroffen – drei<br />
Maschinen st<strong>an</strong>den nicht mehr zur Verfügung.<br />
Fünf Tage später musste die Werknummer<br />
300005 wegen Motorschadens notl<strong>an</strong>den<br />
und wurde dabei beschädigt.<br />
Enttäuschte Hoffnungen<br />
Doch konnten während <strong>der</strong> Flüge die hochgesteckten<br />
Erwartungen <strong>an</strong> das neue Einsatzmuster<br />
nicht erfüllt werden. Am 14. Februar<br />
1945 löste m<strong>an</strong> den Verb<strong>an</strong>d auf. Bis dahin<br />
soll das Erprobungskomm<strong>an</strong>do 16 Ju 388 erhalten<br />
und geflogen haben.<br />
Mindestens drei Ju 388 wurden außerdem<br />
<strong>an</strong> den Versuchsverb<strong>an</strong>d des Oberkomm<strong>an</strong>dos<br />
<strong>der</strong> Luftwaffe geliefert, in dessen Reihen<br />
sie ab Ende 1944 flogen. Bei diesen Maschinen<br />
h<strong>an</strong>delte es sich ausnahmslos um Aufklärer.<br />
55 Maschinen, die für die Erprobungseinheiten<br />
vorgesehen waren, wurden direkt <strong>an</strong><br />
Nachrüstbetriebe weitergereicht, da sie für<br />
den Fronteinsatz ungeeignet waren. Doch nur<br />
sechs Flugzeuge konnten mit den nötigen Geräten<br />
ausgestattet werden.<br />
Keine einzige Ju 388 flog bei einem regulären<br />
Einsatzverb<strong>an</strong>d <strong>der</strong> Luftwaffe.<br />
Bei <strong>der</strong> Einnahme <strong>der</strong> Erprobungsstelle<br />
Tarnewitz f<strong>an</strong>den britische Truppen die dort<br />
abgestellte Ju 388 V6 (L-1), Werknummer<br />
500006, vor. <strong>Die</strong> Maschine bef<strong>an</strong>d sich dort,<br />
um den Heckst<strong>an</strong>d zu testen, und war unversehrt.<br />
Da die Briten das Flugzeug als untersuchungswürdig<br />
erachteten, ließ m<strong>an</strong> den<br />
Aufklärer von einem deutschen Piloten nach<br />
Farnborough in Engl<strong>an</strong>d überführen. Nachdem<br />
m<strong>an</strong> es untersucht hatte, fiel das Beutestück<br />
1948 <strong>der</strong> Schrottpresse zum Opfer.<br />
<strong>Die</strong> Ju 388 L-1, RT+KD, W.Nr. 340084, mit<br />
BMW 801 TJ und vergrößertem Seitenleitwerk<br />
wurde am 7. September 1944 vom Erprobungskomm<strong>an</strong>do<br />
388 übernommen, wo m<strong>an</strong><br />
die schlechte Bauausführung monierte<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
39
TECHNIK<br />
Typengeschichte<br />
Ju 388 L-1 mit geöffneter Bodenw<strong>an</strong>ne. Typisch für die Maschinen des Ekdo 388 war <strong>der</strong> einsatztaktisch<br />
helle Tarn<strong>an</strong>strich. <strong>Die</strong> Tests unter Realbedingungen liefen erst im Sommer 1944 <strong>an</strong>, keine<br />
einzige Ju 388 wurde in einem regulären Kampfverb<strong>an</strong>d geflogen<br />
Außerdem f<strong>an</strong>den mindesten zwei Ju 388<br />
den Weg in die Sowjetunion. Über <strong>der</strong>en Verbleib<br />
ist jedoch kaum etwas bek<strong>an</strong>nt.<br />
Eine »388« hat bis heute überlebt: <strong>Die</strong><br />
Ju 388 L-1 mit <strong>der</strong> Werknummer 560049<br />
wurde bei Kriegsende von US-Truppen im<br />
Junkers-Werk Merseburg aufgefunden. <strong>Die</strong><br />
bei Weserflug in Liegnitz, Schlesien, gebaute<br />
Maschine wurde <strong>an</strong>schließend auf dem<br />
Flugzeugträger HMS REAPER zusammen<br />
mit weiterem Beutegut im Rahmen <strong>der</strong> Operation<br />
Sea Horse in die USA gebracht. In<br />
Wright Field, Ohio, unterzog m<strong>an</strong> den deutschen<br />
Aufklärer mit <strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ischen<br />
Kennung FE-4010 (später T2-4010) einer<br />
eingehenden Untersuchung. Auch wurde<br />
die kraftvolle Zweimot auf einer öffentlichen<br />
Kriegsbeuteschau ausgestellt. 1947 zerlegten<br />
die Amerik<strong>an</strong>er die Maschine und lagerten<br />
sie in <strong>der</strong> Paul E. Garber Preservation,<br />
Restoration <strong>an</strong>d Storage Facility, einer Außenstelle<br />
des National Air <strong>an</strong>d Space Museum,<br />
ein. Eine Beson<strong>der</strong>heit ist die Tatsache,<br />
dass sich ihre Kabine samt Instrumentarium<br />
nahezu im Originalzust<strong>an</strong>d befindet. Bis<br />
heute wartet die ramponierte »560049« auf<br />
ihre Restaurierung.<br />
<strong>Die</strong> DW+ZG gehörte zur L-0-Serie. Sie verfügte we<strong>der</strong> über einen Heckst<strong>an</strong>d, noch über eine l<strong>an</strong>ge<br />
Bodenw<strong>an</strong>ne. Allerdings war die zweimotorige Maschine mit einem Waffentropfen mit rückwärts<br />
gerichteter Bewaffnung auf <strong>der</strong> Rumpfunterseite versehen<br />
Fiel in britische Hände: <strong>Die</strong> Ju 388 V6 (L-1), Werknummer 500006, PE+IF, mit Markierungen <strong>der</strong><br />
Royal Air Force. Auch die Sowjetunion sicherte sich mindestens zwei Ju 388<br />
<strong>Die</strong> Ju 488 entsteht<br />
<strong>Die</strong> <strong>an</strong>haltende Misere um den schweren<br />
Bomber Heinkel He 177 rief 1943/44 kreative<br />
Köpfe <strong>der</strong> Junkers Flugzeug und Motorenwerke<br />
auf den Pl<strong>an</strong>. Aus Teilen <strong>der</strong> bereits<br />
existierenden Kampfflugzeugmuster<br />
Ju 88, 188, 288 und 388 sollte in kurzer Zeit<br />
ein viermotoriger Fernbomber entstehen. Das<br />
Technische Amt im Reichsluftfahrtministerium<br />
(RLM) stimmte Anf<strong>an</strong>g 1944 dem Vorhaben<br />
zu und beauftragte die JFM mit dem Bau<br />
von zunächst zwei Versuchsflugzeugen.<br />
Das Baukasten-Flugzeug erhielt vom<br />
RLM die Bezeichnung Ju 488. Verwendet<br />
wurden für den neuen Junkers-Bomber die<br />
Druckkabine für eine dreiköpfige Besatzung<br />
mit sämtlichen Einbauten sowie die Tragflächen<br />
<strong>der</strong> Ju 388. <strong>Die</strong>se sollten <strong>an</strong> ein neu zu<br />
konstruierendes Flächenmittelstück <strong>an</strong>gesetzt<br />
werden. Außerdem sah m<strong>an</strong> die Heckpartie<br />
und das Mittelteil eines Ju-188-Rumpfes<br />
<strong>der</strong> Serie E vor. Zwischen dem Leitwerk<br />
einer Ju 288 C und dem Rumpfmittelteil sollten<br />
neue verlängernde Rumpfelemente eingesetzt<br />
werden. Unter den Rumpf wollte<br />
m<strong>an</strong> die hölzerne Bodenw<strong>an</strong>ne einer Junkers<br />
Ju 88 A-15 beziehungsweise Ju 388 K montieren.<br />
Mit <strong>der</strong> Kraft von vier Sternmotoren<br />
Im Gegensatz zum Unglücksvogel Heinkel<br />
He 177 – mit seinen beiden stör<strong>an</strong>fälligen<br />
Doppelmotoren – sollte die Ju 488 vier einzelne<br />
Triebwerke erhalten. Für die ersten beiden<br />
V-Flugzeuge wählte m<strong>an</strong> jeweils 1800 PS<br />
Fotos, soweit nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s <strong>an</strong>gegeben, Herbert Ringlstetter<br />
40
Junkers Ju 388<br />
Junkers Ju 388 L-1,<br />
Frühjahr 1945<br />
Lackierung: RLM 70/71/65<br />
© Herbert Ringlstetter/Aviaticus<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
41
TECHNIK<br />
Typengeschichte<br />
Technische Daten – Junkers Ju 488<br />
Junkers Ju 488 Ju 488<br />
Einsatzzweck Fernaufklärer Schweres Fernkampfflugzeug<br />
Besatzung 3 3<br />
Antrieb 2 x Jumo 222 A-3/B-3 2 x Jumo 222 E-1/F-1<br />
24-Zylin<strong>der</strong>-Reihen-Sternmotor, flüssigkeitsgekühlt<br />
Startleistung 4 x 2500 PS – ges. 10 000 PS 4 x 2500 PS – ges. 10 000 PS<br />
+ 130 kp Abgasdüsenschub – ges. 520 kp + 130 kp Abgasdüsenschub – ges. 520 kp<br />
Kampfleistung 2200 PS in Bodennähe – ges. 8800 PS 2200 PS in Bodennähe – ges. 8800 PS<br />
+ 112 kp Abgasdüsenschub – ges. 448 kp + 102 kp Abgasdüsenschub – ges. 408 kp<br />
1910 PS in 7200 m – ges. 7640 PS 1900 PS in 7200 m – ges. 7600 PS<br />
+ 162 kp Abgasdüsenschub – ges. 648 kp + 180 kp Abgasdüsenschub – ges. 720 kp<br />
Sp<strong>an</strong>nweite 31,29 m 31,29 m<br />
Flügelstreckung 11 11<br />
Länge 23,24 m 23,24 m<br />
Rumpfhöhe 7,10 m 7,10 m<br />
Flügelfläche 88,00 m² 88,00 m²<br />
Rüstgewicht 21 200 kg 21 000 kg<br />
Startgewicht max. 36 000 kg 33 700 kg<br />
Mittleres Fluggewicht 29 250 kg 25 850 kg<br />
Kraftstoffmenge max. 17 550 l 10 400 l<br />
Flächenbelastung max. 409 kg/m² 383 kg/m²<br />
Höchstgeschwindigkeit 540 km/h in Bodennähe 530 km/h in Bodennähe<br />
684 km/h in 7000 m 707 km/h in 11 000 m<br />
Marschgeschwindigkeit 480 km/h in 6000 m 560 km/h in 10 000 m<br />
610 km/h in 6000 m max. 635 km/h in 10 000 m max.<br />
Anf<strong>an</strong>gssteigleistung 9,2 m/s 8,9 m/s<br />
Steigleistung 6000 m in 13 min –<br />
– 8000 m in 31,8 min<br />
Startrollstrecke 1100 m auf Gras 1000 m auf Gras<br />
840 m auf Beton 550 m auf Beton<br />
über 15-m-Hin<strong>der</strong>nis 1420 m auf Gras 1310 m auf Gras<br />
Reichweite 5100 km bei 610 km/h in 6000 m 3220 km bei 635 km/h in 10 000 m<br />
6820 km bei 480 km/h in 6000 m 3600 km in 6000 m<br />
Flugzeit max. – 4,9 h<br />
<strong>Die</strong>nstgipfelhöhe 10 750 m 13 650 m<br />
9200 m 3-motorig 12 100 m 3-motorig<br />
5900 m 2-motorig 7100 m 2-motorig<br />
Abwehrbewaffnung B-St<strong>an</strong>d: 2 x MG 151 Z – 20 mm B-St<strong>an</strong>d: 2 x MG 151 Z – 20 mm<br />
H-St<strong>an</strong>d: 1 x MG 131 Z – 13 mm<br />
H-St<strong>an</strong>d: 1 x MG 131 Z – 13 mm<br />
Abwurflast max. – 5000 kg<br />
Aufklärer-Ausrüstung 2 x Rb 50/30 –<br />
Ju 488 während <strong>der</strong><br />
Fertigung in Fr<strong>an</strong>kreich<br />
Baukastenteil: <strong>Die</strong> Druckkabine<br />
<strong>der</strong> Ju 488 stammte von <strong>der</strong><br />
Ju 388 (im Bild)<br />
42
st<strong>an</strong>dskämpfern, im Werk Toulouse Sprengsätze<br />
zu zünden. <strong>Die</strong> dortigen Ju-488-Bauteile,<br />
darunter zwei nahezu fertiggestellte<br />
Rümpfe, wurden <strong>der</strong>art stark beschädigt, dass<br />
ein Wie<strong>der</strong>aufbau nicht infrage kam.<br />
Zwar fielen die V401 und 402 für erste<br />
Versuchsflüge aus, doch hatte m<strong>an</strong> bei Junkers<br />
inzwischen schon weitere Überlegungen<br />
<strong>an</strong>gestellt und kam zu dem Schluss, die<br />
Maschine mit einem längeren und breiteren<br />
Rumpf auszustatten. <strong>Die</strong>ser sollte nun zum<br />
größten Teil aus einer Stahlrohrkonstruktion<br />
bestehen. Hinter <strong>der</strong> nach wie vor verbauten<br />
Druckkabine sollte das Rumpfgerüst bis<br />
zum Ende des Mittelrumpfes mit Duraluminium<br />
und bis zum Heck hin mit Stoff verkleidet<br />
werden. So konnte Leichtmetall eingespart<br />
werden. <strong>Die</strong> Bodenw<strong>an</strong>ne entfiel.<br />
An Abwehrwaffen sah m<strong>an</strong> den Einbau<br />
einer fernbedienten Drehkr<strong>an</strong>zlafette FDL<br />
151 Z mit zwei MG 151, Kaliber 20 Millimeter,<br />
auf dem Rumpfrücken vor. Zudem war<br />
eine fernbediente Hecklafette FHL 131 Z mit<br />
zwei 13-mm-MG-131 in Pl<strong>an</strong>ung.<br />
<strong>Die</strong> Ju 488 V403 erhielt einen überwiegend neukonstruierten Rumpf, <strong>der</strong> größtenteils aus Stahlrohren,<br />
Leichtmetall und Stoff best<strong>an</strong>d<br />
leistende Sternmotoren BMW 801 TJ. Damit<br />
bei dem erwarteten hohen Abfluggewicht die<br />
»488« nicht in die Knie zu gehen drohte, erhielt<br />
sie ein vierbeiniges Fahrwerk mit Spornrad.<br />
Dabei waren die äußeren Fahrgestelle mit<br />
kleineren Rä<strong>der</strong>n versehen als die inneren.<br />
Bis zu 5000 Kilogramm <strong>an</strong> Bombenlast sollte<br />
die Ju 488 bis zu 4000 Kilometer weit tragen.<br />
Um das Hauptwerk <strong>der</strong> JFM in Dessau zu<br />
entlasten, wurden die Fertigung <strong>der</strong> Ju 488 und<br />
die konstruktiven Arbeiten <strong>an</strong> <strong>der</strong> Maschine<br />
<strong>der</strong> Firma Latécoère im fr<strong>an</strong>zösischen Toulouse<br />
übertragen. Bereits Anf<strong>an</strong>g 1944 konnte<br />
mit dem Bau <strong>der</strong> Versuchsflugzeuge Ju 488<br />
V401 und V402 begonnen werden. <strong>Die</strong> Arbeiten<br />
kamen zügig vor<strong>an</strong>. Doch noch bevor die<br />
fertiggestellten Bauteile per Bahn in das Junkers-Werk<br />
Bernburg verfrachtet werden konnten,<br />
erlitt das Bomber-Projekt einen gewaltigen<br />
Rückschlag: In <strong>der</strong> Nacht vom 16. auf den<br />
17. Juli 1944 gel<strong>an</strong>g es fr<strong>an</strong>zösischen Wi<strong>der</strong>-<br />
Hohe Reichweite<br />
Beim Antrieb fiel die Wahl nun auf das hauseigene<br />
wassergekühlte 24-Zylin<strong>der</strong>-Aggregat<br />
Jumo 222, das eine stolze Startleistung<br />
von 2500 PS erbrachte. In Bewegung setzen<br />
sollte sich die Ju 488 mittels vierblättriger<br />
Verstell-Luftschrauben Jumo VS 19 mit einem<br />
Durchmesser von vier Metern. Je nach<br />
Ver sion waren bis zu 17 550 Liter Kraftstoff<br />
in 14 selbstdichtenden Rumpf- und Flächent<strong>an</strong>ks<br />
vorgesehen.<br />
Bis zu 5000 Kilogramm <strong>an</strong> Bombenlast,<br />
eingehängt in Magazinen im Rumpf, sollte<br />
die Ju 488 bis zu immerhin 4000 Kilometer<br />
weit tragen können. Als Fernerkun<strong>der</strong> hätte<br />
die Ju 488 mit zwei Reihenbildgeräten<br />
Rb 50/30 in großen Höhen operieren und<br />
fast 7000 Kilometer weit fliegen können. <strong>Die</strong><br />
errechnete Höchstgeschwindigkeit <strong>der</strong> Viermot<br />
lag bei bis zu 700 km/h.<br />
Baustopp für die Ju 488<br />
Zunächst war <strong>der</strong> Bau von vier Versuchsflugzeugen,<br />
V403 bis V406, gepl<strong>an</strong>t. Der Serien<strong>an</strong>lauf<br />
war für Mitte 1945 vorgesehen.<br />
In Anbetracht <strong>der</strong> Mitte 1944 herrschenden<br />
und für Deutschl<strong>an</strong>d stetig schlechter<br />
werdenden Kriegslage zielte dieser Pl<strong>an</strong> jedoch<br />
<strong>an</strong> den tatsächlichen Erfor<strong>der</strong>nissen<br />
hinsichtlich einer Stärkung <strong>der</strong> Luftwaffe<br />
weit vorbei. Im November 1944 gab das<br />
RLM die einzig Sinn ergebende Weisung heraus:<br />
den Baustopp <strong>der</strong> Ju 488 und <strong>an</strong><strong>der</strong>er<br />
<strong>der</strong>artiger Flugzeugmuster und Projekte, um<br />
die noch vorh<strong>an</strong>denen knappen Material-<br />
Ressourcen wie auch Entwicklungskapazitäten<br />
g<strong>an</strong>z auf die Jägerproduktion zu konzentrieren.<br />
Wenngleich es auch hierfür längst<br />
zu spät war.<br />
So flog letztlich nicht eine einzige Ju 488,<br />
die in einem früheren Stadium enorme Wirkung<br />
hätte erzielen können. Auch <strong>der</strong> in Jap<strong>an</strong><br />
gepl<strong>an</strong>te Lizenzbau <strong>der</strong> Ju 488, <strong>der</strong> am<br />
28. Februar 1945 freigegeben wurde, kam<br />
nicht mehr zust<strong>an</strong>de.<br />
■<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
43
TECHNIK<br />
Cockpit<br />
DORNIER DO 19<br />
Vom Labor auf<br />
den Schrottplatz<br />
Wie schnell sich <strong>der</strong> Flugzeugbau in den 1930er-Jahren<br />
entwickelte, zeigt die Do 19. Sie genügte den Ansprüchen<br />
schon nicht mehr, als sie noch im Versuchsstadium<br />
war<br />
Von Peter W. Cohausz<br />
44
Als General Wever 1933 zum Generalstabschef <strong>der</strong> Luftwaffe<br />
aufstieg, entwarf er strategische Grundsätze für die Luftkriegsführung.<br />
Neben »<strong>Stuka</strong>s« und mittleren Bombern sollte<br />
die Luftwaffe auch viermotorige »Uralbomber« für strategische Ferneinsätze<br />
erhalten. Das Reichsluftfahrt-Ministerium war zufrieden und<br />
Dornier erhielt im J<strong>an</strong>uar 1935 den Auftrag zum Bau von drei Versuchsmustern<br />
mit verschiedenen Sternmotorvari<strong>an</strong>ten. Das Konstruktionsbüro<br />
war jedoch mit <strong>an</strong><strong>der</strong>en Typen ausgelastet, sodass die<br />
Do 19 V1 erst im Herbst 1936 abgenommen werden konnte und<br />
schließlich im Oktober 1936 abhob. Für den nötigen Schub sorgten vier<br />
715 PS starke Bramo-322 J-2-Motoren.<br />
<strong>Die</strong> Verzögerungen gingen weiter und das RLM nahm das zweite<br />
Versuchsmuster, die Do 19 V2, erst im März 1937 ab. Inzwischen hatten<br />
sich jedoch die strategischen Pl<strong>an</strong>ungen <strong>der</strong> Luftwaffe geän<strong>der</strong>t<br />
und nun stufte m<strong>an</strong> die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Do 19 und <strong>der</strong> Ju 89 als<br />
zu gering ein. Daher brach Dornier den Bau <strong>der</strong> Do 19 V3 ab, nachdem<br />
das RLM die Bestellung <strong>der</strong> Vorserie storniert hatte.<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
45
TECHNIK<br />
Cockpit<br />
Cockpit <strong>der</strong> Do 19 V1<br />
Erläuterung <strong>der</strong> Instrumentierung<br />
Der Funkerraum hinter dem Cockpit mit <strong>der</strong> elektrischen Anlage<br />
Ausrüstung des Funkerraumes<br />
Ein Orterkompass »Fr<strong>an</strong>z« von Ask<strong>an</strong>ia<br />
Das Statoskop-Variometer<br />
konnte auch<br />
als Feinhöhenmesser<br />
(Statoskop) verwendet<br />
werden<br />
Im J<strong>an</strong>uar 1938 übernahm das RLM schließlich die Do 19 V1, die ihre<br />
Laufbahn allerdings als Truppentr<strong>an</strong>sporter beendete. Als serienmäßiger<br />
Bomber hätte sie eine Besatzung von neun M<strong>an</strong>n und eine<br />
Bombenlast von 1250 Kilogramm aufweisen sollen. Außerdem<br />
waren je zwei MG und MK als Abwehrwaffen<br />
gepl<strong>an</strong>t. <strong>Die</strong> MG sollten im Bug und Heck installiert<br />
werden, die 20-mm-K<strong>an</strong>onen im Waffenturm unter<br />
dem Bauch sowie oben auf dem Rumpf.<br />
Das Leergewicht <strong>der</strong> Do 19 V1 lag bei 11 850 Kilogramm,<br />
die Flügelsp<strong>an</strong>nweite betrug 35 Meter. Als<br />
Höchstgeschwindigkeit waren 250 km/h <strong>an</strong>visiert.<br />
Doch das weitere Schicksal <strong>der</strong> Maschine ist unbek<strong>an</strong>nt,<br />
die beiden <strong>an</strong><strong>der</strong>en V-Muster l<strong>an</strong>deten jedenfalls<br />
in <strong>der</strong> Schrottpresse.<br />
Das Cockpit <strong>der</strong> Do 19 war relativ geräumig<br />
und nach dem damaligen St<strong>an</strong>d <strong>der</strong> Technik ausgerüstet.<br />
Pilot und Bordmech<strong>an</strong>iker saßen in einem<br />
rein funktionellen Führerraum zwischen<br />
Streben und Steuerelementen.<br />
<strong>Die</strong> Instrumentierung und die Bedienelemente<br />
setzten sich zusammen aus einer dreiteiligen<br />
Führergerätetafel und einer großen Mittel-<br />
Fotos, soweit nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s <strong>an</strong>gegeben, Sammlung P. Cohausz<br />
46
Das Sicherungskästchen<br />
Fl 32360 enthielt eine<br />
Messersicherung<br />
Eine Sicherung Fl 32361 für Glasrohrsicherungen.<br />
Rechts ein Halter für eine<br />
Ersatzsicherung<br />
Der Netzausschalter<br />
Fl 32315-2<br />
Führerraum <strong>der</strong> Dornier Do 19 V1<br />
Nr. Gerät Anzeigebereich Gerätenummer<br />
1 Sitzkissen (W<strong>an</strong>ne für Sitzfallschirm)<br />
2 Sitz<br />
3 H<strong>an</strong>drad für die L<strong>an</strong>deklappe<br />
4 Hebel für die Sitzverstellung<br />
5 Seitensteuerhebel<br />
6 Durchg<strong>an</strong>g zum Bugst<strong>an</strong>d<br />
7 Steuersäule<br />
8 2 Schaltkästen Fl 32319<br />
9 Polsterung <strong>an</strong> <strong>der</strong> Mittelkonsole<br />
10 4 Zündschalter Fl 21118<br />
11 Br<strong>an</strong>dhahnhebel<br />
12 Bosch-Knopf für die Fahrwerkshupe Fl 32302<br />
13 Gemischhebel<br />
14 Steuerhorn<br />
15 Mittelkonsole<br />
16 Feinhöhenmesser 0–1000 m Fl 22309<br />
17 Statoskop-Variometer –10/+10 m/s Fl 22381-10<br />
18 Wendezeiger, pneumatisch Fl 22402<br />
19 Kurszeiger für den Fernkompass Fl 23354<br />
20 Fahrtmesser 80–450 km/h Fl 22210<br />
21 Grobhöhenmesser 0–6000 m Fl 22307<br />
(ein weiterer bef<strong>an</strong>d sich rechts neben dem rechten Wendezeiger)<br />
22 Kursgeber für den Fernkompass (?) Fl 23300<br />
23 verdeckt links neben <strong>der</strong> Mittelkonsole:<br />
4 Luftschraubenverstellschalter 9-6500.20<br />
Orterkompass „Fr<strong>an</strong>z“ Fl 23202<br />
24 Gashebel<br />
25 4 elektrische Drehzahl<strong>an</strong>zeiger 0–3000 U/min Fl 2027?<br />
26 3 Netzausschalter Fl 32315-2<br />
27 4 Ladedruckmesser 0,5–1,5 ata Fl 20550<br />
28 Anzeige für Sporn Fl 32526<br />
29 Anzeige für Hauptfahrwerk Fl 32526<br />
30 Einbauöffnung für Zusatzgerät<br />
31 Schmierstoff-Thermometer 0–120° C Fl 20343 (?)<br />
32 Borduhr Fl 22600<br />
33 Schmierstoff-Druckmesser 0–10 kg/cm² Fl 20611 (?)<br />
34 Kraftstoff-Druckmesser 0–0,5 kg/cm² Fl 20504<br />
35 Luftpumpe für den Vorratsmesser Fl 20742<br />
36 Kraftstoff-Vorrats<strong>an</strong>zeiger 0–1750 Liter Fl 20704<br />
37 künstlicher Horizont (verdeckt) Fl 22426<br />
38 Ventile für die Feuerlöscher<br />
39 4 Luftschrauben-Stellungs<strong>an</strong>zeiger 9-9500.60<br />
40 Temperatur-, Druck- und Vorrats<strong>an</strong>zeiger für die rechten Motoren<br />
Das vorliegende Foto lässt nicht alle Details erkennen. So waren vermutlich links am Pilotensitz noch weitere Geräte<br />
wie Sogregler für die Fluglage<strong>an</strong>zeigen eingebaut.<br />
Funkerraum <strong>der</strong> Dornier Do 19 V1<br />
Nr. Gerät Anzeigebereich Gerätenummer<br />
1 Momentschalter Fl 32313-1<br />
2 Warnleuchte Fl 32558 (?)<br />
3 3 Ferntrennschalter Fl 32314<br />
4 3 M-Regler für die Generatoren Fl 34239<br />
5 4 Sicherungen Fl 32360<br />
6 4 Strom<strong>an</strong>zeiger 0–60 A Fl 32501-2<br />
7 Sp<strong>an</strong>nungsmesser 0–40 V Fl 32500-2<br />
8 4 Sicherungen Fl 32360<br />
9 Umschalter Fl 32317<br />
10 Einbauplatz für Zusatzgerät<br />
11 6 Sicherungen Fl 32361<br />
12 Durchg<strong>an</strong>g zum Rumpfheck<br />
13 20 Sicherungen Fl 32361<br />
14 Schacht für die Schlepp<strong>an</strong>tenne<br />
15 Antennenhaspel AH 5 Fl 27713<br />
16 Empfänger<br />
17 Sen<strong>der</strong><br />
18 Ampèremeter für die Funk<strong>an</strong>lage<br />
19 Anodenbatterie BK 3 für Empfänger Ln 28320<br />
20 Tastgerät TG 21 Fl 26887<br />
21 Umformer Fl 27346<br />
22 Arbeitstisch<br />
Da Sen<strong>der</strong> und Empfänger mit Deckeln verschlossen sind, lässt sich die Funk<strong>an</strong>lage nicht eindeutig bestimmen. Es<br />
könnte sich bei <strong>der</strong> Do 19 V1 jedoch um eine DLH Kleinstation 378 F (FuG XXI) h<strong>an</strong>deln.<br />
konsole. Links bef<strong>an</strong>den sich die Flugüberwachungs- und Navigationsgeräte,<br />
in <strong>der</strong> Mitte und rechts die Triebwerksinstrumente. Das<br />
Steuerhorn und die wichtigsten Flugüberwachungsgeräte waren doppelt<br />
vorh<strong>an</strong>den. <strong>Die</strong> aus heutiger Sicht eher sparsame Ausstattung <strong>der</strong><br />
Do 19 V1 und auch das spart<strong>an</strong>ische Cockpit sind vermutlich auf ihre<br />
Eigenschaft als Prototyp zurückzuführen, da eine Einsatzmaschine<br />
mit Sicherheit eine erweiterte Ausrüstung mit Kurssteuerung, Funknavigations<strong>an</strong>lage<br />
und militärischer Ausstattung – wie Bombenzielgerät<br />
und Abwurfschaltkästen – mitgeführt hätte.<br />
<strong>Die</strong> vorh<strong>an</strong>denen Fotos geben jedoch einen guten Einblick in das<br />
Cockpit und den dahinterliegenden Funkerarbeitsplatz mit <strong>der</strong> elektrischen<br />
Anlage in <strong>der</strong> Do 19 V1. <strong>Die</strong> Auflistungen sind nach diesen Fotos<br />
rekonstruiert.<br />
General Walther Wever hat das unrühmliche Ende des von ihm<br />
<strong>an</strong>gestoßenen Projekts übrigens nicht mehr miterlebt. Er stürzte am<br />
3. Juni 1936 mit einer Heinkel He 70 ab und f<strong>an</strong>d dabei den Tod. ■<br />
Quellen:<br />
Frost, Günter/Kössler, Karl/Koos, Volker: »Dornier – Von den<br />
Anfängen bis 1945«. Königswinter 2010<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
47
Wacklig und risk<strong>an</strong>t: <strong>Die</strong> frühen Motorflüge<br />
wie hier mit dem Flyer III <strong>der</strong> Gebrü<strong>der</strong><br />
Wright erfor<strong>der</strong>ten starke Nerven. Dennoch<br />
eroberten in den nächsten Jahren<br />
immer mehr Fluggeräte den Himmel<br />
Foto Sammlung Wolfg<strong>an</strong>g Mühlbauer<br />
DIE ANFÄNGE DER MILITÄRLUFTFAHRT<br />
Nicht aus heiterem Himmel<br />
Als gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts immer mehr motorgetriebene<br />
Flugapparate, »schwerer als Luft«, erfolgreich flogen, erregten sie zunehmend die<br />
Aufmerksamkeit und das Interesse <strong>der</strong> Militärs<br />
Von Peter Cronauer<br />
Wilbur und Orville Wright waren<br />
frühzeitig von <strong>der</strong> militärischen<br />
Nutzbarkeit ihrer Flugmaschine<br />
überzeugt, stießen jedoch <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs bei den<br />
entsprechenden US-amerik<strong>an</strong>ischen, britischen<br />
und fr<strong>an</strong>zösischen Stellen auf taube<br />
Ohren. Womöglich lag dies <strong>an</strong> <strong>der</strong> Geheimniskrämerei<br />
<strong>der</strong> beiden Amerik<strong>an</strong>er, die aus<br />
Furcht vor geistigem <strong>Die</strong>bstahl selbst kaufwilligen<br />
Interessenten jeden Blick auf ihre<br />
Maschine und <strong>der</strong>en Konstruktionspläne<br />
verweigerten. Auch sonst nicht gerade auf<br />
Außenwirkung bedacht, entwickelten sie<br />
ihre Erfindung systematisch, aber weitgehend<br />
unter Ausschluss <strong>der</strong> neugierigen Öffentlichkeit<br />
weiter.<br />
Währenddessen machten in Europa <strong>an</strong><strong>der</strong>e<br />
von sich reden. Zum Beispiel <strong>der</strong> in Brasilien<br />
geborene Alberto S<strong>an</strong>tos Dumont, <strong>der</strong><br />
sich in Fr<strong>an</strong>kreich als Erster in die Rekordlisten<br />
<strong>der</strong> ein Jahr zuvor in Paris gegründeten<br />
»Fédération Aéronautique Internationale«<br />
eintrug. Am 12. November 1906 flog er mit<br />
seiner »14bis« offiziell gemessene 21,2 Se-<br />
28. Juni 1914 Attentat von<br />
Sarajewo<br />
1. August 1914 Deutschl<strong>an</strong>d<br />
erklärt Russl<strong>an</strong>d den Krieg<br />
1914 1915 1916<br />
48
Kräfteverhältnis*<br />
Belgien 20<br />
Fr<strong>an</strong>kreich 150<br />
Großbrit<strong>an</strong>nien 90<br />
Russl<strong>an</strong>d 155<br />
Italien 150<br />
Deutsches Reich 230<br />
Österreich-Ungarn 40<br />
*<strong>der</strong> nationalen Frontfliegerverbände<br />
Wie üblich weichen die Zahlen<strong>an</strong>gaben in<br />
den authentischen Quellen zum Teil deutlich<br />
von ein<strong>an</strong><strong>der</strong> ab; die hier wie<strong>der</strong>gegebenen<br />
Mittel werte erlauben jedoch einen realistischen<br />
Größenvergleich. Schon zu Kriegsbeginn<br />
waren die Alliierten in <strong>der</strong> Luft überlegen.<br />
kunden l<strong>an</strong>g, legte eine Strecke von 220 Metern<br />
zurück und erzielte eine Geschwindigkeit<br />
von etwas mehr als 41 km/h. Dass die<br />
Wrights bereits ein Jahr zuvor mit ihrem<br />
»Flyer III« bis zu 38 Minuten l<strong>an</strong>g in <strong>der</strong> Luft<br />
geblieben waren und Flugstrecken von bis zu<br />
39 Kilometern zurückgelegt hatten, wussten<br />
die Europäer damals nicht. <strong>Die</strong> hatten zwar<br />
gerüchteweise von Flügen zweier Brü<strong>der</strong> in<br />
den USA gehört, hielten diese aber für wenig<br />
glaubwürdig, da schon zu viele Ähnliches<br />
von sich behauptet hatten, aber jeden Beweis<br />
schuldig blieben.<br />
Gebrü<strong>der</strong> Wright verblüffen die Welt<br />
Umso größer war d<strong>an</strong>n die Überraschung,<br />
als Wilbur Wright am 8. August 1908 auf<br />
dem Gelände <strong>der</strong> kleinen Pfer<strong>der</strong>ennbahn<br />
von Hunaudières erstmals in Europa eine<br />
Wright-Maschine vorführte. Der Flug war<br />
von vergleichsweise kurzer Dauer – Rampenstart<br />
und zwei Vollkreise mit <strong>an</strong>schließen<strong>der</strong><br />
s<strong>an</strong>fter L<strong>an</strong>dung –, dennoch war die<br />
Darbietung für die ungläubig staunenden<br />
Zuschauer geradezu ein Schock. Nicht nur,<br />
dass die beiden Brü<strong>der</strong> ihr Flugzeug samt<br />
Motor und Propeller selbst entwickelt und<br />
gebaut hatten, sie hatten auch noch die<br />
Lösung für ein Problem gefunden, das europäischen<br />
Konstrukteuren und Fliegern<br />
schwer zu schaffen machte: Sie konnte die<br />
äußeren Tragflächenhinterk<strong>an</strong>ten ihres Fluggerätes<br />
unabhängig vonein<strong>an</strong><strong>der</strong> nach oben<br />
Flugwettbewerbe waren bald von Militärpiloten dominiert, etwa beim Prinz Heinrich Flug 1913<br />
durch Leutn<strong>an</strong>t C<strong>an</strong>ter auf Rumpler Eindecker<br />
Foto Sammlung Wolfg<strong>an</strong>g Mühlbauer<br />
Alternativen in <strong>der</strong> Luft: Ballone<br />
Im Jahr 1794 nutzte die fr<strong>an</strong>zösische Revolutionsarmee<br />
während <strong>der</strong> Schlacht bei Fleurus<br />
erstmals einen bem<strong>an</strong>nten Fesselballon<br />
als fliegenden Beobachtungsposten, und<br />
1849 kam es im Rahmen des 1. Italienischen<br />
Befreiungskrieges zum ersten Luft<strong>an</strong>griff<br />
<strong>der</strong> abendländischen Kriegsgeschichte,<br />
als die österreichische Armee bei <strong>der</strong> Belagerung<br />
Venedigs erstmals mit dem Wind<br />
fahrende Ballonbomben einsetzte. Im Ersten<br />
Weltkrieg dienten bem<strong>an</strong>nte Fesselballone<br />
vor allem <strong>der</strong> Aufklärung und <strong>der</strong> Schießeinweisung<br />
<strong>der</strong> Artillerie in vor<strong>der</strong>ster Front,<br />
während unbem<strong>an</strong>nte mit <strong>der</strong> zunehmenden<br />
Präsenz von Flugzeugen als Ballonsperren<br />
gute <strong>Die</strong>nste leisteten. <strong>Die</strong> Nachteile: Fesselballone<br />
waren unbeweglich, kaum steuerbar,<br />
abhängig vom Wind und äußerst verwund<br />
bar; bei Beschuss spr<strong>an</strong>g <strong>der</strong> Ballonbeobachter<br />
mit dem Fallschirm ab. ■<br />
o<strong>der</strong> unten verwinden, was die meisten <strong>der</strong><br />
in <strong>der</strong> aktuellen Fliegerei bestehenden Flug-<br />
Stabilitätsprobleme löste. Später ersetzte<br />
m<strong>an</strong> diese Vorrichtung durch Querru<strong>der</strong>,<br />
doch jetzt wurden erst einmal alle existierenden<br />
und gepl<strong>an</strong>ten Maschinen dementsprechend<br />
modifiziert.<br />
In den folgenden Jahren überschlugen sich<br />
d<strong>an</strong>n die Ereignisse: Ständig machten neue<br />
Piloten und Konstrukteure aus immer mehr<br />
Staaten von sich reden, in g<strong>an</strong>z Europa wurden<br />
die unterschiedlichsten Flugver<strong>an</strong>staltungen<br />
durchgeführt. Während dieser Ver<strong>an</strong>staltungen<br />
und auch zwischen durch gab es<br />
viele »erste Male«: <strong>der</strong> erste Flug über die Alpen,<br />
<strong>der</strong> erste Passagierflug, die erste Frau am<br />
Steuer eines Flugzeugs, <strong>der</strong> erste Nachtflug,<br />
In den folgenden Jahren überschlugen<br />
sich d<strong>an</strong>n die Ereignisse.<br />
<strong>der</strong> erste geflogene Looping, <strong>der</strong> erste Flug<br />
mit einem Passagier <strong>an</strong> Bord, das erste Wasserflugzeug,<br />
<strong>der</strong> erste Fallschirmabsprung<br />
aus einem Flugzeug, <strong>der</strong> erste Überl<strong>an</strong>dflug<br />
… Und ständig wurden neue Bestmarken erreicht:<br />
Flugdauer, Flughöhe, zurückgelegte<br />
Flugstrecke …<br />
1917 1918 1919<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
49
Der Bleriot XI f<strong>an</strong>d sowohl bei den<br />
fr<strong>an</strong>zösischen Streitkräften wie<br />
auch <strong>an</strong><strong>der</strong>norts Interesse und<br />
kam als erstes Muster zum Kriegseinsatz<br />
Foto Sammlung Wolfg<strong>an</strong>g Mühlbauer<br />
Im Juli 1909 überflog Louis Blériot in seinem<br />
Eindecker den Ärmelk<strong>an</strong>al, und ein Jahr<br />
später flog <strong>der</strong> spätere Jagdflugzeugbauer<br />
Léon Mor<strong>an</strong>e am Steuer einer Blériot-Maschine<br />
mehr als 100 km/h schnell. Zu jenem Zeitpunkt<br />
waren L<strong>an</strong>dfahrzeuge zwar immer<br />
noch doppelt so schnell, doch das Flugzeug<br />
holte weiter auf: Am Steuer einer Deperdussin<br />
überschritt Maurice Prévost beim Gordon-<br />
Bennett-Rennen im September 1913 die Marke<br />
von 200 km/h. Und auch bei <strong>der</strong> Technik<br />
wurden große Fortschritte erzielt: Neben<br />
zahlreichen technischen und aerodynamischen<br />
Neuerungen entst<strong>an</strong>den immer leistungsfähigere<br />
Motoren.<br />
Buchtipp<br />
Alternativen am Himmel: Luftschiffe<br />
Im Jahr 1852 führte Henri Giffard mit seinem<br />
zigarrenförmigen und von einer Dampfmaschine<br />
<strong>an</strong>getriebenen lenkbaren Luftschiff<br />
bei Paris erste Flüge durch, knapp ein<br />
halbes Jahrhun<strong>der</strong>t später absolvierte mit<br />
»Zeppelin Nr. 1« das erste Starrluftschiff <strong>der</strong><br />
Luftfahrtgeschichte seine Jungfernfahrt. Vor<br />
allem General Ferdin<strong>an</strong>d Graf von Zeppelins<br />
Konstruktion weckte Erwartungen seitens<br />
<strong>der</strong> Militärs, und so setzten Fr<strong>an</strong>kreich,<br />
Großbrit<strong>an</strong>nien, Italien, Russl<strong>an</strong>d und das<br />
Deutsche Reich während des Ersten Weltkriegs<br />
diverse un- o<strong>der</strong> halbstarre Kleinluftschiffe<br />
sowie größere Starrluftschiffe ein.<br />
Dabei enthielten die beiden größten deutschen<br />
Zeppeline fast 70 000 Kubikmeter<br />
Gas und konnten damit eine Nutzlast von<br />
rund 52 Tonnen tragen. Aber auch diese Gig<strong>an</strong>ten,<br />
die in erster Linie als Bombenträger<br />
und Aufklärer eingesetzt werden sollten (und<br />
auch wurden), erwiesen sich im Kriegseinsatz<br />
als zu l<strong>an</strong>gsam und verwundbar. ■<br />
Mehr zum Thema »Erster Weltkrieg« in:<br />
14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs<br />
320 Seiten, ca. 300 Abb.; ISBN: 978-3-7658-<br />
2041-0; Preis: 36,99 €; Bucher Verlag<br />
Zeppelin Luftschiff LZ 6 beim Einhallen auf dem Bodensee<br />
Foto Sammlung Wolfg<strong>an</strong>g Mühlbauer<br />
50
Parallel dazu setzte sich auch eine g<strong>an</strong>z<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>e Entwicklung in G<strong>an</strong>g: Wenige Monate<br />
vor Wilbur Wrights legendärer Flugdarbietung<br />
bei Hunaudières gel<strong>an</strong>gten die Brü<strong>der</strong><br />
nach zähen Verh<strong>an</strong>dlungen zu einem ersten<br />
Vertragsabschluss mit <strong>der</strong> US Army: <strong>Die</strong> Anf<strong>an</strong>g<br />
August 1907 gebildete Fliegerabteilung<br />
des US Army Signal Corps erwarb ein »Modell<br />
A«, das ihren Anfor<strong>der</strong>ungen gemäß zu<br />
modifizieren war. Auf diese Weise entst<strong>an</strong>d<br />
mit dem »1909 Flyer« das erste Militärflugzeug<br />
<strong>der</strong> Welt. Bereits 1909 or<strong>der</strong>te Fr<strong>an</strong>kreich<br />
für seine Artillerie und Pioniere ein Dutzend<br />
Flugzeuge verschiedener Typen, und auch die<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>en leistungsfähigen Industrienationen<br />
bildeten innerhalb kürzester Zeit eigene<br />
Frontfliegereinheiten. 1910 wurde in Döberitz<br />
bei Berlin die erste militärische Fliegerschule<br />
eingerichtet, die auch als »Lehr- und Versuchs<strong>an</strong>stalt<br />
für Militärflugwesen« diente,<br />
und im selben Jahr erhielt das Deutsche Reich<br />
sein erstes Militärflugzeug: einen fr<strong>an</strong>zösischen<br />
Farm<strong>an</strong>-Doppeldecker.<br />
Der erste Bomben<strong>an</strong>griff<br />
Im Folgejahr beteiligten sich bereits vier<br />
»Tauben« von Etrich-Rumpler und vier Albatros-Farm<strong>an</strong><br />
<strong>an</strong> den Kaiserm<strong>an</strong>övern, und<br />
bis zum Jahresende stieg die Zahl <strong>der</strong> in<br />
<strong>Die</strong>nsten <strong>der</strong> deutschen Heeresverwaltung<br />
stehenden Flugzeuge auf insgesamt 22 verschiedene<br />
Typen <strong>an</strong>.<br />
Tatsächlich gehörten beispielsweise <strong>der</strong><br />
Einbau beweglich montierter Maschinengewehre<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Abwurf kleinerer Bomben<br />
und sogen<strong>an</strong>nter »Fliegerpfeile« bereits<br />
deutlich vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs<br />
zum gewohnten Repertoire. Schon im<br />
Jahr 1911 war es d<strong>an</strong>n so weit und das Flugzeug<br />
zog in den Krieg: Der Aufklärungsflug<br />
eines in italienischen <strong>Die</strong>nsten stehenden<br />
fr<strong>an</strong>zösischen Blériot-Eindeckers im Rahmen<br />
des italienischen Tripolit<strong>an</strong>ien-Feldzuges<br />
gegen die Türken gilt mit Datum vom<br />
21. Oktober 1911 als <strong>der</strong> erste Kriegseinsatz<br />
eines Flugzeuges. Im selben Konflikt wurden<br />
vier 2-kg-Bomben aus einer ebenfalls in<br />
italienischen <strong>Die</strong>nsten stehenden Etrich-<br />
Rumpler-Taube abgeworfen. In den Balk<strong>an</strong>kriegen<br />
<strong>der</strong> Jahre 1912 bis 1913 setzten sowohl<br />
Türken als auch die gegnerischen<br />
Bulgaren, Rumänen und Serben Flugzeuge<br />
ein, und Fr<strong>an</strong>kreich, das zu jener Zeit das<br />
Fünffache des deutschen Etats für seine<br />
Luftrüstung aufbrachte, bombardierte in<br />
Marokko aufständische Eingeborene mit<br />
Br<strong>an</strong>dpfeilen o<strong>der</strong> den ersten 3-kg-Bomben<br />
<strong>der</strong> Luftkriegsgeschichte. <strong>Die</strong> dabei gesammelten<br />
Erfahrungen führten zu dem Schluss,<br />
dass die Hauptaufgabe einer Militärmaschine<br />
bis auf Weiteres in <strong>der</strong> Rolle des Aufklärers<br />
besteht, insbeson<strong>der</strong>e natürlich im<br />
Nahbereich.<br />
■<br />
Ein ungewolltes Nebenprodukt<br />
Eine Blériot in italienischen <strong>Die</strong>nsten bei<br />
Tripolis während des Italienisch-Türkischen<br />
Krieges 1911/12 Foto Sammlung Peter Cronauer<br />
Z III (LZ 12) war 1912 eines <strong>der</strong> ersten deutschen Heeresluftschiffe<br />
Frühzeitig befassten sich mehrere kluge<br />
Köpfe mit <strong>der</strong> schwierigen Kommunikation<br />
zwischen den Insassen eines fliegenden<br />
Flugzeugs und <strong>der</strong> Außenwelt. H<strong>an</strong>dzeichen,<br />
bestimmte Flugm<strong>an</strong>över o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
direkte Abwurf einer Nachricht lagen nahe.<br />
Doch darüber hinaus? In Engl<strong>an</strong>d wurde<br />
bereits im Jahr 1902 das Absetzen funk -<br />
telegrafischer Meldungen von einem Freiballon<br />
aus erprobt, doch erst 1910 wurde<br />
diese Technologie in den USA erstmals in<br />
einem Flugzeug eingesetzt, während Maurice<br />
Farm<strong>an</strong> gemeinsam mit einem Kollegen<br />
den Einsatz von drahtloser Telegrafie erwog.<br />
Louis Bréguet erprobte hingegen eine<br />
g<strong>an</strong>z <strong>an</strong><strong>der</strong>e Methode, die ihm vorgeschlagen<br />
wurde: <strong>Die</strong> Maschine sollte Morsezeichen<br />
in Form von Rauchsignalen absetzen.<br />
Das System bewährte sich nicht, bildete<br />
aber die Basis für die später entstehende<br />
hohe Kunst <strong>der</strong> »Himmelsschreiber«, die<br />
präzise nach Instrumenten flogen und mittels<br />
Rauch g<strong>an</strong>ze Sätze zu Werbezwecken<br />
in den Himmel malten.<br />
■<br />
Foto Sammlung Wolfg<strong>an</strong>g Mühlbauer<br />
Flog erstmals über 200 km/h:<br />
Deperdussin Eindecker beim<br />
Gordon-Bennet-Rennen 1913<br />
Foto Sammlung Wolfg<strong>an</strong>g Mühlbauer<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
51
SERIE<br />
Der<br />
Luftkrieg<br />
von 1939–1945<br />
<strong>Die</strong> erdrückende Überlegenheit <strong>der</strong><br />
Alliierten zeigte sich 1944 insbeson<strong>der</strong>e<br />
in <strong>der</strong> Luft. Hier ein Jagdbomber vom<br />
Typ Hawker Typhoon Mk Ib Foto RAF<br />
DIE DEUTSCHE LUFTWAFFE IM ABWEHRKAMPF<br />
Schlag auf Schlag<br />
Im Sommer 1944 war die deutsche Luftwaffe ihren Gegnern <strong>an</strong> allen Fronten zahlenmäßig<br />
deutlich unterlegen. Und ihre Lage verschlechterte sich weiterhin<br />
Von Peter Cronauer<br />
Im Verlauf ihrer am 21. Juni begonnenen<br />
Sommeroffensive zerschlug die Rote Armee<br />
innerhalb von fünf Wochen 28 Divisionen<br />
<strong>der</strong> deutschen Heeresgruppe Mitte.<br />
Für die Wehrmacht bedeutete dies den Verlust<br />
von rund 350 000 M<strong>an</strong>n, und aus ihrer<br />
Sicht klaffte nun <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Ostfront</strong> eine mehrere<br />
Hun<strong>der</strong>t Kilometer breite Lücke, durch die<br />
die Rote Armee auf breiter Front nach Westen<br />
vorstieß. <strong>Die</strong> vorh<strong>an</strong>denen Jagd- und Kampffliegerverbände<br />
<strong>der</strong> Luftwaffe hetzten in<br />
»Feuerwehreinsätzen« von einem Brennpunkt<br />
zum <strong>an</strong><strong>der</strong>en, und während sie ihren<br />
Gegnern schwere Verluste zufügten, wurden<br />
sie selbst allmählich aufgerieben. Verglichen<br />
mit <strong>der</strong> Roten Armee im Osten, kamen die<br />
westlichen Alliierten in <strong>der</strong> Norm<strong>an</strong>die <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs<br />
kaum vor<strong>an</strong>. Zwar tr<strong>an</strong>sportierten sie<br />
innerhalb von vier Wochen rund eine Million<br />
Soldaten nach Fr<strong>an</strong>kreich, doch trotz enormer<br />
materieller Überlegenheit und massivs-<br />
1.9.1939 Polenfeldzug,<br />
Beginn des Zweiten Weltkriegs<br />
10.5.1940 Westfeldzug<br />
9.4.1940 Unternehmen<br />
»Weserübung«<br />
10.7.–31.10.1940 »Luftschlacht«<br />
um Engl<strong>an</strong>d<br />
22.6.1941 Deutscher<br />
Angriff auf die UdSSR<br />
7.12.1941 Jap<strong>an</strong>ischer<br />
Überfall auf Pearl Harbor<br />
1939 1940 1941 1942<br />
52
ter Luftunterstützung bei den harten und für<br />
alle Beteiligten äußerst verlustreichen Kämpfen<br />
gel<strong>an</strong>g ihnen bis Mitte Juli kein entscheiden<strong>der</strong><br />
Erfolg. Und das, obwohl die alliierten<br />
Luftstreitkräfte zur Unterstützung <strong>der</strong><br />
eigenen Bodentruppen sogar schwere Bomberverbände<br />
einsetzten, die beispielsweise<br />
am 1. Juli bei Villers Bocage schon mal eine<br />
einzige Straßenkreuzung mit 1000 Tonnen<br />
Bomben belegten.<br />
Einer <strong>der</strong> schwersten <strong>der</strong>artigen taktischen<br />
Luft<strong>an</strong>griffe ereignete sich am 7. und 8. Juli am<br />
nördlichen Stadtr<strong>an</strong>d von Caen. Hier hatte das<br />
deutsche Abwehrfeuer zahlreiche Vorstöße<br />
<strong>der</strong> 1. k<strong>an</strong>adischen und 2. britischen Armee<br />
verlustreich zum Stehen gebracht, weshalb<br />
das Bomber Comm<strong>an</strong>d <strong>der</strong> RAF ein vier Kilometer<br />
breites und <strong>an</strong><strong>der</strong>thalb Kilometer tiefes<br />
rechteckiges Areal ins Visier nahm, um den<br />
Bodentruppen doch noch den Weg zu ebnen.<br />
Dichter Bombenteppich<br />
447 schwere Bomber <strong>der</strong> Typen L<strong>an</strong>caster und<br />
Halifax warfen innerhalb von 40 Minuten nahezu<br />
2300 Tonnen Bomben – rein rechnerisch<br />
2,6 Kilogramm pro Quadratmeter – in das<br />
von »Oboe«-bestückten Mosquitos markierte<br />
Zielgebiet. Zum Schutz <strong>der</strong> eigenen Truppen<br />
lag <strong>der</strong> Bombenteppich fünf bis sechs<br />
Kilometer vor <strong>der</strong>en eigenen Stellungen.<br />
Deutsche Jäger ließen sich dabei nicht blicken,<br />
einzig die Flak schoss eine L<strong>an</strong>caster ab. Nach<br />
dem Angriff lag <strong>der</strong> Nordteil von Caen in<br />
Trümmern, mehrere Hun<strong>der</strong>t Einwohner waren<br />
ums Leben gekommen, doch die deutschen<br />
Truppen, <strong>der</strong>en Kräfte hauptsächlich<br />
nördlich <strong>der</strong> Abwurfzone lagen, hatten nur<br />
geringe Verluste erlitten. An<strong>der</strong>e <strong>der</strong>artige<br />
Angriffe waren eher von Erfolg gekrönt. Wurden<br />
Nachschubkolonnen, Stellungen o<strong>der</strong><br />
Feldflugplätze mit ähnlichen Bombentep -<br />
pichen belegt, blieb selten ein Stein auf dem<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>en. Dennoch erwiesen sich strategische<br />
Luft<strong>an</strong>griffe schwerer Bomberverbände<br />
in Frontnähe als zweischneidiges Schwert:<br />
Mehrfach gerieten eigene Bodentruppen in<br />
den Bombenhagel, auch wurde die neu geschaffene<br />
Kraterl<strong>an</strong>dschaft häufig zur Barrie-<br />
Nachtjagdverbände wie das NJG 2<br />
gerieten durch den alliierten Vormarsch<br />
zunehmend in Bedrängnis – hier eine<br />
He 219 A <strong>der</strong> I./NJG 2 mit FuG 220<br />
Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus<br />
Nervenaufreibend:<br />
US-Bomber Boeing B-17<br />
umringt von Flak-Sprengwolken<br />
Foto US Air Force<br />
<strong>Die</strong> fr<strong>an</strong>zösische Stadt Vire<br />
nach dem Angriff durch alliierte<br />
Bomber im Juli 1944 Foto RAF<br />
2.2.1943 Unterg<strong>an</strong>g <strong>der</strong><br />
6. Armee in Stalingrad<br />
5.7.1943 Unternehmen<br />
»Zitadelle«<br />
6.6.1944 D-Day<br />
1943 1944 1945<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
53
SERIE<br />
Der<br />
Luftkrieg<br />
von 1939–1945<br />
Um die Stadt Caen entbr<strong>an</strong>nten im<br />
Juli 1944 heftige Kämpfe, die schwere<br />
Zerstörungen nach sich zogen<br />
Foto Sammlung Herbert Ringlstetter<br />
re für den eigenen Vormarsch o<strong>der</strong> bot dem<br />
Gegner zusätzliche Deckung.<br />
Erst Ende Juli, Anf<strong>an</strong>g August gel<strong>an</strong>g<br />
P<strong>an</strong>zerdivisionen <strong>der</strong> US-Armee <strong>der</strong> entscheidende<br />
Durchbruch bei St.-Lô – auch als<br />
»Durchbruch bei Avr<strong>an</strong>che« bezeichnet –, den<br />
alliierte Jagdbomber mit Luft-Boden-Raketen<br />
massiv unterstützten. Der wenige Nächte später<br />
begonnene deutsche Gegen<strong>an</strong>griff scheiterte<br />
bei Sonnenaufg<strong>an</strong>g, als <strong>an</strong>stelle <strong>der</strong> zugesagten<br />
und sehnlichst erwarteten deutschen<br />
Jagdflugzeuge britische Hawker Typhoon erschienen<br />
und innerhalb von wenigen Minuten<br />
rund 90 P<strong>an</strong>zer und 200 weitere deutsche Fahrzeuge<br />
vernichteten. Dass ein starker P<strong>an</strong>zerverb<strong>an</strong>d<br />
ausschließlich durch Luft<strong>an</strong>griffe mit<br />
Luft-Boden-Raketen aufgerieben wurde, war<br />
ein weiteres Novum in <strong>der</strong> bisherigen Luftkriegsgeschichte.<br />
Dabei dr<strong>an</strong>g kein deutscher<br />
Jäger bis zum Ort des Geschehens durch, die<br />
meisten wurden gleich nach dem Start in Luftkämpfe<br />
verwickelt und abgeschossen. Derartige<br />
Ereignisse brachten den Oberbefehlshaber<br />
Auf Erprobungsflug in Großbrit<strong>an</strong>nien: <strong>Die</strong> am 13. Juli 1944<br />
versehentlich in Woodbridge gel<strong>an</strong>dete Junkers Ju 88 G-1,<br />
W.Nr. 712273, <strong>der</strong> III./NJG 2 mit FuG 220 Lichtenstein SN 2<br />
Foto Sammlung Herbert Ringlstetter<br />
West, Generalfeldmarschall Günther von Kluge,<br />
zu dem Schluss, dass er <strong>an</strong>gesichts <strong>der</strong> völligen<br />
Beherrschung des Luftraumes durch die<br />
feindlichen Luftstreitkräfte »keinen Weg sehe,<br />
eine Strategieform zu finden, die, wenn wir uns<br />
nicht vom Schlachtfeld zurückziehen, ihre vernichtende<br />
Wirkung aufhebt«. Nach dem<br />
»Durchbruch bei Avr<strong>an</strong>che« und dem Ende <strong>der</strong><br />
deutschen 7. Armee im »Kessel von Falaise«,<br />
wobei ebenfalls schwere alliierte Bomberverbände<br />
zum Einsatz kamen – seitens <strong>der</strong> RAF<br />
sogar bei Nacht –, brachen aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong><br />
deutschen Wehrmacht im Westen alle Dämme.<br />
Der Zusammenbruch <strong>der</strong> deutschen Front in<br />
Fr<strong>an</strong>kreich hatte schwerwiegende Folgen für<br />
die Reichsverteidigung: 20 Tagjagdgruppen,<br />
ein Nachtjagdgeschwa<strong>der</strong> und mehrere Flakbatterien<br />
lagen nun in Holl<strong>an</strong>d und in unmit-<br />
telbarer Nähe <strong>der</strong> Reichsgrenze. Für aus westlicher<br />
Richtung <strong>an</strong>fliegende Feindverbände gab<br />
es kaum noch eine Vorwarnzeit, allenfalls über<br />
holländischem Gebiet konnten Anflüge noch<br />
rechtzeitig gemeldet werden, das Ruhrgebiet<br />
war alliierten Luft<strong>an</strong>griffen völlig ausgeliefert.<br />
Ein P<strong>an</strong>zerverb<strong>an</strong>d ausschließlich durch<br />
Luft<strong>an</strong>griffe aufgerieben war ein Novum.<br />
Ein fataler Irrtum<br />
Zugleich verschärfte ein vergleichsweise harmloses<br />
Ereignis die Lage <strong>der</strong> deutschen Nachtjagd<br />
zusätzlich. Pilot Officer W. D. Raymond<br />
schil<strong>der</strong>te das Geschehen vom 13. Juli 1944:<br />
»Kurz nach Sonnenaufg<strong>an</strong>g, gegen 4:30 Uhr –<br />
<strong>der</strong> Nebel lag noch über unserem Stützpunkt<br />
Woodbridge in Suffolk –, kündigten Motorengeräusche<br />
von <strong>der</strong> Nordseeküste her ein sich<br />
näherndes Flugzeug <strong>an</strong>. <strong>Die</strong> Maschine drehte<br />
einige Runden über dem Flugplatz, und da ich<br />
sie für eine <strong>der</strong> Mosquitos hielt, die sich bei <strong>der</strong><br />
Rückkehr von ihren Missionen über Europa<br />
immer wie<strong>der</strong> zu uns verirrten, zog ich meine<br />
Leuchtpistole und schoss mit grünen Signalkugeln<br />
die L<strong>an</strong>deerlaubnis. Als hätte die Maschine<br />
nur darauf gewartet, setzte sie sofort auf<br />
und rollte durch Nebelschwaden über die L<strong>an</strong>debahn.<br />
<strong>Die</strong> Motoren wurden ausgeschaltet,<br />
ich stieg in unseren großen Wagen, mit dem<br />
wir die Besatzungen stets abholten, und kutschierte<br />
in Richtung Maschine, die sich im Nebel<br />
als dunkle Silhouette abzeichnete. Ich stutzte,<br />
als mir drei Besatzungsmitglie<strong>der</strong><br />
entgegenkamen – die Mosquito hatte ja nur<br />
zwei –, fuhr näher her<strong>an</strong> und erk<strong>an</strong>nte wahrhaftig<br />
drei deutsche Flieger, die genauso überrascht<br />
waren wie ich. Ich zog meine Pistole,<br />
und sie ergaben sich wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>dslos.«<br />
<strong>Die</strong> Maschine, die P/O Raymond im Morgennebel<br />
für eine Mosquito gehalten hatte, erwies<br />
sich als <strong>der</strong> erst vor zwei Monaten in<br />
<strong>Die</strong>nst gestellte neueste Nachtjäger vom Typ<br />
Junkers Ju 88 G-1, ausgerüstet mit den neuesten<br />
und <strong>der</strong> britischen Seite bisl<strong>an</strong>g völlig unbek<strong>an</strong>nten<br />
Funk- und Bord-Radargeräten. <strong>Die</strong><br />
junge und noch unerfahrene Besatzung gehörte<br />
<strong>der</strong> 7. Staffel des Nachtjagdgeschwa<strong>der</strong>s 2 <strong>an</strong>,<br />
hatte über <strong>der</strong> Nordsee patrouilliert und sich<br />
beim Heimflug hoffnungslos verfr<strong>an</strong>zt. Laut<br />
Raymond hatten die Jungen sogar noch Glück<br />
im Unglück, denn »als unser Bodenpersonal eine<br />
Benzinprobe zur Untersuchung entnehmen<br />
wollte, war kein Treibstoff mehr im T<strong>an</strong>k.«<br />
Der Radarspezialist Reginald Victor Jones<br />
und <strong>an</strong><strong>der</strong>e Experten eilten umgehend herbei,<br />
am Nachmittag desselben Tages wurde die<br />
deutsche Maschine nach Farnborough übergeführt<br />
und dort eingehend erprobt und untersucht.<br />
Zwar hatte <strong>der</strong> britische Secret Inelligence<br />
Service bei <strong>der</strong> Befragung von<br />
54
Kriegsgef<strong>an</strong>genen vom Lichtenstein SN-2<br />
und <strong>an</strong><strong>der</strong>en neuen Bordradargeräten gehört,<br />
Einzelheiten waren jedoch bisl<strong>an</strong>g nicht bek<strong>an</strong>nt.<br />
Somit wurde die Untersuchung des<br />
deutschen Nachtjägers zu einem bösen Erwachen<br />
für das britische Bomber Comm<strong>an</strong>d: So<br />
bewirkte ausgerechnet das Radarwarngerät<br />
»Monica«, dessen Pieptöne Bomberbesatzungen<br />
vor sich nähernden deutschen Nachtjägern<br />
warnen sollte, das genaue Gegenteil.<br />
Verteidiger werden »blind«<br />
Das deutsche »Flensburg«-Gerät nutzte die<br />
Ausstrahlungen von »Monica« und führte die<br />
deutschen Nachtjäger erst recht <strong>an</strong> die RAF-<br />
Bomber her<strong>an</strong>. Und das deutsche »Naxos«-Gerät<br />
ortete die Impulse des britischen Zielfindungsradars<br />
»H2S« auf eine Entfernung von<br />
150 Kilometern … Erkenntnisse wie diese erklärten<br />
den seit dem Herbst 1943 zunehmenden<br />
Erfolg <strong>der</strong> deutschen Nachtjagd und versetzten<br />
das britische Bomber Comm<strong>an</strong>d in<br />
helle Aufregung. Air Marshall Harris ließ umgehend<br />
sämtliche »Monica«-Geräte aus den<br />
Flugzeughecks ausbauen, wies die Besatzungen<br />
<strong>an</strong>, Geräte zur Freund-Feind-Erkennung<br />
nur im äußersten Notfall einzuschalten und<br />
das »H2S«-Gerät erst d<strong>an</strong>n zu aktivieren, wenn<br />
sich die Maschinen bereits in <strong>der</strong> Reichweite<br />
deutscher Boden-Radarstationen befinden. <strong>Die</strong><br />
Wie viel kostete <strong>der</strong> Abschuss eines Bombers?<br />
Luft-Boden-Rakete einer Typhoon <strong>der</strong> No 181<br />
Squadron auf dem Weg ins Ziel Foto RAF<br />
wichtigste Erkenntnis brachte jedoch die Untersuchung<br />
des »Lichtenstein SN-2«, das auf<br />
<strong>der</strong> Frequenz von 85 Megaherz arbeitete. Zehn<br />
Tage nach <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dung in Woodbridge setzten<br />
RAF-Bomber erstmals speziell darauf zugeschnittene<br />
Window-, beziehungsweise Düppel-Streifen<br />
ein, während Jones unter Hochdruck<br />
einen bald serienmäßig produzierten<br />
Störsen<strong>der</strong> entwickelte. Nun wie<strong>der</strong>holte sich<br />
aus einem Irrtum heraus, wozu es 1943 schon<br />
einmal gekommen war, als eine desertierende<br />
Besatzung die damals neueste deutsche Funkmesstechnik<br />
den Briten übergab: <strong>Die</strong> deutsche<br />
Nachtjagd wurde blind.<br />
■<br />
Anf<strong>an</strong>g August 1944 war das Personal <strong>der</strong><br />
Flakartillerie in <strong>der</strong> Reichsverteidigung auf<br />
rund eine Million M<strong>an</strong>n <strong>an</strong>gewachsen, die<br />
sich aus Soldaten, jugendlichen Luftwaffen<br />
helfern, Mädchen, Frauen und Kriegs -<br />
gef<strong>an</strong>genen zusammensetzten. Zugleich<br />
st<strong>an</strong>den so viele Flugabwehr-Batterien im<br />
Einsatz wie nie zuvor: 154 schwere, 644<br />
mittlere und leichte Einheiten, 376 Scheinwerfer-<br />
und 57 Luftsperrbatterien. Allerdings<br />
war ein Großteil <strong>der</strong> Geschütze inzwischen<br />
veraltet und litt unter dem Dauereinsatz.<br />
Auf den Abschuss eines viermotorigen<br />
alliierten Bombers kamen im Durchschnitt<br />
4940 Schuss <strong>der</strong> leichten und<br />
3343 Schuss <strong>der</strong> schweren Flak, die Munitionskosten<br />
hierfür betrugen beachtliche<br />
267 440 Reichsmark. ■<br />
Helios<br />
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Luftkrieg über Front<br />
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MODELLBAU<br />
Andreas Höhne baute die Spitfire Mk.IIa<br />
P7665 aus dem Revell Testshot, die<br />
ohne Antennendraht ausgerüstet war<br />
SUPERMARINE SPITFIRE MK.IIA VON REVELL IN 1:32<br />
Legendäre Spitfire in neuen Formen<br />
Da erging es Revell doch glatt wie echten Der Bausatz präsentiert sich in <strong>der</strong> üblichen schiedenen Positionen <strong>an</strong>gebaut werden. <strong>Die</strong><br />
Flugzeugbauern: Im Herbst 2013 wollte Faltschachtel mit einem eindrucksvollen Deckelbild.<br />
Einstiegsklappe zum Pilotensitz k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong><br />
<strong>der</strong> Hersteller eine neue Spitfire im Großmaßstab<br />
1:32 in die Läden bringen, doch Revell<br />
musste aufgrund von Konstruktionsproblemen<br />
den Termin auf Mai 2014 verschieben. FLUG-<br />
ZEUG <strong>CLASSIC</strong> hatte indes das Privileg, einen<br />
Testshot zu bekommen, den Modellbauer Andreas<br />
Höhne sofort in Angriff nahm.<br />
<strong>Die</strong> 115 Bauteile sind gratfei auf 16<br />
Spritzgussrahmen verteilt und weisen sehr gut<br />
gravierte und feine Oberflächenstrukturen auf.<br />
Das Cockpit allein besteht aus 43 Teilen. Bei geschickter<br />
Bemalung stellt es bereits ein eigenes<br />
Modell dar! Sämtliche Ru<strong>der</strong>flächen und Klappen<br />
sind einzeln beigelegt und können in ver-<br />
ausschneiden, wodurch m<strong>an</strong> einen tollen Einblick<br />
ins Cockpit erhält. Etwas unstimmig zeigt<br />
sich allerdings die Nietenstruktur, vor allem im<br />
Motorbereich. Aber diese erhabenen Nieten<br />
können leicht verschliffen werden.<br />
<strong>Die</strong> beiden Baumöglichkeiten des Modells<br />
unterscheiden sich nicht nur bei den Kennun-<br />
In dieser »Flug<strong>an</strong>sicht«<br />
erkennt m<strong>an</strong><br />
die stark mitgenommene<br />
Unterseite <strong>der</strong><br />
Spitfire<br />
Modell Andreas Höhne<br />
Ein Bausatz für sich:<br />
Erfahrene Modellbauer<br />
können das Cockpit<br />
im hohen Maße<br />
detailieren<br />
Foto und Modell D. Wiegm<strong>an</strong>n<br />
Fotos, soweit nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s <strong>an</strong>gegeben, Othmar Hellinger; Modelle Andreas Höhne und <strong>Die</strong>ter Wiegm<strong>an</strong>n<br />
56
Modellbau-News<br />
REVELL<br />
U.S. Legends: 8th Air<br />
Force Gift Set in 1:72<br />
(Kit: 05794). Mit <strong>der</strong><br />
Geschenkbox lassen sich<br />
aus den insgesamt 337<br />
Teilen drei Flugzeuge <strong>der</strong><br />
8th USAAF bauen. <strong>Die</strong><br />
Kits sind als Einzelbausätze in den Jahren zuvor<br />
schon auf den Markt gekommen und wurden jetzt<br />
mit neuen Decals für diese Box ausgestattet. Mit<br />
den tollen Abziehbil<strong>der</strong>n k<strong>an</strong>n jeweils eine Maschine<br />
gebaut werden. Farben, Pinsel und Kleber sind mit<br />
enthalten. Preis: 36,99 €<br />
<strong>Die</strong> Oberflächentarnung aus Dark Green und Dark Earth, mit entsprechenden Alterungsspuren<br />
versehen<br />
Modell Andreas Höhne<br />
AIRFIX/GLOW2B<br />
Avro L<strong>an</strong>caster B.1<br />
(F.E.)/B.III in 1:72 (Kit:<br />
A08013). <strong>Die</strong> Englän<strong>der</strong><br />
bringen die vierte Vari -<br />
<strong>an</strong>te des berühmten<br />
Bombers aus neuen Formen heraus. Der Kit<br />
besitzt recht <strong>an</strong>sprechende Oberflächen -<br />
gravuren, ein gut eingerichtetes Cockpit, Bombenschacht<br />
und auch Pilotenfiguren. Mit den tollen<br />
Decals lassen sich zwei englische Maschinen<br />
bauen. Preis: 37,99 €<br />
gen, son<strong>der</strong>n auch bei <strong>der</strong> Antennen<strong>an</strong>ordnung.<br />
So ist bei <strong>der</strong> QV-J <strong>der</strong> Antennendraht<br />
zu ziehen, bei <strong>der</strong> YT-L hingegen nicht. <strong>Die</strong>s ist<br />
auch durch Originalbil<strong>der</strong> belegt. Der Bau <strong>der</strong><br />
Modelle ging recht zügig vor<strong>an</strong> und nur <strong>an</strong> ein<br />
paar Stellen war ein wenig Spachtel nötig.<br />
Nach einer Grundierung kam die Lackierung<br />
aus Dark Earth und Dark Green auf die Oberund<br />
Sky auf die Unterseite. Am Ende folgten<br />
noch die Alterungsspuren und eine matte<br />
Klarlackschicht. Fazit: Der Bausatz ist absolut<br />
empfehlenswert, nicht zuletzt aufgrund <strong>der</strong><br />
gelungenen Decals – viel Bastelspaß für einen<br />
günstigen Preis.<br />
Othmar Hellinger<br />
Modellbausatz: Supermarine<br />
Spitfire Mk.IIa<br />
Kit-Nr.: 03986<br />
Maßstab: 1:32<br />
Hersteller: Revell<br />
Preis: 24,99 €<br />
Kommentar: Neuer Spritzgussbausatz,<br />
115 Bauteile<br />
Plus: Gratfreie Bauteile, tolle Oberflächen,<br />
sehr detailliertes Cockpit, gutes<br />
Fahrwerk, bewegliche Ru<strong>der</strong>flächen und<br />
einzelne Start- und L<strong>an</strong>deklappen, tolle<br />
Abziehbil<strong>der</strong> für zwei Maschinen<br />
Minus: Teilweise nicht nachvollziehbare<br />
Nietenstruktur am Rumpf<br />
ACADEMY/ACADEMY-<br />
EUROPE<br />
Spitfire Mk.XIVc & Typhoon<br />
Mk.Ib D-Day Edition bzw.<br />
Fw190A-8 & P-47D D-Day<br />
Edition in 1:72 (Kit: 12512<br />
beziehungsweise 12513).<br />
Der Hersteller aus Fernost bringt zum 70.<br />
Jahrestag des D-Days gleich zwei Doppel-Kits in<br />
limitierter Auflage her aus. <strong>Die</strong> bek<strong>an</strong>nten Bausätze<br />
weisen gute Gravu ren auf und es lassen sich<br />
mit den Decals mehrere Maschinen <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Muster bauen, darunter die Fw190 von »Pips«<br />
Priller. Preis: 23,90 € beziehungsweise 25,90 €<br />
AIRFIX/GLOW2B<br />
Messerschmitt Bf 109G-<br />
6 in 1:72 Limited Edi -<br />
tion (Kit: A02029A).<br />
Eine weitere Vari<strong>an</strong>te <strong>der</strong><br />
»109« kommt aus<br />
neuen Formen von den Briten. <strong>Die</strong> 41 gut<br />
gefertigten Bauteile besitzen gute Gravuren <strong>an</strong><br />
den Oberflächen und ein <strong>an</strong>sprechendes Cockpit<br />
mit Piloten figur. Mit den Decals lassen sich zwei<br />
Bf 109 bauen. Preis: 9,99 €<br />
<strong>Die</strong> Spitfire Mk.IIa P7849, mit einem Antennendraht ausgestattet<br />
Foto und Modell D. Wiegm<strong>an</strong>n<br />
ICM/FALLER<br />
Do 215 B-4 Deutsches Auf -<br />
klärungsflugzeug in 1:48<br />
(Kit: 48241). <strong>Die</strong> über 200<br />
Teile füllen den Karton bis<br />
oben hin und erfreuen uns<br />
mit tollen und feinen Gravu -<br />
ren <strong>an</strong> den Oberflächen. Das Cockpit ist gut ausge -<br />
rüstet. Mehrere Ru<strong>der</strong> sind separat beigelegt und<br />
können in verschiedenen Positionen <strong>an</strong>gebaut wer -<br />
den. <strong>Die</strong> Decals lassen den Bau von vier Maschinen<br />
zu. Preis: ca. 35,00 €<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
57
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TERMINE / MUSEUMSTIPP<br />
TERMINE 2014<br />
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ÖSTERREICH UND SCHWEIZ<br />
AUGUST<br />
23. August<br />
Must<strong>an</strong>g Fly-&-Drive-In, Flughafen<br />
Neubr<strong>an</strong>denburg-Trollenhagen,<br />
www.funneubr<strong>an</strong>denburg.de<br />
23. August<br />
Hunterfest, St. Steph<strong>an</strong>, Schweiz,<br />
www.hunterverein.ch<br />
23. August<br />
Tag <strong>der</strong> offenen Tür mit Flugvorführungen –<br />
Jagdgeschwag<strong>der</strong> 73, Fliegerhorst Laage,<br />
www.airshow-laage.de<br />
30./31. August<br />
Flugplatzfest 100 Jahre, Aachen Merzbrück,<br />
www.facebook.com/orgateam.merzbruck/<br />
about<br />
31. August<br />
Flugtag, Verkehrsl<strong>an</strong>deplatz Bad G<strong>an</strong><strong>der</strong>sheim,<br />
www.flugplatz-bad-g<strong>an</strong><strong>der</strong>sheim.de<br />
30./31. August<br />
Flugplatzfest, Son<strong>der</strong>l<strong>an</strong>deplatz Albstadt-<br />
Degerfeld, www.lsv-degerfeld.de<br />
30./31. August<br />
Flugtage, Segelfluggelände Cham-J<strong>an</strong>ahof,<br />
www.ssv-cham.de<br />
30./31. August<br />
AIR 14 Teil I – 100 Jahre Schweizer<br />
Luftwaffe, Fliegerhorst Payerne, Schweiz,<br />
www.lw.admin.ch/internet/luftwaffe/de/<br />
home/themen/100jahre.html<br />
SEPTEMBER<br />
6./7. September<br />
Flugplatzfest, Son<strong>der</strong>l<strong>an</strong>deplatz Elz,<br />
www.edfy.de<br />
6./7. September<br />
Flugplatzfest, Son<strong>der</strong>l<strong>an</strong>deplatz Wershofen/<br />
Eifel, www.flugtag-wershofen.de<br />
6./7. September<br />
Flugtag, Verkehrsl<strong>an</strong>deplatz Pirmasens,<br />
www.flugtag-pirmasens.de<br />
6./7. September<br />
AIR 14 Teil II – 100 Jahre Schweizer Luftwaffe,<br />
Fliegerhorst Payerne, Schweiz,<br />
www.lw.admin.ch/internet/luftwaffe/de/<br />
home/themen/100jahre.html<br />
13./14. September<br />
Flugplatzfest, Verkehrsl<strong>an</strong>deplatz Pfullendorf,<br />
www.fsv-pfullendorf.de<br />
NOVEMBER<br />
8. November<br />
37. Internationale Flugzeug-Veter<strong>an</strong>en-<br />
Teile-Börse, Technik Museum Speyer,<br />
Peter Seelinger,<br />
pseelinger@t-online.de<br />
EUROPA<br />
AUGUST<br />
16./17. August<br />
Red Bull Air Race, Ascot, Großbrit<strong>an</strong>nien,<br />
www.redbullairrace.com<br />
15.–17. August<br />
Oldtimer Fly-In, Schaffen-<strong>Die</strong>st, Belgien,<br />
www.flyin.dac.be<br />
23./24. August<br />
Stearm<strong>an</strong> Fly-In, La Ferte Alais/Cerny,<br />
Fr<strong>an</strong>kreich, www.stearm<strong>an</strong>.fr<br />
24. August<br />
Airshow, Jesolo (Str<strong>an</strong>d), Italien,<br />
www.jesoloairshow.it<br />
29. August<br />
Airshow, Roskilde, Dänemark,<br />
www.airshow.dk<br />
30./31. August<br />
Flugtage, Cheb (Eger), Tschechien,<br />
www.letistecheb.cz<br />
30./31. August<br />
Airshow SIAF 2014, Sliac, Slowakei,<br />
www.siaf.sk<br />
SEPTEMBER<br />
6./7. September<br />
Airshow, Prestwick, Schottl<strong>an</strong>d,<br />
www.scottishairshow.com<br />
6./7. September<br />
The Duxford Airshow, Duxford,<br />
Großbrit<strong>an</strong>nien, www.iwm.org.uk<br />
6./7. September<br />
CIAF Airshow, Hradec Kralove, Tschechien,<br />
www.airshow.cz<br />
13./14. September<br />
Belgi<strong>an</strong> Air Force Days,<br />
Kleine Brogel Airbase, Belgien,<br />
www.belgi<strong>an</strong>airforcedays.be<br />
20./21. September<br />
Airshow, Bardolino, Italien,<br />
www.bardolinoairshow.it<br />
21. September<br />
Luftfahrtbörse, Flughafen Strasbourg-<br />
Entzheim/Frachtgebäude, Fr<strong>an</strong>kreich,<br />
www.aileshistoriquesdurhin.fr<br />
27./28. September<br />
Internationale Airshow, Malta Int. Airport,<br />
www.maltaairshow.com<br />
OKTOBER<br />
3.–5. Oktober<br />
Nostalgierundflüge mit Junkers Ju-52,<br />
Son<strong>der</strong>l<strong>an</strong>deplatz Oberschleißheim,<br />
www.ju-52.com<br />
11. Oktober<br />
Herbst Airshow, Duxford, Großbrit<strong>an</strong>nien,<br />
www.iwm.org.uk<br />
WELTWEIT<br />
AUGUST<br />
30. August–1. September<br />
Airshow, Toronto, K<strong>an</strong>ada, www.cias.org<br />
SEPTEMBER<br />
10.–14. September<br />
Airrace, Reno, Nevada, USA,<br />
www.airrace.org<br />
20./21. September<br />
Airshow, Naval Air Station Oce<strong>an</strong>a, Virginia,<br />
USA, www.oce<strong>an</strong>aairshow.com<br />
OKTOBER<br />
11./12. Oktober<br />
Airshow <strong>der</strong> Commemorative Air Force CAF,<br />
Midl<strong>an</strong>d, Texas, USA, www.airsho.org<br />
25./26. Oktober<br />
Airshow, Naval Air Station Jacksonville,<br />
Florida, USA, www.nasjaxairshow.com<br />
NOVEMBER<br />
1./2. November<br />
Airshow, Houston – Ellington Airport, Texas,<br />
USA, www.wingsoverhouston.com<br />
7.–9. November<br />
Blue Angels Homecoming Airshow,<br />
Naval Air Station Pensacola, Florida, USA,<br />
www.naspensacolaairshow.com<br />
11.–16. November<br />
Airshow, Zhuhai, China,<br />
www.airshow.com.cn<br />
Alle Angaben sind ohne Gewähr.<br />
Kurzfristige Än<strong>der</strong>ungen treten häufig ein,<br />
eventuell beim Ver<strong>an</strong>stalter nachfragen!<br />
Sie pl<strong>an</strong>en eine Ver<strong>an</strong>staltung?<br />
Teilen Sie uns diese bitte möglichst frühzeitig mit:<br />
Fax: 0951/428 23, E-Mail: j<strong>an</strong>luftfahrt@aol.com,<br />
Alex<strong>an</strong><strong>der</strong> Nüßlein, j<strong>an</strong>luftfahrt.de<br />
BÜCHER<br />
STENMAN / EHRENGARDT<br />
Asse auf <strong>der</strong> MS.406<br />
STEVE GINTER<br />
Ikone <strong>der</strong> Flugboote<br />
MS.406 Aces<br />
Osprey Aircraft of the Aces 121<br />
In englischer Sprache<br />
96 S., 70 s/w-Fotos, 32 Farbprofile.<br />
Osprey Publishing.<br />
ISBN 978-1-78200-343-4.<br />
Preis: 18,50 €<br />
Bezugsquelle: Sound.<br />
Tel. 0177/288 29 68.<br />
www.sound-bm.com<br />
Der gleichnamige Jäger von Mor<strong>an</strong>e<br />
Saulnier war das erste mo<strong>der</strong>ne und zu<br />
Beginn des Zweiten Weltkrieges zahlenmäßig<br />
wichtigste Jagdflugzeug <strong>der</strong> Armée<br />
de l’Air. Es kam über Westeuropa,<br />
Nordafrika sowie kurzzeitig sogar im<br />
fernen Osten zum Einsatz. D<strong>an</strong>eben<br />
kämpften vor allem die finnischen Luftstreitkräfte<br />
mit <strong>der</strong> MS.406. Solide gemacht<br />
und in kompakter Form, legt das<br />
Autorenduo dieser renommierten Heftreihe<br />
eine inter ess<strong>an</strong>te Betrachtung zur<br />
Einsatzgeschichte <strong>der</strong> MS.406 und ihrer<br />
erfolgreichsten Piloten vor – adäquat illustriert<br />
mit Fotos sowie 32 Farbprofilen.<br />
Fazit: prima Überblick zum Thema. WM<br />
Sein jüngstes Werk widmet <strong>der</strong> renommierte<br />
Autor Steve Ginter einer Ikone<br />
des amerik<strong>an</strong>ischen Flugbootbaus. <strong>Die</strong><br />
zweimotorige PBM Mariner mit ihrem<br />
charakteristischen Knickflügel diente<br />
vor allem zur U-Boot-Abwehr und als<br />
Seenotretter, und das nicht nur während<br />
des Zweiten Weltkrieges. Wie in dieser<br />
Publikationsreihe üblich, sind insbeson<strong>der</strong>e<br />
die einzelnen Baureihen sowie die<br />
jeweiligen Einsatzverbände ausführlich<br />
beschrieben. Und wie immer gibt es dazu<br />
sehr viel ausgezeichnetes Bildmaterial<br />
samt einer Reihe technischer Illustrationen,<br />
was nicht zuletzt Modellbauer<br />
freuen wird.<br />
WM<br />
Martin PBM Mariner<br />
Naval Fightes Number 97<br />
In englischer Sprache<br />
256 S., Softcover. 760 s/w-<br />
Fotos und 61 Zeichnungen.<br />
Steve Ginter.<br />
ISBN 978-0-9892583-2-6.<br />
Preis: 42,50 €<br />
Bezugsquelle: Sound.<br />
Tel. 0177/288 29 68.<br />
www.sound-bm.com<br />
60
Der Eing<strong>an</strong>g zum Ausstellungsh<strong>an</strong> -<br />
gar ist von zwei 40-mm-Bofors-Flak<br />
fl<strong>an</strong>kiert<br />
Höhepunkt <strong>der</strong> Ausstellung ist <strong>der</strong> von Joh<strong>an</strong>n Kälbl nachgebaute Rumpf einer He 162 A<br />
<strong>Die</strong> seit zehn Jahren bestehende Ausstellung<br />
wird vom Heeresgeschichtlichen<br />
Museum Wien als Außenstelle auf dem Fliegerhorst<br />
Zeltweg betrieben. Auf 5000 Quadratmetern<br />
wird die Geschichte <strong>der</strong> österreichischen<br />
Luftstreitkräfte vorgestellt. Zu<br />
besichtigen sind 30 historische Flugzeuge,<br />
von <strong>der</strong> Jak-18 bis zur Saab Draken. Hinzu<br />
kommen zahlreiche kleinere Exponate wie<br />
Flugmotoren, Düsentriebwerke, Flugtechnik,<br />
Fernmeldegeräte, Uniformen, Fliegerbekleidung,<br />
Radar<strong>an</strong>lagen, Fahrzeuge und vieles<br />
mehr. Sehenswert ist auch die Museumswerkstatt,<br />
und ein Souvenirshop lädt zum<br />
Einkauf ein.<br />
Ein beson<strong>der</strong>es Highlight ist seit dem<br />
18. Mai 2014 im historischen H<strong>an</strong>gar 8 die<br />
Son<strong>der</strong>ausstellung »Volksjäger He 162«. Ausführlich<br />
wird hier in sehenswerten, zum Teil<br />
lebensgroßen Dioramen und zahlreichen Informationstafeln<br />
die Fertigung <strong>der</strong> He 162 in<br />
<strong>der</strong> Seegrotte Hinterbrühl (»L<strong>an</strong>guste«) mitsamt<br />
den zum Teil unfassbaren Aspekten <strong>der</strong><br />
Zw<strong>an</strong>gsarbeit von KZ-Häftlingen und den<br />
Problemen des nahenden Kriegsendes mit<br />
den zusammenbrechenden Tr<strong>an</strong>sportwegen<br />
dokumentiert. Das beeindruckende Hauptobjekt<br />
<strong>der</strong> Ausstellung ist <strong>der</strong> durch Joh<strong>an</strong>n<br />
Kälbl originalgetreu nachgebaute Rumpf einer<br />
He 162 samt originalem Instrumentenbrett.<br />
Ergänzend werden Entwurf, Entwicklung,<br />
Fertigung und Einsatz des »Volksjägers«<br />
dargestellt.<br />
Peter W. Cohausz ■<br />
Fotos (3) R. Ringl<br />
Militärluftfahrtausstellung Zeltweg<br />
Instrumentenbrett einer He 162 A<br />
Checkliste<br />
Fliegerhorst Hinterstoisser (H<strong>an</strong>gar 8)<br />
A-8740 Zeltweg/Steiermark/Österreich<br />
Telefon: +43(0)50201/525 35 97 o<strong>der</strong> 535 96<br />
Fax: +43(0)50201/521 75 29<br />
E-Mail: contact@hgm.at<br />
Website: www.hgm.at/ausstellungen/<br />
nebenstellenaussenstellen/<br />
luftfahrtmuseum-zeltweg<br />
Öffnungszeiten:<br />
1. Mai bis 19. Oktober 2014,<br />
Di–So 9:00–17:00 Uhr<br />
Eintritt:<br />
Normal 3,00 €<br />
Ermäßigt 2,00 €<br />
Jeden 1. Sonntag im Monat freier Eintritt!<br />
Führungen nach Vor<strong>an</strong>meldung<br />
MUSEUMS-TIPP<br />
JACK HERRIS<br />
L.F.G Rol<strong>an</strong>d<br />
RICHARD A. FRANKS<br />
Westl<strong>an</strong>d Whirlwind<br />
Rol<strong>an</strong>d Aircraft of WW I – Great War<br />
Aviation Centennial Series 9<br />
In englischer Sprache<br />
206 S., Softcover. 390 Fotos,<br />
50 Farbprofile. Aeronaut Books.<br />
www.aeronautbooks.com.<br />
ISBN 978-1-935881-20-9.<br />
Preis: 49,80 €<br />
Bezugsquelle: Fachbuchh<strong>an</strong>dlung<br />
Schmidt. Tel. 089/70 32 27.<br />
www.christi<strong>an</strong>-schmidt.com<br />
B<strong>an</strong>d 9 <strong>der</strong> Reihe befasst sich mit den<br />
Flugzeugen <strong>der</strong> Luft-Fahrzeug-Gesellschaft<br />
(L.F.G.) Rol<strong>an</strong>d. Mehr als 25 Muster<br />
brachte <strong>der</strong> Betrieb bis 1919 hervor.<br />
Bek<strong>an</strong>ntester Spross dürfte <strong>der</strong> Aufklärer<br />
Rol<strong>an</strong>d C.II »Walfisch« sein. Markenzeichen<br />
vieler Entwürfe war <strong>der</strong><br />
sogen<strong>an</strong>nte Wickel- o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Klinkerrumpf.<br />
Der kompetent verfasste Text ist<br />
typenchronologisch strukturiert, beinhaltet<br />
umf<strong>an</strong>greiches Datenmaterial und<br />
wird durch Maßstabsrisse, Farbprofile<br />
und <strong>an</strong> die 400 Fotos üppig illustriert.<br />
Fazit: ein Muss für jeden, <strong>der</strong> sich für<br />
diese Epoche deutscher Militärluftfahrt<br />
interessiert.<br />
WM<br />
<strong>Die</strong>ses Heft hält jede relev<strong>an</strong>te Information<br />
über den ungewöhnlichen zweimotorigen<br />
Jäger, insbeson<strong>der</strong>e für Modellbauer,<br />
bereit. Nach einem kurzen Überblick<br />
zur Einsatzgeschichte folgen vier Hauptabschnitte:<br />
technische Beschreibung, Entwicklungsablauf<br />
samt unterschiedlicher<br />
Muster, Markierungen und Farbgebung<br />
sowie Produktion. Ergänzt wird alles unter<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>em durch farbige Seiten<strong>an</strong>sichten,<br />
Detailabbildungen sowie eine kompakte<br />
Zusammenstellung erhältlicher<br />
Bausätze und passen<strong>der</strong> Zurüstartikel.<br />
Insgesamt ein sehr gutes und preiswertes<br />
Kompendium, optimiert für den Plastikmodellbau.<br />
WM<br />
The Westl<strong>an</strong>d Whirlwind<br />
A Detailed Guide to the RAF's<br />
Twin-engine Fighter<br />
In englischer Sprache<br />
82 S., über 170 s/w- und Farbfotos,<br />
20 Farbprofile. Vali<strong>an</strong>t<br />
Wings Publishing. ISBN 978-0-<br />
9575866-3-5. Preis: 22,95 €<br />
Bezugsquelle: Fachbuchh<strong>an</strong>dlung<br />
Schmidt. Tel. 089/70 32 27.<br />
www.christi<strong>an</strong>-schmidt.com<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
61
FILM<br />
»Night Flight«<br />
VERGESSENES FLIEGER-ABENTEUER<br />
Nachtflug über Hollywood<br />
Auf dem Papier funktionieren die Erzählungen von Antoine de Saint-Exupéry g<strong>an</strong>z<br />
hervorragend. Aber auf <strong>der</strong> Leinw<strong>an</strong>d? <strong>Die</strong> Verfilmung von »Vol de Nuit« hätte großes<br />
Kino werden sollen …<br />
Von Stef<strong>an</strong> Bartm<strong>an</strong>n<br />
Das Flugzeug sei »ein Werkzeug <strong>der</strong> Erkenntnis<br />
und <strong>der</strong> Selbsterkenntnis«,<br />
hat Saint-Exupéry einmal geschrieben,<br />
und m<strong>an</strong> darf <strong>an</strong>nehmen, dass es ihm<br />
durchaus ernst damit war. Der fliegende Autor<br />
und schreibende Flieger hat in <strong>der</strong> Luftfahrt<br />
allerlei Formeln für schwierige Empfindungen<br />
und Lebensfragen gefunden. Aber<br />
wie macht m<strong>an</strong> attraktives Kino daraus? 1933<br />
ist es erstmals versucht worden.<br />
»Vol de Nuit« – »Nachtflug«. Vierundzw<strong>an</strong>zig<br />
aufregende Stunden im Leben <strong>der</strong> Luftpost-Pioniere<br />
im kaum erschlossenen Südamerika!<br />
Das bedeutet: keine verlässliche<br />
Wetterberatung, unwirtliche L<strong>an</strong>dschaften,<br />
m<strong>an</strong>gelhaftes Fluggerät, minimale Ausrüstung<br />
und eine harte Aufgabe von zweifelhaftem<br />
Sinn … Daraus hätte schon etwas werden<br />
können.<br />
Bedingungslose Hingabe<br />
Saint-Exupéry hat mit seinem zweiten Rom<strong>an</strong><br />
(nach seinem Erstling »Südkurier«, 1929) keineswegs<br />
fliegerisches Abenteuergarn verzapft.<br />
Er schrieb aus eigener Erfahrung; er<br />
war selbst Luftpostflieger in Westafrika und<br />
Südamerika gewesen und hatte zeitweise den<br />
Posten eines Direktors inne. Seinen Erzählun-<br />
gen fehlt es nicht <strong>an</strong> Glaubwürdigkeit. Dennoch<br />
sind seine Bücher als Blaupausen für<br />
sp<strong>an</strong>nende Filme aus <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Fliegerei<br />
kaum geeignet.<br />
In <strong>der</strong> literarischen Vorlage »Vol de Nuit«<br />
(1931) dreht sich die H<strong>an</strong>dlung um einen<br />
todgeweihten Postflieger, <strong>der</strong> in einem<br />
nächtlichen Gewitter über Argentinien die<br />
Orientierung verliert, und seinem sturen<br />
Vorgesetzten Riviére, <strong>der</strong> von seinen Untergebenen<br />
bedingungslose Hingabe für »die<br />
Linie« einfor<strong>der</strong>t. Es ist fast ein Bühnenstück,<br />
in dem Saint-Exupéry seine Weltsicht wortreich<br />
verwoben hat.<br />
Fotos, soweit nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s <strong>an</strong>gegeben, Stef<strong>an</strong> Bartm<strong>an</strong>n<br />
62
Mit »Night Flight« wollte Hollywood den<br />
Postfliegern ein Denkmal setzen. Doch tr<strong>an</strong>sportiert<br />
<strong>der</strong> Film auch die nötige Portion<br />
Dramatik, wie es dieses Szenenbild suggeriert?<br />
Foto Warner Bros.<br />
Fotos Warner Bros.<br />
31. Juli 1944: Das Ende des »Major X«<br />
<strong>Die</strong> Story schien so unglaublich, dass viele<br />
sie nicht glauben wollten. Aber sie stimmte:<br />
Das silberne Armb<strong>an</strong>d, das ein Fischer im<br />
September 1998 bei Marseille (vor dem unbewohnten<br />
Inselchen Ile de Riou) aus dem<br />
Mittelmeer zog, trug Antoine de Saint-Exupéry<br />
bei seinem <strong>letzte</strong>n Flug am 31. Juli 1944.<br />
Sein Name und die Adresse seines New<br />
Yorker Verlages sind eingraviert. Das<br />
Schmuckstück, ein Geschenk seiner Gattin<br />
Consuelo, ist <strong>der</strong> erste greifbare Hinweis auf<br />
das Ende des großen Flieger-Poeten, den die<br />
Fr<strong>an</strong>zosen so hoch verehren. Bisher konnte<br />
m<strong>an</strong> darüber nur spekulieren.<br />
Im Dezember 1940 hatte sich Saint-Exupéry<br />
in die USA abgesetzt. 1943 wird er in <strong>der</strong><br />
fr<strong>an</strong>zösischen Luftaufklärergruppe II/33 unter<br />
amerik<strong>an</strong>ischem Komm<strong>an</strong>do wie<strong>der</strong> aktiv, zuerst<br />
auf Sardinien, später auf Korsika.<br />
<strong>Die</strong> einzigen Waffen seiner P-38 Lightning<br />
F-5B sind hochauflösende Kameras, und<br />
eigentlich ist Saint-Exupéry mit seinen<br />
44 Jahren viel zu alt für die <strong>an</strong>spruchsvolle<br />
Zweimot. Am Morgen des 31. Juli 1944 startet<br />
»Major X« (wie ihn seine US-Kameraden<br />
nennen) um 8:45 Uhr zu einem Aufklärungsflug<br />
nach Grenoble-Annecy. Um 15:30 Uhr wird<br />
er als vermisst gemeldet.<br />
Der fr<strong>an</strong>zösische Tauchlehrer Luc V<strong>an</strong>rell<br />
kennt die Gewässer vor Marseille genau. Er<br />
spürt Teile einer P-38, Serie J, auf. Der Luftfahrtexperte<br />
Philippe Castell<strong>an</strong>o k<strong>an</strong>n sie <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d<br />
Foto Lino von Gartzen<br />
von Fotos identifizieren. Letzte Gewissheit<br />
bringt die Seriennummer 2734, eingeschlagen<br />
in ein Teil des Turbola<strong>der</strong>s. Erst nachdem<br />
Behörden und Hinterbliebene ihr Einverständnis<br />
erklärt haben, dürfen die<br />
Fragmente im Herbst 2003 aus 80 Meter<br />
Tiefe geborgen werden.<br />
Im fr<strong>an</strong>zösischen Luft- und Raumfahrtmuseum<br />
in Le Bourget werden heute diese<br />
Überbleibsel eines tödlichen Zusammentreffens<br />
präsentiert. Nach intensiven Recherchen<br />
des Unterwasser-Archäologen<br />
Lino von Gartzen bekennt sich im Juli 2006<br />
Horst Rippert (1922–2013), damals Obergefreiter<br />
bei <strong>der</strong> Jagdgruppe 200 in <strong>der</strong><br />
Gegend von Toulon, zum Abschuss des<br />
berühmten Fr<strong>an</strong>zosen.<br />
Es spricht vieles für die Rippert-Hypothese<br />
– und grundsätzlich nichts dagegen.<br />
Es ist eine Indiziengeschichte von hoher<br />
Plausibilität, auch wenn ein <strong>letzte</strong>r und unumstößlicher<br />
Beweis wohl nie beigebracht<br />
werden k<strong>an</strong>n.<br />
■<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
63
FILM<br />
»Night Flight«<br />
Szenenfoto. Postflieger »Auguste Pellerin« arbeitet<br />
sich mühsam über die Anden. Tatsächlich<br />
sind es die Rocky Mountains bei Denver<br />
Foto Warner Bros.<br />
Hollywood hat die preisgekrönte Story<br />
gekauft. Es heißt, <strong>der</strong> ehrgeizige Produzent<br />
David Selznick (<strong>der</strong> seine Regisseure mit unzähligen<br />
Memor<strong>an</strong>den zu nerven pflegte)<br />
habe Howard Hughes’ erfolgreichen Klassiker<br />
»Hell’s Angels« von 1931 übertrumpfen<br />
wollen.<br />
Das Aufgebot <strong>an</strong> damaligen Stars ist beachtlich;<br />
die meisten sind heute nur mehr<br />
Antoine de Saint-Exupéry (links) hat die Postfliegerei<br />
geliebt<br />
Filmhistorikern geläufig. Einzig Clark Gable<br />
(in <strong>der</strong> Rolle des Jules Fabi<strong>an</strong>) hat sich als eines<br />
<strong>der</strong> großen Leinw<strong>an</strong>dgesichter dauerhaft<br />
eingeprägt. Er wird noch <strong>an</strong><strong>der</strong>en Fliegerfilmen<br />
seinen Stempel aufdrücken.<br />
Direktor Riviére (John Barrymore) ist ein<br />
kalter Technokrat, <strong>der</strong> für den minutiösen Ablauf<br />
seines Luftpostdienstes durchaus mit<br />
menschlichen Kollateralschäden rechnet. Das<br />
Erstaunliche dar<strong>an</strong> ist, dass Saint-Exupéry in<br />
seiner Erzählung diese scheinbar unmenschliche<br />
Haltung rechtfertigt. Auch <strong>der</strong> Film unternimmt<br />
diesen Versuch.<br />
Der Schriftsteller hatte beim Entwurf <strong>der</strong><br />
Figur »Riviére« eine g<strong>an</strong>z reale Figur vor Augen:<br />
Didier Daurat, <strong>der</strong> knallharte Betriebsdirektor<br />
<strong>der</strong> legendären Luftpostlinie Latécoère,<br />
die <strong>an</strong> ihrem eigenen Ehrgeiz zerbrach und<br />
1933 in <strong>der</strong> Air Fr<strong>an</strong>ce aufging. Saint-Exupéry<br />
k<strong>an</strong>nte Daurat gut und hat ihn sehr verehrt.<br />
Doch <strong>der</strong> Film-Riviére gerät fast zur Karikatur,<br />
und was er spricht, klingt oft<br />
erschreckend hohl.<br />
<strong>Die</strong> Anden von Colorado …<br />
Der Film erzählt von den lebensgefährlichen<br />
Anfängen <strong>der</strong> Postfliegerei bei Nacht; je<strong>der</strong><br />
Flug ist eine Pioniertat. Nachdem in Rio de<br />
J<strong>an</strong>eiro die Kin<strong>der</strong>lähmung grassiert, muss<br />
rasch ein Serum her<strong>an</strong>geschafft werden –<br />
und zwar aus dem weit entfernten S<strong>an</strong>tiago<br />
in Chile. Am besten und schnellsten auf<br />
dem Luftweg.<br />
Für die »Tr<strong>an</strong>s-Ande<strong>an</strong> Europe<strong>an</strong> Mail«<br />
ist das lebensrettende Serum nur eine Postsendung<br />
wie <strong>an</strong><strong>der</strong>e auch. Drei Piloten mit<br />
ihren Flugzeugen sind in Riviéres Netzwerk<br />
auf verschiedenen Strecken eingebunden.<br />
Nicht alle werden seinen erbarmungslosen<br />
Flugpl<strong>an</strong> überleben. Von <strong>der</strong> Bedeutung des<br />
Serums wissen sie allerdings nichts. Der Zuschauer,<br />
immerhin, wird ein paar Mal dar<strong>an</strong><br />
erinnert. Doch wer was wohin fliegt und<br />
wozu – all das spielt eigentlich keine Rolle.<br />
Das Serum kommt freilich <strong>an</strong>. Absp<strong>an</strong>n.<br />
Regisseur Clarence Brown war Pilot im<br />
Weltkrieg gewesen und best<strong>an</strong>d auf eine akkurate<br />
Darstellung <strong>der</strong> Fliegerei. Er nutzte sowohl<br />
das Studio als auch die Natur als Schauplätze,<br />
was Anf<strong>an</strong>g <strong>der</strong> 1930er-Jahre unüblich<br />
war. So bildeten die verschneiten Berge rund<br />
um Denver, Colorado, durchaus adäquaten<br />
Ersatz für die Anden. <strong>Die</strong> starken Flugaufnahmen<br />
stehen im deutlichen Kontrast zu<br />
den sterilen Studiotakes.<br />
Kino versus Literatur<br />
Bei aller Mühe: »Night Flight« ist ein hübsches<br />
Beispiel dafür, wie selten Kino und Literatur<br />
zuein<strong>an</strong><strong>der</strong> finden, insbeson<strong>der</strong>e wenn sich<br />
Hollywood dar<strong>an</strong> vergreift. Dass m<strong>an</strong> aus<br />
dem eher kontemplativ geprägten »Vol de<br />
Nuit« kaum sp<strong>an</strong>nendes Kino destillieren<br />
k<strong>an</strong>n, hat irgendw<strong>an</strong>n wohl auch Produzent<br />
Selznick bemerkt. Ihm schien das erste »Night<br />
Flight«-Skript zu flau. Daher ließ er die sprö-<br />
64
Kurzkritik<br />
L<strong>an</strong>ge verschollene<br />
Kuriosität zum Staunen<br />
und Kopfschütteln,<br />
doch we<strong>der</strong> ein<br />
sp<strong>an</strong>nen<strong>der</strong> Fliegerfilm<br />
noch eine gelungene<br />
Literaturverfilmung.<br />
Schwerfällig<br />
und pathetisch,<br />
filmhistorisch<br />
interess<strong>an</strong>t. Keine Freigabe für Verkauf o<strong>der</strong> Verleih<br />
außerhalb <strong>der</strong> USA und K<strong>an</strong>ada.<br />
de Story aufpeppen; es entst<strong>an</strong>d ein Ensemblestück<br />
mit großem Personal. Auch die<br />
Serum-Story ist eine Hollywood-Zugabe; in<br />
Buenos Aires ringt ein Kind ums Überleben …<br />
<strong>Die</strong> Kernfrage des Buches lautet aber, welchen<br />
Nutzen es habe, wenn eine Postkarte zwei Tage<br />
früher ihren Empfänger erreicht.<br />
»Gegen die Leere …«<br />
Für die Antwort benötigt Saint-Exupéry 130<br />
Taschenbuchseiten – in Form eines Gleichnisses,<br />
das über die pünktliche Lieferung von Papier<br />
weit hinausgeht. Durch den (bel<strong>an</strong>glosen)<br />
H<strong>an</strong>dlungsfaden des rettenden Serums muss<br />
Selznick geglaubt haben, er könnte seinem<br />
Luftpost-Abenteuer mehr Sinn verleihen und<br />
es fürs Publikum zugänglicher machen. Der<br />
überhöhte Kontext <strong>der</strong> Erzählung löst sich dabei<br />
fast vollständig auf.<br />
Dabei drückt sich Saint-Exupéry gar nicht<br />
so missverständlich aus: Menschen brauchen<br />
eine Aufgabe »gegen die Leere, die uns umgibt«.<br />
<strong>Die</strong>selbe Einstellung wird ihn ein Jahrzehnt<br />
später dazu verleiten, alle Hebel in Bewegung<br />
zu setzen, um selbst aktiv am<br />
Zweiten Weltkrieg teilnehmen zu dürfen; die<br />
Rolle des tatenlosen Zuschauers in den<br />
sicheren USA war ihm unerträglich. Tatsächlich<br />
wurde <strong>der</strong> Flugveter<strong>an</strong> mit seinen<br />
44 Jahren – geh<strong>an</strong>dicapt von etlichen alten<br />
Verletzungen und Gebrechen – <strong>der</strong> vielleicht<br />
älteste Pilot auf dem mediterr<strong>an</strong>en Kriegsschauplatz<br />
bis zum 31. Juli 1944 (siehe Kasten<br />
S. 63).<br />
Flugszenen begeistern<br />
Neben <strong>der</strong> schwierigen »Botschaft« f<strong>an</strong>d<br />
Selznick die Geschichte zu bodenständig,<br />
weshalb er einen weiteren Skript-Autor einschaltete,<br />
<strong>der</strong> für mehr Luftaufnahmen sorgen<br />
sollte. Am Schluss haben drei Autoren<br />
<strong>an</strong> »Night Flight« herumgefeilt (und nebenbei<br />
ein halbes Dutzend Titel verschlissen).<br />
Heute sind es eher diese fliegerischen Szenen,<br />
die begeistern können – während Frauen<br />
und Freundinnen zu Hause schmachten<br />
und b<strong>an</strong>gen.<br />
Da traf es sich gut, dass die US Air Mail<br />
sich zur selben Zeit von ihren veralteten<br />
Douglas M-4 trennte: bauchige, offene Doppeldecker,<br />
die schon zu Saint-Exupérys Postfliegerzeiten<br />
technisch überholt waren. Sie<br />
verleihen »Night Flight« viel Atmosphäre.<br />
Modellszenen sind unvermeidlich – etwa <strong>der</strong><br />
Überlebensflug von Fabi<strong>an</strong>s Kollegen Pellerin<br />
(Robert Montgomery) zwischen Anden-<br />
Bergfl<strong>an</strong>ken.<br />
Interess<strong>an</strong>t ist <strong>der</strong> 24-Stunden-Zeitrahmen<br />
des Geschehens, <strong>der</strong> die Ereignisse gleichsam<br />
in einen Mittelpunkt reißt. Erst viel später<br />
werden Kino und Fernsehen diesen reizvollen<br />
Kniff wie<strong>der</strong> aufgreifen. Doch was <strong>der</strong><br />
Filmkritiker <strong>der</strong> »New York Times« 1933 für<br />
»einen <strong>der</strong> bisher authentischsten Fliegerfilme«<br />
hielt, offenbart sich heute als unausgegorener<br />
Mix.<br />
»Night Flight« zerfällt in unterschiedliche,<br />
weit vonein<strong>an</strong><strong>der</strong> entfernte Ereignisse.<br />
Deshalb sind die vielen Stars selten in gemeinsamen<br />
Szenen zu sehen. Clark Gable<br />
sieht m<strong>an</strong> nie außerhalb des Cockpits. Und<br />
Direktor Riviére verlässt nicht ein Mal seine<br />
Flugleitung, wo er vor einer einschüchternd<br />
großen Karte Südamerikas schwadroniert.<br />
<strong>Die</strong>ser disparate Episodenhaufen will sich<br />
nicht wirklich zu einem g<strong>an</strong>zen Film fügen.<br />
D<strong>an</strong>ach wird auch <strong>der</strong> Blick auf die literarische<br />
Vorlage nüchterner …<br />
Was Antoine de Saint-Exupéry von <strong>der</strong><br />
Verfilmung seines »Vol de Nuit« hielt, ist<br />
nicht im Wortlaut bek<strong>an</strong>nt. Beson<strong>der</strong>s glücklich<br />
k<strong>an</strong>n er damit nicht gewesen sein: Nachdem<br />
die Rechte <strong>an</strong> <strong>der</strong> Story 1942 erloschen<br />
waren, sorgte er dafür, dass »Night Flight«<br />
für sieben Jahrzehnte (!) in <strong>der</strong> Versenkung<br />
verschw<strong>an</strong>d. Erst 2011 kam <strong>der</strong> Film wie<strong>der</strong><br />
als DVD heraus.<br />
■<br />
»Night Flight« setzt den frühen Luftpostfliegern<br />
ein gut gemeintes Denkmal<br />
Fotos Warner Bros.<br />
Beeindruckend: Riviére Didier Daurat, Betriebsleiter<br />
<strong>der</strong> Fluglinie Foto Deutschte Kinemathek/Warner Bros.<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
65
OLDTIMER<br />
Claude Dornier<br />
100 JAHRE »ABTEILUNG DO«<br />
Das Boot<br />
von Seemoos<br />
Ohne Graf Zeppelin hätte es den künftigen Dornier-Konzern wohl kaum gegeben. Es<br />
war <strong>der</strong> alte M<strong>an</strong>n vom Bodensee, <strong>der</strong> seinen Angestellten schon 1914 beim Bau von<br />
Riesenflugbooten freie H<strong>an</strong>d ließ. Und Claude Dornier hat von dem so gewonnenen<br />
Erfahrungsschatz bald enorm profitiert<br />
Von Stef<strong>an</strong> Bartm<strong>an</strong>n<br />
66
Blechgig<strong>an</strong>ten über dem Bodensee – eine Erfolgsgeschichte<br />
voller technischer Hin<strong>der</strong>nisse. Erst<br />
gegen Kriegsende erreichten Dorniers Riesenflugboote<br />
Einsatzreife, so wie diese Rs.IV<br />
Zeppelins Zusammenarbeit mit Claude<br />
Dornier datiert auf das Jahr 1910 zurück.<br />
Im November beginnt <strong>der</strong> talentierte<br />
Statiker in <strong>der</strong> Versuchsabteilung <strong>der</strong><br />
Zeppelinwerke und findet zunehmend das<br />
Vertrauen des Grafen, verbunden mit mehr<br />
Aufgaben und wachsen<strong>der</strong> Ver<strong>an</strong>twortung.<br />
Schon zur Jahreswende 1913/14 bekommt<br />
<strong>der</strong> 30-jährige Dornier, inzwischen Leiter <strong>der</strong><br />
Versuchsabteilung, seine »Abteilung Do«.<br />
Seine Kerntruppe besteht aus einem Werkmeister,<br />
einem Zeichner und sechs Arbeitern.<br />
Im August 1914 ziehen Dornier und seine<br />
Leute nach Seemoos bei Friedrichshafen, wo<br />
eine großzügige Flugbootwerft auf sie wartet.<br />
Gleich neben<strong>an</strong>: die berühmte »Baracke«,<br />
Dorniers Konstruktionsbüro. Das Gebäude<br />
existiert noch heute.<br />
Dorniers Auftrag: ein Riesenflugboot zu<br />
bauen, das eine Tonne Nutzlast tragen k<strong>an</strong>n<br />
– Bomben gegen Engl<strong>an</strong>ds Flotte. Wie Zeppelin<br />
favorisiert Dornier den Metallbau. Das<br />
Skelett <strong>der</strong> künftigen Rs.-Typen wird den<br />
Zeppelinen nicht unähnlich sein. Ein Mix aus<br />
Duraluminium und Stahlblech, zu Profilen<br />
verarbeitet, ergibt eine leichte und dauerhafte<br />
Zelle. Unwillkommen, aber wohl unvermeidlich<br />
ist die großzügige Verwendung von<br />
Besp<strong>an</strong>nstoff. Der experimentelle Charakter<br />
des Unternehmens ist offensichtlich. Dornier<br />
fängt fast von vorne <strong>an</strong>.<br />
Konzeptionelle Eleg<strong>an</strong>z<br />
Der Bau des »Riesenflugzeug See« Rs.I – vorläufig<br />
noch als FS.I tituliert, was für »Flugschiff«<br />
stehen soll – beginnt im J<strong>an</strong>uar 1915,<br />
übrigens ohne Auftrag des Reichs-Marine-<br />
Amtes. Dorniers Pläne sehen einen Doppeldecker<br />
mit einer Sp<strong>an</strong>nweite von gut 43 Metern<br />
vor. Acht V-Streben verbinden Oberund<br />
Unterflügel.<br />
Drei Maybach-HS von je 240 PS sollen den<br />
Gig<strong>an</strong>ten in die Luft zwingen. Zwei <strong>der</strong> drei<br />
Schubpropeller hängen <strong>an</strong> Fernwellen, die<br />
beiden Motoren sind entsprechend im<br />
Rumpf verbaut. Eine konzeptionell zwar eleg<strong>an</strong>te<br />
Lösung, die in <strong>der</strong> Praxis jedoch noch<br />
für viel Ärger sorgen wird.<br />
Oktober 1915. Bei den Rollversuchen zerhäckselt<br />
ein Propeller die Endk<strong>an</strong>te des linken<br />
Oberflügels. Dornier versetzt die beiden<br />
Rumpfmotoren ins Freie und geht zum<br />
Direkt<strong>an</strong>trieb über. Doch es hilft nichts: <strong>Die</strong><br />
9,5 Tonnen schwere Rs.I kommt nicht <strong>an</strong>nähernd<br />
auf die etwa 80 km/h, die sie zum Abheben<br />
braucht! Der Kin<strong>der</strong>mund formuliert<br />
unerbittlich: »Das ist das Boot von Seemoos,<br />
das kommt ja nie vom See los …«<br />
So ist es. Schließlich macht ein Föhnsturm<br />
alles zunichte. Das Riesenflugboot, das eine<br />
Nacht im Freien ver<strong>an</strong>kert werden musste,<br />
wird am 21. Dezember 1915 zerstört. M<strong>an</strong><br />
darf spekulieren, ob Konstrukteur Dornier<br />
über diese Lösung unglücklich gewesen ist.<br />
<strong>Die</strong> ernüchternden Erfahrungen mit <strong>der</strong><br />
Rs.I gehen in die Rs.II ein. Der dreimotorige<br />
Eineinhalbdecker ist deutlich feingliedriger<br />
geraten. Nur die Rückkehr zur Fernwelle<br />
wird sich als Fehlgriff erweisen, Dornier hat<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
67
OLDTIMER<br />
Claude Dornier<br />
<strong>Die</strong> Rs. I kr<strong>an</strong>kt<br />
<strong>an</strong> ihrer technischen<br />
Kompromisslosigkeit.<br />
Sie<br />
wird sich nie vom<br />
Wasser des Bodensees<br />
lösen<br />
An <strong>der</strong> Rs.II wird<br />
viel experimentiert,<br />
repariert und<br />
modifiziert. Doch<br />
sie bleibt stör<strong>an</strong>fällig<br />
die drei Motoren im Rumpf platziert. Im Mai<br />
1916 pflügt sie durch den Bodensee und lässt<br />
sich sogar »auf Stufe« lupfen, fliegt aber nicht.<br />
Dabei hatte Dornier den Bootskörper verfeinert.<br />
Seine Rs.II kommt jetzt ohne lästige<br />
Stützschwimmer aus.<br />
In Gotha und Berlin-Staaken entstehen<br />
<strong>der</strong>weil in Zeppelins Auftrag die größten<br />
Bomber des Ersten Weltkriegs. Chefkonstrukteur<br />
<strong>der</strong> R-Flugzeuge, allesamt versp<strong>an</strong>nte<br />
Doppeldecker in Gemischtbauweise,<br />
ist Alex<strong>an</strong><strong>der</strong> Baum<strong>an</strong>n. Dornier und Baum<strong>an</strong>n,<br />
beide großartig in ihrem Fach, halten<br />
nicht viel vonein<strong>an</strong><strong>der</strong> und machen wohl wenig<br />
Hehl aus dieser gegenseitigen Abneigung.<br />
Dornier fragt dennoch den erfolgreicheren<br />
Kollegen in Staaken um konstruktiven Rat,<br />
und im Mai 1916 kommentiert Baum<strong>an</strong>n diesen<br />
Vorg<strong>an</strong>g so: »Jetzt endlich, nach zwei Jahren,<br />
nachdem er weit über 1 000 000 Mark verpulvert<br />
hat. Seine neueste Maschine macht im<br />
Wasser 20 km/h und denkt natürlich nicht<br />
dar<strong>an</strong> zu fliegen.«<br />
Dornier feilt weiter am Rumpf. Wie<strong>der</strong> gibt<br />
es Probleme mit den Getrieben, und am 30. Juni<br />
1916 fliegt die Rs.II d<strong>an</strong>n doch – wenigstens<br />
geradeaus! Bei 80 km/h kommt sie »auf Stufe«<br />
und hebt ab. Nach ein paar Flügen bricht die<br />
rechte Getriebewelle; <strong>der</strong> unbelastete Maybach<br />
ist hinüber. Nach <strong>der</strong> Reparatur zerlegt sich<br />
beim <strong>letzte</strong>n Flug <strong>der</strong> linke Propeller und richtet<br />
weiteren Schaden <strong>an</strong>.<br />
Maybach-T<strong>an</strong>dem<br />
Dornier geht nach so viel Ärger endgültig<br />
zum Direkt<strong>an</strong>trieb über und kommt zu einer<br />
Anordnung, die sich noch öfters <strong>an</strong> seinen<br />
Flugzeugen finden wird. <strong>Die</strong> modifizierte<br />
Rs.II, jetzt mit 33,5 Meter Sp<strong>an</strong>nweite, bekommt<br />
zwei Gondeln mit Maybach-Mb-IVa-<br />
Motoren in T<strong>an</strong>dem<strong>an</strong>ordnung, die auf Zugund<br />
Druckpropeller arbeiten.<br />
Dorniers Jäger – Von <strong>der</strong> Cl.I zur D.I<br />
Das Dornier Museum in Friedrichshafen hat<br />
2014 mehrfach Grund zum Feiern: fünf Jahre<br />
des eigenen Bestehens, 100 Jahre »Abteilung<br />
Do« und den 130. Geburtstag von Claude<br />
Dornier (1884 bis 1969). Mitten im Krieg,<br />
im J<strong>an</strong>uar 1917, gründet die Luftschiffbau<br />
Zeppelin GmbH ein Zweigwerk in Lindau und<br />
macht Claude Dornier zum Geschäftsführer.<br />
<strong>Die</strong>se Tochtergesellschaft gilt gemeinhin als<br />
Ursprung <strong>der</strong> späteren Dornier GmbH.<br />
Als hätte Dornier mit seinen Riesenflugbooten<br />
nicht schon genug zu tun, darf er sich<br />
dort noch mit kleinen Jagd- und Aufklärungsflugzeugen<br />
befassen. Mit dem bewaffneten<br />
Aufklärer Cl.I gelingt ihm 1917 sein erstes<br />
erfolgreiches L<strong>an</strong>dflugzeug – rein äußerlich<br />
ein konventioneller Entwurf. Der Kniff steckt<br />
in <strong>der</strong> hochmo<strong>der</strong>nen Metall-Schalenbauweise<br />
des Rumpfes. <strong>Die</strong> verbesserte Cl.II<br />
kommt erst im August 1918 heraus. Produziert<br />
werden nur mehr wenige. Einen Schritt<br />
weiter geht Dornier mit dem Jagdflugzeug<br />
D.I., bei dem die innovative Schalenbauweise<br />
auch in <strong>der</strong> Tragfläche Einzug hält. Der<br />
freitragende Doppeldecker k<strong>an</strong>n auf Stiele<br />
und Versp<strong>an</strong>nung verzichten. Doch die Innovation<br />
kommt zu spät. Nach dem Krieg werden<br />
die Amerik<strong>an</strong>er zwei Exemplare mitnehmen<br />
und sie sich genau <strong>an</strong>schauen.<br />
Von Dorniers See-Jagdflugzeug Cs.I, ein<br />
Tiefdecker auf Schwimmern, werden immerhin<br />
noch drei Stück ausgeliefert. Am meisten<br />
»Zukunft« steckt aber in seinem zweimotorigen<br />
Aufklärungsflugboot Gs.I, das<br />
den klassischen Do-WAL konzeptionell vorwegnimmt.<br />
■<br />
<strong>Die</strong> D.I ist ihrer Zeit voraus. Hochmo<strong>der</strong>ne Glattblechbauweise<br />
und freitragende Flächen prägen<br />
den Flugzeugbau <strong>der</strong> Zukunft<br />
Fotos, soweit nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s <strong>an</strong>gegeben, Airbus Group Corporate Heritage<br />
68
<strong>Die</strong> Umbauten zeigen Wirkung, und so<br />
fliegt das Flugboot im November 1916 jetzt<br />
auf Anhieb. <strong>Die</strong> weitere Erprobung zieht sich<br />
– nicht ohne Rückschläge und Modifikationen<br />
– bis zum Juli 1917 hin. D<strong>an</strong>n erst k<strong>an</strong>n<br />
die deutsche Marinekommission das 9,2 Tonnen<br />
schwere Flugboot in Seemoos abnehmen.<br />
Ein wichtiger Erfolg für Dornier und sein<br />
Team, das einen Berg von Problemen gelöst<br />
hat. <strong>Die</strong> Rs.II lässt sich leicht auf dem Wasser<br />
m<strong>an</strong>övrieren, startet mühelos, fliegt mit 128<br />
km/h und kommt auf 1800 Meter Höhe. Akzeptable<br />
Daten. Dem Überführungsflug zur<br />
Seeflugstation nach Nor<strong>der</strong>ney, wo die weitere<br />
Erprobung stattfinden soll, steht »nur«<br />
noch ein sechsstündiger Härtetest rund um<br />
den Bodensee im Weg. Dornier, vorsichtig geworden,<br />
hatte es so <strong>an</strong>geordnet.<br />
Kurz: <strong>Die</strong> Rs.II kommt nie nach Nor<strong>der</strong>ney.<br />
Schon nach zwei Testflugstunden reißt<br />
sich ein Propeller los, ein <strong>an</strong><strong>der</strong>er zerlegt sich,<br />
die Zelle wird beschädigt. Der Pilot bringt<br />
den lädierten Riesen zwar sauber im Gleitflug<br />
zurück aufs Wasser, doch das Reichs-Marine-<br />
Amt hält die Schäden für irreparabel. Es verkündet<br />
am 21. August 1917 das Ende <strong>der</strong> so<br />
mühsam entwickelten Rs.II.<br />
Hauseigene Konkurrenz<br />
Dorniers erstes flugfähiges Riesenflugboot<br />
wird verschrottet. Nur wenige Wochen später,<br />
im September 1917, triumphiert Alex<strong>an</strong><strong>der</strong><br />
Baum<strong>an</strong>n ein weiteres Mal über den Konkurrenten<br />
im eigenen Haus: Ein auf Aluminiumschwimmer<br />
gesetztes R-Flugzeug aus Staakener<br />
Produktion, die Staaken L, besteht seine<br />
Bewährung glänzend. <strong>Die</strong> Marine bestellt<br />
sechs weitere Maschinen.<br />
Damit ist Dornier noch nicht aus dem Rennen.<br />
Angesichts <strong>der</strong> horrenden Luftschiffverluste<br />
und <strong>der</strong> Bedrohung deutscher U-Boote<br />
durch britische Flugboote <strong>der</strong> H-Klasse (siehe<br />
<strong>Die</strong> Rs. III beeindruckt die Marineflieger. Sie schafft im Februar 1918 den Sprung von Friedrichshafen<br />
nach Nor<strong>der</strong>ney<br />
»America», <strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 6/2014)<br />
drängt die Marine auf einen neuen Anlauf in<br />
Sachen Riesenflugboot. Schon im März 1917<br />
war mit den Pl<strong>an</strong>ungen für die Rs.III begonnen<br />
worden.<br />
In sieben Stunden nach Nor<strong>der</strong>ney<br />
Beim Bau wird die neue Zeppelin-Werft in<br />
Lindau eingebunden. Dort wird <strong>der</strong> Bootskörper<br />
gefertigt. Zur Endmontage wird das<br />
Boot nach Seemoos geschleppt. Der besp<strong>an</strong>nte<br />
Leitwerksträger ist jetzt auf Flügelhöhe gew<strong>an</strong><strong>der</strong>t,<br />
um vom Spritzwasser befreit zu<br />
sein. <strong>Die</strong> Rs.III hat 37 Meter Sp<strong>an</strong>nweite. <strong>Die</strong><br />
Triebwerkseinheit ähnelt dem Vorgänger. Am<br />
4. November 1917 fliegt sie erstmals.<br />
Nach 60 Testflügen scheint sie ausgereift,<br />
und am 19. Februar 1918 bewältigt m<strong>an</strong> den<br />
heiklen 7-Stunden-Flug nach Nor<strong>der</strong>ney –<br />
streckenweise eskortiert wegen <strong>der</strong> nahen<br />
Front. Dort und in Warnemünde sind die Marineflieger<br />
von den Flugeigenschaften und<br />
<strong>der</strong> Seefähigkeit begeistert. Noch nach Kriegsende<br />
leistet die Rs. III gute <strong>Die</strong>nste als Minensucher<br />
über <strong>der</strong> Nord- und Ostsee.<br />
Stammvater des Dornier-WAL.<br />
Der Marineaufklärer Gs.I<br />
endet 1920 per Selbstversenkung<br />
in <strong>der</strong> Kieler Förde …<br />
Aber soweit ist es noch nicht, als sich das<br />
Reichs-Marine-Amt aufgrund <strong>der</strong> positiven<br />
Erfahrungen entschließt, beim Zeppelin-Werk<br />
zwei weitere R-Flugboote in Auftrag zu geben.<br />
Claude Dornier persönlich hat den Entwurf<br />
seiner Rs.IV vorgelegt, ein direkter Verw<strong>an</strong>dter<br />
<strong>der</strong> erfolgreichen Rs.III. Keine<br />
Experimente mehr! Neu sind die Flossenstummel,<br />
die den schmalen Rumpf auf dem<br />
Wasser stabilisieren. Der 37 Meter sp<strong>an</strong>nende<br />
und 10,6 Tonnen schwere Eindecker erledigt<br />
am 12. Oktober 1918 seinen Erstflug.<br />
<strong>Die</strong> Testflüge sind noch in vollem G<strong>an</strong>ge,<br />
als <strong>der</strong> Waffenstillst<strong>an</strong>d hereinplatzt. <strong>Die</strong> Erprobung<br />
<strong>der</strong> Rs.IV geht weiter, als sei nichts<br />
geschehen. Dornier, realistischer, lässt es für<br />
zivile Nutzung umrüsten – und ver<strong>an</strong>staltet<br />
Vergnügungsflüge um den Bodensee! Doch<br />
die gestrenge Interalliierte Kontrollkommission<br />
(ILÜK), welche die Bedingungen des Versailler<br />
Vertrags überwacht, versteht keinen<br />
Spaß. Am 17. April 1920 beginnt m<strong>an</strong> mit<br />
dem Abwracken des <strong>letzte</strong>n Zeppelin-Riesenflugbootes.<br />
Claude Dorniers Lehrjahre<br />
Unterm Strich hat sich die »Abteilung Do«<br />
für die Luftschiffbau Zeppelin GmbH als<br />
ein teures Experiment erwiesen, nüchtern<br />
betrachtet. Doch Claude Dornier hat dabei<br />
viel gelernt. Den weiteren Aufstieg seines<br />
Schützlings in den 1920er-Jahren zu Europas<br />
führendem Hersteller von Flugbooten sollte<br />
Ferdin<strong>an</strong>d Graf von Zeppelin allerdings<br />
nicht mehr erleben.<br />
Bereits am 8. März 1917 in Berlin starb<br />
<strong>der</strong> »Jecke Graf« und »Narr vom Bodensee«,<br />
wie m<strong>an</strong> ihn einst verspottet hatte – zwischenzeitlich<br />
hochverehrt und im Kriegsverlauf<br />
zunehmend aus <strong>der</strong> Leitung seiner<br />
Firma gedrängt. Sicher ist dies: Zeppelins<br />
<strong>letzte</strong> h<strong>an</strong>dschriftliche Eintragung in seinem<br />
Notizkalen<strong>der</strong> galt keinem Luftschiff, son<strong>der</strong>n<br />
einem Flugzeug – nämlich Dorniers<br />
modifizierter Rs.II. Der Graf wollte wissen,<br />
ob sie fliegt …<br />
■<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
69
OLDTIMER<br />
Warbird-Mitflug<br />
AIR FIGHTER ACADEMY IM HANGAR 10<br />
Wil<strong>der</strong> Ritt auf de<br />
<strong>Die</strong> pure Kraft spüren. Freiheit, die nur das Fliegen bieten k<strong>an</strong>n. Das erlebte unser<br />
Autor bei seinem Mitflug in <strong>der</strong> P 51 vom H<strong>an</strong>gar 10 auf Usedom. Begleiten Sie ihn<br />
bei seiner Jagd durch den Himmel<br />
Von Helmuth Lage<br />
Beim Mitflug im Top-Warbird P-51 wird die Welt<br />
buchstäblich auf den Kopf gestellt. Hier befindet<br />
sich die Maschine im Scheitelpunkt des Loopings<br />
70
Must<strong>an</strong>g<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
71
OLDTIMER<br />
Warbird-Mitflug<br />
Tarnfarbe war gestern, mit ihrer attraktiven<br />
Lackierung ist die »Little Ite« ein Hingucker<br />
bei je<strong>der</strong> Flugshow<br />
It’s your lucky day«, begrüßte mich Rob<br />
Davies auf dem Vorfeld, »you will fly with<br />
me this morning.« Damit waren die Würfel<br />
gefallen. Es wird die Must<strong>an</strong>g, die P-51D<br />
aus den USA. Zwei Wochen zuvor war die<br />
Einladung zum H<strong>an</strong>gar 10 des Flughafens<br />
Heringsdorf in <strong>der</strong> Redaktion eingetroffen.<br />
Der Anlass für unseren erneuten Besuch<br />
war in <strong>der</strong> Tat verlockend. <strong>Die</strong> dort <strong>an</strong>sässige<br />
Air Fighter Academy, unseren Lesern bereits<br />
gut bek<strong>an</strong>nt als Zuhause von Warbirds<br />
aus dem Zweiten Weltkrieg, pl<strong>an</strong>te Rundflüge<br />
mit Gästen aus aller Welt (siehe auch<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 8/2014). Wir sollten<br />
die Gelegenheit erhalten, darüber zu berichten.<br />
Und das keineswegs nur aus <strong>der</strong> Sicht<br />
des Zuschauers.<br />
Nach unseren Reportagen über die Mitflüge<br />
in den sowjetischen Maschinen Polikarpow<br />
Po 2 und Yak 9 (siehe <strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong><br />
12/2011 und 1/2013) stellte m<strong>an</strong> uns dieses<br />
Mal die britische o<strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ische Option in<br />
Aussicht – beide gleichermaßen reizvoll, jede<br />
auf ihre Art.<br />
<strong>Die</strong> Supermarine Spitfire fasziniert schon<br />
allein aufgrund ihres giftsprühenden Namens,<br />
ist aber vor allem ein Synonym für den Luftkampf<br />
über Engl<strong>an</strong>d mit unzähligen Gefechten<br />
gegen Bf 109 und später Fw 190 in immer<br />
neuen, leistungsgesteigerten Vari<strong>an</strong>ten.<br />
Der Typ Mk IX des H<strong>an</strong>gar 10 stammt von<br />
1943 und regt in seinem olivgrünen Tarn<strong>an</strong>strich<br />
die F<strong>an</strong>tasie <strong>an</strong>: Es fällt nicht schwer, in<br />
<strong>der</strong> Vorstellung den Ostseestr<strong>an</strong>d gegen die<br />
Nordseeküste zu tauschen und sich einen<br />
Flug in diesem britischen Jäger als simulierten<br />
Luftkampf über dem K<strong>an</strong>al zu visualisieren.<br />
Nun wird es aber die P-51D, eine North<br />
Americ<strong>an</strong> Must<strong>an</strong>g Baujahr 1944. Irgendwie<br />
hatte sich das schon <strong>an</strong>gekündigt. Schon nach<br />
unserer Ankunft war ich im <strong>Crew</strong>bus zum Hotel<br />
mit ihrem Piloten Rob Davies ins Gespräch<br />
gekommen, als ich mich ihm als potenziellen<br />
Backseater für den nächsten Tag vorstellte.<br />
Beim gemeinsamen Frühstück am nächsten<br />
Rob Davies (vorn) mit<br />
Helmuth Lage als Backseater<br />
Durch den Prop <strong>der</strong><br />
P51 »geschossen«:<br />
die Spitfire auf<br />
dem Vorfeld von<br />
Heringsdorf<br />
Fotos, soweit nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s <strong>an</strong>gegeben, Helmuth Lage<br />
72
Morgen erzählt er mir mehr über sich und seine<br />
Geschichte. Ursprünglich aus <strong>der</strong> Technik<br />
kommend, hatte sich <strong>der</strong> Englän<strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />
Nähe von Dover als Pilot g<strong>an</strong>z den Warbirds<br />
verschrieben und l<strong>an</strong>ge Jahre sogar eine eigene<br />
P-51 besessen. Durchaus vertrauensbildende<br />
Informationen für den bevorstehenden gemeinsamen<br />
Flug.<br />
Noch stehen die Maschinen alle im H<strong>an</strong>gar,<br />
als wir am Flughafen Heringsdorf eintreffen,<br />
gemeinsam mit den dazugehörigen Trainern,<br />
nach Nationen sortiert: <strong>Die</strong> britische Spitfire<br />
mit <strong>der</strong> Tiger Moth, die US-amerik<strong>an</strong>ische<br />
P-51 neben <strong>der</strong> T 6 und <strong>der</strong> Boeing Stearm<strong>an</strong>,<br />
die sowjetische Yak 9 nahe <strong>der</strong> Polikarpow, die<br />
deutsche Bf 109 – zurzeit noch als einsitzige<br />
Vari<strong>an</strong>te – bei den Bücker Jungm<strong>an</strong>n und Jungmeister,<br />
dazu eine restaurierte Fw 190 D-9<br />
»L<strong>an</strong>gnase« als statisches Exponat.<br />
Und d<strong>an</strong>n geht es nach draußen: Zuerst die<br />
Spitfire, d<strong>an</strong>n die Must<strong>an</strong>g und dazu auch<br />
noch die Yak 9, die <strong>an</strong> diesem Tag jedoch nur<br />
einsitzig geflogen wird. Sauber eingeparkt stehen<br />
sie nebenein<strong>an</strong><strong>der</strong>: dreimal geballte Kraft<br />
von mehr als 1500 PS. Allein schon das Verhältnis<br />
von Triebwerk zu Rumpf länge erzeugt<br />
ein Kribbeln im Bauch. Das ist pure Power.<br />
Mehr Motor geht einfach nicht, wenn vorn<br />
noch ein Propeller <strong>an</strong>gefl<strong>an</strong>scht ist, <strong>der</strong> die<br />
Kraft in Vortrieb umsetzen soll.<br />
Der restliche Rumpf dient primär <strong>der</strong> Aufnahme<br />
von Piloten und Steuereinrichtungen.<br />
Kurz und gedrungen ist er bei allen Jägern,<br />
nicht länger als für statische und aerodynamische<br />
Bal<strong>an</strong>ce erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Das ist pure Power.<br />
Mehr Motor geht einfach nicht.<br />
Da ist die Spitfire, eher flach und sprungbereit,<br />
g<strong>an</strong>z außen die ausgewogene Yak 9<br />
und dazwischen die Must<strong>an</strong>g. <strong>Die</strong> versteckt<br />
sich nicht hinter Tarnfarbe, son<strong>der</strong>n steht<br />
hochbeinig und erhaben silbern glänzend im<br />
Zentrum. Seht her, ich bin’s! Ihr dürft mich<br />
jetzt bewun<strong>der</strong>n. Und so wirkt sie auch auf<br />
die Besucher, m<strong>an</strong> sieht es ihnen <strong>an</strong>. Sie sind<br />
beeindruckt. <strong>Die</strong> Vorfreude <strong>der</strong>er wächst, die<br />
heute noch mit ihr fliegen dürfen.<br />
Das geht mir nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s, auch wenn Fliegen<br />
<strong>an</strong> sich für mich nichts Außergewöhnliches<br />
ist. Ich bin mit einer viersitzigen Einmot<br />
<strong>an</strong>gereist und werde mit ihr auch wie<strong>der</strong><br />
heimfliegen. Ich habe über viele Jahre Verkehrsflugzeuge<br />
geflogen, aber nichts ist vergleichbar<br />
mit dem, was mich heute erwartet.<br />
Fliegen um des Fliegens willen, nicht, um<br />
von A nach B zu gel<strong>an</strong>gen. Fliegen, nicht, um<br />
den Nachwuchs zu schulen, und schon gar<br />
nicht, um die L<strong>an</strong>dschaft gemächlich von<br />
oben zu betrachten. Son<strong>der</strong>n fliegen, um die<br />
Kraft zu spüren, mit <strong>der</strong> m<strong>an</strong> sich spielerisch<br />
vom Erdboden entfernt, um gleich wie<strong>der</strong> auf<br />
ihn zuzustürzen.<br />
Start frei!<br />
Da steigt auch die Aufregung beim Profi, als<br />
die P-51 frisch bet<strong>an</strong>kt bereit steht und Rob<br />
Davies einladend aus dem Cockpit herab -<br />
lächelt. Das Einsteigen verleiht dem Begriff<br />
Luftsport eine neue Bedeutung. Über die Flügelvor<strong>der</strong>k<strong>an</strong>te<br />
will <strong>der</strong> hintere Sitz erklommen<br />
werden: vom rechten Hauptrad auf die<br />
Querstrebe des Fahrwerks, von dort hochgestützt<br />
auf die Tragfläche und d<strong>an</strong>n noch<br />
einmal mit einem Fuß in eine im Rumpf eingelassene<br />
und mit einer Fe<strong>der</strong>klappe abgedeckte<br />
Stufe. Jetzt nur noch mit mehr o<strong>der</strong><br />
weniger Grazie hineinschwingen, und schon<br />
k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> durchaus bequem in einen gut gepolsterten<br />
Sitz hineingleiten.<br />
Schulterbreite ist ausreichend vorh<strong>an</strong>den,<br />
viel mehr aber auch nicht. Für die zweite relativ<br />
kleine Kamera, die ich zur Sicherheit<br />
Alles original im vor<strong>der</strong>en<br />
Cockpit – nur die Instrumente<br />
entsprechen dem mo<strong>der</strong>nen<br />
St<strong>an</strong>d <strong>der</strong> Technik<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
73
OLDTIMER<br />
Warbird-Mitflug<br />
dabei haben wollte, ist kein Platz. Sie passt<br />
auch in keine <strong>der</strong> Taschen meiner Fliegerkombi,<br />
weil mich überall doppeltes Gurtzeug<br />
einschnürt. Da werde ich zunächst einmal in<br />
die Riemen des Fallschirms gezwängt. D<strong>an</strong>ach<br />
in die Sitzgurte. Das kenne ich alles noch<br />
vom Segelfliegen. Ob ich schon einmal gesprungen<br />
sei, werde ich gefragt. Nein, noch<br />
nie. »Okay«, sagt Rob, »wenn ich ›bale out!‹<br />
rufe, springen wir. Kümmere dich nicht um<br />
die Haube, die werfe ich ab.« Er hat richtig<br />
Spaß <strong>an</strong> dieser Einweisung und führt sie<br />
d<strong>an</strong>n im Stile <strong>der</strong> Stewardessen auf einem<br />
Airliner fort, die pflichtgemäß auf Sauerstoffmasken<br />
und Notausgänge hinweisen und genau<br />
wie Rob wissen, dass diese Einweisung<br />
sein muss, obwohl <strong>der</strong> beschriebene Ernstfall<br />
so unwahrscheinlich ist wie ein Sechser im<br />
Lotto. An<strong>der</strong>s als in einer Passagiermaschine<br />
hätte ich aber immerhin einen Fallschirm …<br />
Behutsam ausgesteuert im Formationsflug, …<br />
… in <strong>der</strong> Fassrolle dagegen geht es rund!<br />
»Prop clear!«, ertönt es da vom vor<strong>der</strong>en<br />
Sitz und »prop clear!« als Echo vom Boden zurück.<br />
Und schon setzt sich die mächtige Luftschraube<br />
vor uns in Bewegung, und nach einigen<br />
ersten Zündvorgängen mit Rauchausstößen<br />
erfüllt kraftvolles Hämmern <strong>der</strong> zwölf<br />
Zylin<strong>der</strong> das Cockpit – nur geringfügig gedämpft<br />
durch die Kopfhörer, die zwar eine<br />
Sprechverbindung ermöglichen, den Sound<br />
des Motors aber nicht etwa durch elektronische<br />
Geräuschunterdrückung verfremden.<br />
Mit halb geöffneter Haube geht es im<br />
»Zick-Zack-Kurs« Richtung Startbahn, zur<br />
Unterscheidung von <strong>der</strong> Graspiste »09 hard«<br />
gen<strong>an</strong>nt. Geradeaus zu rollen geht bei den<br />
Spornradflugzeugen mit ihren gewaltig emporgereckten<br />
Nasen nicht. M<strong>an</strong> sieht einfach<br />
nicht, was vor einem liegt, bis beim Startlauf<br />
<strong>der</strong> Schw<strong>an</strong>z hochkommt und die Sicht endlich<br />
frei wird.<br />
Recht frisch weht dabei <strong>der</strong> kühle Nordwind<br />
in die K<strong>an</strong>zel. Wir nehmen ihn gern in<br />
Kauf, bringt er mit seiner polaren Strömung<br />
doch ideales Flugwetter nach Norddeutschl<strong>an</strong>d.<br />
Glasklare Luft mit geringer Cumulusbewölkung<br />
– schönere Bedingungen sind<br />
kaum vorstellbar.<br />
Beim Aufrollen auf die Bahn kurbelt Rob<br />
die Haube nach vorn, bis sie dicht abschließt.<br />
»Must<strong>an</strong>g November November, runway 09<br />
hard – cleared for take-off«, und was d<strong>an</strong>n einsetzt,<br />
ist mit Motorlärm nur sehr unzureichend<br />
beschrieben. Für diesen Augenblick <strong>der</strong> vollen<br />
Startleistung hätte ich mir nun doch die ak tive<br />
Lärmunterdrückung im Kopfhörer gewünscht.<br />
<strong>Die</strong>ser Presslufthammereffekt schmerzt geradezu,<br />
sodass ich kurzzeitig besorgt <strong>an</strong> die Hörprobe<br />
in meiner nächsten fliegerärztlichen Untersuchung<br />
denken muss.<br />
Grenzenlose Freiheit<br />
Leise wird es natürlich auch nach Reduzierung<br />
<strong>der</strong> Motorleistung nicht gerade, aber immerhin<br />
ist nun eine Verständigung über die<br />
Bordsprech<strong>an</strong>lage möglich, wenn auch mit<br />
deutlich erhöhtem Stimmvolumen. Und als<br />
Rob sich umdreht und »ready for airwork?«<br />
fragt, strecke ich ihm vorsichtshalber auch<br />
noch den erhobenen Daumen entgegen, damit<br />
er mich bloß nicht missversteht.<br />
Keine <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en Maschinen ist zu diesem<br />
Zeitpunkt unterwegs und wir haben den<br />
Luftraum über dem Stettiner Haff g<strong>an</strong>z für<br />
uns allein – in diesem Fall wirklich die von<br />
Reinhard Mey beschworene grenzenlose Freiheit.<br />
Das Programm beginnt mit einer Fassrolle,<br />
mit Rücksicht auf das Gelingen meiner<br />
Fotos zunächst einmal sehr schonend und in<br />
großem Radius <strong>an</strong>gesetzt. Bei den blitzschnellen<br />
M<strong>an</strong>övern in <strong>der</strong> Yak 9 damals hatte<br />
ich wegen <strong>der</strong> hohen Fliehkräfte die Kamera<br />
kaum hochbekommen.<br />
Im Ernstfall geht es natürlich um <strong>an</strong><strong>der</strong>e<br />
Prioritäten. Mit <strong>der</strong> Fassrolle wird die lineare<br />
Flugstrecke in einen Kreisbogen umgeleitet, sodass<br />
die Vorwärtsgeschwindigkeit über Grund<br />
herausgenommen wird und <strong>der</strong> nachfolgende<br />
feindliche Jäger im wahrsten Sinne des Wortes<br />
<strong>an</strong> seinem Ziel vorbeischießt und aus abschussbereiter<br />
Position zum Gejagten wird.<br />
Gern hätte ich mir das einmal demonstrieren<br />
lassen, aber die Kollegen waren ja nicht da<br />
und hätten solche Spielchen, die im Ernstfall<br />
auf Leben und Tod gingen, in unserem friedlichen<br />
Auftrag wohl kaum mitgemacht.<br />
»Ready for a loop?« Na klar, Daumen hoch.<br />
Auch <strong>der</strong> verläuft, wie alle <strong>an</strong><strong>der</strong>en Kunstflugfiguren,<br />
vollkommen ausgewogen mit nahezu<br />
gleichmäßigem Druck auf dem Hosenboden<br />
während des gesamten Kreisbogens.<br />
Zweifellos ein Beweis des fliegerischen Könnens<br />
von Davies, aber auch des wun<strong>der</strong>bar<br />
ausgewogenen Flugverhaltens <strong>der</strong> P- 51. Da-<br />
74
Mitflug-Termine<br />
Tag: 11. & 12. September 2014<br />
Dauer: 30 Minuten<br />
Preis: 2700,00 € (für P-51 o<strong>der</strong> Spitfire)<br />
von k<strong>an</strong>n ich mich schließlich auch noch überzeugen,<br />
als ich die Controls in <strong>der</strong> H<strong>an</strong>d habe.<br />
Satt und trotzdem leichtgängig folgt die<br />
Maschine jedem Ru<strong>der</strong>ausschlag, gleitet in<br />
die Kurve wie das berühmte heiße Messer<br />
durch die Butter und richtet sich mit Minimalaufw<strong>an</strong>d<br />
wie<strong>der</strong> auf. Stabil wie ein Airliner,<br />
dabei agiler als ein Schulflugzeug.<br />
Quartett <strong>der</strong> Jäger?<br />
Bei den Steilkreisen muss ich die Schräglage<br />
schätzen und die Nase ungewohnt <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />
natürlichen Grenze zwischen Wasser und<br />
Himmel entl<strong>an</strong>gführen. Mein künstlicher<br />
Horizont im hinteren Armaturenbrett verharrt<br />
ungerührt in <strong>der</strong> Horizontalen. Seine<br />
Benutzung wäre in <strong>der</strong> Situation dieses Fluges<br />
eigentlich auch unsportlich gewesen.<br />
Bei 160 Knoten (zirka 300 km/h) waren<br />
aber auch bei größerer Schräglage Höhe und<br />
Horizontlinie ohne nennenswerten Kraftaufw<strong>an</strong>d<br />
am Höhenru<strong>der</strong> <strong>der</strong> über fünf Tonnen<br />
schweren Maschine leicht zu halten. Kein<br />
Wun<strong>der</strong> bei den enormen Kraftreserven, die<br />
zum Ausgleich <strong>der</strong> Fliehkräfte vorh<strong>an</strong>den sind.<br />
»D<strong>an</strong>n bring uns mal zurück zum Flughafen.«<br />
Flughafen? Ach ja, wo sind wir hier eigentlich?<br />
Erstaunlich, wie leichtfertig m<strong>an</strong> sich<br />
als Backseater aus dem Situationsbewusstsein<br />
herausstiehlt. <strong>Die</strong> L<strong>an</strong>debahn zu finden ist<br />
d<strong>an</strong>n in dieser übersichtlichen L<strong>an</strong>dschaftsstruktur<br />
natürlich kein Problem. Rob legt noch<br />
einen tiefen Überflug für die Fotografen vor<br />
dem H<strong>an</strong>gar 10 hin und bringt uns d<strong>an</strong>n mit<br />
einem Turn zurück zur Schwelle <strong>der</strong> Graspiste,<br />
wo er die Must<strong>an</strong>g s<strong>an</strong>ft aufsetzt.<br />
Schwer zu toppen, was mir da geboten<br />
wurde. Vielleicht erhält die Spitfire bei einer<br />
nächsten Gelegenheit ja doch noch eine Ch<strong>an</strong>ce,<br />
mir zu beweisen, was in ihr steckt? Für den<br />
Spätsommer sind schließlich weitere Mitflugtage<br />
gepl<strong>an</strong>t, wenngleich noch immer ohne<br />
deutsches Gegenstück.<br />
Noch gibt es weltweit kein einziges deutsches<br />
Flugzeug, das hierfür infrage käme<br />
– wohl aber ein Projekt. Im Auftrag des H<strong>an</strong>gar<br />
10 wird bereits seit einiger Zeit am Aufbau<br />
einer Messerschmitt Bf 109 G-12 gearbeitet.<br />
Trotz des großen Best<strong>an</strong>des <strong>an</strong> Originalteilen<br />
wird noch viel Zeit ins L<strong>an</strong>d gehen, bis alle<br />
Eindrehen zum tiefen<br />
Überflug auf Augenhöhe<br />
mit dem H<strong>an</strong>gar 10<br />
noch fehlenden Elemente rekonstruiert und<br />
eingepasst sind. Und da wartet ja auch noch<br />
ein l<strong>an</strong>gwieriges Zulassungsverfahren, bis das<br />
Lufttüchtigkeitszeugnis ausgestellt werden<br />
k<strong>an</strong>n und die G-12 als weltweit einzige doppelsitzige<br />
Vari<strong>an</strong>te einer Bf 109 abhebt.<br />
D<strong>an</strong>n ist das Quartett <strong>der</strong> Jäger vollständig<br />
und über Usedom werden sich die Gegner von<br />
einst wie<strong>der</strong> mitein<strong>an</strong><strong>der</strong> messen. Jetzt aber<br />
nur noch sportlich und fernab je<strong>der</strong> Absicht gegenseitiger<br />
Zerstörung. G<strong>an</strong>z im Gegenteil: Ein<br />
gekonntes und ver<strong>an</strong>twortungsbewusstes Mitein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />
im gemeinsamen Luftraum sichert<br />
dem H<strong>an</strong>gar 10 und seinen Besuchern seine<br />
wertvollsten Exponate und den mitfliegenden<br />
Gästen ein unvergessliches Erlebnis. ■<br />
<br />
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<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong><br />
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Inf<strong>an</strong>teriestraße 11a<br />
80797 München<br />
Junkers Ju 87<br />
»418 Tage im Sturz« in Heft<br />
7/2014<br />
<strong>Die</strong>ser Artikel hat in mir Erinnerungen<br />
<strong>an</strong> das Jahr 1943 hervorgerufen,<br />
in dem ich die zweite<br />
Klasse <strong>der</strong> deutschen Volksschule<br />
in Deutsch-Brod besucht<br />
habe. Abgesehen von den <strong>Stuka</strong>-<br />
Wracks, die m<strong>an</strong> in <strong>der</strong> Umgebung<br />
von Deutsch-Brod besich -<br />
tigen konnte, durften wir mit unserer<br />
Klasse auch einmal den<br />
Flugplatz besuchen. Dabei ließ<br />
m<strong>an</strong> mich sogar im Cockpit eines<br />
<strong>Stuka</strong>s Platz nehmen. Wenn auch<br />
meine Beine noch zu kurz waren,<br />
um <strong>an</strong> die Pedale her<strong>an</strong>zukommen,<br />
so konnte ich immerhin einen<br />
Hebel bedienen, mit dem ein<br />
Fenster im Boden des Cockpits<br />
geöffnet wurde, durch das <strong>der</strong><br />
Pilot sein Ziel <strong>an</strong>visierte. Ihr Artikel<br />
hat mir bestätigt, dass meine<br />
Erinnerungen nicht nur geträumt<br />
waren. Später konnte ich<br />
als Amateurflieger noch in vielen<br />
unterschiedlichen Cockpits sitzen,<br />
aber das war eben das erste<br />
Mal!<br />
Wenn es noch möglich ist, bitte<br />
ich die Veter<strong>an</strong>en herzlich von<br />
mir zu grüßen!<br />
Dr.-Ing. Heinz Baum<strong>an</strong>n,<br />
Fröndenberg, per E-Mail<br />
Focke-Wulf Fw 190<br />
»Der P<strong>an</strong>zervogel <strong>der</strong> Luftwaffe«<br />
in Heft 8/2014<br />
Ich habe in Ihrem Artikel von diesen<br />
Tropenfiltern <strong>an</strong> <strong>der</strong> Fw 190<br />
A-5/U3 gelesen, die ja offenbar<br />
schon 1942 eingeführt worden<br />
sind. Hat m<strong>an</strong> damals bei <strong>der</strong><br />
V max<br />
in <strong>der</strong> Höhe (gegebenenfalls<br />
mit offener Klappe, d<strong>an</strong>n wohl<br />
beste Staudruckausnutzung) keine<br />
positiven Einflüsse auf die<br />
Leistung festgestellt – o<strong>der</strong> war<br />
das beim Schlachtflugzeug sowieso<br />
kein Thema? Ich könnte<br />
mir vorstellen, dass allein dadurch<br />
schon damals die Höhenleistung<br />
verbessert wurde. Sie sehen ja den<br />
(von Ihnen ebenfalls schon beschriebenen)<br />
erst viel später getesteten,<br />
außen liegenden Ansaugschächten<br />
des Versuchs-Höhen -<br />
jägers sehr ähnlich!<br />
Gerd Kopper, per E-Mail<br />
Zweck <strong>der</strong> Tropen<strong>an</strong>saugschächte<br />
war es ja, den Motor durch die eingebauten<br />
Filter vor schädlichen<br />
Fremdpartikeln wie beispielsweise<br />
S<strong>an</strong>dkörnern zu schützen.<br />
Focke-Wulf erprobte Außenhutzen<br />
für die Fw 190 in verschiedenen<br />
Formen und Längen. Zur Leistungssteigerung<br />
hat sich eigentlich<br />
nur die so gen<strong>an</strong>nte l<strong>an</strong>ge Außenhutze<br />
bewährt, die weit nach vorn<br />
gezogen wurde. Dadurch kam es zu<br />
keinerlei Störeinflüssen. <strong>Die</strong>se l<strong>an</strong>gen<br />
Schächte gab es schon bei<br />
den ersten drei Höhenjägern im August<br />
1942. Den Leistungsgewinn<br />
erzielte m<strong>an</strong> durch die bessere<br />
Stauausnutzung. Der dabei erzielte<br />
Geschwindigkeitszuwachs resultierte<br />
ausschließlich durch die dadurch<br />
gesteigerte Volldruckhöhe.<br />
Bei <strong>der</strong> kurzen Ansaughutze, die<br />
den Tropenschächten zumindest in<br />
<strong>der</strong> Ausführung ähnlich war, führte<br />
Warmlufteintritt aus dem Kühler<br />
und Abreißerscheinungen <strong>an</strong><br />
<strong>der</strong> Hutze selbst führten zu Leistungsverlusten.<br />
<strong>Die</strong>se Effekte gab<br />
es auch bei den Tropen<strong>an</strong>saugschächten,<br />
die d<strong>an</strong>n zu einem Leistungsverlust<br />
von 16 bis 22 km/h<br />
führten. Bedenken Sie, dass allein<br />
die verschließbare Klappe mit ihrem<br />
Fe<strong>der</strong>mech<strong>an</strong>ismus die saubere<br />
Führung des Luftstroms am<br />
Anf<strong>an</strong>g des Schachtes schon erheblich<br />
stört. Ein Leistungsgewinn<br />
war so nicht möglich.<br />
<strong>Die</strong>tmar Herm<strong>an</strong>n<br />
Anmerkung <strong>der</strong> Redaktion Leserbriefe<br />
spiegeln nicht unbedingt die Meinung <strong>der</strong><br />
Redaktion wi<strong>der</strong>. <strong>Die</strong> Redaktion behält sich vor,<br />
Leserbriefe aus Gründen <strong>der</strong> Darstellung eines<br />
möglichst umfassenden Meinungsspektrums<br />
unserer Leser Sinn wahrend zu kürzen.<br />
76
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mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. <strong>Die</strong> M<strong>an</strong>datsreferenz wird mir separat mitgeteilt. Hinweis: Ich k<strong>an</strong>n<br />
innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verl<strong>an</strong>gen. Es<br />
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*** Gläubiger-ID DE63ZZZ00000314764
LESERALBUM<br />
VON SKANDINAVIEN BIS SIZILIEN – TEIL 2<br />
Bei den<br />
Torpedofliegern<br />
<strong>Die</strong> kleine, aber hochinteress<strong>an</strong>te Fotosammlung unseres Lesers<br />
Karl Bürling zeigt faszinierende Aufnahmen, <strong>der</strong>en<br />
Entstehungsgeschichte lei<strong>der</strong> verloren ging… Von Peter W. Cohausz<br />
<strong>Die</strong> Torpedoflieger, um die es im zweiten<br />
Teil <strong>der</strong> Sammlung geht, waren<br />
bei <strong>der</strong> deutschen Luftwaffe eher ein<br />
Stiefkind, denn zunächst bevorzugte m<strong>an</strong><br />
Sturz<strong>an</strong>griffe, so wie sie Junkers Ju 87 durchführte.<br />
Erst als 1940 die erfolgreichen Aktio-<br />
nen <strong>der</strong> Englän<strong>der</strong> auf die italienische Flotte<br />
in Tarent und <strong>der</strong> jap<strong>an</strong>ische Überfall auf<br />
Pearl Harbour am 7. Dezember 1941 gezeigt<br />
hatten, wie erfolgreich Torpedo-Flugzeuge<br />
sein konnten, f<strong>an</strong>d bei <strong>der</strong> Luftwaffe schließlich<br />
ein Umdenken statt.<br />
Im Sommer 1942 war das KG 26 als erstes<br />
Torpedogeschwa<strong>der</strong> im Einsatz. So flog ihre<br />
I. Gruppe Einsätze mit He 111 von Norwegen<br />
aus auf alliierte Geleitzüge. Einer <strong>der</strong> erfolgreichsten<br />
Angriffe f<strong>an</strong>d auf den Konvoi PQ 17<br />
im Juli 1942 statt.<br />
■<br />
78
Bereit zum Torpedoeinsatz. Eine Heinkel He 111 H lässt ihre Motoren warmlaufen. Nach den auf<br />
dem Rumpf erkennbaren Kennzeichen könnte es sich um die F8+AD vom Stab <strong>der</strong> III./KG 40<br />
h<strong>an</strong>deln. <strong>Die</strong> Ein weisung für den Torpedoeinsatz geschah Anf<strong>an</strong>g 1941 in Großenbrode. An <strong>der</strong><br />
He 111 sind noch einige interess<strong>an</strong>te Details zu erkennen wie <strong>der</strong> kleine, rechteckige Rückspiegel<br />
über <strong>der</strong> K<strong>an</strong>zel und die nachgerüstete P<strong>an</strong>zerplatte am MG 15 des B-St<strong>an</strong>des. <strong>Die</strong> Propellerhauben<br />
tragen die Farbe <strong>der</strong> Geschwa<strong>der</strong>gruppe<br />
Buchführung am Leitwerk einer Focke-Wulf<br />
Fw 200 C des KG 40: <strong>Die</strong> Besatzung hat fünf Aufklärungseinsätze<br />
im Raum Narvik und 14 gegen<br />
Engl<strong>an</strong>d geflogen<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
79
LESERALBUM<br />
Eine Junkers Ju 88 wird laut <strong>der</strong> rückseitigen Bildbeschriftung in<br />
Comiso auf Sizilien mit Torpedos beladen. <strong>Die</strong> Version ist zwar<br />
nicht zu identifizieren, doch bestückte m<strong>an</strong> von den Ju-88-Mustern<br />
entwe<strong>der</strong> die Version A-4/LT o<strong>der</strong> die A-17 mit Torpedos.<br />
Bei <strong>letzte</strong>rer fehlten die Bodenw<strong>an</strong>ne und die Sturzflugbremsen.<br />
Der Flugplatz Comiso deutet eher auf eine Maschine des KG 77<br />
hin, als auf eine des KG 26<br />
Eine einsame Heinkel He 111 lässt ihre Motoren auf einem leeren<br />
Flugplatz warmlaufen. <strong>Die</strong> wenigen erkennbaren Details wie<br />
<strong>der</strong> Funkpeilrahmen hinter dem üblichen Antennenmast und<br />
die Auspuffrohre lassen entwe<strong>der</strong> auf eine Heinkel He 111 H-1<br />
für die Blindflugschulung o<strong>der</strong> auf ein Führungsflugzeug Heinkel<br />
He 111 D schließen<br />
80
Eine Bf 109 E-4 »Weiße 9« <strong>der</strong> 7./JG 2<br />
im Winter 1940/41, vermutlich in Bernay.<br />
<strong>Die</strong> Maschine hat noch eine gelbe<br />
Motorhaube und ein gelbes Seitenleitwerk.<br />
<strong>Die</strong>se großflächigen taktischen<br />
Markierungen, meist in Gelb o<strong>der</strong><br />
Weiß, wurden in <strong>der</strong> Endphase <strong>der</strong><br />
Luftschlacht um Engl<strong>an</strong>d eingeführt,<br />
um bei dem zunehmenden Tempo <strong>der</strong><br />
Luftkämpfe eine schnelle Erkennung<br />
auch in größerer Ferne zu ermöglichen<br />
Seltener Vogel: <strong>Die</strong> VG-33 ist in Deutschl<strong>an</strong>d fast unbek<strong>an</strong>nt.<br />
Hier ist die VG-33 C1, Nummer 7 <strong>der</strong> Groupe de Chasse GC<br />
I/55 zu sehen, aufgenommen Ende Juni 1940 in Toulouse<br />
Foto Matthieu Comas via Philippe Cou<strong>der</strong>chon<br />
Hier hat <strong>der</strong> Angehörige <strong>der</strong> 7./JG 2 das Instrumentenbrett einer großen Rarität fotografiert. <strong>Die</strong><br />
Maschine ist eine erbeutete fr<strong>an</strong>zösische Arsenal VG-33, von <strong>der</strong> bis zur fr<strong>an</strong>zösischen Kapitulation<br />
nur noch sehr wenige zur Armée de l’Air gel<strong>an</strong>gt sind<br />
SIE haben seltene Bil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> sind auf bisher unveröffentlichte Fotoalben gestoßen? D<strong>an</strong>n schicken Sie uns<br />
die Aufnahmen zur Veröffentlichung <strong>an</strong>: <strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong>, Inf<strong>an</strong>teriestraße 11a, 80797 München<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 9/2014<br />
81
VORSCHAU<br />
Nr. 159 I 9/14 I September I 15. Jahrg<strong>an</strong>g<br />
Was <strong>der</strong> Luftwaffe das Genick brach<br />
Der 12. Mai 1944 markierte den Wendepunkt in <strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ischen Luftkriegsführung. An<br />
diesem Tag holte die USAF zum ersten großen Schlag gegen die deutsche Treibstoffindustrie<br />
aus – die Folgen waren für die Luftwaffe verheerend …<br />
Foto D. Herm<strong>an</strong>n<br />
Internet: www.flugzeugclassic.de<br />
vereinigt mit<br />
Redaktions<strong>an</strong>schrift<br />
Flugzeug Classic<br />
Inf<strong>an</strong>teriestr. 11a, 80797 München<br />
Tel. +49 (0) 89.13 06 99.720<br />
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Redaktion Markus Wun<strong>der</strong>lich (Chefredakteur),<br />
Richard Chapm<strong>an</strong> (Koordination), Jens Müller-Bauseneik<br />
Ständige Mitarbeiter<br />
Stef<strong>an</strong> Bartm<strong>an</strong>n, Peter W. Co hausz, <strong>Die</strong>tmar Herm<strong>an</strong>n,<br />
Othmar Hellinger, Lino von Gartzen, Helmuth Lage,<br />
Wolfg<strong>an</strong>g Mühlbauer, Alex<strong>an</strong><strong>der</strong> Nüßlein, Herbert<br />
Ringlstetter, Rolf Stünkel<br />
Layout Ute Schnei<strong>der</strong>, Ralph Hellberg<br />
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Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 21 gültig ab 1.1.2014<br />
Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich<br />
Druck Stürtz, Würzburg<br />
Verlag<br />
Foto G. Schmid<br />
<strong>Die</strong> Spätberufene<br />
<strong>Die</strong> Gloster Meteor legt Anf<strong>an</strong>g <strong>der</strong> 1950er-Jahre eine beeindruckende Zweitkarriere hin: Als<br />
radarbestückter Nachtjäger erlebt das <strong>an</strong> sich veraltete Flugzeug seinen zweiten Frühling. Grundlage<br />
ist die nicht weniger erfolgreiche Trainerversion, die m<strong>an</strong> 1948 in reiner Eigeninitiative entwickelt<br />
hat.<br />
D-Day in Duxford<br />
Duxford k<strong>an</strong>n nicht nur »Flying Legends«: Der 70. Jahrestag<br />
<strong>der</strong> Invasion wurde bei <strong>der</strong> großen D-Day Anniversary<br />
Airshow mit zahlreichen Originalflugzeugen<br />
aus jener Zeit eindrucksvoll zelebriert …<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 10/2014 erscheint am<br />
15. September 2014<br />
… o<strong>der</strong> 82schon 2 Tage früher im Abonnement mit bis zu<br />
44 % Preisvorteil und Geschenkprämie.<br />
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Plus Geschenk<br />
Ihrer Wahl,<br />
z. B. den<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong><br />
Isolierbecher<br />
Lieber Leser,<br />
Sie haben Freunde,<br />
die sich ebenso für<br />
Oldtimer <strong>der</strong> Lüfte<br />
begeistern wie Sie?<br />
D<strong>an</strong>n empfehlen Sie<br />
uns doch weiter! Ich<br />
freue mich über jeden<br />
neuen Leser.<br />
Ihr Chefredakteur<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong><br />
Markus Wun<strong>der</strong>lich<br />
Foto W. Mühlbauer<br />
GeraMond Verlag GmbH<br />
Inf<strong>an</strong>teriestraße 11a, 80797 München<br />
www.geramond.de<br />
Geschäftsführung Clemens Hahn<br />
Herstellungsleitung S<strong>an</strong>dra Kho<br />
Leitung Marketing und Sales Zeitschriften<br />
Andreas Thorey<br />
Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn<br />
Vertrieb/Auslieferung<br />
Bahnhofsbuchh<strong>an</strong>del, Zeitschriften h<strong>an</strong>del:<br />
MZV, Unterschleißheim<br />
Im selben Verlag erscheinen außerdem:<br />
AUTO <strong>CLASSIC</strong><br />
TRAKTOR <strong>CLASSIC</strong><br />
FLUGMODELL<br />
SCHIFFSMODELL<br />
BAHN EXTRA<br />
LOK MAGAZIN<br />
STRASSENBAHN MAGAZIN<br />
MILITÄR & GESCHICHTE<br />
Preise Einzelheft € 5,90 (D), € 6,50 (A), sFr. 11,50 (CH)<br />
(bei Einzelvers<strong>an</strong>d zzgl. Vers<strong>an</strong>dk.); Jahresabonnement<br />
(12 Hefte) € 63,72 incl. MwSt., im Ausl<strong>an</strong>d zzgl. Vers<strong>an</strong>dk.<br />
Für Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> »Freunde <strong>der</strong> Lufth<strong>an</strong>sa JU 52 e.V.« gilt ein<br />
Verb<strong>an</strong>dspreis von € 54,12 pro Jahr (12 Ausgaben).<br />
<strong>Die</strong> Abogebühren werden unter <strong>der</strong> Gläubiger-Identifikationsnummer<br />
DE63ZZZ00000314764 des GeraNova Bruckm<strong>an</strong>n<br />
Verlagshauses eingezogen. Der Einzug erfolgt jeweils zum<br />
Erscheinungstermin <strong>der</strong> Ausgabe, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Vorausgabe<br />
<strong>an</strong>kündigt wird. Der aktuelle Abopreis ist hier im Impressum<br />
<strong>an</strong>gegeben. <strong>Die</strong> M<strong>an</strong>datsreferenznummer ist die auf dem<br />
Adressetikett eingedruckte Kundennummer.<br />
ISSN 1617-0725 • 52469<br />
Erscheinen und Bezug<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> erscheint monatlich. Sie erhalten <strong>FLUGZEUG</strong><br />
<strong>CLASSIC</strong> in Deutschl<strong>an</strong>d, in Österreich und in <strong>der</strong> Schweiz im Bahnhofsbuchh<strong>an</strong>del,<br />
<strong>an</strong> gut sortierten Zeitschriftenkiosken sowie direkt<br />
beim Verlag.<br />
© 2014 by GeraMond Verlag. <strong>Die</strong> Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen<br />
Beiträge undAbbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Durch Annahme<br />
eines M<strong>an</strong>u skripts erwirbt <strong>der</strong> Verlag das ausschließliche Recht<br />
zur Veröffentlichung. Für unverl<strong>an</strong>gt einges<strong>an</strong>dte Fotos und M<strong>an</strong>uskripte<br />
wird keine Haftung übernommen. Ge richts st<strong>an</strong>d ist München.<br />
Ver<strong>an</strong>twortlich für den redak tio nel len Inhalt: Markus Wun<strong>der</strong>lich; ver<strong>an</strong>twortlich<br />
für die Anzeigen: Rudolf Gruber, beide: Inf<strong>an</strong>terie straße<br />
11a, 80797 München.<br />
<strong>Die</strong>ses Heft enthält historische Abbildungen aus <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />
Diktatur, sie können Hakenkreuze o<strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>e<br />
verfassungsfeindliche Symbole beinhalten. Soweit solche Fotos in diesem<br />
Heft veröffentlicht werden, dienen sie zur Berichterstattung über<br />
Vorgänge des Zeitgeschehens und dokumentieren die militärhistorische<br />
und wissenschaftliche Forschung. <strong>Die</strong>se Publikation befindet sich<br />
damit im Einkl<strong>an</strong>g mit <strong>der</strong> Rechtslage in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschl<strong>an</strong>d,<br />
insbeson<strong>der</strong>e § 86 (3) StGB. Wer solche Abbildungen aus diesem<br />
Heft kopiert und sie propag<strong>an</strong>distisch im Sinne von § 86 und § 86a<br />
StGB verwendet, macht sich strafbar! Redaktion und Verlag dist<strong>an</strong>zieren<br />
sich ausdrücklich von jeglicher nationalsozialistischer Gesinnung.
Faszination<br />
Modellbau<br />
Jetzt neu<br />
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GeraMond Verlag GmbH, Inf<strong>an</strong>teriestraße 11a, 80797 München<br />
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Schlachten, Technik,<br />
Feldherren<br />
Das neue Heft ist da.<br />
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