Matrix3000 History: Was wäre wenn... die Geschichte anders wäre? (Sonderheft) (Vorschau)
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MATRIX<br />
M<br />
ATRIX3000<br />
3000<br />
<strong>History</strong><br />
SPEZIAL<br />
Nr.4 / 6,50 EUR<br />
Österreich 7,20 EUR<br />
Schweiz 12,80 SFR<br />
Luxemburg 7,60 EUR<br />
Italien 8,50 EUR<br />
Das<br />
Bernsteinzimmer<br />
Der Ursprung<br />
des Menschen<br />
Die Nibelungen -<br />
Dichtung und Wahrheit<br />
<strong>Was</strong><br />
<strong>wäre</strong> <strong>wenn</strong><br />
... <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>anders</strong> <strong>wäre</strong>?<br />
Akustische<br />
Archäologie<br />
Baalbek -<br />
Hauptquartier<br />
der Götter
Grazyna Fosar / Franz Bludorf<br />
Zeitfalle<br />
€ 24,80 (D) € 25,50 (A)<br />
ISBN: 978-3895393860<br />
Vorher sollten Sie erfahren, wie der Code der<br />
Weltgeschichte funktioniert:<br />
"Projekt Fatima" - ein Programm für <strong>die</strong> Weltpolitik<br />
bis ins 21. Jahrhundert. Welche Rolle spielt Papst<br />
Johannes Paul II.?<br />
Ein keltisches Ritual verfolgt den Kennedy-Clan.<br />
Lady Diana gab es zwei Mal, und beide waren dem<br />
Prince of Wales versprochen!<br />
"Schatten über dem Weißen Haus" -<br />
alle 20 Jahre starb ein Präsident im Amt.<br />
Fraktale Zeit - gebrochen, sprunghaft und verzerrt.<br />
Kosmische Einfl üsse auf <strong>die</strong> Lichtwelle unserer DNA.<br />
Kulturen mit Verfallsdatum.<br />
Geheimlogen, Rituale, rekursive und progressive<br />
Zeitvariablen u.v.m.<br />
Der beste Weg, <strong>die</strong> Zukunft zu erkennen, ist, sie zu<br />
gestalten!<br />
David Hatcher Childress<br />
Zeitreisenhandbuch<br />
€ 24,90 (D) € 25,60 (A)<br />
ISBN: 978-3-89539-233-7<br />
In <strong>die</strong>sem Buch wird nicht nur von den<br />
Zeitexperimenten der amerikanischen<br />
Regierung berichtet, an denen angeblich<br />
Nikola Tesla und Jon von Neumann beteiligt<br />
waren, sondern auch von den Wilson Brüdern<br />
von EMI und deren Verbindungen zum<br />
Philadelphia Experiment der amerikanischen<br />
Regierung. Es wird auch auf Forschungen<br />
der ACIO eingegangen,<br />
einer geheimen Organisation, welche in<br />
einem Berg eine sog. „Zeitkapsel“ entdeckt<br />
hatte<br />
Montauk I<br />
Das Montauk Projekt<br />
€ 16,00 (D) € 16,40 (A)<br />
ISBN: 978-3-89539-269-6<br />
Entdecken Sie <strong>die</strong> Wahrheit über das Phänomen Zeit!<br />
Das Montauk Projekt deckt das erstaunlichste und am<br />
strengsten geheimgehaltene Forschungsprojekt der<br />
<strong>Geschichte</strong> auf. Es begann während des II. Weltkrieges<br />
mit dem Philadelphia Experiment, bei dem <strong>die</strong> U.S.<br />
Navy in Zusammenarbeit mit der damaligen Elite der<br />
Wissenschaft (Nikola Tesla, Albert Einstein), Versuche<br />
durchführte, das Kriegsschiff USS Eldridge für feindliches<br />
Radar unsichtbar zu machen. Das Projekt wurde<br />
unterbrochen, nachdem es am 12. August 1943 zu<br />
einer kompletten Teleportation des Schiffes und seiner<br />
Besatzung gekommen war. Das Montauk Projekt verbindet<br />
<strong>die</strong> Modalitäten der modernen Wissenschaft mit<br />
den höchsten esoterischen Techniken und katapultiert<br />
uns letztendlich über <strong>die</strong> Schwelle des Universums und<br />
unseres Bewußtseins hinaus. Wir alle wissen, daß da<br />
draußen irgend etwas ist, doch wir wissen nicht genau,<br />
was. Dieses Buch liefert nicht zuletzt ein paar handfeste<br />
Schlüsse darüber<br />
Bob Frissell<br />
Zurück in unsere Zukunft<br />
€ 16,00 (D) € 16,40 (A)<br />
ISBN: 978-3-89539-260-3<br />
Wenn <strong>die</strong> herkömmlichen Erklärungen über den Sinn des<br />
Lebens Sie nicht befriedigen und Ihnen auch <strong>die</strong> diversen<br />
New Age-Ansätze unzureichend erscheinen, werden <strong>die</strong><br />
Gedanken in <strong>die</strong>sem Buch eine Bereicherung für Sie sein.<br />
Aus Sicht der aufgestiegenen Meister, von Toth, Babaji und<br />
Melchizedek, wird ein Überblick über das große Schauspiel<br />
vermittelt, das auf unserem Planeten in <strong>die</strong>sem Moment<br />
abläuft. Zurück in unsere Zukunft ist auch ein Buch über<br />
<strong>die</strong> heilige Geometrie. Nach einem einzigartigen kosmischen<br />
Experiment im Jahre 1972 erreicht nun <strong>die</strong> Entwicklung auf<br />
Erden ungeahnte Geschwindigkeiten, <strong>die</strong> wir selbst, innerhalb<br />
des Systems, nicht direkt erfahren. Lassen Sie sich<br />
überraschen von den unerhörten Ideen, <strong>die</strong> Sie in <strong>die</strong>sem<br />
spannenden Buch fi nden. U.a. Polsprung, Pyramide von<br />
Gizeh, Atemtechnik<br />
David Hatcher Childress<br />
Technologie der Götter<br />
€ 26,90 (D) € 27,70 (A)<br />
ISBN: 978-3-89539-234-4<br />
Der Autor führt uns in <strong>die</strong> erstaunliche Welt der antiken<br />
Technologie, er untersucht <strong>die</strong> gewaltigen Bauten aus<br />
riesigen Steinblöcken und viele erstaunliche Fundstücke<br />
aus aller Welt, von Kristalllinsen sog. "Ewigen Feuern"<br />
und elektrischer Beleuchtung<br />
Dieses Buch liefert eindeutige Beweise, dass auch<br />
schon längst untergegangene Zivilisationen eine<br />
fortschrittliche Technologie besessen haben, welche<br />
der heutigen teilweise sogar weit überlegen war. Es<br />
gibt unwiderlegbare Beweise, dass <strong>die</strong> Menschen der<br />
Antike technische Leistungen vollbracht haben, welche<br />
wir nicht einmal mit der heutigen Technik nachahmen<br />
können.<br />
Alle Bücher auch<br />
online erhältlich!<br />
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Bestelltelefon: 08861 - 5 90 18, E-mail: Info@michaelsverlag.de<br />
MICHAELS VERLAG & VERTRIEB GMBH, Ammergauer Strasse 80, D-86971 Peiting, Fax: 08861 - 6 70 91
Editorial<br />
Franz Bludorf, Chefredakteur<br />
„In einer Welt, in der Rhinozerosse als Haustiere gehalten<br />
werden – wer gewinnt da den Zweiten Weltkrieg?“ In der<br />
Kult-Comedy „The Big Bang Theory“ vertreiben sich Ober-<br />
Nerd Sheldon Cooper und seine Amy (<strong>die</strong> selbstverständlich<br />
nicht seine „Freundin“ ist) <strong>die</strong> Zeit mit „kontrafaktualen“<br />
Gesellschaftsspielen. Man erdenkt sich eine Welt, in der<br />
sich irgendetwas auf andere Weise ereignet hat, als wir es<br />
kennen, und ergründet dann, wie sich dadurch <strong>die</strong> Weltgeschichte<br />
verändert hätte.<br />
<strong>Was</strong> als leicht schräger Zeitvertreib für abgedrehte Naturwissenschaftler<br />
ausschaut, ist inzwischen auf dem Wege,<br />
ernsthafte Wissenschaft zu werden. Historiker waren im<br />
Grunde nie frei davon, sich Gedanken zu machen, was geschehen<br />
<strong>wäre</strong>, <strong>wenn</strong> im Verlauf der <strong>Geschichte</strong> jemand <strong>anders</strong><br />
gehandelt hätte, als es in unseren Geschichtsbüchern<br />
steht. Täten sie das nicht, dann <strong>wäre</strong>n sie nur bloße Chronisten.<br />
Erst durch Abwägen des Für und Wider historischer<br />
Ereignisse kann man Erkenntnisgewinne erzielen, wie sich<br />
aus den Handlungen einzelner Personen und Staaten <strong>Geschichte</strong><br />
entwickelt.<br />
<strong>Was</strong> <strong>wäre</strong> <strong>wenn</strong> – im Zweiten Weltkrieg das Bernsteinzimmer<br />
in ein Bergwerk in Thüringen gebracht worden <strong>wäre</strong>?<br />
Oder an Bord der „Wilhelm Gustloff“? Ohne kontrafaktische<br />
<strong>Geschichte</strong> hätten sich <strong>die</strong> echten „Monuments Men“ nie<br />
auf <strong>die</strong> Suche nach verschollenen Kunstschätzen begeben<br />
können. Bislang befinden sie sich hinsichtlich des Verbleibs<br />
des Bernsteinzimmers noch im Zustand epistemischer<br />
Ambivalenz. Das heißt, es kann überall und nirgends sein.<br />
„Epistemische Ambivalenz“ bedeutet eine Mehrdeutigkeit<br />
im Wissens- und Erkenntnisbereich.<br />
Woran starb Wolfgang Amadeus Mozart? An einer Infektion,<br />
oder ermordeten ihn <strong>die</strong> Freimaurer mit Quecksilber, da er<br />
ihre Geheimnisse angeblich in seiner „Zauberflöte“ verriet?<br />
Wer waren <strong>die</strong> historischen Vorbilder der Nibelungen? Steht<br />
Gunther für den Burgundenkönig Gundahar und Kriemhild<br />
für Ildiko, <strong>die</strong> Ehefrau des Hunnenkönigs Attila, der <strong>die</strong><br />
Hochzeitsnacht nicht überlebt haben soll? Ist der Name Hagen<br />
von Tronje gar ein Hinweis auf Troja? Im Verlauf <strong>die</strong>ses<br />
<strong>Matrix3000</strong>-<strong>History</strong>-Special wird es vermutlich auch Ihnen<br />
klarwerden: Wenn <strong>die</strong> Ambivalenz nicht epistemisch ist,<br />
kann man <strong>Geschichte</strong> als Wissenschaft gleich vergessen.<br />
Und wie lautet eigentlich <strong>die</strong> Antwort auf <strong>die</strong> einleitende<br />
Frage? Sheldon Cooper würde sagen, sie ist so offensichtlich,<br />
dass es eigentlich überflüssig ist, darauf hinzuweisen.<br />
Also: In einer Welt, in der Rhinozerosse als Haustiere gehalten<br />
werden, würde Kenia durch den Export <strong>die</strong>ser Tiere<br />
zu Reichtum und Macht gelangen. Nach Ausbruch des Krieges<br />
würde sich jedoch niemand mehr <strong>die</strong>se Tiere leisten<br />
können. Kenias Wirtschaft würde zusammenbrechen, und<br />
dadurch <strong>wäre</strong> – selbstverständlich – Uganda Gewinner des<br />
Zweiten Weltkrieges. Bazinga!<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 3
Inhalt<br />
Die Nibelungen<br />
12<br />
Anfang des 13. Jahrhunderts wurde es in mittelhochdeutscher Sprache verfasst, das deutscheste aller<br />
Epen – das Nibelungenlied. So ungreifbar und namenlos wie der Dichter sind auch <strong>die</strong> meisten<br />
historischen Hintergründe des Epos. Bei der Konstruktion des Mythos wurde wohl historisch nicht<br />
Zusammengehöriges vermengt, wurde mit den Stilmitteln der Verdichtung und der Personalisierung<br />
politischer Vorgänge ein explosives literarisches Gebräu angerührt, das <strong>die</strong> Fantasie der Nachwelt bis<br />
in <strong>die</strong> Gegenwart stimuliert. So wenig der Forscher auch an Konkretem aufzufinden vermag, spannend<br />
ist <strong>die</strong> Spurensuche nach den Quellen der „Nibelungen-Not“ allemal.<br />
32 Von Mozart zu Mord?<br />
Der Ursprung des<br />
Menschen<br />
Die heute am weitesten verbreitete alternative Theorie zur<br />
Entstehung des Menschen beruht auf den Theorien der „Präastronautik“,<br />
mit Erich von Däniken und Zecharia Sitchin als<br />
den bekanntesten Vertretern: der Mensch stamme von den<br />
Tieren ab und <strong>wäre</strong> auch heute noch primitiv, <strong>wenn</strong> nicht Außerirdische<br />
genmanipulierend eingegriffen hätten. Der Autor<br />
zeigt <strong>die</strong> problematischen Seiten <strong>die</strong>ser Theorie – bei Sitchin<br />
auch <strong>die</strong> grundlegenden Fehler – und gibt eine neue Sicht auf<br />
<strong>die</strong> Herkunft der Menschen, basierend auf den Inhalten der<br />
alten Mythen und Mysterien.<br />
„Erst geköpft, dann gehangen,<br />
dann gespießt auf heißen Stangen,<br />
dann verbrannt, dann gebunden,<br />
und getaucht, zuletzt geschunden.“<br />
Ähnlich vielfältig und fantasievoll<br />
wie <strong>die</strong> Todesarten in der Arie des<br />
Osmin („Die Entführung aus dem<br />
Serail“) sind auch <strong>die</strong> Theorien, <strong>die</strong><br />
über den frühen Tod des Komponisten<br />
– Mozart – im Umlauf sind.<br />
Angeheizt u.a. durch den Film<br />
„Amadeus“ sowie Mozarts Mitgliedschaft<br />
bei den Freimaurern,<br />
sprossen über Jahrzehnte wilde<br />
Theorien. Neuere medizinische<br />
Untersuchungen zum Fall Mozart<br />
wirken ernüchternd und führen alles<br />
auf natürliche Ursachen zurück.<br />
Ein Rest von Rätsel wird den frühen<br />
Tod des Genies aber wohl immer<br />
umwehen.<br />
52<br />
<strong>History</strong><br />
Spezial<br />
Inhalt<br />
Grazyna Fosar<br />
Akustische Archäologie<br />
Das diskrete Flüstern der <strong>Geschichte</strong> 6<br />
Roland Rottenfußer<br />
Die Nibelungen<br />
Viele Wunder, wenig Realität 12<br />
Thomas Ritter<br />
Die Terrassen von Baalbek<br />
Das Hauptquartier der Götter 18<br />
Grazyna Fosar<br />
<strong>Was</strong> <strong>wäre</strong> <strong>wenn</strong><br />
Kontrafaktische <strong>Geschichte</strong> –<br />
Historiker entdecken Kreativität 22<br />
Franz Bludorf<br />
Ägyptisches Totenbuch<br />
in Australien<br />
Sensationeller Fund in Queensland 28<br />
Armin Risi<br />
Der Ursprung des Menschen 32<br />
Gernot L. Geise<br />
Superflut vor 1300 Jahren? 37<br />
Roland Roth<br />
Die fliegenden Götter von Quirigua<br />
Rätselhafte Artefakte in Stein 42<br />
Franz Bludorf<br />
Das Bernsteinzimmer<br />
Einer Legende auf der Spur 46<br />
4<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
<strong>Was</strong> <strong>wäre</strong>, <strong>wenn</strong>…<br />
22<br />
Inhalt<br />
… <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>anders</strong> verlaufen <strong>wäre</strong>? Diese Frage stellen sich viele Menschen, bezogen auf persönliche<br />
Entscheidungen im Laufe ihres Lebens. Inzwischen beschäftigt sich aber auch <strong>die</strong> Wissenschaft<br />
mit der Untersuchung alternativer Geschichtsverläufe in größeren Zusammenhängen. Wie <strong>wäre</strong> <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
verlaufen, <strong>wenn</strong> John F. Kennedy nicht ermordet worden <strong>wäre</strong>? Wenn das Attentat von Sarajevo<br />
nie stattgefunden hätte? Wenn Lenin 1917 niemals Russland erreicht hätte? Kontrafaktische <strong>Geschichte</strong><br />
ist eine Reihe von Gedankenexperimenten, was gewesen <strong>wäre</strong>, <strong>wenn</strong> bestimmte historische Ereignisse<br />
nicht oder <strong>anders</strong> eingetroffen <strong>wäre</strong>n. Durch derartige Überlegungen entwickeln sich Historiker von bloßen<br />
Chronisten zu kreativen Experimentalwissenschaftlern. Es hilft, ein vollkommen neues Verständnis<br />
historischer Zusammenhänge entstehen zu lassen.<br />
Die Archäologie ist heute eine<br />
Vernunftehe mit der Akustik<br />
eingegangen, was zu atemberaubenden<br />
Ergebnissen führte.<br />
Schon uralte Hochkulturen<br />
wussten Klangräume für ihre<br />
Zwecke gezielt zu nutzen. Ein<br />
Wissen, das Jahrzehntausende<br />
in <strong>die</strong> Vergangenheit<br />
reicht. Hörbare Zeitkapseln<br />
aus Urzeiten, deren Inhalt uns<br />
erst heute in unserem technologischen<br />
Zeitalter wieder<br />
zugänglich wird.<br />
Akustische<br />
Archäologie<br />
Das Bernsteinzimmer<br />
Seit rund 70 Jahren sind sie in der Welt unterwegs – <strong>die</strong><br />
wahren „Monuments Men“, auf der Suche nach dem legendären<br />
verschollenen Bernsteinzimmer. Wären alle<br />
angeblichen Fundorte echt, müsste es mehr als 400 Bernsteinzimmer<br />
geben. Gefunden wurde es nirgends. Einer der<br />
letzten Zeitzeugen, der womöglich etwas wusste, hat sein<br />
Wissen kürzlich mit ins Grab genommen. Aber vielleicht ist<br />
das Bernsteinzimmer ja längst wieder da – nur hat es noch<br />
niemand gemerkt. Gesicherte Fakten gibt es kaum, genau<br />
wie es sich für eine gute Legende gehört.<br />
6 46<br />
Roland Rottenfußer<br />
Von Mozart zu Mord?<br />
Ein Genie und tausend Tode 52<br />
Monika Herz<br />
„Phönix“ aus der Asche<br />
Eine Geld-<strong>Geschichte</strong> aus Griechenland 56<br />
Rubriken<br />
Editorial 3<br />
Buchempfehlungen 11<br />
Abo 31<br />
<strong>Vorschau</strong> 66<br />
Impressum 66<br />
Ralf Lehnert<br />
Friedrich Wilhelm Nietzsche<br />
Gefangen zwischen Spiritualität und Ego 60<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 5
A k u s t i s c h e<br />
Archäologie<br />
Das diskrete Flüstern der <strong>Geschichte</strong><br />
Grazyna Fosar<br />
Ruinen der Tempelanlagen<br />
von Chavín de<br />
Huántar, Peru. Im Insert<br />
eine Rekonstruktion der<br />
ursprünglichen Anlage.<br />
6<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Akustisch-archäologische<br />
Messungen im Höhlensystem<br />
von Chavín de<br />
Huántar, Peru.<br />
Jahrhunderte der Forschung hatte<br />
unsere neuzeitliche europäische<br />
Wissenschaft gebraucht, bis man<br />
genug über das physikalische Teilgebiet<br />
der Akustik gelernt hatte, um<br />
brauchbare Theatersäle systematisch<br />
planen zu können. Theater hat<br />
es jedoch schon Jahrtausende vorher<br />
gegeben, und sie hatten funktioniert!<br />
Heutzutage ist<br />
<strong>die</strong> Akustik sogar<br />
eine Vernunftehe<br />
mit der Archäologie<br />
eingegangen,<br />
was zu atemberaubenden<br />
Ergebnissen<br />
führte. Schon<br />
uralte Hochkulturen<br />
wussten<br />
Klangräume für ihre<br />
Zwecke gezielt zu<br />
nutzen. Ein Wissen,<br />
das Jahrzehntausende<br />
in <strong>die</strong> Vergangenheit<br />
reicht.<br />
P<br />
eru, irgendwann im 8.<br />
Jahrhundert v. Chr. Die Menschen<br />
haben sich im heiligen<br />
Tempel versammelt und folgen ihrem<br />
Priester in <strong>die</strong> darunter liegenden<br />
unterirdischen Labyrinthe. Sie haben<br />
Fragen, und der Priester hat ihnen<br />
versprochen, dass <strong>die</strong> Götter sie ihnen<br />
beantworten würden.<br />
Das Licht der Fackeln erzeugt eine<br />
mystische Stimmung in den unterirdischen<br />
Gewölben, als der Priester<br />
nach den altüberlieferten Ritualen<br />
<strong>die</strong> Götter anruft. Und dann geschieht<br />
das Unfassbare – aus den Tiefen der<br />
Höhle erklingt eine unheimliche Stimme,<br />
<strong>die</strong> wie das Brüllen eines Jaguars<br />
klingt, aber doch menschliche Worte<br />
artikuliert. Die Menschen erschauern<br />
und schauen sich um. Es scheint<br />
unmöglich zu lokalisieren, von wo <strong>die</strong><br />
Stimme ertönt. Ehrfürchtiges Schweigen<br />
breitet sich aus. Der Priester<br />
hatte <strong>die</strong> Wahrheit gesprochen. Der<br />
Jaguargott scheint tatsächlich allgegenwärtig<br />
zu sein – und er spricht zu<br />
den Menschen!<br />
Chavín de Huántar ist eine der ältesten<br />
bekannten Kultanlagen Südamerikas.<br />
Ihre Ursprünge gehen bis 1200<br />
v. Chr. zurück, <strong>die</strong> Blütezeit lag zwischen<br />
850 und 200 v. Chr. Die Anlage<br />
ist nicht so groß wie andere Zentren in<br />
der Region, lediglich <strong>die</strong> 80 Kilometer<br />
lange Mauer ist gewaltig. Sie ist das<br />
größte präkolumbianische Bauwerk<br />
Südamerikas. Doch auch <strong>die</strong> anderen<br />
Bauten sind außergewöhnlich, und<br />
eine große Anzahl an Skulpturen ist<br />
bis heute erhalten.<br />
Die Anlage ist eine architektonische<br />
Meisterleistung. Chavín<br />
de Huántar liegt in einer tektonisch<br />
sehr instabilen Region, in etwa<br />
3000 Metern Höhe, oberhalb eines<br />
tiefen Tales, das der Rio Mosna gegraben<br />
hat, und ist ständig durch Geröllrutsche<br />
bedroht. Doch sowohl <strong>die</strong><br />
oberirdisch gelegenen Tempelanlagen<br />
als auch <strong>die</strong> darunter befindlichen<br />
Höhlen sind nach heutigen Begriffen<br />
erdbebensicher angelegt.<br />
Offenbar war <strong>die</strong> Anlage kein bedeutendes<br />
Kulturzentrum wie Machu<br />
Picchu oder Tiahuanaco, sondern<br />
eher ein kleiner Wallfahrtsort, möglicherweise<br />
ein Orakelheiligtum wie<br />
im antiken griechischen Delphi. Drei<br />
Tiergottheiten wurden nach heutigem<br />
Wissen dort verehrt: Der Jaguargott,<br />
der Vogelgott und der Schlangengott.<br />
Chavín de Huántar wurde 1985 in das<br />
Weltkulturerbe der Menschheit aufgenommen.<br />
Heute sind <strong>die</strong> Anlagen verfallen<br />
und nur noch als Ruinen vorhanden,<br />
doch auch <strong>die</strong> unterirdischen<br />
Labyrinthe sind noch begehbar.<br />
Da es mehrere horizontale und<br />
vertikale Belüftungsschächte gibt,<br />
kann <strong>die</strong> Luft dort unten gut geatmet<br />
werden. Der Ort war in letzter Zeit<br />
Schauplatz bemerkenswerter wissenschaftlicher<br />
Untersuchungen, an<br />
denen Archäologen, Anthropologen<br />
und Computerwissenschaftler der<br />
Stanford-Universität beteiligt waren.<br />
Gemeinsam widmeten sie sich einem<br />
neuen Forschungszweig – der akustischen<br />
Archäologie.<br />
Die Wissenschaftler untersuchten<br />
<strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> mystischen<br />
Ereignisse, <strong>die</strong> sich laut Überlieferungen<br />
in den unterirdischen Tempelanlagen<br />
abgespielt haben sollen,<br />
möglicherweise reale Hintergründe<br />
hatten. Konnten in Chavín de Huántar<br />
tatsächlich <strong>die</strong> „Götter“ zu den Menschen<br />
sprechen?<br />
Die Forschungen ergaben, dass<br />
<strong>die</strong>s sicher nicht der Fall war, sondern<br />
dass es sich mit einiger Sicherheit<br />
um ein äußerst ausgeklügeltes<br />
Täuschungsmanöver gehandelt hatte,<br />
mit dessen Hilfe <strong>die</strong> Priesterkaste<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 7
In den unterirdischen<br />
Tempelanlagen von<br />
Chavín de Huántar, Peru,<br />
„sprach“ vor Urzeiten<br />
der „Jaguargott“ zu den<br />
Menschen.<br />
Der „lächelnde Gott“,<br />
Chavín de Huántar<br />
sich eine Machtposition aufbauen<br />
konnte in einer Gesellschaft,<br />
<strong>die</strong> damals noch kaum hierarchische<br />
Strukturen kannte. Die<br />
Ergebnisse der Untersuchungen<br />
wurden 2010 auf einer internatio-<br />
nalen Fachtagung über Akustik in<br />
der Archäologie in Cancun, Mexiko,<br />
vorgestellt.<br />
Die Wissenschaftler haben <strong>die</strong><br />
Akustik der unterirdischen Labyrinthe<br />
und Höhlen genauestens untersucht,<br />
Intensitäten, Frequenzen und Klangfarben<br />
analysiert. Auch <strong>die</strong> Richtungen,<br />
in denen sich Schallwellen dort<br />
unten ausbreiten, spielten eine wichtige<br />
Rolle.<br />
Jeder, der schon einmal eine Höhle<br />
besucht hat, weiß, dass der Klang<br />
der menschlichen Stimme in solchen<br />
Räumen oft unheimlich und irgendwie<br />
nicht „irdisch“ klingt. Auch <strong>die</strong> Existenz<br />
von Echos ist uns aus Höhlen und<br />
engen Gebirgstälern vertraut. Doch in<br />
Chavín de Huántar machten sich <strong>die</strong><br />
cleveren Priester nicht nur <strong>die</strong>se einfachen<br />
physikalischen Gesetzmäßigkeiten<br />
zunutze, sondern verfeinerten<br />
<strong>die</strong> Methoden noch. Dieser Ansicht<br />
ist jedenfalls Professor John Rick<br />
von der Stanford-Universität. Um <strong>die</strong><br />
Menschen in veränderte Bewusst-<br />
seinszu-<br />
stände zu versetzen und durch vielfältige<br />
Echos zu verwirren, sprachen <strong>die</strong><br />
Priester nicht einfach nur in den Höhlenkomplex<br />
hinein. Das Tüpfelchen<br />
auf dem i waren große Muschelschalen<br />
(Strombus galeatus), mit denen<br />
Klangwirkungen manipuliert werden<br />
konnten. Bis heute werden solche<br />
Muscheln zuweilen von Indios als Musikinstrumente<br />
verwendet. Spricht<br />
man in eine derartige Muschel hinein,<br />
so wird der Klang der Stimme dumpf<br />
und dröhnend und erinnert tatsächlich<br />
an <strong>die</strong> Stimme eines Jaguars. Der<br />
„allgegenwärtige Jaguargott“ konnte<br />
auf <strong>die</strong>se Weise aus allen Ecken der<br />
Höhle gleichzeitig zu den Menschen<br />
sprechen.<br />
Das Rauschen unterirdischer<br />
<strong>Was</strong>serläufe trug zusätzlich<br />
dazu bei, den mystischen, verwirrenden<br />
und bewusstseinsverändernden<br />
Effekt zu perfektionieren.<br />
Zusätzlich verabreichte man<br />
den Menschen den Saft des San-<br />
Pedro-Kaktus, der eine halluzinogene<br />
Wirkung hatte.<br />
Clever waren <strong>die</strong>se alten Indio-<br />
priester, nicht wahr? Aber vielleicht<br />
griffen sie ja sogar auf noch viel äl-<br />
teres Wissen zurück, das viele Jahrtausende<br />
weiter in das Dunkel der<br />
Vergangenheit reicht, von deren <strong>Geschichte</strong><br />
heute nur noch wenige Spuren<br />
erhalten sind. Das Phänomen der<br />
„singenden Höhlen“ scheint schon<br />
den Menschen der tiefsten Steinzeit<br />
bekannt gewesen zu sein.<br />
Steinzeitliches Klangarchiv<br />
Im Departement Ariège in den französischen<br />
Pyrenäen befindet sich im Tal<br />
von Vicdessos <strong>die</strong> Höhle von Niaux.<br />
Sie gehört zu einem weitverzweigten<br />
Höhlensystem, das durch einen<br />
ehemals dort existierenden unterirdischen<br />
<strong>Was</strong>serlauf in den weichen<br />
Kalkstein eingegraben wurde.<br />
Die Höhle von Niaux ist schon seit<br />
langem berühmt für ihre Höhlenmalereien,<br />
<strong>die</strong> etwa vor 13.500 bis 12.500<br />
Jahren entstanden sind. Sie wurden<br />
also in der Zeit des Magdalénien, einer<br />
Phase der jüngeren Altsteinzeit,<br />
8<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Darstellung eines Bisons in der<br />
Höhle von Niaux, Frankreich.<br />
Passend dazu erinnert das Echo<br />
der Höhle an <strong>die</strong>ser Stelle an<br />
das Brüllen eines Bisons.<br />
erstellt. Es finden sich zahlreiche<br />
Darstellungen von Bisons,<br />
Pferden, Steinböcken,<br />
Hirschen und anderen jagdbaren<br />
Tieren. Als Farbe wurde<br />
Manganoxid verwendet.<br />
Heute sind viele der Zeichnungen<br />
verblichen, aber immer<br />
noch gut erkennbar. Sie<br />
befinden sich etwa 775 Meter<br />
vom Höhleneingang entfernt im<br />
sogenannten Salon Noir (schwarzen<br />
Salon), dem Hauptsaal der Höhle von<br />
Niaux.<br />
Die Höhlenmalereien von Niaux<br />
wurden bereits im 17. Jahrhundert<br />
wiederentdeckt, ihre<br />
kulturhistorische Bedeutung konnte<br />
jedoch erst Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
eingeschätzt werden. 1906 wurde<br />
<strong>die</strong> Höhle von Captain Molar und<br />
seinen Söhnen erstmals komplett<br />
vermessen. In den folgenden Jahrzehnten<br />
kam es zu weiteren systematischen<br />
Untersuchungen. Heute<br />
ist Niaux eine der wenigen steinzeitlichen<br />
Bilderhöhlen, <strong>die</strong> auch für <strong>die</strong><br />
Öffentlichkeit zur Besichtigung freigegeben<br />
sind.<br />
Da es keinerlei Spuren gibt, dass<br />
<strong>die</strong> Höhle von Niaux je von Menschen<br />
bewohnt worden war, ist <strong>die</strong> Wissenschaft<br />
der Ansicht, dass es sich um<br />
einen Ort mit eher kultischer Bedeutung<br />
gehandelt haben muss. War es<br />
dann etwa ein ähnlicher Orakelort wie<br />
in Chavín de Huántar?<br />
Tatsächlich könnte <strong>die</strong>s so der Fall<br />
gewesen sein. Natürlich gibt es aus<br />
<strong>die</strong>ser frühen Phase der Vorgeschichte<br />
keine historischen Aufzeichnungen,<br />
doch <strong>die</strong> Indizien sprechen für sich.<br />
Als wichtigstes Hilfsmittel musste –<br />
einmal mehr – <strong>die</strong> akustische Archäologie<br />
herangezogen werden.<br />
Die Höhle hat wiederum eine bemerkenswerte<br />
Akustik. Echos sind an<br />
vielen Stellen zu hören, am deutlichsten<br />
jedoch im schwarzen Salon, dort,<br />
wo <strong>die</strong> Malereien angebracht sind.<br />
Das ist keineswegs ein Zufall, denn<br />
<strong>die</strong> Malereien wurden von den vorzeitlichen<br />
Künstlern dem Klang des<br />
jeweiligen Echos angepasst. An einer<br />
Stelle etwa klingt das Echo dumpf und<br />
dröhnend, so wie das Gebrüll eines<br />
Bisons – und passgenau befinden sich<br />
an <strong>die</strong>ser Wand Abbildungen von Bisons.<br />
Anderswo erinnert der zurückgeworfene<br />
Schall eher an das Brummen<br />
eines Bären, und dort haben <strong>die</strong><br />
Menschen Abbildungen von Bären<br />
hinterlassen. Das Gleiche findet man<br />
bei den Darstellungen von Hirschen,<br />
Löwen etc.<br />
Professor Jegor Reznikoff von<br />
der Philosophischen Fakultät<br />
der Pariser Universität in Nanterre<br />
beschäftigt sich hauptsächlich<br />
mit frühzeitlicher Musik, z. B. mit<br />
frühchristlichen Gesängen. Er ist<br />
auch ein Spezialist für <strong>die</strong> Akustik in<br />
prähistorischen Höhlen, romanischen<br />
und gotischen Kathedralen. Prof. Reznikoff<br />
ist fest davon überzeugt, dass<br />
unseren Urahnen der unterschiedliche<br />
Klang der Echos in der Höhle von<br />
Niaux bekannt war und dass sie dann<br />
gezielt <strong>die</strong> Darstellungen der entsprechenden<br />
Tiere an den Wänden angebracht<br />
hatten. Möglicherweise hatten<br />
sie geglaubt, dass in den Felswänden<br />
<strong>die</strong> Geister <strong>die</strong>ser Tiere wohnten,<br />
und sie wollten <strong>die</strong> Zuneigung <strong>die</strong>ser<br />
Geister gewinnen. Paläontologische<br />
Funde beweisen, dass <strong>die</strong> Schamanen<br />
der damaligen Menschen auch<br />
bereits einfache Musikinstrumente<br />
wie Trommeln und Flöten verwendet<br />
haben, <strong>die</strong> sich dann aufgrund der<br />
Höhlenakustik in <strong>die</strong> jeweiligen Tierstimmen<br />
verwandelten. Damit mochten<br />
<strong>die</strong> Steinzeitmenschen – ihrer<br />
Ansicht zufolge – mit den Tiergeistern<br />
gesprochen und um gute Erfolge bei<br />
der Jagd gebeten haben.<br />
Kukulkan und der Quetzal-Vogel<br />
Unser Streifzug durch <strong>die</strong> Welt der<br />
akustischen Archäologie <strong>wäre</strong> unvollständig<br />
ohne <strong>die</strong> große Kukulkan-<br />
Pyramide in der alten Maya-Stadt<br />
Chichén Itzá auf der mexikanischen<br />
Halbinsel Yucatan. Sie war dem Maya-<br />
Gott Kukulkan geweiht und bildet das<br />
imposanteste Bauwerk der Stadt. Sie<br />
ist 30 Meter hoch, bei einer Grundkantenlänge<br />
von 55 Metern. Auf <strong>die</strong><br />
Spitze führen insgesamt 364 Stufen,<br />
<strong>die</strong> zusammen mit dem Sockel des<br />
oben liegenden Tempelgebäudes genau<br />
<strong>die</strong> Anzahl der Tage eines<br />
Jahres angeben. Das Bauwerk<br />
ist Zeugnis der hochentwickelten<br />
Maya-Kultur, <strong>die</strong> nicht nur eine<br />
hervorragende Architektur, sondern<br />
auch erstaunliches Wissen<br />
in der Mathematik und den Naturwissenschaften<br />
hervorgebracht<br />
hat. Die Pyramide wurde etwa auf<br />
das 9. Jahrhundert n. Chr. datiert.<br />
Der Akustik-Experte David<br />
Lubman aus Kalifornien hat<br />
<strong>die</strong> Pyramide eingehend untersucht<br />
und kam zu verblüffenden<br />
Erkenntnissen. In <strong>die</strong>sem Fall entstehen<br />
<strong>die</strong> akustischen Effekte nicht<br />
aus dem natürlichen Echo von Hohlräumen,<br />
sondern von den Stufen der<br />
Pyramide. Sie sind also Ausdruck des<br />
bewussten Wirkens der Baumeister,<br />
<strong>die</strong> hier als historische Sounddesigner<br />
tätig waren.<br />
Steigt man zur Spitze der Pyramide<br />
hinauf, so reflektieren <strong>die</strong> aus Kalkstein<br />
errichteten Stufen den Klang<br />
der Schritte in einer Weise, <strong>die</strong> an das<br />
Plätschern von Regentropfen erinnert.<br />
Wollte man dadurch den Regengott<br />
um Regen bitten?<br />
Es wird noch wesentlich interessanter.<br />
Wie David Lubman herausfand,<br />
erzeugt ein Händeklatschen an<br />
der richtigen Stelle ein von den Stufen<br />
zurückgeworfenes Echo, das wie<br />
ein Vogelzwitschern klingt. Und zwar<br />
nicht das Zwitschern eines beliebigen<br />
Vogels, sondern es geht um den<br />
in Yucatan heimischen Quetzal, den<br />
heiligen Vogel der Maya. Nicht für<br />
umsonst hatte ihr Hauptgott Kukulkan<br />
später in der Kultur der Azteken<br />
den Namen Quetzalcoatl. Die Mayas<br />
verwendeten auch <strong>die</strong> Federn des<br />
Quetzal-Vogels als Schmuck und für<br />
ihre Kleidung, wie man noch heute an<br />
der historischen Federkrone des letzten<br />
Aztekenherrschers Montezuma<br />
sehen kann. Das Prunkstück wurde<br />
1521 von Hernando Cortez geraubt<br />
und ist nach einer Odyssee heute im<br />
Völkerkundemuseum in Wien ausgestellt.<br />
Bemühungen der indigenen<br />
Mexikaner, das Symbol ihrer kulturellen<br />
Identität nach Hause zurückzuholen,<br />
blieben bis heute erfolglos.<br />
Einmal pro Jahr erscheint der<br />
Quetzal bis heute auf den Treppen<br />
der Pyramide – am 21. März<br />
wirft <strong>die</strong> Sonne auf den Stufen einen<br />
Schatten, der so aussieht, als würden<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 9
Direkt unter der Kuppel<br />
der St.Pauls-Kathedrale<br />
in London befindet sich<br />
<strong>die</strong> berühmte Whispering<br />
Gallery.<br />
<strong>die</strong> Vögel in der Luft tanzen. David<br />
Lubman hat das Vogelgeräusch auf<br />
den Stufen der Pyramide unzählige<br />
Male reproduzieren können, bis seine<br />
Hände ganz rot vom Klatschen waren.<br />
Und doch fanden seine Interpretationen<br />
anfangs bei den Archäologen nur<br />
wenig Anklang.<br />
Dann jedoch gelang es Lubman,<br />
seinen Kritikern den Wind aus den<br />
Segeln zu nehmen. So hatte man ihm<br />
etwa vorgeworfen, der Effekt sei erst<br />
durch <strong>die</strong> Rekonstruktion der Treppen<br />
entstanden und hätte daher den Mayas<br />
gar nicht bekannt sein können. Mittlerweile<br />
hat Lubman das Geräusch<br />
jedoch auch bei nicht rekonstruierten<br />
Stufen reproduzieren können.<br />
Auch an anderen Orten in Chichén<br />
Itzá konnte Lubman Beispiele von<br />
akustischer Architektur entdecken.<br />
So erzeugt ein Händeklatschen in der<br />
Mitte des rituellen Ballspielplatzes ein<br />
Echo, das dem Gebrüll eines Jaguars<br />
ähnelt. Auch <strong>die</strong>ses Tier war den Mayas<br />
heilig, wie zahlreiche erhaltene<br />
Statuen beweisen. Lubman fand sogar<br />
eine Flüstergalerie,<br />
mit deren Hilfe<br />
es möglich war, zwischen<br />
zwei Tempeln<br />
miteinander zu kommunizieren.<br />
Auf der „Whispering<br />
Gallery“<br />
Derartige Flüstergalerien<br />
sind<br />
auch aus der europäischen<br />
Architektur<br />
bekannt.<br />
Das berühmteste<br />
Beispiel ist <strong>die</strong><br />
„Whispering Gallery“ in der St. Paul’s<br />
Cathedral in London. In <strong>die</strong>ser bedeutenden<br />
Londoner Kirche, deren<br />
heutiger Bau aus dem Anfang des 18.<br />
Jahrhundert stammt (der Vorgängerbau<br />
war beim großen Brand von London<br />
1666 abgebrannt), sind zahlreiche<br />
berühmte Briten beigesetzt, darunter<br />
Lord Nelson. Prince Charles und Lady<br />
Diana wurden in St. Paul’s getraut.<br />
Die direkt unter der Kuppel liegende<br />
Galerie hat eine seltsame Eigenschaft:<br />
Wenn man sich der Wand<br />
zuwendet und flüsternd spricht, kann<br />
man das auf der gegenüberliegenden<br />
Seite hören, in 34 Metern Entfernung!<br />
Das Geheimnis ist reine Physik:<br />
Durch <strong>die</strong> gebogenen Wände wird<br />
der Schall auf <strong>die</strong> Gegenseite reflektiert,<br />
und da <strong>die</strong> Wand dort ebenfalls<br />
gebogen ist, fokussiert sie den Schall<br />
wie ein Hohlspiegel das Licht. Ob der<br />
Baumeister der Kathedrale, Sir Christopher<br />
Wren, das beabsichtigt hatte?<br />
Konkret ist dazu nichts überliefert,<br />
doch da er Freimaurer war, verfügte<br />
er sicherlich über altes Wissen, das<br />
heute nicht mehr allgemein bekannt<br />
ist.<br />
Ähnliche Effekte sind bekannt<br />
aus der Kuppel im Capitol in<br />
<strong>Was</strong>hington oder dem Wandelgang<br />
des Maurischen Gartens<br />
der Wilhelma, der historischen<br />
Schlossanlage in Stuttgart. Am Untermarkt<br />
in Görlitz befindet sich das<br />
spätgotische „Flüsterportal“ und in<br />
den Kerkern von Syrakus auf Sizilien<br />
das „Ohr des Dionysios“. In der<br />
Bibliothek des Klosters von Sagan<br />
in Polen nützt es nichts, <strong>die</strong> Benutzer<br />
zu leisem Reden aufzufordern.<br />
Selbst geflüsterte Gespräche können<br />
kreuz und quer durch <strong>die</strong> Bibliothek<br />
gehört werden.<br />
Stellt man sich dagegen auf den<br />
„Stein des Mittelpunkts der Erde“<br />
auf dem Gelände des Himmelstempels<br />
in Peking, so wird jede Stimme<br />
zum volltönenden Organ eines ausgebildeten<br />
Schauspielers verstärkt.<br />
Das ist um so erstaunlicher, als sich<br />
<strong>die</strong> Plattform im Freien befindet.<br />
Und damit <strong>wäre</strong>n wir wieder<br />
beim Theater gelandet. Akustik<br />
<strong>die</strong>nte, wie wir gesehen haben, zu<br />
allen Zeiten zu mehr als nur dazu,<br />
dass jeder alles gut hören soll. Akustische<br />
Tricks wurden zu kultischen<br />
Zwecken, zur Bewusstseinserweiterung<br />
oder sogar<br />
zur Manipulation der Bevölkerung<br />
verwendet – oder auch<br />
nur zum Spaß. Möglicherweise<br />
sogar zur Informationsspeicherung?<br />
Ein jahrtausendealtes<br />
Wissen, das wir Europäer erst<br />
seit kurzer Zeit wiederentdeckt<br />
haben. ▀<br />
Quelle: Fosar/Bludorf:<br />
Der Denver-Plan. Peiting 2014.<br />
10<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong><br />
Stein des Mittelpunkts der<br />
Erde, Himmelstempel,<br />
Peking
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Die<br />
Nibelungen<br />
Viele Wunder, wenig Realität<br />
Roland Rottenfußer<br />
„Uns sind in alten Mären Wunder viel gesagt von Helden, reich an Ehren, von Kühnheit<br />
unverzagt, von Freude und Festlichkeiten, von Weinen und von Klagen, von kühner Recken<br />
Streiten mögt ihr nun Wunder hören sagen.“ So beginnt das „Nibelungenlied“, Anfang des<br />
13. Jahrhunderts in mittelhochdeutscher Sprache verfasst. So ungreifbar und namenlos wie<br />
der Dichter sind auch <strong>die</strong> meisten historischen Hintergründe des Epos. Bei der Konstruktion<br />
des Mythos wurde wohl historisch nicht Zusammengehöriges vermengt, wurde mit den Stilmitteln<br />
der Verdichtung und der Personalisierung politischer Vorgänge ein explosives literarisches<br />
Gebräu angerührt, das <strong>die</strong> Fantasie der Nachwelt bis in <strong>die</strong> Gegenwart stimuliert. So<br />
wenig der Forscher auch an Konkretem aufzufinden vermag, spannend ist <strong>die</strong> Spurensuche<br />
nach den Quellen der „Nibelungen-Not“ allemal.<br />
„Es wird einmal der größte<br />
Heroenkampf gewesen sein, der<br />
sich jemals in unserer <strong>Geschichte</strong><br />
abgespielt hat“, rief der Reichsmarschall<br />
den versammelten<br />
Angehörigen der Wehrmacht zu.<br />
„Wir kennen ein gewaltiges, heroisches<br />
Lied von einem Kampf ohnegleichen,<br />
das hieß ‚Der Kampf<br />
der Nibelungen’. Auch sie standen<br />
in einer Halle von Feuer und<br />
Brand und löschten den Durst mit<br />
eigenem Blut – aber sie kämpften<br />
und kämpften bis zum letzten. Ein<br />
solcher Kampf tobt heute dort.“<br />
Gemeint war Stalingrad, wo das<br />
Debakel der 6. Armee Ende Januar<br />
1943 schon absehbar war. Der<br />
Redner hieß Hermann Göring,<br />
und das sinnlose Morden hatte<br />
mit Stalingrad kein Ende.<br />
Hatten <strong>die</strong> Bearbeitungen von<br />
Hebbel und Wagner im 19. Jahrhundert<br />
dem Nibelungen-Stoff<br />
weiteren künstlerischen Rang verliehen,<br />
so war das 20. Jahrhundert eine<br />
Epoche gefährlicher Missverständnisse.<br />
Knapp 30 Jahre zuvor war das<br />
Unwort von der „Nibelungentreue“<br />
in Mode gekommen – angewandt<br />
auf <strong>die</strong> Waffenbrüder Österreich und<br />
Deutschland, <strong>die</strong> damals Seit’ an Seit’<br />
in den bis dahin grausamsten Krieg<br />
der Weltgeschichte stolperten. Der<br />
Jura-Professor Franz von Liszt hielt<br />
am 18. November 1914 einen Vortrag<br />
im Rahmen der „Deutschen Reden in<br />
schwerer Zeit“. Darin heißt es, nie sei<br />
das „Nibelungenlied, das Hohelied<br />
von Heldenmut und Heldentreue, unserem<br />
Herzen so nahe gewesen, wie<br />
in <strong>die</strong>sen Tagen. Diese Treue zu wahren,<br />
dem Freunde Freund zu sein bis<br />
zum äußersten, dem Feinde Feind zu<br />
sein bis zum äußersten: das ist deutsche<br />
Art, das ist <strong>die</strong> Nibelungentreue.<br />
Und so soll unsere Losung auch fernerhin<br />
sein: Durch Treue zum Sieg.“<br />
„Der deutscheste<br />
aller deutschen Stoffe“<br />
An <strong>die</strong>sem „deutschen Wesen“, so<br />
muss man leider sagen, genas <strong>die</strong><br />
Welt nicht. Vielmehr erkrankte sie<br />
schwer und wurde einem Abgrund<br />
zu getrieben, an dem gemessen das<br />
„Gemetzel bei Etzel“, dokumentiert<br />
im „Nibelungenlied“, wir ein harmloses<br />
Scharmützel anmutet. Fritz Lang,<br />
der geniale Schöpfer von „Metropolis“<br />
schaffte es dann noch, den Nibelungenstoff<br />
durch eine starke rassistische<br />
Komponente zu „bereichern“. In<br />
12<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
<strong>History</strong> MATRIX 3000 13
Die Burgunden, <strong>die</strong> man eigentlich in<br />
Südfrankreich vermuten würde, stammten<br />
ursprünglich von der schwedischen<br />
Insel Bornholm (Borgundarholm). Von<br />
dort gelangten sie während der Völkerwanderung<br />
über Pommern ins Rheinland<br />
bei Worms, also an den Schauplatz des<br />
Nibelungenlieds. Erst im Verlauf des<br />
5. Jahrhunderts zogen sie weiter in <strong>die</strong><br />
heutige (französische) Region Burgund.<br />
„Kriemhilds Rache“ (1924), dem zweiten<br />
Teil seines Monumentalfilms „Die<br />
Nibelungen“, erscheinen <strong>die</strong> Hunnen<br />
wie Untermenschen, <strong>die</strong>, statt aufrecht<br />
zu gehen, wimmelnd wie Ungeziefer<br />
aus Löchern kriechen. „Ihr<br />
kennt <strong>die</strong> deutsche Seele nicht, Herr<br />
Etzel!“, sagte Dietrich von Bern dem<br />
Hunnen-König, als <strong>die</strong>ser <strong>die</strong> Auslieferung<br />
Hagens verlangte. Kein Wunder,<br />
dass das Epos im Dritten Reich<br />
geradezu lustvoll rezipiert wurde.<br />
Zum Nationalepos in der Nachfolge<br />
Homers wurde das „Nibelungenlied“,<br />
entstanden Anfang des 13. Jahrhunderts<br />
aus der Feder eines Autors, der<br />
bis heute anonym geblieben ist, schon<br />
früh hochstilisiert. Schon Goethe<br />
hatte in „Dichtung und Wahrheit“ behauptet:<br />
„Eine Nation muss, <strong>wenn</strong> sie<br />
für irgend etwas gelten will, eine Epopöe<br />
besitzen.“ 1942, im Schatten der<br />
Hitler-Diktatur, versuchte sich Hans<br />
Naumann an einer finalen Definition<br />
des Genres: „Im Helden eines Nationalepos<br />
muss das Volk mindestens<br />
sein besseres Ich wieder erkennen,<br />
in der Gestalt überhaupt wie in den<br />
Idealen, denen sie wesentlich <strong>die</strong>nt.<br />
(…) Das Volk selbst muss sich über<br />
Räume und Zeiten hinweg in Sinn<br />
und Kraft seiner geschichtlichen<br />
Erscheinung getroffen fühlen, muss<br />
deshalb <strong>die</strong> Dichtung als seinen ewigen<br />
Besitz betrachten, sich durch<br />
sie geeinigt und zusammengehalten<br />
sehen, sich daran aufrichten besonders<br />
in Zeiten der Not, muss Mut,<br />
Kraft und Selbstvertrauen immer neu<br />
daraus trinken, ewiges Bewusstsein<br />
seiner selbst.“<br />
Selbstvertrauen? Das Nibelungenlied<br />
ist ein Epos aus Verliererperspektive,<br />
quasi eine „Ilias“<br />
aus Sicht der Trojaner. Man lernt<br />
aus ihm, wie man sich in aussichtslose<br />
kriegerische Aktivitäten stürzt,<br />
eine Situation durch Sturheit eskalieren<br />
lässt und sich, in Blut wie in Pathos<br />
ertrinkend, niedermetzeln lässt.<br />
So klingt es wie Hohn, <strong>wenn</strong> Heiner<br />
Müller 1983 im Spiegel-Gespräch das<br />
Lied vom Untergang der Burgunden<br />
zum „deutschesten aller deutschen<br />
Stoffe“ erklärte.<br />
Gundahars vernichtende<br />
Niederlage<br />
„Dichtung und Wahrheit“ – im Fall<br />
des Nibelungenlieds überwiegt wohl<br />
<strong>die</strong> Dichtung. Seine historischen Ursprünge<br />
liegen tief im Dunkeln der<br />
weithin undokumentierten Jahrhunderte<br />
der Völkerwanderungszeit.<br />
Seit Ende des 4. Jahrhunderts lag<br />
burgundisches Siedlungsgebiet vermutlich<br />
im Rhein-Main-Neckar-Gebiet.<br />
Die historischen Belege für ein<br />
Burgundenreich am Mittelrhein bei<br />
Worms sind nur spärlich, als Quelle<br />
gilt u.a. eine Notiz des Prosper<br />
Tiro von Aquitanien (5. Jahrhundert).<br />
Es gibt bedeutende archäologische<br />
Funde burgundischer Herkunft wie<br />
das Gräberfeld bei Rosengarten, wo<br />
Urnen, Skelette, Waffen und Haushaltsgegenstände<br />
freigelegt wurden.<br />
Die Krieger, ursprünglich ostgermanischer<br />
Herkunft, hatten mit dem<br />
römischen Kaiser Konstantin III. einen<br />
Friedensvertrag geschlossen.<br />
Die Burgunden wurden verpflichtet,<br />
„Die historischen Ursprünge<br />
des Nibelungenliedes liegen<br />
tief im Dunkeln der<br />
Völkerwanderungszeit.<br />
für ihr Siedlungsrecht im römischen<br />
Auftrag <strong>die</strong> Rheingrenze zu sichern.<br />
Anfang des 5. Jahrhunderts ist ein<br />
Burgunden-König namens Gundahar<br />
belegt, das Vorbild für den „Gunther“<br />
der Sage. Gemeinsam mit dem Stamm<br />
der Alanen unter Goar ernannte Gundahar<br />
411 den Gallorömer Jovinus zum<br />
Gegenkaiser. Dies berichtete der Geschichtsschreiber<br />
Olympiodoros von<br />
Theben.<br />
Gundahar allerdings brach den<br />
Frieden und versuchte, seinen<br />
Einflussbereich nach Westen,<br />
in Richtung der Provinz Belgica I, auszudehnen.<br />
406 überschritt er bei Mogontiacum<br />
(Mainz) den Rhein. Damit<br />
beschwor er einen Konflikt mit den<br />
Römern herauf. Einer der mächtigsten<br />
Männer im Reich war damals der<br />
weströmische Feldherr Flavius Aetius,<br />
der als junger Mann eine Kriegsgeisel<br />
der Hunnen gewesen war. 435 wurde<br />
ein burgundisches Heer von den Truppen<br />
des Aetius vernichtend besiegt und<br />
musste sich wieder auf sein ursprüngliches<br />
Gebiet, <strong>die</strong> Provinz Germania I,<br />
zurückziehen. Ein Jahr später vernichteten<br />
hunnische Hilfstruppen das Burgunderreich<br />
am Rhein endgültig, König<br />
Gundahar wurde dabei getötet. Die<br />
Hunnen standen im römischen Dienst<br />
und wurden nicht vom historischen<br />
Attila (Etzel) angeführt. Die verbleibenden<br />
Burgunder mussten sich daraufhin<br />
in <strong>die</strong> Region südlich des Genfer Sees<br />
zurückziehen. Um 1200, zur Zeit der<br />
Entstehung des Nibelungenlieds, lag<br />
das Herzogtum Burgund bei Arles und<br />
Dijon. Heute existiert eine französische<br />
Provinz Bourgogne, bekannt u.a. durch<br />
ausgezeichneten Wein.<br />
Hagen bleibt im Dunkeln<br />
Im Vergleich zu den Ereignissen des Nibelungenlieds<br />
fällt also auf, dass Gunther<br />
kein schwacher Herrscher<br />
war (ein Ruf, der ihn<br />
noch bis hinein in Wagners<br />
„Götterdämmerung“ verfolgt).<br />
Vielmehr war er eine<br />
tatkräftige und kriegerische<br />
Persönlichkeit mit fast<br />
schon zu viel Willenskraft<br />
– betrachtet man <strong>die</strong> desaströsen<br />
Ergebnisse seiner<br />
Politik. Historische Figuren,<br />
<strong>die</strong> eindeutig mit einem<br />
„Gernot“ in Verbindung<br />
gebracht werden können,<br />
gibt es nicht. In der „Lex<br />
14<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Margarete Schön spielte<br />
<strong>die</strong> Titelrolle in Fritz Langs<br />
Monumentalfilm "Kriemhilds<br />
Rache" (1924).<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 15
Burgundionum“, einem römischen<br />
Rechtstext, der im Burgunderreich<br />
galt, wird allerdings ein Verwandter<br />
namens „Gislahar“ (Giselher) erwähnt.<br />
Auch ist ein Phänomen wie <strong>die</strong> „Nibelungentreue“<br />
aus den wenigen<br />
historischen Quellen nicht ableitbar.<br />
Es ging ja kein Volkstamm aus Solidarität<br />
mit einem anderen in den Tod,<br />
keine Einzelperson opferte sich – jedenfalls<br />
nicht historisch verbürgt – für<br />
eine andere. Hagen von Tronje, eigentlicher<br />
Gegenstand der besagten selbstzerstörerischen<br />
Treue, ist als historische<br />
Figur ohnehin kaum zu greifen.<br />
Manche führen <strong>die</strong> Herkunftsbezeichnung<br />
„Tronje“ gar auf „Troja“ zurück,<br />
was auf römische Wurzeln Hagens hinweisen<br />
würde. Es scheint damals unter<br />
Römern Mode gewesen zu sein, sich illustre<br />
Beinamen aus den homerischen<br />
Epen zu verleihen.<br />
War <strong>die</strong> echte Kriemhild Römerin?<br />
Kriemhild taucht in einem etwas anderen<br />
Zusammenhang auf. Der Hunnenkönig<br />
Attila soll nämlich 453 in seiner<br />
Hochzeitsnacht mit der Gotin Ildiko an<br />
einer bis heute rätselhaften Todesursache<br />
gestorben sein. „Ildiko“ erinnert<br />
klanglich an Kriemhild. Die Sage behauptet<br />
sogar, sie hätte ihren Gatten in<br />
der Brautnacht vergiftet. So spektakulär<br />
<strong>die</strong>s allerdings klingt, es hat mit der<br />
Handlung der Nibelungenlieds wenig<br />
zu tun. Etzel ist dort eine der wenigen<br />
überlebenden Figuren.<br />
Noch eine zweite Frauengestalt<br />
könnte allerdings für Kriemhild Patin<br />
gestanden haben: Um 450 stand Attila<br />
in der Blüte seiner Macht und hatte das<br />
oströmische Imperium in der Schlacht<br />
bei den Thermophylen (447) vernichtend<br />
geschlagen. Im weströmischen<br />
Reich war derweil Honoria, <strong>die</strong> Schwester<br />
Kaiser Valentinians III., unter dem<br />
Vorwurf der Unzucht gegen ihren Willen<br />
mit einem ungeliebten Mann verlobt<br />
worden. Sie verlor damit auch ihren Anteil<br />
an Thron und Reich, weshalb man<br />
wohl auf einen Machtkampf als Motiv<br />
schließen kann. Honoria bat Attila um<br />
Hilfe, sandte ihm einen Ring und bot<br />
ihm angeblich <strong>die</strong> Heirat an. Die historische<br />
Wahrheit <strong>die</strong>ser <strong>Geschichte</strong> ist<br />
oft bezweifelt worden. Sicher ist aber,<br />
dass Attila in der Folge <strong>die</strong> Hand Honorias<br />
forderte – und mit ihr <strong>die</strong> Hälfte<br />
des weströmischen Reichs. Er drohte<br />
Westrom mit Krieg, falls ihm <strong>die</strong>s verweigert<br />
würde.<br />
„Viele Figuren des<br />
Nibelungenepos, z. B.<br />
Hagen oder Siegfried, sind<br />
historisch kaum zu fassen.<br />
Aetius, noch immer wichtigster<br />
Feldherr des Reichs, weigerte<br />
sich den Forderungen des Hunnen<br />
nachzukommen, woraufhin <strong>die</strong>ser<br />
451 in Gallien einfiel. Bei der Entscheidungsschlacht<br />
auf den Katalaunischen<br />
Feldern wurde Attilas Heer dann von einem<br />
Verbund römischer und westgotischer<br />
Truppen zurückgeschlagen, was<br />
den hunnischen Herrscher zwang, sich<br />
in sein ursprüngliches Herrschaftsgebiet<br />
zurückzuziehen. Die grausame<br />
Schlacht, von der erzählt wurde, dass<br />
ein nahe gelegenes Bächlein vom Blut<br />
der Gefallenen anschwoll, könnte auch<br />
ein Vorbild für das „Gemetzel bei Etzel“<br />
gewesen sein. Sollte tatsächlich eine<br />
Frau den Hunnenherrscher instrumentalisiert<br />
haben, um ihrer eigenen Familie<br />
zu schaden, so <strong>wäre</strong> <strong>die</strong>s eine auffällige<br />
Parallele zum Nibelungenstoff.<br />
Der „Nibelungenschatz“ um den es in<br />
Wahrheit ging, <strong>wäre</strong> demnach Honorias<br />
Reichshälfte.<br />
Siegfried –<br />
historisch kaum zu fassen<br />
Ein weiteres historisches Rätsel stellt<br />
natürlich <strong>die</strong> Namensbezeichnung „Nibelungen“<br />
selbst dar. Dies ist in der<br />
Sage ja ursprünglich der Name für ein<br />
Zwergengeschlechte, dem Siegfried in<br />
seiner Jugend einen Schatz abspenstig<br />
gemacht haben soll. Nachdem <strong>die</strong><br />
Burgunden um Gunther sich <strong>die</strong>sen<br />
Schatz angeeignet hatten, wurden sie<br />
selbst „Nibelungen“ genannt. An <strong>die</strong><br />
reale Existenz von Zwergen und Drachen<br />
möchte der seriöse Historiker<br />
aber nicht gern glauben. So bleibt als<br />
eine der wenigen sinnvollen Deutungen<br />
des Begriffs „Nibelungen“ der Hinweis<br />
im „Waltharius“ (10. Jahrhundert), dem<br />
epischen Gedicht von Walther und Hildegund,<br />
das demselben Sagenkreis<br />
wie das Nibelungenlied entstammt.<br />
Die Burgunden werden dort als „Franci<br />
nebulones“ bezeichnet, nibelungische<br />
Franken. Freilich ist <strong>die</strong>s eine Antwort,<br />
<strong>die</strong> nur weitere Fragen aufwirft.<br />
Siegfried, dem Nibelungenlied zufolge<br />
ein Prinz aus Xanthen, ist historisch<br />
beinahe so schwer fassbar<br />
wie Hagen. Dabei hilft es wenig, auf<br />
<strong>die</strong> Tradition der nordischen Sagen hinzuweisen,<br />
in denen Siegfried „Sigurd“<br />
genannt wird und dem Geschlecht der<br />
„Völsungen“ angehört. In einigen Abschnitten<br />
der Liederedda hat Sigurd<br />
auch eine Vorgeschichte mit Brunhild,<br />
<strong>die</strong> eine Walküre ist und von dem Helden<br />
aus einer Art Dornröschenschlaf<br />
erweckt wird. Es wird angenommen,<br />
dass sich in Siegfried verschiedene Heldenfiguren<br />
und sogar Volksstämme älterer<br />
Herkunft zu einer Kunstfigur vereinigt<br />
haben. Vielfach wird der Held als<br />
mythologischer Vertreter der Franken<br />
angesehen, <strong>die</strong> mit den Burgundern<br />
zeitweise in Konflikt standen. Besonders<br />
deren Herrscher Chlodwig I. weist<br />
in seiner Biografie einige Parallelen zu<br />
dem Drachentöter auf, er heiratete u.a.<br />
<strong>die</strong> Nichte eines Burgunderkönigs.<br />
Nibelungentreue – bis heute<br />
„Ich kann Euch nicht berichten, was<br />
dort noch geschehen ist, nur, dass<br />
man Ritter, Damen und auch <strong>die</strong> edlen<br />
Knappen den Tod ihrer lieben Freunde<br />
beweinen sah. Hier hat <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
ein Ende. Dies ist der Nibelungen<br />
Not.“ So endet das Epos. Mit deutscher<br />
Nibelungentreue allerdings ist<br />
es möglicherweise noch nicht vorbei.<br />
Die US-Präsidenten Bush und Obama<br />
brauchen sich jedenfalls spätestens<br />
seit Installation der Merkel-Regierung<br />
über deutsche Anhänglichkeit nicht zu<br />
beschweren, <strong>wenn</strong> es um gefährliche<br />
Kriegseinsätze geht. Derzeit sitzt der<br />
Feind – wie damals – wieder im Osten,<br />
und das moderne Pendant zu „Treue“<br />
heißt wohl „Verantwortung“ – hochgehalten<br />
vor allem von Bundespräsident<br />
Gauck. Es erscheint absurd, der Stimmungsmache<br />
der Kriegstreiber erneut<br />
aufzusitzen und den USA in einen neuen<br />
kalten Krieg zu folgen. Aber „Ihr<br />
kennt <strong>die</strong> deutsche Seelen nicht, Herr<br />
Putin.“ ▀<br />
Roland Rottenfußer ist nach<br />
dem Studium der Germanistik<br />
als Lektor, Autor und Redakteur<br />
für verschiedene Buch- und<br />
Zeitschriftenverlage tätig.<br />
Ehemaliger Redakteur beim Magazin<br />
„connection“. Derzeit Redakteur<br />
für <strong>die</strong> Rubriken Gesundheit und<br />
Kultur bei der Matrix 3000.<br />
16<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Siegfried trinkt Fafners<br />
Blut Illustration von Arthur<br />
Rackham (1867–1939)<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 17
D i e<br />
T e r r a s s e n<br />
v o n<br />
B a a l b e k<br />
Das Hauptquartier der Götter<br />
Thomas Ritter<br />
18 MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Foto: Jan Hilgers<br />
Baalbek ist Libanons großartigster<br />
architektonischer Schatz und kann<br />
mit Recht zu den Wundern des<br />
Altertums gezählt werden. Seine<br />
Tempel gehören nicht nur zu den<br />
erhabensten und größten, <strong>die</strong> je<br />
gebaut wurden, sondern auch zu den<br />
besterhaltensten. Erdbeben, Krieg<br />
und Vandalismus fügten im Laufe der<br />
Jahrhunderte Baalbeks Anlagen zwar<br />
beachtliche Schäden zu, zu denen<br />
man auch <strong>die</strong> mittelalterlichen Ergänzungen<br />
der Bauwerke rechnen muß.<br />
In den letzten hundert Jahren haben<br />
deutsche, französische und libanesische<br />
Archäologen Ausgrabungs- und<br />
Restaurationsarbeiten vorgenommen,<br />
<strong>die</strong> dem heutigen Besucher einen<br />
wirklichkeitsnahen Eindruck der<br />
ursprünglichen Anlage vermitteln.<br />
Kaum ein Archäologe oder Fremdenführer<br />
hört es gern oder räumt<br />
dem auch nur eine Wahrscheinlichkeit<br />
ein, doch eine Tatsache ist, daß<br />
es gerade <strong>die</strong> ältesten und oftmals nicht<br />
genau datierbaren Bauwerke auf unserem<br />
Planeten sind, <strong>die</strong> den Eindruck<br />
erwecken, „übermenschlich“ zu sein.<br />
Hauptindizien dafür sind <strong>die</strong> Anonymität<br />
der Bauten, Überlieferungen, <strong>die</strong> wegen<br />
ihres „überirdischen“ Charakters stets<br />
ins Reich der Fabel verwiesen werden<br />
und <strong>die</strong> sogenannte Mono- oder Megalithbauweise.<br />
„Monolith“ bedeutet „Aus<br />
einem Block“ und bezieht sich auf <strong>die</strong><br />
einstige Verbauung sehr großer Steinblöcke.<br />
„Megalith“ - wörtlich „großer<br />
Stein“ - bezeichnet eigentlich das Gleiche,<br />
stellt aber eine Steigerung dar.<br />
„Megalithen“ sind <strong>die</strong> Stein gewordene<br />
Tatsache, daß ausgerechnet <strong>die</strong> ersten<br />
Architekten nicht Klein auf Klein<br />
bauten, sondern mit Steinquadern von<br />
teils unglaublichen Abmessungen und<br />
kaum vorstellbarem Gewicht hantierten.<br />
Weltweit spricht man daher auch<br />
von „Megalithkulturen“, zu denen eng<br />
gefugte Mauern aus bisweilen etwa 400<br />
Tonnen wiegenden Blöcken ebenso gehören;<br />
wie das aus einem Stück gefertigte<br />
Sonnentor mit seinen über 10 Tonnen<br />
Gewicht in Tiahuanaco. Anonyme<br />
Riesenmauern exaktester Bearbeitung<br />
finden sich im sogenannten Taltempel<br />
bei Gizeh. Die gigantischen Memnonkolosse<br />
und <strong>die</strong> bis zu 500 Tonnen schweren<br />
ägyptischen Obelisken, von deren<br />
Fertigung ein einziges „unvollendetes“<br />
Exemplar in einem Steinbruch nahe Assuan<br />
kündet, sind weitere Zeugen <strong>die</strong>ser<br />
bislang kaum erforschten und noch<br />
weniger verstandenen Kultur. Nicht<br />
<strong>anders</strong> sieht es<br />
in Europa aus. Im<br />
hohen Norden, in<br />
Deutschland, reich, England oder gar<br />
Frankauf<br />
der Urlaubsinsel Mallorca finden<br />
sich Spuren einstiger Baumeister, <strong>die</strong><br />
offenbar nur allzu leicht mit tonnenschweren<br />
Steinquadern arbeiteten.<br />
Dabei sind <strong>die</strong> aufgeführten<br />
Monumente…<br />
… noch regelrechte Leichtgewichte,<br />
denn <strong>die</strong> größten jemals bearbeiteten<br />
und transportierten Megalithen befinden<br />
sich im Libanongebirge auf ca.<br />
1.150 Metern über dem Meeresspiegel<br />
unter und in der Nähe eines römischen<br />
Jupitertempels, der auf einem riesenhaften<br />
älteren Fundament basiert. Allein<br />
<strong>die</strong>ses Fundament ist stattliche<br />
13 Meter hoch und erstreckt sich über<br />
rund 7000 Quadratmeter (106 x 69 Meter).<br />
Es ist bekannt als <strong>die</strong> „Terrassen<br />
von Baalbek“ - <strong>die</strong> Götterbezeichnung<br />
„Baal“ findet sich nicht grundlos im Namen<br />
des Bauwerks. Eigentlich bedeutet<br />
sie „Herr“ – Baalbek heißt demzufolge<br />
„Herr der Quelle“, denn Bek heißt übersetzt<br />
„Quelle“. Diese Quelle trägt heute<br />
den Namen Ras el-Ain. Sie ist seit<br />
dem Altertum bekannt. Hier finden sich<br />
ebenfalls Reste eines Altars und eines<br />
Nympheums aus römischer Zeit sowie<br />
einer 1277 erbauten mameluckischen<br />
Moschee.<br />
In der Hellenistischen Zeit (333-64<br />
v. Chr.) identifizierten <strong>die</strong> Griechen<br />
den Gott von Baalbek mit ihrem Sonnengott<br />
und nannten den Ort Heliopolis<br />
– „Stadt der Sonne“. Sie vergrößerten<br />
das Tempelgelände und legten auf dem<br />
westlichen Teil eine podiumsähnliche<br />
Erhöhung an, um darauf einen Tempel<br />
der klassischen Form errichten zu<br />
können, der jedoch nie gebaut wurde.<br />
Spuren des geplanten Projekts lassen<br />
sich aber noch heute erkennen. Erst <strong>die</strong><br />
Römer sollen hier den großen Tempel<br />
geschaffen haben, den sie ihrem Hauptgott<br />
Jupiter weihten. Die Bauarbeiten<br />
für den Tempel wurden gegen Ende des<br />
1.Jh. v. Chr. begonnen und näherten sich<br />
in den letzten Jahren der Herrschaft des<br />
Kaisers Nero (37-68) ihrem Abschluß.<br />
Baalbek ist ein inoffizielles Weltwunder.<br />
Eine vorläufige Bestandsaufnahme<br />
der exakt bearbeiteten, doch<br />
eben anonymen Blöcke zeigt auf, was<br />
in und um Baalbek bereits lange vor<br />
den Römern bewegt wurde. Da sind<br />
zunächst neun exakt geschnittene<br />
Aus der Umayyaden-Zeit<br />
stammende byzantinischarabische<br />
Kupfermünze<br />
(fals) aus Baalbek, auf<br />
deren Revers sowohl der<br />
antike als auch der arabische<br />
Name des Prägeortes<br />
angegeben ist.<br />
S t e i n q u a -<br />
der von jeweils<br />
etwa 10 Metern<br />
Länge, 4 Metern Höhe, 3 Metern Breite<br />
und je 320 Tonnen Gewicht. Außerdem<br />
ist in den Terrassen von Baalbek<br />
das berühmte „Trilithon“ verbaut -<br />
drei passgenau gefügte Quader von<br />
20 Metern Länge, 4 Metern Höhe und<br />
3,60 Metern Breite und über 800 Tonnen<br />
Gewicht pro Stück. Der größte<br />
bearbeitete Steinblock befindet sich<br />
jedoch außerhalb des Ortes. Er trägt<br />
<strong>die</strong> Bezeichnung „Stein des Südens“<br />
oder „Midi“. Seine Eckdaten sind im<br />
wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend.<br />
Der „Midi“ ist 21,72 Meter<br />
lang, 4,25 Meter hoch und 5,35 Meter<br />
breit. Das ermittelte Gewicht liegt<br />
bei 1.211 Tonnen. Wie um alles in der<br />
Welt bewegten <strong>die</strong> Menschen damals<br />
<strong>die</strong>ses Gewicht ohne technische Hilfe?<br />
Auf Holzkufen und mit Muskelkraft,<br />
so will es jedenfalls <strong>die</strong> „seriöse<br />
Lehrmeinung“. An einigen Quadern<br />
– aber eben nicht am „Midi“ oder an<br />
den Blöcken des Trilithon - wurden<br />
mehrere tiefe und schmale Löcher<br />
beobachtet. Sie werden als „Wolfslöcher“<br />
bezeichnet und sollen der Aufnahme<br />
einer trapezförmigen Metallkonstruktion,<br />
des „Wolfes“ ge<strong>die</strong>nt<br />
haben, <strong>die</strong> einen herausnehmbaren<br />
Mittelteil hatte. An einer solchen Konstruktion<br />
konnten <strong>die</strong> Quader aufgehängt<br />
werden. Jedes Wolfsloch konnte<br />
ca. 5 Tonnen tragen, entsprechend<br />
viele Löcher brauchte ein Quader.<br />
Zum Heben sollen dann bewegliche<br />
Kräne oder Holztürme mit Flaschenzügen<br />
in mehrfacher Übersetzung genutzt<br />
worden sein. Pardon, aber hier<br />
endet <strong>die</strong> Vorstellungskraft. Nach<br />
<strong>die</strong>ser Rechnung müsste der „Midi“<br />
mindestens 242 solcher Wolfslöcher<br />
haben, um bewegt zu werden. Das<br />
Nichtvorhandensein <strong>die</strong>ser Löcher<br />
wird von der Schulwissenschaft mit<br />
dem Argument wegerklärt, bei <strong>die</strong>sem<br />
Block handele es sich eben um<br />
ein unvollendetes Exemplar. In jeder<br />
Arbeit zu Baalbek kann man das<br />
nachlesen. Dennoch entspricht <strong>die</strong>se<br />
Darstellung nicht den Tatsachen. Bei<br />
meiner Libanonreise im Dezember<br />
2004 konnte ich durch eigenen Augenschein<br />
feststellen, dass der „Midi“<br />
keineswegs mehr mit dem Boden des<br />
sogenannten „Steinbruches“ verbunden<br />
ist. Vielmehr handelt es sich bei<br />
<strong>die</strong>sem Block um einen vollkommen<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 19
earbeiteten Stein, der sich wohl auf<br />
dem Transport zu den Terrassen von<br />
Baalbek befand, sein Ziel jedoch aus<br />
unbekannten Gründen nicht mehr erreichte.<br />
Bis heute kann also niemand<br />
überzeugend erklären, auf welche Weise<br />
<strong>die</strong> mächtigen Steinblöcke aus dem<br />
mehr als einen Kilometer entfernten<br />
Steinbruch im Tal zum Tempelgelände<br />
transportiert werden konnten. Man hat<br />
keinerlei Hinweise auf einen Transportweg<br />
gefunden. Ungeklärt sind auch <strong>die</strong><br />
technischen Hilfsmittel, <strong>die</strong> zweifellos<br />
für <strong>die</strong> Beförderung und <strong>die</strong> präzise<br />
Plazierung der gewaltigen Quader hoch<br />
über dem Boden zum Einsatz gekommen<br />
sein müssen. Stellen wir in <strong>die</strong>sem<br />
Zusammenhang <strong>die</strong> vorhin aufgeworfene<br />
Frage einmal <strong>anders</strong>. Wie würden<br />
aufgrund der Hinterlassenschaften des<br />
libanesischen Bürgerkrieges mit einem<br />
unkalkulierbaren Risiko verbunden.<br />
Die Tempelanlage von<br />
Baalbek. Die Säulen im<br />
Hintergrund sind Überreste<br />
des Jupitertempels, dessen<br />
gewaltige Fundamente als<br />
"Terrassen von Baalbek"<br />
bezeichnet werden.<br />
wir solche Schwergewichte heute – also<br />
etwa 4000 Jahre später - bewegen? Im<br />
„Mysterypark“ von Interlaken versucht<br />
ein interessantes Modell <strong>die</strong> Antwort<br />
darauf zu geben. Diese Darstellung<br />
zeigt jedoch, dass wir heute selbst mit<br />
modernsten Autokränen nicht in der<br />
Lage <strong>wäre</strong>n, den „Midi“ zu transportieren,<br />
so wie es <strong>die</strong> Baumeister Baalbeks<br />
offensichtlich einst getan haben.<br />
In einem weiteren Steinbruch bei Al Kiyyal,<br />
südwestlich der Stadt, hinter Qubbat<br />
Duris, finden sich tiefe künstliche<br />
Schächte, <strong>die</strong> den Eingang zu einer noch<br />
nicht vollständig erforschten Unterwelt<br />
bilden. Die Begehung <strong>die</strong>ser Tunnel ist<br />
Kehren wir nach dem Ausflug zum<br />
„Midi“…<br />
…nun wieder zu den Terrassen von Baalbek<br />
zurück, welche vor allem den Unterbau<br />
des mächtigen Jupitertempels<br />
bilden. Baalbeks Tempel entstanden auf<br />
einem möglicherweise künstlich aufgeschütteten<br />
Hügel, der mindestens seit<br />
dem Ende des 3. Jahrtausends vor unserer<br />
Zeit als eine Heilige Stätte <strong>die</strong>nte,<br />
über <strong>die</strong> bis heute jedoch nur geringe<br />
Kenntnis vorliegt. Die Tempelanlage<br />
von Baalbek umfaßt Tempel, <strong>die</strong> Jupiter,<br />
Bacchus und Venus zugeordnet werden.<br />
Von dem vierten Tempel, möglicherweise<br />
einem Merkur geweihten Heiligtum<br />
auf dem Scheich Abdallah Hügel, sind<br />
nur noch <strong>die</strong> Reste einer Treppe zu sehen.<br />
Das Erste, das der Besucher der<br />
gewaltigen Anlagen wahrnimmt,<br />
sind <strong>die</strong> noch stehenden sechs<br />
korinthischen Säulen des Großen Tempels,<br />
d.h. des Jupitertempels, welche<br />
22 m hoch in den Himmel ragen und<br />
mit ihren Architraven (Querbalken über<br />
den Säulen) eine Vorstellung von der<br />
Gewaltigkeit der ursprünglichen Anlage<br />
vermitteln. Allein <strong>die</strong> untersten Säulentrommeln<br />
wiegen pro Stück 62 Tonnen.<br />
Der gesamte Komplex des Tempels umfasst<br />
den Eingang, also <strong>die</strong> Propyläen,<br />
den sechseckigen Vorhof, den Großen<br />
Hof und schließlich den Jupitertempel<br />
selbst. Der Große Hof mit einer Fläche<br />
von 134 mal 112 m umfaßte alle hauptsächlichen<br />
Kulteinrichtungen und war<br />
auf der abgeflachten Spitze eines künstlichen<br />
Hügels gebaut worden. Auf der<br />
Ost-, Nord- und Südseite des Hügels<br />
stützten Anlagen mit mächtigen Gewölben<br />
den Hügel, was auf der Westseite<br />
durch das Podium des Tempels<br />
bewirkt wurde. Diese Konstruktionen<br />
<strong>die</strong>nten sowohl als Stütze für <strong>die</strong> Säulenhallen<br />
und <strong>die</strong> halbrunden oder ekkigen,<br />
nischenähnlichen, sich auf den<br />
Hof öffnenden Räume, <strong>die</strong> als Ställe<br />
und Magazine genutzt wurden. Die Gewölbe<br />
vermitteln einen überzeugenden<br />
Eindruck, daß der römische Tempel auf<br />
einer weitaus älteren Anlage erbaut<br />
wurde. Hier finden sich bis in eine Höhe<br />
von etwa 3 m riesige, exakt bearbeitete<br />
Steinblöcke, <strong>die</strong> von einem römischen<br />
Tonnengewölbe überdeckt sind. Während<br />
sich das Gewölbe in einem ausgezeichneten<br />
Zustand präsentiert, weisen<br />
<strong>die</strong> tragenden Fundamentmauern starke<br />
Verwitterungsspuren auf. Dies ist<br />
ein Indiz dafür, daß <strong>die</strong>se Steine über<br />
Jahrhunderte, möglicherweise sogar<br />
Jahrtausende Wind und Wetter offen<br />
ausgesetzt waren, ehe <strong>die</strong> Römer das<br />
Gewölbe darüber bauten. Im Gegen-<br />
20<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Der „Midi-Stein“, ein über 1.200<br />
Tonnen schwerer Monolith<br />
satz zu dem Tonnengewölbe, welches<br />
römische Inschriften aufweist, sind <strong>die</strong><br />
Megalithen des Fundamentes anonym.<br />
Sie zeigen weder Verzierungen noch Inschriften.<br />
In der Mitte des über den Gewölben<br />
liegenden großen Hofes stehen zwei<br />
mächtige Gebilde - ein restaurierter<br />
Altar und ein Turm mit den unteren<br />
erhaltenen Abschnitten. Der aus dem<br />
1.Jh. datierende Turm, der von zwei<br />
alleinstehenden Säulen flankiert wurde,<br />
sollte wahrscheinlich den Priestern<br />
ermöglichen, bei Kulthandlungen von<br />
der Höhe des Turmes her den Kontakt<br />
mit Jupiter im Tempel zu halten. Nördlich<br />
und südlich von Turm und Altar<br />
befanden sich zwei mit Reliefs reich<br />
verzierte <strong>Was</strong>serbassins. Diese Anlagen<br />
wurden am Ende des 4.Jh. bei der<br />
Errichtung einer christlichen Basilika<br />
auf dem Tempelgelände zerstört. Durch<br />
<strong>die</strong> Propyläen, den Hexagonalen Vorhof<br />
und den Großen Hof gelangte der Gläubige<br />
endlich zum Jupitertempel. Der<br />
Tempel, den man über eine monumentale<br />
Freitreppe erreicht, mißt 88 mal 48<br />
Meter und steht auf einem Podium 13<br />
Meter über dem umliegenden Gelände<br />
und sieben Meter über dem Großen Hof.<br />
Ursprünglich war der Tempel außen von<br />
54 Säulen umgeben, <strong>die</strong> in großen Stücken<br />
auf dem Boden liegen. Die sechs<br />
noch stehenden Säulen sind durch ein<br />
mit Stier- und Löwenköpfen verziertes<br />
Gebälk verbunden.<br />
Nächst der Jupiter-Tempelanlage…<br />
…steht getrennt der in der ersten Hälfte<br />
des 2. Jahrhunderts errichtete Bacchustempel,<br />
welcher besonders gut<br />
erhalten ist. Während der Jupitertempel<br />
oder Große Tempel der öffentlichen<br />
Verehrung der heliopolitanischen Triade<br />
bestimmt war, wurde im sogenannten<br />
Kleinen Tempel möglicherweise ein geheimnisvoller<br />
Kult der Initiierten um den<br />
Jungen Gott von Baalbek zelebriert, der<br />
wohl als Sonnen - und Wachstumsgottheit<br />
galt. Es sind <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Portalseiten<br />
eingearbeiteten Darstellungen von Wein<br />
und Mohn und einigen bacchantischen<br />
Szenen, welche <strong>die</strong> Identifizierung des<br />
Tempels mit dem Gott Bacchus nahegelegt<br />
haben. Dreiunddreißig Stufen<br />
führen zum Eingang des Tempels hinauf,<br />
der seinerseits auf einem fünf Meter<br />
hohen Podium gebaut ist. Das monumentale<br />
Portal und der Blick in das<br />
reich verzierte Innere des Tempels gehören<br />
zu den schönsten Anblicken von<br />
Baalbek. Der Turm an der Südostecke<br />
des Tempels ist ein gutes Beispiel mameluckischer<br />
Befestigungsanlage. Eine<br />
Turmbesteigung bietet einen lohnenden<br />
Ausblick.<br />
Während <strong>die</strong> Archäologen ganz<br />
überwiegend den Bau der Tempel von<br />
Baalbek in <strong>die</strong> römische Zeit verlegen,<br />
wissen arabische Legenden von<br />
den Geschehnissen um <strong>die</strong> "Feste auf<br />
dem Berg Libanon", <strong>die</strong> bis zum mythologischen<br />
Beginn des Menschengeschlechts<br />
reichen. Die Anlage ginge<br />
demnach auf Adam und Eva zurück, <strong>die</strong><br />
nach der Vertreibung aus dem Para<strong>die</strong>s<br />
im Libanongebirge gelebt haben sollen.<br />
Noch heute wird Adams Grab übrigens<br />
in dem nicht weit von Baalbek entfernten<br />
Ort Zebdami gezeigt. Selbst Noah<br />
soll angeblich in der Umgebung von<br />
Baalbek beigesetzt sein.<br />
Nachdem Kain seinen Bruder Abel…<br />
…in einer Schlucht des Antilibanon-Gebirges<br />
erschlagen hatte, soll er nach einer<br />
weiteren Legende hier vor dem Zorn<br />
Gottes Zuflucht gesucht haben. Der<br />
Mönch Johannes Maro, vom Papst 680<br />
n. Chr. zum Patriarchen des Libanons<br />
ernannt, überlieferte <strong>die</strong>se Sage.<br />
„Die Feste auf dem Berg Libanon ist<br />
das älteste Gebäude der Welt. Kain, der<br />
Sohn Adams, erbaute sie im Jahr 133<br />
der Schöpfung in einem Wahnsinnsanfall.<br />
Er gab ihr den Namen seines Sohnes<br />
Henoch und bevölkerte sie mit Riesen,<br />
<strong>die</strong> für ihre Frevelhaftigkeit mit der<br />
Sintflut bestraft wurden.“<br />
Einige <strong>die</strong>ser "Riesen" haben wohl<br />
<strong>die</strong> Katastrophe überlebt, denn der biblische<br />
Nimrod soll sie zum Wiederaufbau<br />
der Anlage herangezogen haben,<br />
nachdem <strong>die</strong> Flut vorüber war.<br />
„Nach der Sintflut, als Nimrod über<br />
den Libanon herrschte, ließ er Riesen<br />
kommen, <strong>die</strong> Feste von Baalbek wieder<br />
aufzubauen, <strong>die</strong> so heißt zu Ehren Baals,<br />
des Gottes der Moabiter, welche den<br />
Sonnengott anbeteten."<br />
Griechen und Römer haben ihre<br />
Tempel also auf einen Unterbau errichtet,<br />
den es lange vor ihnen bereits gab.<br />
Niemand hat bisher den Versuch unternommen,<br />
<strong>die</strong> Menge der Steinblöcke zu<br />
errechnen, welche gebrochen, behauen<br />
und herbeigeschafft werden mussten,<br />
um <strong>die</strong> gigantische Plattform zu schaffen.<br />
So verwundert es nicht, <strong>wenn</strong> <strong>die</strong><br />
Legenden "Riesen" als Baumeister<br />
überliefern.<br />
Nach meinem Besuch in Baalbek<br />
bin ich der festen Überzeugung,<br />
dass <strong>die</strong>se gewaltige Bauleistung<br />
bereits zu einer Zeit erbracht<br />
wurde, <strong>die</strong> historisch heute nicht mehr<br />
faßbar ist. Eines der ältesten Epen der<br />
Weltliteratur, das auf Tontafeln niedergeschriebene<br />
sumerische Gilgamesch-<br />
Epos, wußte bereits von dem "Berg im<br />
Zedernwald" zu berichten und bezeichnete<br />
ihn als "Wohnsitz der Götter". Wer<br />
sich auch immer hinter <strong>die</strong>sen "Göttern"<br />
verbarg, beherrschte bereits in jener<br />
Zeit technische Möglichkeiten, welche<br />
<strong>die</strong> unsrigen übersteigen. Die These des<br />
russischen Professors Modest Agrest,<br />
der bereits Anfang der sechziger Jahre<br />
des vergangenen Jahrhunderts vermutete,<br />
daß außerirdische Intelligenzen <strong>die</strong><br />
Erbauer der Terrassen von Baalbek gewesen<br />
sein könnten, ist also keineswegs<br />
überholt. ▀<br />
Literatur<br />
Ess, Margarete van, Heliopolis / Baalbek,<br />
Forschen in Ruinen 1898 – 1998, Berlin, 2001<br />
El Jamal, Ibrahim Moustapha, Baalbek, Das<br />
Para<strong>die</strong>s der Götter, Baalbek, 1964<br />
Jidejain, Nina, Baalbek, Heliopolis, City of the<br />
Sun, Beirut, 1998<br />
Sofern nicht <strong>anders</strong> vermerkt:<br />
Alle Fotos © Thomas Ritter<br />
Thomas Ritter ist Historiker und Jurist. Er gehört zu den<br />
bekanntesten deutschsprachigen<br />
Sachbuchautoren. Er ist auch als<br />
freier Journalist tätig und schreibt für<br />
mehrere Zeitschriften. Bekannt wurde<br />
er auch als „der reisende Ritter“,<br />
der faszinierende Bildungs- und<br />
Forschungsreisen für seine Leser zu<br />
geheimnisvollen Orten auf der ganzen<br />
Welt veranstaltet.<br />
Kontakt/Info: Rundteil Nr. 14, 01728 Possendorf,<br />
Tel. / Fax: 035206-23399<br />
www.Thomas-Ritter-Reisen.de<br />
E-Mail: ritterreisen@aol.com<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 21
<strong>Was</strong><br />
<strong>wäre</strong> <strong>wenn</strong>...?<br />
Kontrafaktische <strong>Geschichte</strong> – Historiker entdecken Kreativität<br />
Grazyna Fosar<br />
22<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
In einem Autokonvoi<br />
fährt das<br />
österreichische<br />
Thronfolgerpaar<br />
Franz Ferdinand<br />
und Sophie durch<br />
<strong>die</strong> geschmückten<br />
Straßen<br />
Sarajevos<br />
Bild akg-images<br />
Schlagzeile der New York<br />
Times vom 29. Juni 1914.<br />
What if? <strong>Was</strong><br />
<strong>wäre</strong><br />
<strong>wenn</strong>…?<br />
Haben Sie sich<br />
je gefragt, was<br />
<strong>wäre</strong>, <strong>wenn</strong> Sie<br />
vor fünf Jahren<br />
nicht nach Italien<br />
gefahren<br />
<strong>wäre</strong>n, wo sie<br />
Ihre<br />
jetzige<br />
Freundin kenn<br />
e n g e l e r n t<br />
haben,<br />
worauf<br />
Sie von<br />
M ü n c h e n<br />
nach Berlin<br />
u m g e z o g e n<br />
sind, Ihren Job<br />
gewechselt<br />
haben<br />
und jetzt allein in der noch nicht<br />
abbezahlten Wohnung sitzen, weil Ihre<br />
Liebste mit einem Rapper nach Amerika<br />
durchgebrannt ist? Bestimmt haben<br />
Sie schon einmal darüber nachgedacht.<br />
Wenn Sie sich über alternative Verläufe<br />
Ihres Lebens Gedanken machen, dann<br />
betreiben Sie bereits kontrafaktische<br />
Geschichtswissenschaft. Individuell.<br />
Man kann aber solche Gedankenexperimente<br />
auch im Großen machen. Auch<br />
<strong>die</strong> Weltgeschichte wurde oft von einzelnen<br />
Ereignissen in vollkommen neue<br />
Bahnen gelenkt. Ganz einfach ausgedrückt:<br />
Kontrafaktische <strong>Geschichte</strong> ist<br />
eine Reihe von Gedankenexperimenten,<br />
was gewesen <strong>wäre</strong>, <strong>wenn</strong> bestimmte<br />
historische Ereignisse nicht oder <strong>anders</strong><br />
eingetroffen <strong>wäre</strong>n.<br />
Gehen wir also auf Zeitreise.<br />
Der Erste Weltkrieg<br />
Sarajevo, 28. Juni 1914. Nach Überqueren<br />
der Lateinerbrücke über <strong>die</strong><br />
Miljacka biegt der Wagen mit dem<br />
österreichischen Thronfolgerpaar<br />
Franz Ferdinand und Sophie auf den<br />
Kai ab. Der Wagen stoppt direkt vor<br />
einem Café, aus dem der Gymnasiast<br />
Gavrilo Princip auf <strong>die</strong> Straße springt<br />
und zwei Schüsse abfeuert. Zuerst<br />
bricht <strong>die</strong> Erzherzogin Sophie zusammen.<br />
Während sich der Kronprinz noch<br />
über seine Frau beugt, wird auch er<br />
von einer Kugel getroffen. Beide sterben<br />
noch an Ort und Stelle. Die Ereignisse<br />
lösten letztendlich den Ersten<br />
Weltkrieg aus.<br />
Stimmt das wirklich? Nein. Schon<br />
am 21. Juni wurde der österreichische<br />
Gouverneur für Bosnien-Herzegowina,<br />
Leon Bilinski, von dem serbischen Gesandten<br />
Jovan Jovanovic darüber informiert,<br />
dass es in Sarajevo zu einem<br />
Attentat kommen könnte. Leider nahm<br />
der Minister <strong>die</strong>se Information nicht<br />
ernst.<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 23
An <strong>die</strong>ser Stelle sind <strong>die</strong> Meinungen<br />
geteilt. Der britische Historiker Niall<br />
Ferguson ist der Ansicht, dass<br />
es nicht zwangsläufig hätte zum Krieg<br />
kommen müssen. Der amerikanische<br />
Forscher Robert Cowley dagegen ist der<br />
Meinung, dass <strong>die</strong> Situation in Europa<br />
so kompliziert war, dass es irgendwann<br />
zu einem Krieg kommen musste, selbst<br />
<strong>wenn</strong> es kein Attentat von Sarajevo gegeben<br />
hätte. Wir sehen schon – selbst<br />
ein Historiker, der der kontrafaktischen<br />
Geschich-<br />
te distanziert gegenübersteht, kann<br />
von der spekulativen Betrachtung alternativer<br />
Ereignisse niemals frei sein.<br />
Wie könnte er jemals behaupten, dass<br />
„Ereignis A“ das „Ereignis B“ auslöste,<br />
<strong>wenn</strong> er nicht gleichzeitig begründen<br />
könne, dass es ohne „A“ auch „B“ nicht<br />
gegeben hätte. Der Historiker Martin<br />
Bunzl bezeichnet <strong>die</strong>se Methode des<br />
„indirekten Beweises“ als für <strong>die</strong> Geschichtswissenschaft<br />
unverzichtbar.<br />
Persönlich bevorzuge ich <strong>die</strong> Lösung<br />
von Professor Dennis Showalter,<br />
Geschichtsprofessor am<br />
Colorado College. In seinem alternativen<br />
Szenario wurde Franz Ferdinand<br />
in Sarajevo nicht getötet, und es kam<br />
trotzdem zum ersten Weltkrieg. Offenbar<br />
ist <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> nicht so einfach<br />
zu besiegen wie man denken könnte.<br />
Im Jahre 1915 <strong>wäre</strong>n <strong>die</strong> Kriegsfolgen<br />
auf allen Seiten allerdings so erheblich<br />
gewesen, dass Franz Ferdinand<br />
möglicherweise einem Waffenstillstand<br />
zustimmt hätte. <strong>Was</strong> <strong>wäre</strong>n <strong>die</strong> Folgen<br />
eines derart verkürzten Weltkrieges<br />
gewesen? Amerika <strong>wäre</strong> nie in den<br />
Krieg eingetreten. Das Chaos auf dem<br />
gesamten europäischen Kontinent hätte<br />
zu mehr Kooperation und stabileren<br />
Beziehungen zwischen den Nationen<br />
führen können. Eine frühe Version der<br />
EU hätte durchaus entstehen können.<br />
Showalter zufolge hätte das allerdings<br />
<strong>die</strong> Folge gehabt, dass das Aufkommen<br />
des Nationalsozialismus in Deutschland<br />
eher unwahrscheinlich gewesen<br />
<strong>wäre</strong>.<br />
Russische Oktoberrevolution<br />
Russische Oktoberrevolution 1917. Im<br />
Buch „Der Denver-Plan“ betrachten wir<br />
unterschiedliche Zeitkapseln der <strong>Geschichte</strong>.<br />
In einer von ihnen folgen wir<br />
den Spuren eines Zuges, der Wladimir<br />
Fahr los und mach<br />
<strong>Geschichte</strong>! Der Zug, mit<br />
dem Lenin nach Russland<br />
zurückkehrte kann bis<br />
heute im finnischen<br />
Bahnhof von St. Petersburg<br />
besichtigt werden.<br />
24<br />
Ohne Lenin<br />
keine Revolution<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Hätte Patrick überlebt,<br />
<strong>wäre</strong> Kennedy wohl nicht<br />
nach Dallas gefahren.<br />
Iljitsch Lenin 1917 von Zürich nach St.<br />
Petersburg brachte. Im Gegensatz zu<br />
den zahlreichen sowjetischen Mythen<br />
waren Lenin und seine Familie keine<br />
armen Proletarier und hatten niemals<br />
Hunger und Elend erleiden müssen.<br />
Unmittelbar nach Abdankung des<br />
Zaren Nikolaus II. im März 1917 verhandelte<br />
Lenin in seinem Züricher Exil<br />
mit dem deutschen Botschafter in der<br />
Schweiz. Er wollte in einem versiegelten<br />
Zug mit exterritorialem Status<br />
Deutschland, das sich ja mit Russland<br />
im Kriegszustand befand, durchqueren<br />
und auf <strong>die</strong>se Weise nach Russland<br />
zurückkehren. Berlin stimmte Lenins<br />
Plänen schließlich zu. Das deutsche<br />
Kaiserreich war an einer weiteren Destabilisierung<br />
Russlands durchaus interessiert.<br />
Im April 1917 bestieg eine<br />
Gruppe von 32 Exilrussen den Zug am<br />
Züricher Hauptbahnhof, darunter Lenin<br />
und seine Frau, und erreichte unbehelligt<br />
den finnischen Bahnhof von St. Petersburg.<br />
Wenige Monate später nahm<br />
<strong>die</strong> kommunistische Revolution ihren<br />
Lauf und führte zur Gründung der Sowjetunion.<br />
<strong>Was</strong> aber <strong>wäre</strong> gewesen, <strong>wenn</strong><br />
Berlin <strong>anders</strong> entschieden und<br />
den Revolutionären <strong>die</strong> Durchreise<br />
verweigert hätte? Oder <strong>wenn</strong> man<br />
sich nicht an sein Wort gehalten und Lenin<br />
verhaftet hätte? Wenn der Zug, der<br />
auf seiner Fahrt mehrfach umgeleitet<br />
werden musste, irgendwo verunglückt<br />
<strong>wäre</strong>? <strong>Was</strong> <strong>wäre</strong> dann aus Russland<br />
und der kommunistischen Revolution<br />
geworden?<br />
Im Gegensatz zum Ausbruch des<br />
Ersten Weltkrieges mit seinen komplizierten<br />
politischen Konstellationen sind<br />
sich <strong>die</strong> Historiker hier ausnahmsweise<br />
einmal einig. Die Dominanz des Revolutionärs<br />
Lenin in der bolschewistischen<br />
Bewegung war geradezu erdrückend,<br />
in einer Weise, <strong>die</strong> bis dahin in der <strong>Geschichte</strong><br />
ohne Vorbild war. „Keine andere<br />
poltische Partei“, so der Historiker<br />
Orlando Figes, „war so eng verknüpft<br />
mit der Persönlichkeit eines einzigen<br />
Mannes.“ Ohne Lenin keine Revolution.<br />
Welche Konsequenzen <strong>die</strong>s für das<br />
republikanische Russland gehabt hätte,<br />
ist schwer abzuschätzen. Auf jeden Fall<br />
hätte es keinen Stalinismus und nach<br />
dem zweiten Weltkrieg auch keinen<br />
kommunistischen Block und keinen<br />
Kalten Krieg gegeben. Dies wiederum<br />
hätte zur Folge gehabt, dass sich auch<br />
kein fanatischer Antikommunismus wie<br />
in den USA unter McCarthy entwickelt<br />
hätte.<br />
Das Attentat auf John F. Kennedy<br />
Patrick Bouvier Kennedy, der jüngste<br />
Sohn des US-Präsidenten, ist von der<br />
<strong>Geschichte</strong> fast vergessen. Er hatte keine<br />
Zeit, sich in <strong>die</strong> prominente Familie<br />
einzuordnen. Er lebte nur 39 Stunden.<br />
Geboren am 7. August 1963 in der<br />
Base Otis auf Cape Cod, war Patrick das<br />
dritte Kind der Kennedys. Ein Frühchen<br />
mit unzureichend entwickelter Lunge.<br />
Er wurde praktisch sofort getauft, weil<br />
schon von Anfang an allen klar war,<br />
dass sein Leben an einem seidenen<br />
Faden hing. Heute könnte Patrick auf<br />
einer neonatologischen Station sogar<br />
mit 95% Chance auf das Überleben hoffen.<br />
Das kleine Kind wurde ins Boston<br />
Children‘s Medical Center gebracht,<br />
um sein Leben zu retten, während Jakkie<br />
weiterhin im Hospital in Cape Cod<br />
blieb. Schon <strong>die</strong> beiden anderen Kinder,<br />
Caroline und John jr., hatten auf <strong>die</strong><br />
Persönlichkeit JFKs einen großen Einfluss.<br />
Und jetzt <strong>die</strong>ser kleine, liebe Junge<br />
… Um 4 Uhr morgens, am 9. August,<br />
gaben <strong>die</strong> Ärzte das kleine Kind dem<br />
Vater in <strong>die</strong> Arme. Kennedy schaukelte<br />
den kleinen Patrick, als er seine letzten<br />
Atemzüge machte… Danach ging der<br />
Präsident auf sein Zimmer und weinte<br />
– allein.<br />
Die nächste Woche verbrachte JFK<br />
mit seiner Frau Jackie. Sie weinten<br />
und sprachen zusammen. In<br />
ihre kühle, fast schon nur noch pro forma<br />
geführte Ehe kehrten Zärtlichkeit<br />
und Vertrauen zurück. Clint Hill, der<br />
Bodyguard der First Lady, schrieb später:<br />
„Nach Patricks Tod haben ich und<br />
<strong>die</strong> anderen Agenten bemerkt, dass der<br />
Präsident und Mrs. Kennedy sich näher<br />
gekommen waren.“ Sie hielten sich an<br />
den Händen, als sie das Krankenhaus<br />
verließen.<br />
Es ist kaum wahrscheinlich, dass <strong>die</strong><br />
Kennedys Reisepläne nach Dallas im<br />
kommenden Herbst gemacht hätten,<br />
<strong>wenn</strong> Patrick überlebt hätte. Schon <strong>die</strong><br />
Sorge um <strong>die</strong> Gesundheit des Sohnes<br />
hätte <strong>die</strong>s wohl verhindert. Ob dadurch<br />
das Schicksal nur etwas verschoben<br />
worden <strong>wäre</strong> oder sich <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
vollkommen <strong>anders</strong> entwickelt hätte,<br />
bleibt offen. So aber nahmen Jack und<br />
Jackie Kennedy drei Monate nach Patricks<br />
Tod Platz in der offenen Lincoln-<br />
Continental-Limousine, um über <strong>die</strong><br />
Dealey Plaza zu fahren. In Dallas.<br />
<strong>Was</strong> <strong>wäre</strong>, <strong>wenn</strong> es tatsächlich kein<br />
Attentat auf John F. Kennedy gegeben<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 25
Nach den tödlichen Schüssen von<br />
Dallas ließ Jackie Kennedy ihr<br />
Rosenbouquet im Wagen liegen.<br />
blind in <strong>die</strong> Zukunft rennen, sondern<br />
vorher abschätzen, wie sich <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
entwickeln wird, dann ist<br />
man ausschließlich auf kontrafaktische<br />
Gedankenexperimente angewiesen.<br />
Harte Fakten gibt es schließlich<br />
noch nicht. Eine der schönsten<br />
und originellsten Zeitkapseln der<br />
<strong>Geschichte</strong> haben für uns <strong>die</strong> Menschen<br />
des Jahres 1899 vorbereitet.<br />
Sie schauten damals fast genauso<br />
gebannt auf ein anbrechendes neues<br />
Jahrhundert wie wir noch vor wenigen<br />
Jahren an der Schwelle zum<br />
neuen Jahrtausend.<br />
hätte? Oder <strong>wenn</strong> ihn <strong>die</strong> Kugeln verfehlt<br />
hätten? Nehmen wir an, er hätte<br />
<strong>die</strong> nächste Wahl zum Weißen Haus gewonnen.<br />
Welchen Einfluss hätte er auf<br />
<strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> der Welt und der USA<br />
nehmen können?<br />
Schon in seiner ersten Amtszeit<br />
war Kennedy im Grunde eine „lahme<br />
Ente“, denn <strong>die</strong> gegnerische Kongressmehrheit<br />
blockierte viele seiner<br />
Gesetzesvorhaben. Der Kalte Krieg<br />
befand sich auf einem Höhepunkt,<br />
<strong>die</strong> Machtblöcke waren verkrustet<br />
und der<br />
Präsident agierte nicht immer ge-<br />
schickt, z. B. in der Kubakrise. Hätte<br />
ein überlebender John F. Kennedy<br />
<strong>die</strong> US-Truppen aus Vietnam abgezogen?<br />
Wohl kaum. Sein Bruder Robert<br />
sagte nach Johns Tod, der Präsident<br />
habe nie <strong>die</strong> Absicht gehabt, <strong>die</strong>s zu<br />
tun.<br />
Seine Bürgerrechtsreformen<br />
hatten zur Zeit des Attentats<br />
von Dallas noch nicht den Kongress<br />
passiert. Wenn er überlebt<br />
hätte, hätte er <strong>die</strong>s wohl auch kaum<br />
geschafft. Es war Lyndon B. Johnson,<br />
der <strong>die</strong> Gesetze dem Kongress vorlegte,<br />
und viele Abgeordnete wagten<br />
es nicht mehr, gegen das Projekt des<br />
ermordeten Präsidenten zu stimmen.<br />
Die interessanteste Variante<br />
brachte der Autor Bryce Zabel ins<br />
Spiel. Ohne Kennedy-Attentat keine<br />
Warren-Kommission und keine Verschwörungstheorien<br />
um Lee Harvey<br />
Oswald. Das Augenmerk hätte sich<br />
daher eher auf <strong>die</strong> Persön-<br />
lichkeit des Präsidenten gerichtet.<br />
Seine privaten und politischen Geheimnisse<br />
hätten an <strong>die</strong> Öffentlichkeit<br />
gezerrt werden können. In Bryce<br />
Zabels Buch endet Kennedys Präsidentschaft<br />
mit einer Amtsenthebung.<br />
Vor allem aber hätten wir heute<br />
keine Kennedy-Legende…<br />
Zukunft, <strong>die</strong> schon vergangen ist<br />
Der beste Weg, <strong>die</strong> Zukunft zu erkennen,<br />
ist es, sie zu gestalten. Geschichtswissenschaft<br />
beschäftigt<br />
sich ausschließlich mit der Vergangenheit.<br />
Will man hingegen nicht<br />
Die Berliner Schokoladenfabrik<br />
Hildebrand nutzte <strong>die</strong>s für einen<br />
cleveren Werbefeldzug<br />
aus, indem sie ihren Schokoladentafeln<br />
und Kakaopackungen Sammelbildchen<br />
beilegte, so wie sie noch<br />
jahrzehntelang bei Kindern beliebt<br />
und begehrt waren. Doch <strong>die</strong> damaligen<br />
Sammelbilder waren etwas Besonderes:<br />
Sie zeigten, wie man sich<br />
am Ende des 19. Jahrhunderts das<br />
Leben im Jahr 2000 vor-<br />
stellte!<br />
Eine vollständige Sammlung<br />
<strong>die</strong>ser Bilder hat bis heute überlebt.<br />
Und was sehen wir dort: Zum spiel, dass im Jahr 2000 <strong>die</strong> Wohn-<br />
Beihäuser<br />
auf Schienen gebaut und von<br />
Dampflokomotiven hin- und hergezogen<br />
werden.<br />
Um eine Oper zu sehen, so glaubte<br />
man 1899 weiter, würde man im<br />
Jahre 2000 nicht mehr seine Wohnung<br />
verlassen müssen. Statt dessen<br />
würde <strong>die</strong> Musik per Telefon -<br />
das es ja damals schon gab - nach<br />
Hause übertragen, während das Bild<br />
mit einer Art Laterna magica an <strong>die</strong><br />
Wand geworfen würde. Einen Fernseher,<br />
so wie wir ihn heute kennen,<br />
26<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
konnte man sich damals noch nicht<br />
vorstellen, doch das Prinzip der<br />
Fernsehübertragung wurde durchaus<br />
zutreffend vorausgesehen.<br />
Ganz ähnlich liegt es bei der<br />
Idee der Überwachungskamera, <strong>die</strong><br />
ebenfalls für das Jahr 2000 prophezeit<br />
wurde, um Einbrecher aufspüren<br />
zu können. Da man Videobänder<br />
noch nicht kannte, glaubte man,<br />
man würde hierfür mit Röntgenstrahlen<br />
arbeiten.<br />
Andere Visionen auf den Schokoladenbildern<br />
bezogen sich<br />
auf Zeppeline, <strong>die</strong> ja zur Zeit<br />
der Jahrhundertwende schwer in<br />
Mode waren und von denen man<br />
glaubte, im Jahr 2000 Reisen bis<br />
zum Nordpol machen zu können.<br />
Oder auf Amphibienfahrzeuge - nach<br />
damaliger Vorstellung ganz normale<br />
Schiffe, <strong>die</strong> am Kiel mit Rädern<br />
ausgestattet waren. Auch das Prinzip<br />
unserer heutigen Rolltreppen<br />
bzw. des Förderbandes für<br />
Auch das Flugzeug war im Grunde<br />
zu jener Zeit keine Utopie<br />
mehr. Schließlich gelang den<br />
Gebrüdern Wright nur vier Jahre<br />
später, im Jahre 1903, der erste<br />
Flug. Doch auch hier glaubte man<br />
in Verkennung der tatsächlichen<br />
Entwicklung, dass <strong>die</strong> Zukunft dem<br />
damals schon ausgereifteren Luftschiff<br />
gehören würde.<br />
Egal wie naiv und nostalgischcharmant<br />
<strong>die</strong>se Bilder für uns heute<br />
herüberkommen – man muss<br />
zugestehen, dass erstaunlich viele<br />
technische Entwicklungen im Kern<br />
vollkommen richtig vorausgesehen<br />
wurden. Lediglich <strong>die</strong> Realisierung<br />
im Detail hat sich <strong>anders</strong><br />
entwickelt. Könnte <strong>die</strong>s ein Grundprinzip<br />
der <strong>Geschichte</strong>, <strong>wenn</strong> nicht<br />
sogar der Zeit als Dimension sein?<br />
Dass bestimmte Grundmuster auf<br />
der Zeitachse vorgegeben sind und<br />
lediglich <strong>die</strong> Details uns <strong>die</strong> Freiheit<br />
der individuellen<br />
Erkenntnisse zu gewinnen, inwieweit<br />
bestimmte Muster auf der<br />
Timeline festliegen und welche<br />
Details bei ihrer Realisierung frei<br />
variierbar sind. Kontrafaktische<br />
<strong>Geschichte</strong> hat auch eine noch größere<br />
Bedeutung in dem Sinne, dass<br />
sie sich naturwissenschaftlichen<br />
Modellen des Universums annähert.<br />
Zum Beispiel erlaubt sie es,<br />
sich mit Gedanken über Paralleluniversen<br />
anzufreunden. Sie hilft<br />
zu verstehen, warum bestimmte<br />
Alternativen wahrscheinlicher sind<br />
als andere. Insofern ist der Vorwurf<br />
mancher konservativer Historiker,<br />
kontrafaktische <strong>Geschichte</strong> sei nur<br />
ein „Gesellschaftsspiel“, in der<br />
heutigen Zeit überholt. Unsere <strong>Geschichte</strong><br />
ist nicht tot. Sie brauchte<br />
nur ein wenig Quantenphysik, um<br />
wiederbelebt zu werden. ▀<br />
Personen, wie wir es von modernen<br />
Flughäfen kennen, wurde bereits<br />
damals erkannt.<br />
Gleichzeitig blieben <strong>die</strong> Errungenschaften<br />
unserer heutigen Technik,<br />
<strong>die</strong> wirklich in unserer Zeit von<br />
entscheidender Bedeutung sind,<br />
vollkommen unberücksichtigt. Hierbei<br />
meinen wir nicht nur den Computer,<br />
der wohl damals tatsächlich<br />
noch jenseits des Vorstellbaren<br />
lag, sondern auch das Auto und das<br />
Flugzeug. Dies ist besonders interessant,<br />
da es schließlich 1899 schon<br />
Autos gab. Allerdings waren Autofahrer<br />
zu jener Zeit noch skurrile<br />
Außenseiter.<br />
Gestaltung lassen?<br />
Wäre also unser Schicksal<br />
gleichzeitig vorbestimmt und frei?<br />
Sind wir alle Schrödingers Katzen?<br />
Die Gleichzeitigkeit von Determinismus<br />
und Freiheit ist im Grunde<br />
nur ein Ausdruck dessen, dass wir<br />
eine Quantenwelt bewohnen.<br />
Multidimensionale Aspekte<br />
Kontrafaktische Geschichtswissenschaft<br />
gibt uns <strong>die</strong> Chance, <strong>die</strong><br />
<strong>Geschichte</strong> zu modellieren. Einen<br />
Einblick in <strong>die</strong> Vergangenheit zu<br />
erhalten, globale Situationen und<br />
Handlungsspielräume neu zu bewerten.<br />
Den multidimensionalen<br />
Aspekt der <strong>Geschichte</strong> zu erkennen.<br />
Informationen über <strong>die</strong> Vergangenheit<br />
und ihre Konsequenzen<br />
für <strong>die</strong> Zukunft zu erhalten.<br />
Literatur:<br />
Grazyna Fosar und Franz Bludorf:<br />
Der Denver-Plan. Vertrag mit der Zeit.<br />
Michaels Verlag 2014. Neuerscheinung!<br />
Martin Bunzl: Counterfactual <strong>History</strong>:<br />
A User's Guide. The American Historical<br />
Review, Vol. 109, No. 3 (Jun., 2004), pp.<br />
845-858<br />
Robert Cowley (Hrsg.): What If? Eminent<br />
Historians Imagine What Might Have<br />
Been. Berkley Trade 2002. Bryce Zabel:<br />
Surrounded by Enemies: What If Kennedy<br />
Survived Dallas?" Publish Green 2013.<br />
Grazyna Fosar ist Astrophysikerin und Erfolgsautorin<br />
von bislang 20 Büchern<br />
(Co-Autor Franz Bludorf). Im<br />
Michaels Verlag erscheint in<br />
Kürze ihr neuestes Buch "Der<br />
Denver Plan". Sie beschäftigt<br />
sich hauptsächlich mit der Post-<br />
Quantenphysik des Bewußtseins.<br />
Darüber hinaus ist sie Peer<br />
Reviewer beim International<br />
Journal of Physical Sciences. Bei der <strong>Matrix3000</strong><br />
ist Grazyna Fosar Redakteurin für <strong>die</strong> Rubriken<br />
Wissenschaft, Grenzwissenschaft und Wurzeln. Ihr<br />
Lieblings molekül ist Adrenalin.<br />
<strong>History</strong> MATRIX 27<br />
3000
Grab Amenhoteps II.<br />
in Theben<br />
Ägyptisches<br />
Totenbuch<br />
in Australien<br />
Sensationeller Fund in Queensland<br />
Franz Bludorf<br />
28<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Der schakalköpfige Anubis führt den toten<br />
Hunefer zum Gericht. Er wiegt das Herz des<br />
Verstorbenen gegen <strong>die</strong> Feder der Maatauf<br />
(Psychostasie), während Ammit wartet, ob<br />
sie das Herz des verurteilten Toten fressen<br />
soll oder nicht. Thot protokolliert. Am Ende<br />
wird Hunefer, der bestanden hat, von Horus<br />
dem Osiris präsentiert, der in seinem<br />
Schrein mit Isis und Nephthys sitzt (Papyrus<br />
des Hunefer (19. Dynastie), British Museum).<br />
Dr. John Taylor, Ägyptologe des British Museum in London,<br />
war überwältigt. In der Ausstellung eines Museums im australischen<br />
Bundesstaat Queensland machte der britische<br />
Wissenschaftler einen geradezu sensationellen Fund: In<br />
einer Vitrine lachte ihm ganz unvermutet ein Fragment des<br />
ägyptischen Totenbuchs des Amenhotep entgegen. Und auf<br />
Nachfragen eröffnete ihm <strong>die</strong> Kultur- und Wissenschaftsministerin<br />
von Queensland, Ros Bates, dass im Keller des<br />
Museums noch mehr davon lagerte. Offenbar wusste man<br />
gar nicht so genau, welchen Schatz man dort beherbergte.<br />
Mehr als 100 Jahre hatten Archäologen der ganzen Welt<br />
vergeblich nach den verschollenen Fragmenten gesucht.<br />
Dr. Taylor hofft, dass das über 4400 Jahre alte Manuskript<br />
nun endlich vollständig vorliegt, und erwartet sich davon<br />
neue revolutionäre Erkenntnisse über das geheime magische<br />
Wissen des alten Ägypten.<br />
Totenbücher sind aus zahlreichen Kulturen aller Epochen<br />
überliefert. Meist enthalten sie Gebete, <strong>die</strong> bei<br />
Begräbniszeremonien zur Anwendung kamen. Bekannt<br />
ist etwa das Totenbuch der Tibeter, dessen Gebete<br />
am Bett des Verstorbenen gesprochen werden sollten, damit<br />
seine Seele aus dem Rad des Karmas erwacht.<br />
Das Totenbuch der Ägypter ist dagegen voll mit magischem<br />
Wissen über<br />
geheime Sprüche und<br />
Rituale, mit denen <strong>die</strong><br />
Priester den Verstorbenen<br />
den Übergang in <strong>die</strong><br />
jenseitige Welt erleichtern<br />
sollten. Die Ägypter<br />
sprachen demzufolge<br />
auch nicht von einem<br />
„Totenbuch“, sondern<br />
nannten es „Buch vom<br />
Heraustreten ins Licht“.<br />
Im Grunde handelt es<br />
sich nicht nur um ein einziges<br />
Buch. Totenrituale<br />
wurden bereits seit der 5.<br />
Dynastie (ca. 2500 v. Chr.)<br />
schriftlich festgehalten,<br />
damals meist noch in<br />
Form von Wandmalereien<br />
in Pyramiden. Da<br />
<strong>die</strong>se Pyramiden - entgegen mancher heutigen Vermutung<br />
- keine Grabmäler, sondern Einweihungszentren waren,<br />
waren <strong>die</strong>se Rituale damals streng geheim und standen<br />
nur den Eingeweihten, also Pharaonen und Priestern, zur<br />
Verfügung. Erst ab etwa 2000 v. Chr. findet man schriftliche<br />
Zeugnisse von Totenritualen auch auf Sarkophagen -<br />
ein Zeichen, dass <strong>die</strong> Rituale nunmehr auch anderen Menschen<br />
zugänglich gemacht wurden.<br />
Erst ab der 18. Dynastie findet man <strong>die</strong> Darstellungen<br />
auch auf den Binden von Mumien sowie auf Papyrusrollen.<br />
Die Totenbücher wurden auch in der Folgezeit weiterentwickelt<br />
und immer wieder in anderer Form auf Papier<br />
festgehalten - bis ca 50 v. Chr., der Zeit Kleopatras, als das<br />
einstmals mächtige ägyptische Reich in eine Provinz Roms<br />
umgewandelt wurde.<br />
Unter den vielen unterschiedlichen Darstellungen<br />
der ägyptischen Totenrituale ist das Totenbuch des<br />
Amenhotep das bedeutendste. Es stammt aus der<br />
18. Dynastie (ca. 1420 v. Chr.) und ist damit das wohl älteste,<br />
das nicht nur in Stein verewigt wurde. Es enthält einige<br />
wichtige Besonderheiten, <strong>die</strong> in späteren Manuskripten<br />
nicht mehr enthalten sind, darunter Darstellungen von<br />
fünfstrahligen Sternen (Pentagramme?) und Sonnen-<br />
Eines der größeren in<br />
Queensland entdeckten verschollenen<br />
Fragmente des<br />
ägyptischen Totenbuches.<br />
Bild: British Museum<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 29
Diese Fragmente des<br />
Totenbuchs befinden sich im<br />
Boston Museum of Fine Art.<br />
(Fotos: Boston Museum of Fine Art)<br />
Statue Amenhoteps<br />
II. (Boston<br />
Museum of Fine<br />
Art)<br />
scheiben. Das Totenbuch des Amenhotep gilt daher als<br />
beste erhaltene Quelle des authentischen ägyptischen Geheimwissens.<br />
Leider war <strong>die</strong>ses Totenbuch bislang nur in Fragmenten<br />
erhalten, <strong>die</strong> seit mehr als 100 Jahren auch noch über <strong>die</strong><br />
ganze Welt verstreut sind. Einige der wichtigsten Stücke<br />
werden im British Museum in London ausgestellt. Andere<br />
befinden sich im Boston Museum of Fine Art und im Metropolitan<br />
Museum of Art in New York.<br />
Im heutigen Elektronikzeitalter ist es kein Problem<br />
mehr, dass nicht alle Teile am gleichen Ort lagern. Die<br />
Wissenschaftler arbeiten ohnehin mit elektronisch gescannten<br />
Vorlagen, um das Gesamtwerk mit Hilfe des<br />
Computers so gut wie möglich zusammenzuführen. Nur<br />
fehlte bislang eine ganze Menge, so dass man den gesamten,<br />
ca. 20 Meter langen Papyrus noch nicht vollständig<br />
rekonstruieren konnte.<br />
Wie kam <strong>die</strong>ser Schatz uralten Geheimwissens ausgerechnet<br />
nach Australien? Nach Aussage von Ministerin<br />
Ros Bates waren <strong>die</strong> jetzt wiederentdeckten<br />
rund 100 Fragmente eine Spende, <strong>die</strong> das Museum vor<br />
etwa 100 Jahren von einer nicht näher<br />
genannten Privatperson erhalten hatte.<br />
John Taylor hofft, dass nunmehr das<br />
Totenbuch des Amenhotep wieder vollständig<br />
ist, so dass <strong>die</strong> Wissenschaftler<br />
erstmals seit dem Altertum in der Lage<br />
sein werden, das altägyptische Geheimwissen<br />
als Ganzes kennenzulernen. Bis<br />
es so weit ist, ist es allerdings nach Aussage<br />
des britischen Wissenschaftlers<br />
noch ein weiter und mühevoller Weg.<br />
„Das Zusammenführen von Manuskripten<br />
wie <strong>die</strong>sen ist eine unglaublich wichtige<br />
und mühevolle Arbeit,“, sagte er,<br />
„und wir hoffen, durch das Zusammensetzen<br />
der Fragmente in der Lage zu<br />
sein zu sehen, welche Mysterien sie uns<br />
eröffnen werden.“ ▀
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Band 70 Juli / August 2012 MATRIX 3000 31
Das Satya-Yuga-Zeitalter,<br />
nach der indischen Mythologie<br />
eine frühe, para<strong>die</strong>sisch<br />
anmutende Epoche,<br />
noch bevor Lüge und Krieg<br />
auf der Erde Fuß fassten.<br />
Der<br />
Ursprung<br />
des Menschen<br />
Armin Risi<br />
Die heute am weitesten verbreitete alternative Theorie<br />
zur Entstehung des Menschen beruht auf den Theorien<br />
der „Präastronautik“, mit Erich von Däniken und<br />
Zecharia Sitchin als den bekanntesten Vertretern: der<br />
Mensch stamme von den Tieren ab und <strong>wäre</strong> auch heute<br />
noch primitiv, <strong>wenn</strong> nicht Außerirdische genmanipulierend<br />
eingegriffen hätten. Der folgende Artikel zeigt<br />
<strong>die</strong> problematischen Seiten <strong>die</strong>ser Theorie – bei Sitchin<br />
auch <strong>die</strong> grundlegenden Fehler – und gibt eine neue<br />
Sicht auf <strong>die</strong> Herkunft der Menschen, basierend auf den<br />
Inhalten der alten Mythen und Mysterien.<br />
Der Fehler am Anfang<br />
der Rechnung<br />
In der Frage nach der Herkunft des Menschen macht <strong>die</strong><br />
heutige Wissenschaft einen sprichwörtlichen Fehler am<br />
Anfang der Rechnung, weil sie von einem materialistischen<br />
Weltbild ausgeht und <strong>die</strong> höheren Dimensionen<br />
des Kosmos ausblendet. Materialismus ist der Glaube,<br />
Materie sei der Urgrund von allem und organisiere sich<br />
selber; Lebewesen seien nichts anderes als funktionierende<br />
Körper, und Bewusstsein sei ein Produkt des Gehirns;<br />
es gebe kein Bewusstsein außerhalb des Gehirns<br />
und kein Leben nach dem Tod. Mit anderen Worten, <strong>die</strong><br />
Realität wird auf <strong>die</strong> Materie reduziert, und man akzeptiert<br />
nur materielle („natürliche“) Ursachen und nichts<br />
„Übernatürliches“, weshalb der Materialismus auch Naturalismus<br />
genannt wird. Aber schon <strong>die</strong> Gleichsetzung<br />
von „natürlich“ mit „materiell“ zeigt, dass <strong>die</strong>se Weltsicht<br />
sehr beschränkt ist. Wahre Wissenschaft würde <strong>die</strong> Existenz<br />
höherdimensionaler Welten nicht von vornherein<br />
ausschließen.<br />
Sitchin und <strong>die</strong><br />
sumerischen Schriften<br />
Auch <strong>die</strong> Präastronautik sagt, dass der Mensch von den<br />
Tieren abstamme, fügt aber hinzu, Außerirdische hätten<br />
vor rund 300.000 Jahren aus dem primitiven, noch<br />
tierähnlichen Urmenschen den Homo sapiens „gezüchtet“.<br />
Laut Sitchin waren <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> in der sumerischen<br />
Sprache „Anunnaki“ genannt werden, Außerirdische<br />
vom Planeten Nibiru, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> Erde kamen, um<br />
Gold zu schürfen, und <strong>die</strong>se Götter hätten später den<br />
Menschen als Sklavenrasse geschaffen.<br />
32<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Zecharia Sitchin<br />
Charles Darwin<br />
Die sumerischen Originaltexte sind heute alle auch online<br />
verfügbar. Eine kritische Nachprüfung zeigt, dass<br />
<strong>die</strong> Anunnaki an keiner Stelle mit „Nibiru“ in Verbindung<br />
gebracht werden und dass „Nibiru“ auch nicht ein 12.<br />
Planet des Sonnensystems ist. Ebenso ist <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong>, <strong>die</strong><br />
Anunnaki hätten Gold abgebaut, eine Erfindung Sitchins. Experten<br />
des Sumerischen, insbesondere Dr. Michael Heiser,<br />
äußern aufgrund von vielen Beispielen den Verdacht, dass<br />
Sitchin gar nicht Sumerisch konnte, sondern nur <strong>die</strong> bestehenden<br />
Übersetzungen verwendete und <strong>die</strong>se gemäß seinen<br />
eigenen Ideen und Phantasien umschrieb.<br />
Jenseits von Darwin und Sitchin<br />
Gemäß Sitchins Anunnaki-<strong>Geschichte</strong>n sind <strong>die</strong> Menschen<br />
genmanipulierte Wesen – und Sklaven einer unsichtbaren<br />
Elite! Diese Menschen waren in den Augen der Elite ein<br />
missratenes Experiment, weil sie begannen, zu rebellieren<br />
und selbst zu denken. Deshalb seien vor rund 10.000 Jahren<br />
95% der Menschheit durch <strong>die</strong> Sintflut eliminiert worden. So<br />
weit Sitchin.<br />
In der unausgesprochenen Weiterführung <strong>die</strong>ses Szenarios<br />
ist auch der heutige Mensch ein missratenes Experiment,<br />
weshalb <strong>die</strong> entsprechenden „Intelligenzen“ glauben,<br />
dass erneut 95% der Menschen zu eliminieren seien. Dies<br />
wird z.B. öffentlich auf den 1980 errichteten Georgia Guidestones<br />
als das erste von zehn Geboten gefordert: „Haltet <strong>die</strong><br />
Menschheit unter 500 Millionen in beständigem Gleichgewicht<br />
mit der Natur!“<br />
Sitchin schuf einen modernen Mythos, der <strong>die</strong>se „Götter“<br />
als Schöpfer der Menschen hinstellt – und kündete deren<br />
Wiederkunft an. Wer hat ein Interesse, dass solche<br />
Theorien propagiert werden?<br />
Die Präastronautik ist ein weiteres Beispiel, das zeigt, wie<br />
sogar kühne Theorien nicht über <strong>die</strong> herrschenden Lehrmeinungen,<br />
insbesondere den Darwinismus, hinauskommen.<br />
Der Weg, der zu wahrhaft neuen Erkenntnissen führt,<br />
gründet im Mut, über den Darwinismus hinauszugehen und<br />
dann auch <strong>die</strong> präastronautischen Göttertheorien kritisch zu<br />
beleuchten.<br />
Die kosmischen Wurzeln des Menschen<br />
Wenn wir das Mysterienwissen der alten Kulturen in unsere<br />
moderne Sprache übersetzen, so besagt es, dass der<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 33
Das antike Reich<br />
Sumer<br />
Kosmos multidimensional ist; jede Dimensionswelt<br />
ist eine eigene Welt mit<br />
entsprechenden Wesen: Lichtwesen in<br />
den Lichtwelten, Dunkelwesen in den<br />
Dunkelwelten. So unterschiedlich <strong>die</strong><br />
vielen alten Quellen sind, in dem einen<br />
Punkt sind sie sich alle einig: <strong>die</strong><br />
Menschheit hat kosmische Wurzeln, der<br />
Mensch entstammt den höherdimensionalen<br />
Welten. Dies wiederum bedeutet,<br />
dass sich das Leben auf der Erde nicht<br />
aus Materie entwickelt hat, sondern aus<br />
den geistigen Urgründen des Kosmos<br />
heraus.<br />
Um <strong>die</strong> Herkunft des Menschen mit<br />
einem Begriff der ganzheitlich-spirituellen<br />
Wissenschaft zu umschreiben, bietet<br />
sich das Wort „Involution“ an. Involution<br />
bedeutet, dass <strong>die</strong> ersten Menschen<br />
durch eine Materialisation von Lichtwesen<br />
entstanden sind. Deshalb enthält<br />
unser Körper auch heute noch potentiell<br />
<strong>die</strong> Information des Lichtkörpers.<br />
Gemäß den altindischen Quellen<br />
entstand der Mensch im ersten<br />
Zeitalter (Satya-Yuga), d.h. vor<br />
rund 4 bis 2,5 Millionen Jahren. <strong>Was</strong><br />
heute auf der Erde geschieht, hat eine<br />
lange Vorgeschichte, <strong>die</strong> in den höherdimensionalen<br />
Bereichen des Universums<br />
begann. <strong>Was</strong> besagt <strong>die</strong>ser „Mythos“<br />
der Menschentstehung über den<br />
Sinn und Zweck unseres Menschseins?<br />
Licht und Dunkelheit im Sanskrit<br />
Die ersten Menschen waren Lichtwesen,<br />
<strong>die</strong> über eine Selbstmanifestation<br />
auf der Erde erschienen. Sie taten <strong>die</strong>s<br />
in vollkommener Übereinstimmung<br />
mit dem Willen Gottes. Im ersten Zeitalter,<br />
während rund eineinhalb Millionen<br />
Jahren, lebten nur Lichtwesen als<br />
Menschen auf der Erde. Es gab weder<br />
Gewalt noch Lüge, weshalb <strong>die</strong>ses Zeitalter<br />
im Sanskrit Satya-Yuga genannt<br />
wird, „Zeitalter der Wahrhaftigkeit“,<br />
oder Krita-Yuga, „Zeitalter der Vollkommenheit“.<br />
Die Erde befand sich<br />
vollständig im Bereich des Lichts und<br />
war ein Para<strong>die</strong>s. Ein pulsierendes<br />
blaues Juwel im Weltall.<br />
Im zweiten Yuga kamen <strong>die</strong> ersten<br />
Wesen aus den Dunkelwelten auf <strong>die</strong><br />
Erde. So wie <strong>die</strong> ursprünglichen Menschen<br />
nicht von irdischer Herkunft waren,<br />
waren es auch <strong>die</strong>se neuen Menschen<br />
nicht. Sie waren aggressiv und<br />
expansiv, mussten sich aber ebenfalls<br />
zuerst an <strong>die</strong> physischen Bedingungen<br />
der Erde anpassen. Dies waren Wesen,<br />
<strong>die</strong> den Weg der Gottabgewandtheit gewählt<br />
hatten. Sie hatten sich von Gott,<br />
der Quelle, getrennt, so wie <strong>die</strong> Dunkelheit<br />
sich vom Licht trennt. Weil sie<br />
ihre Lebensenergie nicht mehr von der<br />
allumfassenden Quelle bezogen, befanden<br />
sie sich auf einer konstanten Suche<br />
nach neuen Energiequellen und hatten<br />
deshalb <strong>die</strong> archetypisch-negative Neigung,<br />
andere Lebewesen für ihre Bedürfnisse<br />
auszubeuten. Aufgrund ihrer<br />
Mentalität sahen sie „nichts Falsches“<br />
darin, alles ihren eigenen Interessen zu<br />
unterwerfen und, „<strong>wenn</strong> nötig“, auch<br />
Gewalt anzuwenden, um andere Menschen<br />
sowie <strong>die</strong> Tiere und den gesamten<br />
Planeten auszubeuten.<br />
m zweiten Yuga waren <strong>die</strong> „Kolonisatoren“<br />
in der Minderheit, und sie<br />
lebten in eigenen geographischen<br />
Gebieten. Die Ureinwohner sahen <strong>die</strong><br />
göttliche Ordnung in allem und lebten<br />
so, dass sie <strong>die</strong>se Ordnung nicht störten,<br />
sondern durch ihre Kreativität noch<br />
mehr zum Vorschein brachten. Dies taten<br />
sie vor allem durch Meditation und<br />
geistige Lenkung der Materie. Von außen<br />
sah <strong>die</strong>s jedoch so aus, wie <strong>wenn</strong><br />
sie „nichts“ taten: keine Zivilisation,<br />
kein Kulturbetrieb, keine Manipulation<br />
der Erde, keine mechanische Imitation<br />
der Natur.<br />
In der Mitte des dritten Yugas kam es<br />
zu dem, was ich den „großen Übergriff“<br />
nenne. Die Ureinwohner wurden angegriffen<br />
und unterworfen. Wir sprechen<br />
hier von einer Entwicklung über einen<br />
langen Zeitraum hinweg, und es waren<br />
auch nicht alle Ureinwohner auf einen<br />
34<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Schlag betroffen. Dennoch bedeutete<br />
<strong>die</strong>s für alle einen dramatischen Einschnitt.<br />
Warum es überhaupt Menschen gibt<br />
Als <strong>die</strong> Menschen entstanden, war <strong>die</strong><br />
Erde bereits seit langer Zeit eine üppige<br />
Schöpfung voller Pflanzen und Tiere.<br />
Die Natur brauchte keinen Menschen<br />
als Gärtner und Kultivator. Es bestand<br />
kein materieller Grund, warum in <strong>die</strong>sem<br />
Para<strong>die</strong>s auch noch ein Mensch<br />
entstehen sollte. Und tatsächlich ist der<br />
Grund für das Entstehen der Menschen<br />
kein materieller, sondern ein spiritueller.<br />
Warum wurden Lichtwesen Menschen?<br />
Aufgrund von Karma? Weil es<br />
eine notwendige Erfahrung war? Nein.<br />
Sie taten es aus dem einzigen Grund,<br />
aus dem Lichtwesen handeln: Liebe.<br />
Sie taten es freiwillig, ohne persönliche<br />
Notwendigkeit, ohne materiellen<br />
Beweggrund. Das ist <strong>die</strong> Bedeutung<br />
von Liebe. Und <strong>die</strong> Liebe, <strong>die</strong> zur Entstehung<br />
der Menschen führte, war eine<br />
ganz besondere: nicht „nur“ <strong>die</strong> Liebe<br />
zu Gott und zu den Nächsten, sondern<br />
auch Liebe zu denen, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Dunkelheit<br />
gefallen waren. Die Lichtwesen<br />
sahen, dass ein Teil ihrer Brüder und<br />
Schwestern einen Irrweg der Illusion<br />
eingeschlagen hatte – ebenfalls freiwillig,<br />
d. h. aus einem Missbrauch des<br />
freien Willens heraus, und nicht etwa,<br />
weil es eine „notwendige Erfahrung“<br />
gewesen <strong>wäre</strong>.<br />
Die Scheidung der Geister geschieht<br />
bereits in den hohen Lichtwelten und<br />
nicht erst auf der Erde. Licht schafft<br />
keine Dunkelheit und kann keine Dunkelheit<br />
schaffen. Ebenso schafft Gott<br />
keine Trennung und keine Unliebe.<br />
Aber im Licht besteht immer <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
dass man durch Abwendung<br />
und Trennung Dunkelheit schafft und<br />
dann meint: „Ich kann etwas, was Gott<br />
nicht kann. Also ist Gott gar nicht wirklich<br />
Gott, sondern ich bin es, weil ich<br />
etwas kann, was er nicht kann!“ <strong>Was</strong><br />
sogar stimmt. Aber <strong>die</strong>ses „Mehr-Können-als-Gott“<br />
ist eine Illusion und eine<br />
Täuschung (sanskr. māyā).<br />
ie Lichtwesen sahen, dass <strong>die</strong> in<br />
Trennung Gefallenen nicht aus<br />
eigener Kraft ins Licht zurückkommen<br />
können und <strong>die</strong>s auch gar<br />
nicht wollen, weil sie ja meinen, ihre<br />
Dunkelheit sei das wahre Licht und ihre<br />
Weltbilder seien <strong>die</strong> wahre Erleuchtung.<br />
Die Dunkelwelten sind ebenfalls<br />
höherdimensional, und der Weg von<br />
dort zurück ins Licht führt über <strong>die</strong><br />
Welt der dichtesten Materie, weil <strong>die</strong>s<br />
der Bereich ist, wo <strong>die</strong> Lichtwelten <strong>die</strong><br />
Dunkelwelten berühren. Und das ist<br />
der Grund, warum <strong>die</strong> Lichtwesen Menschen<br />
wurden: um ihren gefallenen<br />
Brüdern und Schwestern entgegenzugehen<br />
und ihnen <strong>die</strong> Wahl zu geben,<br />
wieder ins Licht zu kommen, zuerst<br />
durch <strong>die</strong> Möglichkeit, überhaupt als<br />
Menschen geboren zu werden, und<br />
dann durch das Angebot, wieder das<br />
Licht und <strong>die</strong> Liebe zu wählen.<br />
Mit anderen Worten, bevor überhaupt<br />
irgend etwas Dunkles auf <strong>die</strong><br />
Erde kam, bestand bereits ein Plan<br />
für <strong>die</strong> Überwindung und Erlösung der<br />
Dunkelheit. Der Schlüssel war und ist<br />
<strong>die</strong> Liebe: das Bewusstsein der Einheit<br />
des Teils mit dem Ganzen, des Lichtstrahls<br />
mit der Quelle. Liebe ist das<br />
natürliche Bewusstsein in den Lichtwelten,<br />
und reinstes Licht in der dichtesten<br />
Materie hat <strong>die</strong> Kraft, das höchste<br />
Wunder der Schöpfung zu bewirken: <strong>die</strong><br />
Verwandlung von Dunkelheit in Licht.<br />
Der Beginn des irdischen Karmas<br />
Die „Kolonisatoren“ kamen im zweiten<br />
Zeitalter auf <strong>die</strong> Erde, aber mussten<br />
selbst zuerst Fuß fassen. Ihr Ziel war<br />
von allem Anfang an, den blauen Planeten<br />
als Gesamtes zu besitzen. Die<br />
ersten Schritte in der Verfolgung <strong>die</strong>-<br />
Kriegerische Ausein<strong>anders</strong>etzungen<br />
im Krita-Yuga-<br />
Zeitalter<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 35
Michelangelos<br />
Darstellung der<br />
Sintflut (Sixtinische<br />
Kapelle, Vatikan)<br />
ses globalen Plans unternahmen sie im<br />
dritten Zeitalter. Sie sahen <strong>die</strong> Ureinwohner,<br />
<strong>die</strong> in ihren Augen nur sinnlos<br />
und unproduktiv „herumhockten“<br />
und „nichts“ taten. Gleichzeitig<br />
waren <strong>die</strong>se rätselhaften<br />
Menschenwesen eine Quelle von<br />
hochpotenter spiritueller und<br />
emotioneller Lebensenergie, <strong>die</strong><br />
ihnen fehlte – und <strong>die</strong>se Energie<br />
wollten sie für sich nutzbar machen.<br />
ie Urbevölkerung der Erde<br />
lebte im Geist der Lichtwelten,<br />
frei von irdischem Karma<br />
und frei von negativen Emotionen.<br />
Es war für sie nicht erforderlich,<br />
sich schützend abzugrenzen, so wie auch<br />
das Licht sich nicht abgrenzt. Wenn Dunkelheit<br />
entsteht, erzeugt nicht das Licht<br />
<strong>die</strong> Trennung, sondern es ist <strong>die</strong> Seite der<br />
Dunkelheit, <strong>die</strong> sich vom Licht ausgrenzt<br />
und ihre Dunkelheit dann für <strong>die</strong> „wahre<br />
Realität“ hält.<br />
Die Lichtwesen, <strong>die</strong> Menschen wurden,<br />
hatten gewusst, dass sie irgendwann<br />
ihren gefallenen Brüdern und<br />
Schwestern begegnen würden. Aus der<br />
„Theorie“ war ihnen bekannt, dass es<br />
das Böse gibt, aber es war dann etwas<br />
ganz anderes, als sie <strong>die</strong>sen Menschen<br />
bzw. Unmenschen gegenüberstanden.<br />
Sie sahen sich plötzlich und erstmals<br />
mit den Mächten der Dunkelheit konfrontiert,<br />
deren negative Emotionen<br />
für sie völlig fremd und unvorstellbar<br />
waren: Gier, Arroganz, Lüge, Manipulation,<br />
Gewalt gegenüber der Tier- und<br />
Pflanzenwelt und gegenüber anderen<br />
Menschen. Ein großes Trauma in unterschiedlichen<br />
Varianten brannte sich damals<br />
in das kollektive Bewusstsein und<br />
Unterbewusstsein der Menschen ein …<br />
Wie es weiterging –<br />
und <strong>die</strong> Situation heute<br />
Im dritten Yuga gerieten nicht alle Menschen<br />
sogleich unter <strong>die</strong> Herrschaft der<br />
„Mächtigen“. Einige von denen, <strong>die</strong> nicht<br />
unterworfen und manipuliert wurden,<br />
fingen an, ihre eigenen Zivilisationen<br />
zu gründen, um ein Gleichgewicht der<br />
Kräfte herzustellen. Andere Stammeslinien<br />
behielten ihren Lebensstil bei und<br />
blieben „Aborigines“. Aber im Lauf der<br />
vielen Jahrtausende blieb niemand unbeeinflusst.<br />
In der Übergangszeit zum<br />
vierten Yuga, dem heutigen Zeitalter,<br />
rollten Kataklysmen über <strong>die</strong> Erde hinweg,<br />
und <strong>die</strong> Menschheit wurde für viele<br />
Generationen in einen Kampf ums nackte<br />
Überleben zurückgeworfen. Die Lebensumstände<br />
waren damals tatsächlich<br />
primitiv, und <strong>die</strong> Menschen öffneten<br />
sich der Angst und verloren dadurch<br />
vollends das Urwissen ihrer Ahnen.<br />
<strong>Was</strong> blieb, war meistens nur noch animistische<br />
Magie und Aberglaube. Die<br />
Atmosphäre der Angst wurde geschürt<br />
von denen, <strong>die</strong> davon profitierten. Dies<br />
führte zu einem Vergessen der eigenen<br />
Herkunft.<br />
u Beginn des 21. Jahrhunderts finden<br />
wir uns in einer Situation, <strong>die</strong><br />
explosiver ist als je zuvor. Gleichzeitig<br />
bahnt sich <strong>die</strong> von Anfang an vorausgesehene<br />
Wendezeit an, und alles<br />
ist offen. Deshalb sind <strong>die</strong> meisten der<br />
ursprünglichen Menschen wieder hier,<br />
um <strong>die</strong> irdische Herausforderung in ihrer<br />
letzten Konsequenz anzunehmen.<br />
Obwohl das gegenwärtige Zeitalter<br />
aus irdischer Sicht ein dunkles Zeitalter<br />
ist, das durch Konflikte, Konkurrenzkämpfe<br />
und Kriege geprägt ist, ist<br />
es auch ein Zeitalter der großen Chance,<br />
denn in ihm ist es möglich, dass<br />
<strong>die</strong> „Dunkelheit“ (<strong>die</strong> Trennung von<br />
der Quelle) wieder aufgelöst wird. All<br />
das Unmenschliche, das geschieht, ist<br />
also nicht notwendig. Aber das dunkle<br />
Zeitalter ist notwendig, damit das Unmenschliche<br />
erkannt und überwunden<br />
werden kann. Das ist der Grund, warum<br />
<strong>die</strong> Lichtwesen als Menschen im Lauf<br />
der Zeitalter immer tiefer in <strong>die</strong> Materie<br />
hineingingen: um <strong>die</strong> Möglichkeit anzubieten,<br />
<strong>die</strong> Spaltung und Trennung zu<br />
überwinden, damit <strong>die</strong> Menschen sich<br />
wieder bewusst mit der Quelle verbinden<br />
und dadurch ihre spirituelle sowie<br />
menschliche und ökologische Verbundenheit<br />
mit allen anderen Lebewesen<br />
und dem Planeten erkennen. ▀<br />
Armin Risi ist Philosoph, Mythenforscher<br />
und Referent. Er lebte<br />
für 18 Jahre als Mönch<br />
in vedischen Klöstern in<br />
Europa und In<strong>die</strong>n. Sein<br />
neues Buch, „Ihr seid<br />
Lichtwesen“ – Ursprung<br />
und <strong>Geschichte</strong> des<br />
Menschen (2013, 2.<br />
Auflage 2014) eröffnet eine gänzlich neue, aber<br />
nicht unbekannte Sicht auf <strong>die</strong> Urgeschichte<br />
des Menschen, auf <strong>die</strong> archäologischen<br />
Rätsel und auf <strong>die</strong> Hintergründe der aktuellen<br />
Entwicklungen auf der Erde. Denn <strong>die</strong><br />
Vergangenheit ist der Schlüssel zur Zukunft.<br />
Quellen:<br />
Armin Risi: Ihr seid Lichtwesen, Govinda<br />
Verlag.<br />
Dr. Michael Heiser, sitchiniswrong.com<br />
36<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Einstmals überflutete<br />
Landschaften östlich<br />
von Luxor<br />
Superflut vor<br />
1300 Jahren?<br />
Gernot L. Geise<br />
Ja, es gibt immer noch genügend Ungereimtheiten<br />
um <strong>die</strong> Bauwerke auf<br />
dem Gizeh-Plateau in Ägypten, <strong>die</strong><br />
kaum oder nie angesprochen worden<br />
sind. Bei meinen Besuchen dort fiel<br />
mir so einiges auf, was bisher entweder<br />
nicht oder nur ungenügend<br />
erklärt worden ist und nur durch<br />
einen gigantischen <strong>Was</strong>sereinfluss<br />
erklärbar ist. Seltsamerweise werden<br />
– obwohl für jeden offensichtlich<br />
– <strong>Was</strong>serschäden bei den Ägyptologen<br />
nicht diskutiert, ja, regelrecht<br />
ignoriert.<br />
Satellitenpyramiden und Tempel<br />
Neben der Cheopspyramide stehen an<br />
ihrer Südostecke drei Satellitenpyramiden,<br />
sogenannte Königinnen-Pyramiden.<br />
Die Mykerinos-Pyramide weist<br />
ebenfalls drei auf der Südseite auf. Die<br />
Chephren-Pyramide besitzt keine Satellitenpyramiden.<br />
Dafür stehen an der<br />
Ostseite der Chephren-Pyramide und<br />
der Mykerinos-Pyramide jeweils noch<br />
relativ viele Reste der „Grabtempel“,<br />
während davon bei der Cheopspyramide<br />
nichts mehr vorhanden ist, außer<br />
einigen zerstreuten Basalt-Bodenplatten.<br />
Allen <strong>die</strong>sen Bauwerken ist gemeinsam,<br />
dass sie sich in einem<br />
erbärmlichen Zustand befinden.<br />
Damit meine ich nicht <strong>die</strong> normale<br />
Erosion, denn <strong>die</strong>se ist wohl nicht in<br />
der Lage, solche Zerstörungen anzurichten,<br />
wie sie dort sichtbar sind.<br />
Die Gizeh-Pyramiden mitsamt ihren<br />
umgebenden Bauwerken sollen,<br />
wie <strong>die</strong> Ägyptologen glauben, um <strong>die</strong><br />
viertausend Jahre alt sein. Wenn dem<br />
wirklich so sein sollte, dann muss<br />
jedoch nach ihrer Vollendung eine<br />
riesige Katastrophe, zusammen mit<br />
gigantischen fließenden Superfluten<br />
über das Gebiet hereingebrochen sein,<br />
denn <strong>die</strong> Außenfassaden der noch stehenden<br />
Pyramiden und Gebäude zeigen<br />
unübersehbar den zerstörenden<br />
Einfluss solcher <strong>Was</strong>sermassen. Diese<br />
vorhandenen Schäden lassen sich<br />
nicht mit normaler Verwitterung durch<br />
Sandsturm- und/oder Regeneinwirkungen<br />
erklären. Durch den Einfluss<br />
Tsunami-ähnlicher <strong>Was</strong>sermassen,<br />
<strong>die</strong> über einen längeren Zeitraum<br />
eingewirkt und Steine, Baumstämme<br />
usw. mitgeschleppt haben müssen,<br />
lässt sich allerdings problemlos erklä-<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 37
„Die vorhandenen Schäden an den<br />
Pyramiden lassen sich nicht mit<br />
normaler Verwitterung erklären.<br />
ren, warum <strong>die</strong> meisten Tempelanlagen,<br />
<strong>die</strong> aus teilweise tonnenschweren<br />
Megalithblöcken bestehen, zerstört<br />
wurden. Woher eine solche Superflut<br />
kam, wollen wir zunächst einmal unberücksichtigt<br />
lassen.<br />
Eine Superflut spült leicht schwerste<br />
Steinblöcke hinweg. Eine Superflut<br />
würde auch erklären, warum <strong>die</strong><br />
Pyramiden (fast) ohne Verkleidung<br />
dastehen, denn <strong>wenn</strong> für <strong>die</strong> Außenverkleidung<br />
wirklich ein weicherer<br />
Kalksandstein verwendet worden sein<br />
sollte, dann wurde er von den Fluten<br />
regelrecht abgeschält und zerrieben.<br />
Dann braucht man auch keine fadenscheinigen<br />
Hilfserklärungen mehr,<br />
dass <strong>die</strong> Verkleidungsblöcke angeblich<br />
zum Bau von Kairo verwendet worden<br />
seien, obwohl dort nirgends welche zu<br />
finden sind.<br />
Allgemein wird <strong>die</strong> Ansicht vertreten,<br />
<strong>die</strong> großen Pyramiden<br />
hätten einst als Steinbrüche für<br />
Baumaterial hergehalten. Das stimmt<br />
wohl auch, allerdings nur in bescheidenem<br />
Rahmen, zumindest für <strong>die</strong><br />
drei großen Gizeh-Pyramiden. Rings<br />
um <strong>die</strong> Chephren-Pyramide liegen<br />
jede Menge großer roter Granitblökke<br />
mit Einkerbungen, wie sie zum<br />
Spalten von Felsblöcken angebracht<br />
werden. Diese Blöcke gehörten ursprünglich<br />
zu der unteren Außenverkleidung<br />
der Chephren-Pyramide<br />
und beweisen nachdrücklich, dass es<br />
eben nicht in jedem Fall gelang, <strong>die</strong>se<br />
in handliche Stücke zu zerlegen.<br />
Bei der „Knickpyramide“ in Dahshur<br />
wunderte ich mich schon früher,<br />
wieso angebliche Steinräuber solch<br />
abenteuerliche Breschen in <strong>die</strong> Pyramidenecken<br />
geschlagen haben sollen,<br />
immer in der Gefahr, dass <strong>die</strong> überstehenden<br />
Steinblöcke auf sie abstürzen<br />
könnten, während sie (als Steinräuber)<br />
einige Meter weiter an derselben Pyramide<br />
völlig gefahrlos Verkleidungssteine<br />
hätten entnehmen können. Mit<br />
der Steinbruch-These kann also irgendetwas<br />
nicht so ganz stimmen.<br />
An der „Knickpyramide“ kann man<br />
auch sehr schön erkennen, dass <strong>die</strong><br />
Wucht der Superflut bereits abgenommen<br />
haben muss, da insbesondere <strong>die</strong><br />
nördlichen Ecken in Mitleidenschaft<br />
gezogen wurden und <strong>die</strong> Außenverkleidung<br />
noch überwiegend vorhanden<br />
ist. Trotzdem muss <strong>die</strong> Pyramide unter<br />
<strong>Was</strong>ser gestanden haben, denn man<br />
kann deutlich erkennen, an welchen<br />
Stellen der Außenverkleidung das<br />
<strong>Was</strong>ser nach dem Abfluss der Flut aus<br />
dem Inneren herauslief.<br />
Die zerstörerischen <strong>Was</strong>sereinflüsse<br />
beschränken sich in<br />
Ägypten jedoch nicht auf Alexandria,<br />
Gizeh oder Dahshur. Sie sind<br />
bis Luxor und weiter südlich nachweisbar.<br />
Keiner der heute von Touristen<br />
besichtigte Tempel weist keinen<br />
<strong>Was</strong>serschaden auf, und alle wurden<br />
sie von Ägyptologen wieder neu rekonstruiert<br />
und aufgebaut, weil sie<br />
zerstört waren. Riesige Standbilder,<br />
etwa von Ramses II., aus Granit gefertigt,<br />
waren umgestürzt und zerbrochen.<br />
Beim Sphinx hat sich im Laufe<br />
der letzten Jahre auch bei den Ägyptologen<br />
bereits immer mehr <strong>die</strong><br />
Gewissheit durchgesetzt, dass <strong>die</strong><br />
Figur insbesondere auf der Rückenpartie<br />
deutliche Erosionsspuren zeigt,<br />
<strong>die</strong> durch <strong>Was</strong>sereinfluss herausgewaschen<br />
wurden. Am Restkörper<br />
kann man <strong>die</strong> Erosionsspuren nicht<br />
mehr erkennen, weil <strong>die</strong>ser im Laufe<br />
der Jahrhunderte (oder Jahrtausende)<br />
nach und nach fast komplett mit<br />
Steinblöcken ausgebessert (oder erst<br />
gestaltet?) wurde. Hinzu kommt, dass<br />
der Sphinx-Körper in einer Art Grube<br />
steht und jahrhundertelang unter Sand<br />
begraben war. Ich frage mich, warum<br />
man dann nicht das Nächstliegende tat<br />
und <strong>die</strong> umliegenden Tempelanlagen<br />
mit ihren ebensolchen typischen Erosionsspuren<br />
in das gleiche Szenarium<br />
mit einschloss? Nein, beim Sphinx<br />
wird immer noch herumgedeutelt, ob<br />
<strong>die</strong> Figur vielleicht zehntausend Jahre<br />
alt sein soll, weil es damals in jener<br />
Region gemäßigte Wetterbedingungen<br />
mit Regen gab, obwohl ein bisschen<br />
Regen niemals solche Erosionsrinnen<br />
erzeugen kann.<br />
Wenn man jedoch<br />
eine Großkatastrophe<br />
mit einer Superflut<br />
für <strong>die</strong>se Zerstörungen<br />
in Erwägung<br />
ziehen würde, müsste<br />
zwangsläufig unser<br />
heutiges Weltbild<br />
kippen, denn eine<br />
solche Katastrophe<br />
in geschichtlichen<br />
Zeiten passt einfach<br />
nicht in unser vorgegebenes<br />
Geschichtsbild.<br />
Möglicherweise<br />
können sich <strong>die</strong> Ägyptologen<br />
auch nicht vorstellen,<br />
wo eine solche<br />
Flutwelle hergekommen sein soll.<br />
Man muss sich aber vor Augen<br />
halten, was es bedeutet, <strong>wenn</strong><br />
eine mehrere hundert Meter<br />
hohe <strong>Was</strong>serwand angerauscht<br />
kommt: Allein ein einziger Kubikmeter<br />
<strong>Was</strong>ser besitzt eine Masse von einer<br />
Tonne! Und <strong>die</strong>se <strong>Was</strong>sermengen<br />
schleppen alles mit, was nicht nietund<br />
nagelfest ist: Sand, Geröll, Steinbrocken,<br />
Bäume usw. Und <strong>die</strong>ses<br />
Geröll ist es, das <strong>die</strong> meisten <strong>Was</strong>serschäden<br />
verursacht, Ausschleifungen<br />
und zermahlene Sandsteinblöcke.<br />
Die Katastrophe<br />
Nachdem ich <strong>die</strong> gigantischen <strong>Was</strong>serschäden<br />
in Ägypten sah, sagte ich<br />
mir unwillkürlich, dass <strong>die</strong> Nachwirkungen<br />
eines solchen Kataklysmus’<br />
auch auf anderen Erdteilen sichtbare<br />
Schäden hinterlassen haben müssten.<br />
Zu dem angenommenen Katastrophenszenarium<br />
passt der Bericht des<br />
Bestseller-Autors Hans-Joachim Zillmer<br />
in seinem DVD-Video „Kontra Evolution“,<br />
dass in Colorado (USA) vor 1300<br />
bis 1400 Jahren Superfluten innerhalb<br />
kürzester Zeit ganze Canyonsysteme<br />
des Grand Canyon herauswuschen,<br />
wie inzwischen definitiv nachgewiesen<br />
wurde. Wenn dort Superfluten<br />
in einem solchen Ausmaß entstehen<br />
konnten, dann nur durch ein kataklystisches<br />
Ereignis, das garantiert nicht<br />
nur auf ein relativ kleines regionales<br />
Gebiet beschränkt war, sondern<br />
globale Auswirkungen gehabt haben<br />
musste. Mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
kommt dafür nur der Einschlag eines<br />
größeren Himmelskörpers in einen<br />
Ozean in Frage, wobei noch geklärt<br />
38<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Chephren-Totentempel<br />
(Überreste nach Superflut)<br />
Chephren-Totentempel<br />
(deutliche <strong>Was</strong>serschäden)<br />
Sphinx (<strong>Was</strong>serschäden im<br />
Rückenbereich)<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 39
werden müsste, wo <strong>die</strong>ser Einschlag<br />
stattfand. Eine plötzliche Hebung oder<br />
Senkung einer Kontinentalplatte reicht<br />
für <strong>die</strong> Erzeugung einer solchen Flutwelle<br />
nicht aus.<br />
Hierbei hätten wir übrigens auch<br />
eine Erklärung für <strong>die</strong> fund- und dokumentenfreie<br />
Zeit in Europa, nämlich<br />
genau in <strong>die</strong>sem Zeitraum. Es<br />
ist offensichtlich, <strong>wenn</strong> eine globale<br />
Großkatastrophe passierte, dass es<br />
zwangsläufig einige hundert Jahre<br />
dauern musste, bis sich <strong>die</strong> Natur wieder<br />
erholt hatte und sich in dem zuvor<br />
zerstörten Gebiet wieder Menschen<br />
neu ansiedeln. Gerade in Europa ist<br />
<strong>die</strong>ser Zeitraum derart fundleer, dass<br />
Dr. Heribert Illig <strong>die</strong>se Zeit als „Phantom-Jahre“<br />
bezeichnete, Jahre, <strong>die</strong><br />
seiner Meinung nach künstlich in unsere<br />
Zeitrechnung eingefügt worden<br />
seien. Mit meiner Superflut-These hat<br />
sich seine „Phantomzeit“-These jedoch<br />
von selbst erledigt.<br />
Und dann haben wir auch eine Erklärung<br />
dafür, warum <strong>die</strong> „Römer“<br />
so plötzlich verschwanden,<br />
wobei ich mich schon immer<br />
fragte, ob sie sich wohl damals in Luft<br />
auflösten? Die Hinterlassenschaften<br />
der „Römer“ in Europa müssen merkwürdigerweise<br />
unter meterhohen<br />
Erdschichten ergraben werden, während<br />
<strong>die</strong> nur wenige Jahrhunderte<br />
später erbauten Burgen größtenteils<br />
noch heute, <strong>wenn</strong> auch oftmals nur<br />
noch als Ruinen, oberirdisch stehen.<br />
Das Ende der „Römerzeit“ fällt aber<br />
seltsamerweise genau in den Katastrophenzeitraum!<br />
Und noch etwas passt in <strong>die</strong>ses<br />
Szenarium: <strong>die</strong> zerspülten Berge und<br />
Hügel mit ihren ehemaligen Flussläufen<br />
insbesondere in Ägypten, <strong>die</strong><br />
man aus der Luft oder auf Satellitenfotos<br />
gut erkennen kann. Darin müssen<br />
irgendwann nicht nur kleinere<br />
Bäche und Flüsse, sondern größere<br />
Mengen von reißendem<br />
<strong>Was</strong>ser geflossen<br />
sein. Heute erkennt<br />
man<br />
vor Ort ger<br />
a d e z u<br />
n i c h t s<br />
m e h r<br />
davon,<br />
zumal<br />
d e r<br />
Flugsand alle ehemaligen Flusseinschnitte<br />
mehr oder weniger gut ausgefüllt<br />
hat. Der Autor Peter Brüchmann<br />
hat <strong>die</strong>sbezüglich Pionierarbeit<br />
geleistet, weil er als erster festgestellt<br />
hat, dass <strong>die</strong>se Zerspülungen rund um<br />
<strong>die</strong> Welt aus dem Flugzeug heute noch<br />
sehr gut erkennbar sind. Er verlegt <strong>die</strong><br />
dazu erforderliche Großkatastrophe<br />
allerdings mindestens zehntausend<br />
Jahre in <strong>die</strong> Vergangenheit, was jedoch<br />
nicht ausschließt, dass später (näher<br />
an unserer Zeit) weitere Katastrophen<br />
stattfanden.<br />
Und um bei Ägypten zu bleiben:<br />
Alexandria, <strong>die</strong> einstige Metropole<br />
Ägyptens, ging nach heutigem Wissen<br />
vor 1300 Jahren (angeblich) aufgrund<br />
eines schweren Erdbebens unter. Wieder<br />
derselbe Zeitrahmen!<br />
Wir können also festhalten:<br />
Vor rund 1.000 bis 1.300<br />
Jahren muss etwas Schreckliches<br />
mit der Erde geschehen sein.<br />
Die große Katastrophe, <strong>die</strong> Superflut,<br />
muss frühestens vor 1.000 bis 1.300<br />
Jahren geschehen sein, dafür sprechen<br />
viele Fakten.<br />
Vor rund 1.000 Jahren lebten nachgewiesenermaßen<br />
nur sehr wenige<br />
Menschen auf der Erde! Es waren <strong>die</strong><br />
wenigen Überlebenden der Superflut!<br />
Rund um den Globus weist <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
ein Loch von rund dreihundert<br />
Jahren auf, und zwar zwischen<br />
dem sechsten und neunten Jahrhundert<br />
unserer Zeitzählung!<br />
Sämtliche neuen Kulturen und unser<br />
neuzeitliches Schriftgut begannen<br />
vor rund 1.000 Jahren bei null!<br />
Chephren-Totentempel<br />
(Superflut-<strong>Was</strong>serschaden)<br />
Sämtliche alten Kulturen verschwanden<br />
ca. 300 Jahre zuvor schlagartig<br />
von <strong>die</strong>sem Planeten!<br />
Sämtliche alten Kulturen wurden<br />
gewaltsam vernichtet! Davon zeugen<br />
alle zerstörten Gebäude des Altertums!<br />
Die überwiegende Zahl der Gebäude<br />
des Altertums - der Zeit<br />
vor der großen Flut - findet sich<br />
unter der Erdoberfläche begraben<br />
und kann nur durch Ausgrabungen<br />
ans Tageslicht gefördert werden. Dies<br />
ist ohne jeden Zweifel <strong>die</strong> Folge einer<br />
riesigen, erdumspannenden Flutkatastrophe.<br />
Sehr viele Überreste des Altertums<br />
finden wir auch viele Meter unter den<br />
Meeren und Seen.<br />
Die Schriften und Sprachen der Antike<br />
sind zumeist <strong>anders</strong>geartet als <strong>die</strong><br />
der Neuzeit. Sie haben sich offensichtlich<br />
nach der Katastrophe vielfach vollkommen<br />
neu entwickelt.<br />
Das große Vergessen<br />
Wenn <strong>die</strong> Pyramiden, <strong>die</strong> Tempel und<br />
Mastabas vor rund viertausend Jahren<br />
erbaut wurden, wie <strong>die</strong> Ägyptologen<br />
sagen (ich möchte mich jetzt nicht<br />
darum streiten, ob <strong>die</strong> Pyramiden etwa<br />
schon zehntausend Jahre alt sind), und<br />
vor rund 1300 Jahren eine Katastrophe<br />
über das Land hereinbrach, verbunden<br />
mit gigantischen Superfluten, dann<br />
muss zwangsläufig das Gebiet für längere<br />
Zeit unbewohnbar gewesen sein.<br />
Die Fellachenstämme, <strong>die</strong> später in<br />
<strong>die</strong>ses Land (zurück?) kamen, müssen<br />
Chephrenpyramide,<br />
Südwest-Ecke (deutliche<br />
<strong>Was</strong>serschäden)<br />
40<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
„<br />
Vor rund 1300 Jahren muss etwas<br />
Schreckliches mit der Erde passiert sein.<br />
Chephrenpyramide,<br />
Südwest-Ecke (deutliche<br />
<strong>Was</strong>serschäden)<br />
– wie wir – staunend vor den Pyramiden<br />
und den Trümmerhaufen der<br />
Tempelanlagen gestanden haben,<br />
ohne zu wissen, von wem und wie <strong>die</strong>se<br />
Monumente errichtet wurden. Das<br />
Wissen um <strong>die</strong> Steinbearbeitung und<br />
den -transport war buchstäblich<br />
im <strong>Was</strong>ser untergegangen.<br />
Nimmt man eine globale<br />
„Sintflut“-Katastrophe vor rund<br />
1300 Jahren als gegeben an, so<br />
stellt sich natürlich sofort <strong>die</strong><br />
Frage, warum es hierzu keine<br />
Überlieferungen gibt. Eine solch<br />
einschneidende Katastrophe<br />
müsste sich doch gravierend<br />
im Gedächtnis der Menschen<br />
eingeprägt haben, sollte man<br />
annehmen.<br />
Mit <strong>die</strong>sem Thema hat<br />
sich schon Immanuel<br />
Velikovsky, der „Vorreiter“<br />
der Katastrophentheorien,<br />
ausgiebig auseinandergesetzt,<br />
weil auch er es seltsam fand,<br />
dass stattgefundene Kataklysmen<br />
regelrecht aus dem<br />
Gedächtnis gelöscht wurden.<br />
Tatsächlich gibt es <strong>die</strong>se Erin-<br />
nerung, sie ist jedoch<br />
„verschüttet“<br />
und<br />
wurde aufgrund der<br />
Übermächtigkeit regelrecht<br />
verdrängt.<br />
Verdrängung ist ein<br />
ganz normaler bekannter<br />
biologischer<br />
Schutzmechanis-<br />
mus, der auch im<br />
Kleinen bei Einzelpersonen<br />
stattfindet,<br />
<strong>wenn</strong> sie (Not-)<br />
Situationen erleben<br />
müssen, <strong>die</strong> alles<br />
bisher Bekannte<br />
übersteigen. So ist<br />
es eine feststehende<br />
Tatsache, dass<br />
sich etwa Unfallopfer<br />
meist nur bis<br />
an <strong>die</strong> Zeit kurz<br />
vor ihrem Unfall<br />
erinnern können.<br />
Der eigentliche<br />
Unfallhergang ist<br />
völlig verdrängt<br />
und aus der normalen<br />
Erinnerung<br />
gelöscht.<br />
Wir dürfen<br />
nicht vergessen,<br />
dass nach einer<br />
Kontinente überflutenden Superflut<br />
nur wenige Menschen das Horrorszenarium<br />
überlebt haben dürften,<br />
das <strong>die</strong> schlimmsten Vorstellungen<br />
weit in den Schatten gestellt haben<br />
musste. Hinzu kam, dass sie selbstverständlich<br />
nach dem Abfließen der<br />
<strong>Was</strong>sermassen zunächst um das eigene<br />
nackte Überleben kämpfen mussten,<br />
denn Tiere und Pflanzen waren ja<br />
ebenso von der Katastrophe betroffen.<br />
In einer solchen Notsituation fragt<br />
man nicht, warum und woher sie<br />
eintrat, man denkt nur daran, sie<br />
irgendwie zu meistern und zu überleben.<br />
Erst als sich für <strong>die</strong> wenigen<br />
Überlebenden <strong>die</strong><br />
Nahrungssituation<br />
etwas entspannt<br />
hatte, was durchaus<br />
einige Generationen<br />
gedauert haben<br />
kann, dachte man<br />
wohl darüber nach,<br />
was einst passiert<br />
war. Da es für <strong>die</strong>se<br />
einfachen Menschen<br />
keine rationale<br />
Erklärung dafür<br />
gab, wurden dann wohl irgendwelche<br />
zürnenden Götter erfunden, <strong>die</strong> es<br />
zukünftig durch Opfergaben zu besänftigen<br />
galt, damit sich eine solche<br />
„Bestrafung“ nicht wiederholen kann.<br />
Parallel dazu begannen <strong>die</strong> Überlebenden,<br />
den Himmel zu beobachten,<br />
um rechtzeitig vor einer neuen Katastrophe<br />
gewarnt zu werden, denn<br />
das Wissen um das Unheil aus dem<br />
Himmel wurde wohl von Generation<br />
zu Generation weitergegeben. Es ist<br />
übrigens ein deutlicher Hinweis darauf,<br />
dass <strong>die</strong> globale Superflut wohl<br />
durch irgendwelche einschlagenden<br />
Himmelskörper hervorgerufen wurde.<br />
Wie heißt es etwa von den Kelten:<br />
Sie sollen am meisten gefürchtet haben,<br />
dass ihnen der Himmel auf den<br />
Kopf fällt (obwohl <strong>die</strong> Kelten wohl vor<br />
der Superflut gelebt haben dürften).<br />
Durch mündliches Weitererzählen<br />
wird <strong>die</strong> Katastrophe immer<br />
weiter in <strong>die</strong> Vergangenheit<br />
geschoben worden sein, um einen<br />
zeitlichen „sicheren“ Abstand dazu<br />
zu erhalten, zumal direkte Zeitzeugen<br />
kaum lange überlebt haben dürften.<br />
Tatsache ist: Archäologisch wird<br />
<strong>die</strong>se globale Superflut immer mehr<br />
nachgewiesen, doch aus unserer Erinnerung<br />
ist sie völlig verdrängt. ▀<br />
Weiterführende Literatur:<br />
Gernot L. Geise: „Superflut über Ägypten<br />
– Die Pyramiden standen unter <strong>Was</strong>ser!“,<br />
Michaels Verlag, ISBN 978-3-89539-626-7<br />
Gernot L. Geise ist Sachbuchautor und staatlich<br />
geprüfter Techniker des<br />
graphischen Gewerbes. Er hat<br />
mehrere Bücher zu ungelösten<br />
Rätseln unserer Welt publiziert,<br />
darunter auch "Superflut über<br />
Ägypten".<br />
Weiterführende Literatur:<br />
Gernot L. Geise: „Superflut über<br />
Ägypten – Die Pyramiden standen unter <strong>Was</strong>ser!“<br />
Sieglinde Grommet<br />
Verlag Sieglinde Grommet<br />
Justus-Liebig-Str. 1, 61184 Karben<br />
Tel. 0 60 39 - 4 26 95<br />
Fax 0 60 39 - 92 17 10<br />
info@macht-der-gedanken.de<br />
www.macht-der-gedanken.de
Die fliegenden Götter<br />
von Quirigua<br />
Rätselhafte Artefakte in Stein<br />
Roland Roth<br />
Die Entwicklung und Höhepunkte der mächtigen Maya-<br />
Architektur, <strong>die</strong> von 300 v. Chr. bis zu ihrem Untergang<br />
um 1500 n. Chr. in Mexiko, Guatemala, Honduras und<br />
Belize entstanden ist und erst langsam aus dem Dickicht<br />
des Urwalds befreit wird, zeigt eine Vielzahl von beeindruckenden<br />
und auch rätselhaften Abbildungen. Neben<br />
solch bekannten Artefakten wie der Grabplatte von Palenque<br />
gibt es aber eine Reihe von Steinreliefs, Stelen<br />
genannt, <strong>die</strong> anscheinend missverstandene Technologie<br />
darstellen. Figuren mit Helmen, Atemgeräten und anderen<br />
sonderbaren Attributen.<br />
Bekannt sind dabei der „Astronautengott von El Baul“<br />
und sein Pendant aus Afrika, der „Astronaut von Zimbabwe“.<br />
Der Autor Walter-Jörg Langbein hatte unlängst<br />
einige auffallende Parallelen zwischen <strong>die</strong>sen Figuren<br />
ausgemacht, <strong>die</strong> ein weltumspannendes Wirken der<br />
Astronautengötter wahrscheinlich machen.<br />
Die Anlagen von Zimbabwe sind in der grenzwissenschaftlichen<br />
Literatur ein fester Begriff im Zusammenhang<br />
mit dem afrikanischen Stamm der Dogon, deren<br />
Kenntnisse um einen<br />
unsichtbaren<br />
Begleitstern<br />
von Sirius<br />
Detailansicht der<br />
mysteriösen Figur<br />
A, der sich laut den<br />
von Zimbabwe.<br />
Überlieferungen<br />
alle 50 Jahre um<br />
seinen<br />
Hauptstern<br />
drehen soll, und<br />
seit der Veröffentlichung<br />
von Robert K.<br />
G. Temples´ Buch<br />
„Das Sirius-Rätsel“<br />
zu heftigen Kontroversen<br />
in der orthodoxen<br />
Wissenschaft<br />
führte als auch in<br />
den Reihen der<br />
Grenzwissenschaft<br />
zu heftigen Diskussionen<br />
Anlass gab.<br />
Die Dogon-<br />
Überlieferungen<br />
Sirius, der hellste<br />
Stern im Sternbild<br />
Großer Hund und<br />
der ebenso scheinbar hellste Stern am Abendhimmel, ist<br />
ein Stern im weißen Licht und somit in der Spektralklasse<br />
A0 eingeordnet. Er besitzt eine Oberflächentemperatur<br />
von 12.000 Grad Celsius. Im Vergleich dazu bewegt sich <strong>die</strong><br />
Sonne in Bereichen von 5.500 bis 6.000 Grad Celsius Oberflächentemperatur.<br />
Die Entfernung Sirius – Erde beträgt<br />
etwa 8,6 Lichtjahre, seine Masse etwa 2.31 Sonnenmassen.<br />
Sirius wird von einem weißen Zwergstern begleitet,<br />
Sirius B, der ein etwa erdgroßer Stern von 0.93 Sonnenmassen<br />
ist. Er ist das klägliche Überbleibsel eines sonnenähnlichen<br />
Sternes, der seine Lebensspanne bereits hinter<br />
sich hat. Er umkreist Sirius A in knapp 50 Jahren und ist<br />
der erste Weiße Zwerg, der entdeckt wurde. Aufgrund von<br />
periodischen Unregelmäßigkeiten seitens Sirius A schloss<br />
Friedrich Wilhelm Bessel 1841 auf einen unsichtbaren Begleiter.<br />
1862 konnte Alvan G. Clark ihn als winziges Lichtpünktchen<br />
neben seinem Hauptstern ausmachen.<br />
Aber auch von einem weiteren winzigen Begleitstern<br />
wissen <strong>die</strong> Dogon, den sie emme ya nennen (astronomisch<br />
Sirius C). Der Autor Andreas von Rétyi hatte<br />
unlängst interessante Eigenheiten des Sirius-Systems<br />
untersucht und Hinweise auf <strong>die</strong> Existenz von Sirius C gefunden.<br />
Die Sirius-A-Komponente überstrahlt durch seine<br />
Helligkeit das gesamte System, was astronomische Fotografien<br />
als Nachweis weiterer Begleiter überaus schwierig<br />
macht. Auch aus <strong>die</strong>sem Grund wurde Sirius B auch erst<br />
1862 nachgewiesen. Durch Aufnahmen, <strong>die</strong> aus hunderten<br />
von Einzelbildern bestehen, konnte Rétyi das Licht von Sirius<br />
A unterdrücken und ließ vor allem eine Spektrallinie<br />
von Sirius B durch. Dabei konnte er unterhalb von „B“ in<br />
<strong>die</strong>sem ausgewählten Spektralbereich ein weiteres Objekt<br />
ausprägen, das möglicherweise Sirius C darstellt. Rétyi<br />
plä<strong>die</strong>rt hier allerdings für weitere Forschungen, um einen<br />
endgültigen Nachweis zu erlangen.<br />
Die Dogon, ansässig in der Gegend um Mali, erzählen<br />
sich uralte Legenden, nachdem Sirius Heimatstern einer<br />
intelligenten, raumfahrenden Spezies ist. Die Erkenntnisse,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Dogon von Sirius und seinem Begleitstern besitzen,<br />
sind erstaunlich. So wussten sie lange vor den Europäern<br />
von Sirius B im Vergleich zu seiner Größe als Stern<br />
von großer Masse. Die Umlaufzeit des Sirius-Begleiters<br />
gaben sie zum Erstaunen vieler Wissenschaftler exakt an<br />
und ebenso <strong>die</strong> – bislang noch nicht einmal nachgewiesene<br />
– Existenz von mehreren Planeten. Von einer <strong>die</strong>ser Welten<br />
sollen <strong>die</strong> „Nommos“, teils aquatische und geheimnis-<br />
42<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Detailansichten des Astronautengottes<br />
von El Baul. Erkennbar ist<br />
der stilisierte Atemausstoß, der<br />
helmartigeKopf, von dem etwas<br />
wie ein schlauchartiges Gebilde zu<br />
einem Tornister auf dem Rücken<br />
führt. Und hinter dem "Bullauge"<br />
schaut der "Astronaut" hervor.<br />
Gesamtansicht der<br />
Stele von El Baul.<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000<br />
43
44<br />
volle Lehrmeister, mit „Häusern“ vom Himmel gekommen<br />
sein und den Menschen <strong>die</strong> Kultur und enormes Wissen<br />
vermittelt haben. Ähnliche Gestalten sind auch aus Ägypten,<br />
aus den mediterranen und ebenfalls aus dem vorderasiatischen<br />
Raum bekannt. Überall erhebt sich der gleiche Tenor:<br />
Sie kamen, um den Menschen Wissen in wissenschaftlichtechnischen<br />
Belangen zu vermitteln und schenkten ihnen<br />
quasi eine Kultur.<br />
Vor geraumer Zeit bewiesen <strong>die</strong> Autoren Peter Fiebag<br />
und Horst Dunkel durch eine Expedition in das Gebiet der<br />
Dogon, dass <strong>die</strong>se Legenden nicht vor wenigen Jahrzehnten<br />
oder Jahrhunderten aus Europa zu den Dogon getragen<br />
wurden, sondern uralte Überlieferungen darstellen, <strong>die</strong> bis<br />
heute in der Stammestradition bewahrt wurden.<br />
Das Sirius-System<br />
Neuere Erkenntnisse zeigen umso mehr, dass das Dogon-Rätsel<br />
nicht so leicht zu knacken ist, denn der Paläo-<br />
SETI-Forscher Dr. Klaus Richter berichtete von seiner<br />
Entdeckung, dass neue Forschungen auf Sirius als ein Vierfach-Sternensystem<br />
hindeuten, was ebenfalls in den Dogon-<br />
Überlieferungen erzählt wird!<br />
Der Sachbuchautor Roland M. Horn hat <strong>die</strong>sbezüglich einen<br />
beachtenswerten Aufsatz in der vom Verfasser herausgegebenen<br />
Anthologie „Vorstoß zu den Göttern der Vorzeit“<br />
veröffentlicht, der sich eingehend mit dem Dogon-Phänomen<br />
befasst und das Für und Wider abwägt.<br />
Liegt also <strong>die</strong> Tatsache auf der Hand, dass in grauer Vorzeit<br />
tatsächlich Außerirdische auf der Erde waren, <strong>die</strong> ein<br />
besonderes Wissen über den „Hundsstern“ besaßen und<br />
technisches Wissen vermittelten, das – wieder einmal – verlorenging?<br />
Der verstorbene Geologe Dr. Johannes Fiebag hatte<br />
1992 einen weiteren astronomischen Aspekt hinzugefügt<br />
und hierzu in Hinsicht auf ein potentielles<br />
„Farbwechsel-Phänomen“ im Sirius-System gar ein „Astro-<br />
Engineering“-Szenario postuliert, eine gezielte Umwandlung<br />
eines Sterns in einen Weißen Zwerg. Da mittelalterliche<br />
Quellen von einer rötlichen Farbe Sirius´ sprechen, aber<br />
Hinweise auf einen natürlichen Tod des Begleiters in Form<br />
von ausgestoßenem Sternenmaterial (Ringnebel o.ä.) fehlen,<br />
ist <strong>die</strong> überlegte Manipulation<br />
des Sterns durch hochentwickelte<br />
Individuen nicht<br />
allzu absurd. Dr. Fiebag<br />
führt in Bezug eines sterbenden<br />
Sterns -wie unsere<br />
Sonne in einigen Milliarden<br />
Jahren- ein prädestiniertes<br />
Argument des verstorbenen<br />
Astronomen Carl Sagan in<br />
<strong>die</strong> Diskussion ein:<br />
„Zum Glück aber dürfte<br />
<strong>die</strong> Menschheit bis dahin<br />
nahezu mit Sicherheit auf einer<br />
höheren Evolutionsstufe<br />
stehen. Vielleicht haben<br />
unsere Nachkommen <strong>die</strong><br />
Sternenentwicklung bereits<br />
unter Kontrolle gebracht<br />
oder doch Einfluss darauf<br />
gewonnen...“.<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong><br />
Können wir <strong>die</strong>se Gedankengänge nicht auch auf Intelligenzen<br />
übertragen, <strong>die</strong> vor Jahrtausenden bereits in<br />
der Lage waren, interstellare Raumfahrt zu betreiben und<br />
unseren Planeten zu besuchen? Diese Überlegungen sind<br />
immerhin ebenso legitim wie etwaige „Materietransfers“<br />
im Sirius-System, in deren Verlauf <strong>die</strong> Nachbarsterne<br />
gegenseitig Materie austauschen sollen oder der Weiße<br />
Zwergstern, der durch kurzweiliges Aufblähen zu einem<br />
Roten Riesen mutierte, wie es Astronomen mit reichlich<br />
Phantasie postulieren.<br />
Die Anlage von Zimbabwe<br />
Die aus Stein errichtete Anlage in Zimbabwe jedenfalls<br />
scheint nach Forschungen einiger Autoren ein Grundriss<br />
für das Sirius-System zu sein, welches der Eingeborenenstamm<br />
der Dogon peinlichst genau kennt, kamen doch von<br />
dort ihre Lehrmeister. Zimbabwe wurde nach Meinung<br />
führender Archäologen in zwei Phasen erbaut, <strong>die</strong> erste<br />
begann etwa 2000 vor Christus und endete um 1100 vor<br />
Christus, <strong>die</strong> zweite Phase muss um 1100 vor Christus angesetzt<br />
haben. Die Frage ist nur, wer <strong>die</strong>se Anlage erbaute.<br />
Die klassische Archäologie sieht kein bekanntes Volk vor,<br />
das im heutigen Zimbabwe <strong>die</strong>ses Bauwerk hätte errichten<br />
können. Nach Überlieferungen wurde <strong>die</strong> ellipsenförmige<br />
Anlage von den Nachfahren fremder Wesen erbaut, <strong>die</strong><br />
über erstaunliches Wissen verfügten. Angeblich wussten<br />
sie alles über <strong>die</strong> Herstellung künstlicher Maschinen, Radioaktivität<br />
und Weltraumfahrt. Interessanterweise wurde<br />
das Land Zimbabwe, das einstige Rhodesien, ursprünglich<br />
To Ntr genannt, was so viel heißt wie „Land der Götter“...<br />
Um <strong>die</strong> Anlage von Zimbabwe wurden bislang lediglich<br />
stichprobenhafte Ausgrabungen vorgenommen, <strong>die</strong> Funde<br />
eher spärlich. Jedoch taucht eine interessante Figur in einigen<br />
wissenschaftlichen Werken auf. Vor etlichen Jahren<br />
wurde im französischen Fernsehen (ORTF) ein Film ausgestrahlt,<br />
der <strong>die</strong>ses Objekt zeigte. Der Film war allerdings<br />
in unseren Breiten nie zu sehen. Gezeigt wurde das Fundobjekt<br />
1971 bei einer Ausstellung afrikanischer Kunst, ein<br />
Jahr nach seiner Entdeckung, in der Stadt Dakar.<br />
Der kleine Begleiter<br />
Sirius B des großen<br />
Hauptsterns ist als<br />
kleines Pünktchen unten<br />
links zu erkennen.<br />
Foto: NASA<br />
Wie der Autor Walter-<br />
Jörg Langbein herausfand,<br />
ist <strong>die</strong> Figur<br />
ungefähr vierzig bis fünfzig<br />
Zentimeter groß. Sie besteht<br />
aus chlorithaltigem Serpentin.<br />
Dieses Mineral besteht aus einer<br />
faserigen, seidenglänzenden<br />
Struktur. Der Kern enthält<br />
Magnetit, ein magnetisches<br />
Mineral.<br />
Dieses Objekt, das sich in<br />
Privatbesitz befinden soll, hat<br />
merkwürdige Details. Das<br />
Haupt sieht aus, als sei es von<br />
einem Helm umschlossen, was<br />
gut erkennbare „Nackenwülste“<br />
noch optisch verstärken.<br />
Die Gesichtszüge weisen kurioserweise<br />
keine negroiden<br />
Züge auf. Die Arme sind seitlich<br />
am Körper angelegt und <strong>die</strong><br />
Hände wirken recht unnatür-
Bild oben: Hubble telescope, NASA<br />
lich abgewinkelt. Auf dem<br />
Rücken trägt das Wesen<br />
eine Art „Tank“.<br />
Die bereits angesprochene<br />
Ähnlichkeit der<br />
Attribute auf einer Maya-<br />
Stele tausende Kilometer<br />
entfernt stimmen nachdenklich.<br />
So finden sich<br />
<strong>die</strong>selben technischen<br />
Merkmale auf der Stele<br />
von „El Baul“ in Guatemala.<br />
Dort ist ein Wesen<br />
abgebildet, das ebenfalls<br />
merkwürdige Kleidung<br />
trägt und in der Paläo-SE-<br />
TI-Forschung ein bekanntes<br />
Motiv darstellt. Ein<br />
Anzug, ein Helm, der gar<br />
eine Art Sichtluke besitzt,<br />
hinter dem <strong>die</strong> Züge eines<br />
menschlichen Wesens<br />
hervorblicken und, ebenfalls<br />
wie beim „Astronaut“<br />
von Zimbabwe, eine Art<br />
„Tank“ auf dem Rücken<br />
hat. Auch frappierende<br />
Ähnlichkeiten zu den Kolossen<br />
auf der Osterinsel stellte Langbein fest. Eng anliegende<br />
Arme und abnorm angewinkelte Hände finden sich<br />
hier ebenso wie bei der Figur von Zimbabwe. Ein zufälliges<br />
Merkmal?<br />
Das mysteriöse Wesen steckt anscheinend in einer Art<br />
Anzug – ein Raumanzug? Wenn man sich <strong>die</strong> Figur auf dem<br />
Foto betrachtet, drängt sich <strong>die</strong>ser Gedanke förmlich auf.<br />
Auch <strong>wenn</strong> man versucht, um jeden Preis und unvoreingenommen<br />
eine Betrachtungsweise zu finden, gelangt man<br />
stets zum „Astronautenhaften“ Eindruck. In der Fachliteratur<br />
wird <strong>die</strong> Figur zu unser aller Überdruss auch noch<br />
„Vogelmensch“ genannt, in der erwähnten französischen<br />
Sendung gar „Gott von Zimbabwe“...<br />
Kamen einst Astronauten aus den Tiefen des Kosmos<br />
zur Erde? Für <strong>die</strong> Menschen waren es Götter und stellten<br />
unverstandene technische Attribute ihrem Wissensstandard<br />
entsprechend auf Steinskulpturen oder als Figuren<br />
dar. Astronautengötter sind keine weit hergeholte Spekulationen,<br />
<strong>die</strong> Indizien sprechen eine deutliche Sprache.<br />
Figuren in Stein<br />
Diese Figuren in Stein ist aber beileibe nicht allein eine Kuriosität.<br />
Neben zahlreichen anderen technisch anmutenden<br />
Abbildungen aus vergangener Zeit sticht eine Steinbearbeitung<br />
mit der Bezeichnung „Stele K“ hervor, <strong>die</strong> in<br />
Quirigua steht und aus der Zeit um 805 n.Chr. stammt,<br />
übrigens das vorletzte Datum, das an <strong>die</strong>sem Platz verzeichnet<br />
ist, denn <strong>die</strong> Inschriften hören nach 810 unserer<br />
Zeitrechnung plötzlich auf.<br />
Die Skulpturen in Qurigua sind in Schönheit und dem<br />
ornamentalen System neben denen in Copan <strong>die</strong><br />
perfektesten Arbeiten der Maya. Stele K von Quirigua<br />
zeigt ein merkwürdiges Bild, das auf den ersten Blick<br />
eine frappierende Ähnlichkeit mit der bekannten Grabplat-<br />
"Stele K" in der<br />
präkolumbianischen<br />
Maya-Siedlung Quirigua<br />
(Guatemala)<br />
te von Palenque aufweist,<br />
<strong>die</strong> schon Erich von Daniken<br />
als Bildnis eines antiken<br />
Raketenstarts deutete.<br />
Dank hervorragender<br />
Handwerkskunst erkennt<br />
man eine Figur, <strong>die</strong> in einer<br />
Art Gefährt sitzt und<br />
weiter technisch anmutende<br />
Attribute wie Kanzel,<br />
Leitwerke etc., <strong>die</strong> an ein<br />
raketenähnliches Objekt<br />
erinnern. Der mehr als<br />
deutliche Flammenausstoß<br />
am unteren Ende der<br />
Stele erübrigt sich bei aller<br />
Objektivität jeden Kommentars...<br />
Maya-Stätten wie Tikal,<br />
Palenque, Copán bis hin<br />
zu Chichén Itzá und Bonampak<br />
dokumentieren <strong>die</strong><br />
interessantesten und fortgeschrittensten<br />
Kulturen<br />
Mesoamerikas. Die Hinterlassenschaften<br />
in Stein<br />
wie u.a. <strong>die</strong> Abbildungen<br />
in Quirigua oder El Baul<br />
zeigen in Verbindung mit den afrikanischen Artefakten<br />
um Zimbabwe unmissverständlich das Vermächtnis <strong>die</strong>ser<br />
großartigen, weltumspannenden Zivilisation, welche<br />
Raumfahrt in grauer Vorzeit mehr als wahrscheinlich werden<br />
lässt... ▀<br />
Literatur:<br />
Dopatka, Ulrich: Lexikon der außerirdischen Phänomene, Bindlach 1992<br />
Fiebag, J./Deardoff, J.W.: Hinweise auf künstliche Manipulation im<br />
Sirius-System? In E.v.Däniken (Hrsg.): Kosmische Spuren, München 1992<br />
Horn, Roland M.: Gelöste und ungelöste Mysterien <strong>die</strong>ser Welt,<br />
München 1995<br />
ders.: Besucher aus dem Sirius-System?, in Roland Roth (Hrsg.):<br />
Vorstoß zu den Göttern der Vorzeit, Lübeck 2000<br />
Langbein, Walter-Jörg: Astronautengötter, Berlin 1995<br />
ders.: Götter aus dem Kosmos, Rastatt 1998<br />
Rétyi, Andreas von: Rätsel um Sirius C, in Tagungsband der<br />
Forschugnsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI in<br />
Siegen 2008, Groß-Gerau 2008<br />
Richter, Dr. K.: Neues aus dem Sirius-System, in Sagenhafte Zeiten Nr. 1/99<br />
Roth, Roland: Epoche der Götter, Neckenmarkt 2007<br />
Photos: Walter-Jörg Langbein<br />
Roland Roth ist freier Schriftsteller und Journalist. Er befaßt sich<br />
seit seiner Jugend mit den Rätseln der Welt.<br />
Sein Interesse legt er dabei auf Existenz und<br />
Ethik extraterrestrischer Zivilisationen und der<br />
Zukunft der Menschheit im Kosmos. Er ist Autor<br />
zahlreicher Bücher. Beiträge in Anthologien und<br />
Zeitschriften aus dem In- und Ausland. Zuletzt<br />
Autor des Buches "Technogötter". Roland Roth<br />
ist Herausgeber des interdisziplinären Special-<br />
Interest-Magazins Q`PHAZE – Realität <strong>anders</strong>!<br />
Informationen: qphaze.alien.de,<br />
E-Mail : roth-verlag@web.de<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 45
B<br />
Das verschollene Bernsteinzimmer<br />
46 MATRIX 3000 <strong>History</strong>
ernsteinzimmer<br />
Das<br />
Bernsteinzimmer<br />
Einer Legende auf der Spur<br />
Franz Bludorf<br />
P<br />
Mit geschätzten 100 Millionen Euro ist<br />
es Europas kostbarster Kunstschatz:<br />
Das Bernsteinzimmer. Das „achte<br />
Weltwunder“ hat nur einen kleinen<br />
Fehler: Niemand weiß genau, wo es<br />
sich befindet. Seit dem Ende des zweiten<br />
Weltkrieges ist es verschollen.<br />
Heerscharen von Wissenschaftlern,<br />
Schatzsuchern und Abenteurern befinden<br />
sich seither auf der Jagd nach<br />
dem einmaligen Kleinod. Sie durchsuchten<br />
Bergwerke, Schlösser und<br />
sogar untergegangene Schiffswracks.<br />
Jeder von ihnen hat seine eigene<br />
Theorie über das Schicksal der Kostbarkeiten.<br />
Würden sie alle stimmen,<br />
müsste es rund 450 Bernsteinzimmer<br />
geben. Bis heute wurde das echte<br />
Zimmer nicht gefunden, doch <strong>die</strong> Suche<br />
nach ihm bleibt nach wie vor eine<br />
spannende <strong>Geschichte</strong>.<br />
Preußens König Friedrich<br />
Wilhelm I. hatte für<br />
schöne Künste und<br />
prunkvolle Ausstattungen<br />
nicht viel<br />
übrig. Der „Soldatenkönig“,<br />
wie man den Vater Friedrichs des<br />
Großen auch nennt, hatte nur eines im<br />
Sinn: Seine Leibgarde.<br />
1716 besuchte Zar Peter der Große<br />
von Russland den Preußenkönig in seiner<br />
Residenz und bewunderte das kostbare<br />
Bernsteinzimmer, das Friedrich<br />
Wilhelms Vater, der erste Preußenkönig<br />
Friedrich I., einst für seine Sommerresidenz<br />
in Charlottenburg hatte<br />
gestalten lassen. Schon damals aber<br />
gab es bereits erste Probleme. Der dänische<br />
Bernsteinschleifer war zu teuer,<br />
<strong>die</strong> „Ersatzmänner“ aus Danzig brauchten<br />
zu lange - irgendwann war der alte<br />
König tot und sein Sohn auf dem Thron.<br />
Das Bernsteinzimmer ging - nicht zum<br />
letzten Mal - auf Reisen und gelangte<br />
in den Weißen Saal des Berliner Stadtschlosses,<br />
wo es dann der „Herrscher<br />
aller Reußen“ anlässlich seines Besuches<br />
bestaunte.<br />
Friedrich Wilhelm witterte ein gutes<br />
Geschäft. Er verehrte den kostbaren<br />
Schatz kurzerhand dem Zaren - und<br />
erhielt dafür eine Entlohnung, <strong>die</strong> ihm<br />
viel besser gefiel: Soldaten mit Gardemaß<br />
für seine Leibgarde. Gleichzeitig<br />
besiegelten Preußen und Russland per<br />
Handschlag ihre Allianz gegen Schweden.<br />
Ein Zimmer auf Reisen<br />
Aber wer immer im Verlauf der <strong>Geschichte</strong><br />
Besitzer des Bernsteinzimmers<br />
war, <strong>die</strong> Umstände schienen ihn<br />
zu veranlassen, es ab- und wo<strong>anders</strong><br />
wieder aufzubauen. Und so ließ <strong>die</strong><br />
Tochter Peters des Großen, Zarin Elisabeth,<br />
es nach dem Tode ihres Vaters<br />
zunächst im Winterpalais in St. Petersburg<br />
errichten. Doch auch <strong>die</strong>s schien<br />
noch nicht der richtige Ort zu sein, denn<br />
später ließ sie es in den Katharinenpalast<br />
nach Zarskoje Selo transportieren.<br />
Dort verblieb das Bernsteinzimmer<br />
dann immerhin <strong>die</strong> nächsten 200 Jahre.<br />
Bis <strong>die</strong> Deutschen „zu Besuch“ kamen.<br />
Als <strong>die</strong> Wehrmacht 1941 Leningrad<br />
belagerte, requirierte man den<br />
Katharinenpalast als Wohnquartier für<br />
Offiziere. Die abrückenden russischen<br />
Truppen hatten es nicht mehr geschafft,<br />
König Friedrich Wilhelm I. von Preußen.<br />
Gemälde von Antoine Pesne<br />
Zar Peter der Große von Russland<br />
47
D<br />
das Bernsteinzimmer vor<br />
den Deutschen zu retten,<br />
und so hatten sie es nur<br />
mit Pappe verkleidet,<br />
um es bei eventuellen<br />
Kampfhandlungen vor<br />
Zerstörungen zu schützen.<br />
Die deutsche Wehrmacht hat dann<br />
das Bernsteinzimmer kurzerhand<br />
gestohlen und im Herbst 1941 nach<br />
Königsberg abtransportieren lassen,<br />
wo es während der Kriegsjahre im<br />
dortigen Stadtschloss als Sehenswürdigkeit<br />
ausgestellt wurde. So kam<br />
es sogar vorerst noch in fachkundige<br />
Hände. Dr. Alfred Rohde, Direktor der<br />
städtischen Kunstsammlungen, war<br />
ein großer Bernsteinliebhaber und<br />
schrieb im Verlauf der nächsten Jahre<br />
sogar zwei Bücher über das Beutekunstwerk.<br />
Auch der Gauleiter der NS-<br />
DAP in Königsberg, Erich Koch, sollte<br />
in unserer weiteren <strong>Geschichte</strong> noch<br />
eine wichtige Rolle spielen.<br />
Die Spur verliert sich<br />
1944. Die deutsche Wehrmacht war an<br />
allen Fronten auf dem Rückzug, und<br />
<strong>die</strong> Rote Armee befand sich im Anmarsch<br />
auf Ostpreußen. Alfred Rohde<br />
fürchtete um <strong>die</strong> Sicherheit des<br />
Bernsteinzimmers und ließ erste Teile<br />
davon ins sicherer gelegene Schloss<br />
Wildenhoff im heute polnischen Teil<br />
Ostpreußens auslagern. Auch den<br />
verbliebenen Rest ließ Rohde demontieren<br />
und in zahlreichen Kisten in den<br />
mehrgeschossigen Kellergewölben<br />
des Königsberger Schlosses einlagern.<br />
Es war höchste Zeit gewesen.<br />
Durch britische Bombenangriffe wurde<br />
Königsberg größtenteils zerstört,<br />
das Stadtschloss stand mehrere Tage<br />
lang in Flammen. Das Bernsteinzimmer<br />
hatte jedoch im Keller <strong>die</strong> Angriffe<br />
überstanden. Augenzeugen berichteten<br />
später, <strong>die</strong> Kisten noch 1945 gesehen<br />
zu haben - sogar noch fünf Tage<br />
vor dem Einmarsch der Roten Armee.<br />
Die Schlacht um Königsberg<br />
(6. - 9. April 1945)<br />
war eine der letzten des<br />
zweiten Weltkrieges. Hitler<br />
hatte <strong>die</strong> Stadt zur<br />
Festung erklärt und jeden<br />
Rückzug, ja sogar <strong>die</strong> Evakuierung<br />
der Bevölkerung, verboten.<br />
Als der Königsberger Stadtkommandant<br />
der Wehrmacht, General Otto<br />
Lasch, vor der russischen Übermacht<br />
kapitulierte, ließ ihn der „Führer“ in<br />
WER IMMER DAS Bernsteinzimmer<br />
BESASS, BAUTE ES AB UND<br />
ANDERSWO WIEDER AUF.<br />
Abwesenheit zum Tode verurteilen.<br />
Alfred Rohde und seine Frau lagen zu<br />
jener Zeit im Seuchenkrankenhaus.<br />
Das Ehepaar war an der Ruhr erkrankt.<br />
Der Kunsthistoriker verstarb<br />
dort an den Folgen seiner Erkrankung<br />
im Dezember 1945. Später stellte sich<br />
heraus, dass Rohdes Sterbeurkunde<br />
gefälscht war. Sein Grab erwies sich<br />
als leer. Hatte der Kunsthistoriker seinen<br />
eigenen Tod inszeniert, um sich in<br />
Sicherheit zu bringen? Oder hatte sich<br />
<strong>die</strong> Rote Armee seiner bemächtigt und<br />
wollte <strong>die</strong>s vertuschen, um von ihm,<br />
dem wohl besten Kenner des Bernsteinzimmers,<br />
Informationen über<br />
dessen Schicksal zu erhalten?<br />
„Aktion Bernsteinzimmer“<br />
Denn viele Forscher vermuten heute<br />
- irgendwann kurz vor oder während<br />
der Kämpfe um Königsberg lief eine<br />
streng geheime Nacht- und Nebelaktion<br />
ab. Die Kisten mit den Teilen des<br />
Bernsteinzimmers wurden auf Lastwagen<br />
geladen und in westlicher gelegene<br />
Regionen des Reiches in Sicherheit<br />
gebracht. Auslöser für <strong>die</strong>se<br />
Vermutung war eine Nachricht, <strong>die</strong> SS-<br />
Obersturmbannführer Georg Ringel<br />
an das Reichssicherheitshauptamt in<br />
Berlin geschickt hatte und <strong>die</strong> von den<br />
Briten abgefangen wurde. Darin heißt<br />
es: „Aktion Bernsteinzimmer durchgeführt,<br />
Befehl ausgeführt, Explosion<br />
erfolgt, erwartete Resultate, Eingänge<br />
maskiert.“<br />
Im Klartext heißt <strong>die</strong>s: Die Deutschen<br />
hatten das Bernsteinzimmer<br />
abtransportiert und <strong>die</strong> Kellereingänge<br />
gesprengt, um den Raub zu vertuschen.<br />
Im Rahmen der Geheimaktion<br />
„Bernsteinzimmer“ hatte ein deutscher<br />
Truppenverband den Befehl erhalten,<br />
<strong>die</strong> Kunstschätze in <strong>die</strong> sichere „Zone<br />
B3“ zu verbringen, bevor <strong>die</strong> Rote Armee<br />
ihre „Operation Grün“, <strong>die</strong> Eroberung<br />
Königsbergs, starten würde.<br />
Weitere Beweise gibt es dafür allerdings<br />
bislang nur wenige, und <strong>die</strong><br />
meisten sind eher nebulös und widersprüchlich.<br />
Kein Mensch weiß bis<br />
heute genau, wo sich <strong>die</strong> ominöse<br />
„Zone B3“ befindet. Vielleicht<br />
- und auch das ist nicht auszuschließen<br />
- ist das Bernsteinzimmer<br />
ja auch während der<br />
Kämpfe verbrannt, oder <strong>die</strong> Rote<br />
Armee hat es gefunden und abtransportiert.<br />
Seit 1941 lagerte das Bernsteinzimmer<br />
im Königsberger Schloss,<br />
bis es kurz vor oder während der<br />
Eroberung der Stadt durch <strong>die</strong> Rote<br />
Armee spurlos verschwand.<br />
Wissen als Lebensversicherung<br />
Liebe zur Kunst war damals nicht sonderlich<br />
gefragt. Sowohl auf deutscher<br />
wie auf russischer Seite konnte man<br />
seines Lebens nicht sonderlich sicher<br />
sein - es sei denn, man hätte etwas<br />
über das Bernsteinzimmer gewusst.<br />
Eine bessere Lebensversicherung hätte<br />
sowohl in Stalins Reich als auch unter<br />
dem niedergehenden Hitlerfaschismus<br />
sowie in den ersten Nachkriegsjahren<br />
niemand haben können.<br />
Dies erfuhr auch der Kriegsverbrecher<br />
Erich Koch, NSDAP-Gauleiter in<br />
Königsberg. In letzter Minute war ihm<br />
per Schiff <strong>die</strong> Flucht gelungen. Über<br />
Saßnitz kam er nach Kopenhagen,<br />
später nach Hamburg, wo er in den<br />
ersten Nachkriegsjahren unter falschem<br />
Namen lebte. Dass er am Ende<br />
doch gefasst wurde, war seine eigene<br />
Schuld. In der typischen Nazimixtur aus<br />
Dummheit, Arroganz, Geltungssucht<br />
und Kadavergehorsam gegenüber dem<br />
alten Regime ließ er sich im Mai 1949<br />
auf einer Flüchtlingsversammlung zum<br />
Vorsitzenden wählen und ergriff dann<br />
selbst mit einer flammenden Rede das<br />
Wort. Ein Besucher erkannte ihn und<br />
zeigte ihn an. Am Abend erhielt Erich<br />
Koch Besuch von der deutschen Kriminalpolizei,<br />
in Begleitung eines britischen<br />
Besatzungsoffiziers. Das Gericht<br />
i n Hamburg erließ Haftbefehl.<br />
II<br />
m<br />
Juli des gleichen Jahres informierte<br />
<strong>die</strong> britische Besatzungsmacht<br />
Polen und<br />
Russland über <strong>die</strong> Verhaf-<br />
48<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
DIE Monuments MEN<br />
tung des Kriegsverbrechers. Beide<br />
Länder stellten Auslieferungsanträge.<br />
Im Januar 1950 wurde Koch nach Warschau<br />
gebracht. Der Prozess zog sich<br />
über mehrere Jahre hin, eine Reihe von<br />
Anklagepunkten musste aufgrund eines<br />
Amnestiegesetzes fallengelassen werden.<br />
1959 wurde Koch wegen Kriegsverbrechen<br />
zum Tode verurteilt. Doch<br />
Polens Parteichef Wladyslaw Gomulka<br />
wandelte <strong>die</strong> Strafe in lebenslängliche<br />
Haft um. Er hatte dafür zwei Gründe.<br />
Zum einen litt Koch an Blasenkrebs,<br />
und Polen vollstreckte <strong>die</strong> damals noch<br />
möglichen Todesurteile nur an gesunden<br />
Häftlingen. Der zweite, wohl wichtigere<br />
Grund war, dass man hoffte, Koch<br />
könnte etwas über das Bernsteinzimmer<br />
wissen. Der Verurteilte wurde später<br />
in das Staatsgefängnis Barczewo bei<br />
Olsztyn überstellt, wo er bis zu seinem<br />
Tode 1986 im Alter von 90 Jahren einsaß.<br />
Während seiner langen Haftzeit<br />
erhielt Koch des Öfteren Besuch des<br />
polnischen Autors Slawomir Orlowski,<br />
der ihn nach eigenen Aussagen zum<br />
Bernsteinzimmer befragt hatte. In<br />
handschriftlichen Anmerkungen in Orlowskis<br />
Buch bestritt Koch später, dass<br />
<strong>die</strong>se Gespräche jemals stattgefunden<br />
hätten. Er beschimpfte Orlowski ziemlich<br />
unflätig als „ehrlosen Verkünder“<br />
und behauptete standhaft: „Ich habe<br />
das Bernsteinzimmer nie gesehen.“<br />
Seine Aufgabe sei <strong>die</strong> Verteidigung<br />
Königsbergs gewesen. Sehr glaubwürdig<br />
ist das nicht. Koch war Parteifunktionär,<br />
kein Militärkommandant.<br />
Außerdem wurden ihm in der Haft auch<br />
Zeitungen zur Verfügung gestellt. Es<br />
zeigte sich, dass er alle Publikationen<br />
über das Bernsteinzimmer mit besonderem<br />
Interesse las und sogar erneut<br />
mit handschriftlichen Anmerkungen<br />
versah.<br />
Da viele der Anmerkungen unleserlich<br />
sind und das Testament Kochs nie<br />
publiziert wurde, hat er sein Wissen,<br />
zumindest für <strong>die</strong> breite Öffentlichkeit,<br />
mit ins Grab genommen.<br />
Glaube an gar nichts, prüfe alles<br />
Russland begann bereits unmittelbar<br />
nach Kriegsende mit der Suche nach<br />
dem verschollenen Bernsteinzimmer.<br />
Nach offiziellen Verlautbarungen fand<br />
man in Königsberg - nichts.<br />
1964 wurde Schloss Ksiaz (Fürstenstein)<br />
im schlesischen Eulengebirge<br />
von Mitarbeitern des polnischen<br />
Sicherheits<strong>die</strong>nstes durchsucht. Sie<br />
wurden begleitet von Agenten des KGB.<br />
Diese Region war während des zweiten<br />
Weltkrieges noch deutsch gewesen.<br />
War dort <strong>die</strong> rätselhafte „Zone B3“?<br />
Offenbar nicht. Vielleicht hatte man <strong>die</strong><br />
Kisten ja auch in der Nähe des Schlosses<br />
im Wald vergraben? Man befragte<br />
noch einige Zeitzeugen und musste<br />
dann unverrichteter Dinge wieder<br />
abziehen. Wer immer wirklich etwas<br />
wusste, starb schon bald eines nicht<br />
ganz natürlichen Todes. Und <strong>die</strong> Suche<br />
ging weiter. Die Marschroute bestand<br />
aus zwei wesentlichen Richtlinien:<br />
Glaube an gar nichts, prüfe alles.<br />
DDr.<br />
Jacek<br />
Wilczur vom<br />
polnischen<br />
I n s t y t u t<br />
P a m i e c i<br />
Narodowej<br />
Oben: Dreharbeiten zu den Monuments Men:<br />
Regisseur und Hauptdarsteller George Clooney<br />
(Mitte) instruiert seine Darsteller John<br />
Goodman und Jean Dujardin.<br />
Unten: Die echten Monuments Men bergen<br />
Kunstschätze aus Schloss Neuschwanstein.<br />
Kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges<br />
waren amerikanische Kunstschutzoffiziere<br />
in den Kriegsgebieten Deutschlands und<br />
Westeuropas unterwegs, um Kunstwerke<br />
vor der Zerstörung zu retten und Beutekunst<br />
aufzuspüren. Sie bildeten das Vorbild<br />
für <strong>die</strong> „Monuments Men“ in dem gleichnamigen<br />
Hollywood-Spielfilm von und mit<br />
George Clooney.<br />
Der Film thematisiert auch das Verhältnis<br />
der Amerikaner zu ideellen Werten. Während<br />
– realitätsgetreu – das Auffinden von<br />
Nazigold durch General Eisenhower mit<br />
großem Tamtam in den Me<strong>die</strong>n gefeiert<br />
wurde, fand <strong>die</strong> gleichzeitige Rettung Tausender<br />
Kunstwerke (im gleichen Bergwerk)<br />
kaum Beachtung. Ähnlich ernüchternd<br />
das Ende des Films. Der Auftraggeber der<br />
Monuments Men, Präsident Roosevelt, ist<br />
inzwischen tot, und sein Nachfolger Harry<br />
S. Truman hat offenbar weniger Kunstverstand.<br />
Anstatt den Monuments Men für<br />
ihren Einsatz zu danken, fragt er nur verständnislos,<br />
ob ein paar Kunstwerke den<br />
Einsatz von Menschenleben wert gewesen<br />
<strong>wäre</strong>n.<br />
(Institut für nationales Gedenken) in<br />
Warschau hat sein halbes Leben der<br />
Suche nach dem Bernsteinzimmer gewidmet.<br />
Als sein Vorgesetzter ihm den<br />
Auftrag erteilte, schloss er mit den Worten:<br />
„Sie werden nicht im Bett sterben.“<br />
Noch ist Dr. Wilczur am Leben, und er<br />
hat herausgefunden, dass es noch heute<br />
einige wenige lebende Zeitzeugen<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 49
Ikam ein<br />
gibt, <strong>die</strong> möglicherweise tatsächlich<br />
etwas wissen könnten. Wilczur ist übrigens<br />
auch fest davon überzeugt, dass<br />
Erich Koch über den Verbleib des Bernsteinzimmers<br />
Bescheid gewusst hatte.<br />
Er sei sogar in Besitz <strong>die</strong>sbezüglicher<br />
Rapporte gewesen, habe aber über sein<br />
Wissen nie gesprochen.<br />
In jüngster<br />
Zeit<br />
w e i t e r e s<br />
polnisches Schloss in Verdacht, Aufbewahrungsort<br />
des Bernsteinzimmers<br />
zu sein - Schloss Paslek<br />
(ehemals Preußisch Holland im<br />
früheren Ostpreußen). Dieses Schloss<br />
ist mehrgeschossig unterkellert, wobei<br />
nur das oberste Geschoss heute noch<br />
Eine Spur des Bernsteinzimmers führt in<br />
das Salzbergwerk Merkers in Thüringen,<br />
wo auch große Mengen an Nazigold<br />
gefunden wurden.<br />
zugänglich ist. Die anderen Etagen sind<br />
verschüttet. Man be<strong>die</strong>nt sich derzeit<br />
modernster, nicht invasiver Methoden,<br />
z. B. Seismographen, um herauszufinden,<br />
ob da unten etwas „Verdächtiges“<br />
lagert.<br />
Mit der „Wilhelm Gustloff“ versunken?<br />
Kein noch so ausgefallener Ort erschien<br />
zu abwegig, dass er nicht als möglicher<br />
Aufbewahrungsort des Bernsteinzimmers<br />
in Frage gekommen <strong>wäre</strong>. Und<br />
so geriet auch das Wrack der „Wilhelm<br />
Gustloff“ in Verdacht. Das ehemalige<br />
Kreuzfahrtschiff der NS-Freizeitorganisation<br />
„Kraft durch Freude“ hatte den<br />
Auftrag erhalten, am 30. Januar 1945<br />
verwundete Soldaten und Kriegsgerät<br />
von Gdynia ins sicherere Kerngebiet des<br />
Reiches zu bringen. Entgegen einem<br />
anfänglichen Verbot der deutschen Behörden<br />
gingen im letzten Moment auch<br />
noch bis zu 10.000 zivile Flüchtlinge<br />
an Bord. Das Schiff wurde nur wenige<br />
Stunden nach dem Auslaufen von sowjetischen<br />
U-Booten vor der pommerschen<br />
Küste torpe<strong>die</strong>rt und versenkt.<br />
Nur wenige hundert Schiffbrüchige<br />
konnten gerettet werden, nicht zuletzt<br />
deshalb, weil sich mehrere in der Nähe<br />
befindliche deutsche Kriegsschiffe aus<br />
Angst vor Torpe<strong>die</strong>rung weigerten, an<br />
der Rettungsaktion teilzunehmen.<br />
Eigentlich gibt es viele Argumente,<br />
<strong>die</strong> dagegen sprechen, dass das<br />
Bernsteinzimmer heute im Wrack der<br />
„Wilhelm Gustloff“ auf dem Grund der<br />
Ostsee liegt. Zum einen wurde das Zimmer<br />
ja angeblich noch im April 1945 in<br />
Königsberg gesehen. Außerdem stand<br />
<strong>die</strong> Gegend um den Hafen von Gdynia<br />
damals schon so stark unter sowjetischem<br />
Beschuss, dass ein so großer<br />
Lastwagenkonvoi wohl kaum durchgekommen<br />
<strong>wäre</strong>.<br />
Trotzdem schauten <strong>die</strong> polnischen<br />
Forscher nach. Als sie zum Wrack<br />
tauchten, sahen sie sofort, dass sie<br />
nicht <strong>die</strong> ersten vor Ort waren. Obwohl<br />
sich das Wrack in polnischen<br />
Hoheitsgewässern befindet, hatten<br />
es unmittelbar nach Kriegsende bereits<br />
russische Taucher aufgesucht,<br />
mit einem Schneidbrenner ein<br />
Loch in <strong>die</strong> Wand der Kapitänskajüte<br />
geschnitten und das Mittelschiff gesprengt.<br />
Auch ein Teil der Ladung wurde<br />
offenbar entfernt, obwohl man noch<br />
nicht zu allen Laderäumen vordringen<br />
konnte. Die polnischen Untersucher<br />
fanden eine verschlossene Stahltür,<br />
durch <strong>die</strong> noch niemand vordringen<br />
konnte. Falls es noch eine Hypothese<br />
gibt, das Bernsteinzimmer befinde<br />
sich an Bord der „Wilhelm Gustloff“, so<br />
stützt sie sich hauptsächlich auf <strong>die</strong>se<br />
Tür.<br />
Von den USA entdeckt?<br />
Eine andere „Schiffs-Spur“: Im Januar<br />
1945 brachte <strong>die</strong> Wehrmacht <strong>die</strong> sterblichen<br />
Überreste Hindenburgs (der im<br />
Tannenberg-Denkmal beigesetzt worden<br />
war) an Bord des Kreuzers „Emden“<br />
nach Stettin, wo sie gemeinsam<br />
mit den Leichnamen Friedrichs des<br />
Großen sowie Friedrich Wilhelms I. (der<br />
das Bernsteinzimmer einst verschenkt<br />
hatte) in ein Salzbergwerk in Thüringen<br />
weitertransportiert wurden. Dort haben<br />
<strong>die</strong> USA <strong>die</strong> Särge nachweislich gefunden.<br />
Hatte womöglich <strong>die</strong> „Emden“ auch<br />
das Bernsteinzimmer an Bord? Ein<br />
durchaus vielversprechender Hinweis,<br />
angesichts einer alten Filmchronik der<br />
USA von 1945, als man in das Salzbergwerk<br />
Merkers in Thüringen einfuhr.<br />
Dort fand man den größten Teil des<br />
versteckten Nazigoldes, eine große<br />
Zahl Banknoten, geraubten Schmuck<br />
und Beutekunstgegenstände, darunter<br />
auch zahlreiche Kisten. Der Fund<br />
scheint den Amerikanern so wichtig<br />
gewesen zu sein, dass <strong>die</strong> Generäle<br />
George Patton und Dwight D. Eisenhower<br />
persönlich in <strong>die</strong> Grube einfuhren,<br />
um sich vor Ort ein Bild zu machen.<br />
Der kostbare Fund wurde dann am 14.<br />
April 1945 auf 29 Lastwagen verladen.<br />
Der Konvoi wurde von fünf Platoons<br />
Fußtruppen, zwei Einheiten der Militärpolizei,<br />
zehn Fliegerstaffeln und Beobachtungsflugzeugen<br />
eskortiert. Am 17.<br />
April erreichte man das Gebäude der<br />
Reichsbank in Frankfurt am Main, von<br />
wo aus <strong>die</strong> Schätze weiter in <strong>die</strong> USA<br />
abtransportiert wurden.<br />
Dzeugen<br />
Drei der Laster<br />
sollen allerdings<br />
ihr Ziel<br />
nie erreicht<br />
haben. Augen-<br />
zufolge<br />
hatte einer <strong>die</strong>ser<br />
drei Lastwagen unterwegs<br />
50<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
xxxxxxx<br />
Auch im polnischen Schloss Ksiaz in<br />
Niederschlesien wurde der Schatz nicht<br />
gefunden.<br />
MAN KANN NICHT<br />
EINMAL MEHR SICHER<br />
SEIN, DASS DAS<br />
Bernsteinzimmer<br />
ÜBERHAUPT<br />
VERSCHWUNDEN IST!<br />
1<br />
einen Unfall, wobei einige Kisten herausgefallen<br />
waren. Der restliche Konvoi<br />
fuhr weiter. Eine der Kisten soll <strong>die</strong><br />
Aufschrift „<strong>Was</strong>serbauamt Königsberg“<br />
getragen haben. Anwohner fanden später<br />
am Straßenrand kleine Bernsteinstücke.<br />
Transportierten <strong>die</strong> Laster also<br />
tatsächlich Teile des Bernsteinzimmers?<br />
Das weltweit umfangreichste Archiv<br />
von Dokumenten zum Bernsteinzimmer<br />
befindet sich heute im Besitz von<br />
Avenir Ovsjanov in Kaliningrad, dem<br />
früheren Königsberg. Ovsjanov führt<br />
vor Ort weitere Untersuchungen durch.<br />
Das Königsberger Schloss wurde allerdings<br />
zu Zeiten von Leonid Breschnew<br />
abgerissen, der dort ein Gebäude für<br />
den örtlichen Sowjet errichtete. Seltsamerweise<br />
bekam <strong>die</strong>ses Haus Statikprobleme<br />
und konnte nie fertiggestellt<br />
werden, sondern ist bis heute eine Bauruine.<br />
Irgendetwas ist dort unter der<br />
Erde los! Die Kellergeschosse des alten<br />
Schlosses sollen auf jeden Fall noch<br />
existieren.<br />
1996 wurde auf dem „grauen Kunstmarkt“<br />
in Norddeutschland ein Steinmosaik<br />
aus dem Bestand des Bernsteinzimmers<br />
für 2,5 Millionen Dollar<br />
zum Kauf angeboten. Die Bremer Polizei<br />
beschlagnahmte das Kunstwerk.<br />
Nachdem der Fall durch <strong>die</strong> Presse<br />
bekannt geworden war, meldete sich<br />
eine Frau aus Berlin, <strong>die</strong> im Besitz einer<br />
Kommode war, <strong>die</strong> sie freiwillig<br />
bei den Behörden abgab. Diese beiden<br />
bislang einzigen wieder aufgetauchten<br />
Fragmente des Bernsteinzimmers<br />
wurden 1997 von der Bundesregierung<br />
dem russischen Staat zurückgegeben.<br />
2013 wurde in München der Beutekunstschatz<br />
des Cornelius Gurlitt, des<br />
Sohnes von Hitlers oberstem Kunstexperten,<br />
entdeckt und sichergestellt.<br />
Vermutungen kamen auf, der Mann<br />
könnte auch das Versteck des Bernsteinzimmers<br />
kennen. Diese Frage<br />
konnte nie geklärt werden. Verwandte<br />
Gurlitts erklärten, er würde allenfalls<br />
auf dem Sterbebett dazu Stellung nehmen.<br />
Er tat es nicht. Cornelius Gurlitt<br />
starb am 6. Mai 2014 eines natürlichen<br />
Todes – so wie fast alle, <strong>die</strong> etwas über<br />
das Bersteinzimmer wussten.<br />
Original und Fälschung<br />
Wer heute den Katharinenpalast in<br />
Zarskoje Selo besucht, sollte sich<br />
nicht wundern, <strong>wenn</strong> er das Bernsteinzimmer<br />
dort in voller Pracht wieder<br />
besichtigen kann. Bereits seit 1976<br />
arbeiteten Kunsthandwerker und Edelsteinschleifer<br />
an einer Rekonstruktion<br />
des Kleinods mit Hilfe alter Fotografien.<br />
Aufgrund von Spenden deutscher Großunternehmen<br />
in Millionenhöhe konnte<br />
<strong>die</strong> Rekonstruktion fertiggestellt<br />
werden. Sie wurde 2003 von Präsident<br />
Putin im Beisein des damaligen Bundeskanzlers<br />
Gerhard Schröder feierlich<br />
Ist das Bernsteinzimmer 1945 an Bord<br />
der Wilhelm Gustloff in der Ostsee<br />
versunken?<br />
eröffnet. Drei Jahre zuvor wurden rekonstruierte<br />
Teile in einer Ausstellung<br />
in der polnischen Stadt Nysa öffentlich<br />
gezeigt. Unbestätigten Meldungen zufolge<br />
sollen unter den Falsifikaten auch<br />
einige echte Fragmente gewesen sein,<br />
<strong>die</strong> nicht mit den in Deutschland aufgefundenen<br />
identisch waren! Immer<br />
wieder werden Hypothesen geäußert,<br />
das Bernsteinzimmer sei als Ganzes<br />
oder zumindest zum größten Teil längst<br />
wiedergefunden worden, und <strong>die</strong> Exponate<br />
im heutigen Zarskoje Selo seien in<br />
Wahrheit gar keine Fälschungen, sondern<br />
echt. Man kann jetzt also nicht einmal<br />
mehr sicher sein, dass das Bernsteinzimmer<br />
überhaupt verschwunden<br />
ist! Genau, wie es sich für eine gute<br />
Legende gehört. ▀<br />
Franz Bludorf ist Mathematiker, Physiker,<br />
Bestsellerautor und Chefredakteur<br />
der <strong>Matrix3000</strong>.<br />
Gemeinsam mit Grazyna<br />
Fosar verfaßte er bislang<br />
insgesamt 20 Bücher zu<br />
grenzwissenschaftlichen<br />
und spirituellen Themen. Im<br />
Michaels Verlag erscheint in<br />
Kürze sein neuestes Buch<br />
"Der Denver Plan". Er ist Peer Reviewer beim<br />
International Journal of Physical Sciences. Seine<br />
Lieblingsgleichung ist <strong>die</strong> Wheeler-DeWitt-<br />
Gleichung.<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 51
Von<br />
Mozart<br />
zuMord?<br />
Ein Genie und tausend Tode<br />
Roland Rottenfußer<br />
52<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
„Erst geköpft, dann gehangen, dann<br />
gespießt auf heißen Stangen, dann<br />
verbrannt, dann gebunden, und getaucht,<br />
zuletzt geschunden.“ Ähnlich<br />
vielfältig und fantasievoll wie <strong>die</strong> Todesarten<br />
in der Arie des Osmin („Die<br />
Entführung aus dem Serail“) sind<br />
auch <strong>die</strong> Theorien, <strong>die</strong> über den frühen<br />
Tod des Komponisten – Mozart –<br />
im Umlauf sind. Angeheizt u.a. durch<br />
den Film „Amadeus“ sowie Mozarts<br />
Mitgliedschaft bei den Freimaurern,<br />
sprossen über Jahrzehnte wilde<br />
Theorien. Neuere medizinische Untersuchungen<br />
zum Fall Mozart wirken<br />
ernüchternd und führen alles<br />
auf natürliche Ursachen zurück. Ein<br />
Rest von Rätsel wird den frühen Tod<br />
des Genies aber wohl immer umwehen.<br />
Schwitzend und vom Tod gezeichnet,<br />
liegt Mozart auf seinem<br />
Bett. Mit letzter Kraft diktiert er<br />
Salieri sein letztes Werk in <strong>die</strong> Feder:<br />
„Confutatis maledictis“ aus dem Requiem:<br />
„Wenn <strong>die</strong> Überführten verflucht<br />
sind und den scharfen Flammen<br />
zugesprochen, rufe<br />
mich mit den Gesegneten!“<br />
Ausgerechnet Salieri,<br />
sein großer Widersacher,<br />
der „Schutzpatron<br />
der Mittelmäßigen“ nach<br />
eigener Aussage. Seine<br />
Fürsorge für den Sterbenden<br />
ist Heuchelei.<br />
Denn der neidische kompositorische<br />
Minderleister<br />
hatte den Jüngeren,<br />
den Begabteren quasi<br />
mental vergiftet, als er<br />
ihm – in bedrohlicher<br />
Darth Vader-Verkleidung<br />
– ein „Requiem“ in Auftrag<br />
gab. Das gesundheitlich und psychisch<br />
labile Kind-Genie musste daraus<br />
den Schluss ziehen, dass er dabei<br />
war, seine eigene Totenmesse zu<br />
schreiben. Wenig später sinkt Gattin<br />
Constanze mit „Wolferl“-Rufen über<br />
der Leiche zusammen. Zu den düsteren<br />
Klängen des „Lacrimosa“ wird<br />
der Tote achtlos in ein leeres Grab geworfen<br />
– kaum jemand wohnt seinem<br />
Begräbnis bei. Die überaus beeindruckende<br />
Szene stammt aus Milos<br />
Formans „Amadeus“ (1984). Leider<br />
ist fast nichts daran wahr. Weder war<br />
Antonio Salieri bei Mozarts Tod anwesend,<br />
noch ist es sehr wahrscheinlich,<br />
dass er für dessen Tod verantwortlich<br />
war. Ob in seinem Herzen Neid angesichts<br />
der überlegenen Begabung<br />
Mozarts schwelte, werden wir nie mit<br />
Sicherheit wissen. Fest steht, dass<br />
der Ältere aus der Perspektive des<br />
hoch angesehen „Festangestellten“<br />
auf den umstrittenen, um Anerkennung<br />
ringenden „Freiberufler“ hinabblicken<br />
konnte. Bewiesen ist nur ein<br />
relativ harmloses Zerwürfnis rund<br />
um das Libretto von „Cosi fan tutte“,<br />
das beiden Komponisten vorlag und<br />
dann von Mozart vertont wurde. Dem<br />
gegenüber stehen etliche Zeugnisse<br />
gegenseitiger Wertschätzung und<br />
professionellen Respekts.<br />
Verleumdungsopfer Salieri<br />
Mozart starb am 5. Dezember 1991<br />
in Wien im Alter von 35 Jahren – übrigens<br />
nicht am Abend der Premiere<br />
der “Zauberflöte“. Die Anzahl der<br />
verschiedenen Todesursachen, <strong>die</strong><br />
Erst geköpft, dann gehangen,<br />
dann gespießt auf heißen Stangen,...<br />
(Mozart, Die Entführung aus dem Serail)<br />
Und welches Schicksal<br />
ereilte den Maestro selbst?<br />
in der Literatur genannt werden, ist<br />
völlig unübersichtlich. U.a. wurden<br />
genannt: eine Herzerkrankung, <strong>die</strong><br />
Leber (Alkoholprobleme), Nierenversagen,<br />
Fleckenfieber, Syphillis (unter<br />
biografischen Aspekten heikel!)<br />
und Trichinen, verursacht durch den<br />
Genuss von nicht durchgebratenem<br />
Fleisch. Schließlich verschiedene<br />
Gift-Theorien. Auf dem Totenschein<br />
sind nur Fieber und ein Ausschlag<br />
vermerkt. Mozarts „Requiem“ wurde<br />
von einem Boten des Grafen von<br />
Walsegg in Auftrag gegeben. Der Graf<br />
wollte das Werk anlässlich der Beerdigung<br />
seiner Frau aufführen und als<br />
sein eigenes ausgeben.<br />
Urheber der „Salieri-Verschwörungstheorie“<br />
war der russische<br />
Dichter Alexander<br />
Puschkin. Dieser nahm in seinem<br />
Theaterstück „Mozart und Salieri“ einige<br />
wesentliche Handlungselemente<br />
von Peter Shaffers „Amadeus“ (aus<br />
dem dann der Film entstand) vorweg:<br />
vor allem <strong>die</strong> Behauptung, der sich<br />
mittelmäßig fühlenden Salieri sei neidisch<br />
auf den Musik-Giganten gewesen.<br />
In dem Einakter vergiftet Salieri<br />
Mozart während eines gemeinsamen<br />
Abendessens. Puschkin allerdings<br />
hatte nicht einmal behauptet, dass<br />
seine Mordtheorie der Wahrheit entspräche,<br />
sie ist dichterische Fiktion.<br />
Die Meinung seriöser historischer<br />
Quellen lässt sich in den Worten eines<br />
Artikels auf „Zeit online“ so zusammenfassen:<br />
„Aber weder einleuchtende<br />
psychologische Motive noch hinreichende<br />
Beweismittel<br />
rechtfertigen es, einen<br />
hochachtbaren<br />
Mann wie Salieri derart<br />
zu verdächtigen.“<br />
Stets verdächtig:<br />
<strong>die</strong> Freimaurer<br />
Verschwörungstheorien<br />
rund um Mozarts<br />
Tod waren in den<br />
80er-Jahren derart<br />
populär, dass nur ein<br />
Jahr nach „Amadeus“<br />
ein zweiter Mozart-<br />
Film herauskam,<br />
genannt „Vergesst<br />
Mozart“. In <strong>die</strong>sem Film vertritt Graf<br />
Pergen <strong>die</strong> Ansicht, der Komponist<br />
sei von Mitgliedern der Freimaurer-<br />
Loge vergiftet worden, der er seit<br />
1782 angehörte. Grund sei der Verrat<br />
von Freimaurer-Geheimnissen in der<br />
„Zauberflöte“ gewesen. Der Freimaurer-Schwur<br />
drohe für <strong>die</strong>sen Fall den<br />
Tod an. Diesen habe der Librettist der<br />
Oper, Emanuel Schikaneder, auf Geheiß<br />
des Ordens mit giftigem Quecksilber<br />
vollstreckt. Diese Theorie wird<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 53
Mozart und<br />
Linley 1770<br />
im weiteren Verlauf der Handlung jedoch<br />
widerlegt. Das insgesamt recht<br />
wirre Werk von Regisseur Miroslav<br />
Luther entzieht sich bewusst der<br />
Festlegung auf eine bestimmte Deutung<br />
von Mozart Tod.<br />
Die „Freimaurer-Theorie“ besagt<br />
in ihrer detaillierteren Ausformung,<br />
dass in der „Zauberflöte“<br />
18 Geheimnisse der Loge verraten<br />
worden seien. Der Bund der Freimaurer<br />
war seit 1742 in Wien vertreten.<br />
Kaiser Joseph II., Urheber des Bonmots,<br />
Mozarts „Figaro“ enthalte „zu<br />
viele Noten“, stand dem humanitären<br />
und aufgeklärten Geist der Loge ursprünglich<br />
wohlwollend gegenüber.<br />
1785 allerdings beschloss er jedoch<br />
sein „Freimaurerpatent“, das <strong>die</strong> Logentätigkeit<br />
stark behinderte und einschränkte.<br />
In <strong>die</strong>sen Zeiten der Loge<br />
nicht den Rücken zu kehren, bewies<br />
Mut. Das Verschwiegenheitsgebot<br />
gab es zweifellos, jedoch war <strong>die</strong> „Geheimniskrämerei“<br />
kein Selbstzweck,<br />
sondern entstand zum Selbstschutz<br />
aufgrund kirchlicher Verfolgung. So<br />
merkwürdig uns <strong>die</strong> Logen-Rituale<br />
heute erscheinen, zur Lebenszeit Mozart<br />
war es ein Zeichen eines freien,<br />
kritisches Geistes, dort Mitglied zu<br />
werden. Es gab im Ständestaat nicht<br />
so viele säkulare, humanistische Bewegungen,<br />
<strong>die</strong> das Prinzip der Ranggleichheit<br />
aller Menschen vertraten.<br />
Seit 1782 war der Komponist Mitglied<br />
der Loge „Zur Wohltätigkeit“.<br />
In seinem letzten Brief an den Vater<br />
Leopold (4. April 1787) beschreibt<br />
er seine Gefühle der Dankbarkeit<br />
gegenüber den Freimaurern. Er<br />
sah den Beitritt als Gelegenheit zur<br />
Schulung seines Geistes im Sinne<br />
von praktizierter Humanität. Mehrere<br />
Kompositionen widmete Mozart<br />
der Loge, so zuletzt im Todesjahr <strong>die</strong><br />
„Freimaurer“-Kantate. Nach Ansicht<br />
mehrerer Mozart-Experten enthält<br />
<strong>die</strong> „Zauberflöte“ keinen Geheimnisverrat.<br />
In dichterischer Form werden<br />
darin lediglich einige Ideale der Loge<br />
(Tugend, Verschwiegenheit, Wohltätigkeit)<br />
transportiert. Prinz Tamino<br />
durchläuft eine Reihe von Prüfungen,<br />
<strong>die</strong> an <strong>die</strong> Einweihungsrituale der<br />
Freimaurer erinnern. „Guru“ Sarastro<br />
gibt den gravitätischen Logen-Oberen:<br />
„In <strong>die</strong>sen heiligen Hallen kennt<br />
man <strong>die</strong> Rache nicht“. Ist es wahrscheinlich,<br />
dass sich Mozart gerade<br />
durch <strong>die</strong>ses eindeutige Bekenntnis<br />
zur Weltanschauung der Freimaurer<br />
deren Rache zugezogen hat? Für ein<br />
Zerwürfnis des Genies mit der Loge<br />
kurz vor Lebensende gibt es keine<br />
historischen Belege. Ebenso dürfte<br />
<strong>die</strong> Vorstellung einer rachsüchtigen<br />
Mörderbande überkommenen und<br />
ungerechten Freimaurer-Klischees<br />
geschuldet sein.<br />
Wie starb Mozart wirklich?<br />
In den 50er-Jahren gehörte Aloys<br />
Greither, Professor für Dermatologie,<br />
zu den geachtetsten Mozart-Experten.<br />
In seinem Werk „Wolfgang Amadé<br />
Mozart – Seine Leidengeschichte“<br />
führt er aus, dass der Keim von Mozarts<br />
tödlicher Krankheit schon in den<br />
schweren Erkrankungen des Knaben<br />
zu finden gewesen sei. Die Wunderkind-Karriere“<br />
des Buben, vorangetrieben<br />
durch den ehrgeizigen Vater<br />
Leopold, hätte Wolfgangs Gesundheit<br />
früh untergraben. Maßgeblich dafür<br />
seien <strong>die</strong> ausgedehnte Reisetätigkeit<br />
sowie geistige Überanstrengung gewesen.<br />
Mozarts finale Erkrankung<br />
war nach Greither ein chronisches<br />
Nierenleiden, das sich durch einen<br />
aktuellen Infekt verschlimmerte.<br />
Dieses Ereignis sei aber nur <strong>die</strong> Eskalationsstufe<br />
einer ganzen Kette<br />
gesundheitlicher Probleme gewesen.<br />
„Zeit online“ resümiert: „Der Leser<br />
<strong>die</strong>ser Krankheitsgeschichte wird mit<br />
Erschütterung inne, wie überbürdet<br />
von Leiden, wie arm an Licht und wie<br />
fast ganz ohne fürsorgende Liebe in<br />
jedem Alter das Dasein <strong>die</strong>ses Genies<br />
war, der soviel Glanz und Wärme zu<br />
verschenken hatte.“<br />
Im Jahr 2000 beschäftigte sich ein<br />
Ärztekongress in Baltimore erneut<br />
intensiv mit dem Tod des Komponisten.<br />
Den Kongress-Teilnehmern<br />
wurde <strong>die</strong> Krankheitsgeschichte<br />
Mozarts in allgemeiner Form vorgetragen,<br />
ohne dass sein illustrer<br />
Name genannt wurde. Auf <strong>die</strong>se Weise<br />
konnten <strong>die</strong> beteiligten Ärzte <strong>die</strong><br />
wahrscheinliche Todesursache objektiver<br />
bestimmen. Den akuten Krankheitsverlauf<br />
kann man ungefähr so<br />
zusammenfassen: Am 20. November<br />
1991 klagte Mozart über Fieber, Gliederschmerzen,<br />
geschwollene Arme<br />
und Beine. Er war reizbar und ruhebedürftig.<br />
Später kamen Erbrechen<br />
und Durchfall hinzu. Kurz vor seinem<br />
Tod am 5. Dezember fiel er ins Koma.<br />
Die Kongress-Teilnehmerin Faith<br />
Fitzgerald diagnostizierte ein akutes<br />
rheumatisches Fieber, ausgelöst<br />
durch Streptokokken-Bakterien – ein<br />
Leiden übrigens, das man heute mit<br />
Antibiotika problemfrei behandeln<br />
54<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
könnte. Eine Nierenkrankheit – der<br />
Favorit von Aloys Greither – schloss<br />
<strong>die</strong> Internistin aus.<br />
Diese nachvollziehbare Ferndiagnose<br />
blieb weder <strong>die</strong> einzige noch<br />
<strong>die</strong> letzte, <strong>die</strong> es zum Tode des Publikumslieblings<br />
gibt. 2010 veröffentlichte<br />
ein Forscherteam um Richard<br />
Zegers (Amsterdam) in einer Stu<strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Meinung, Mozart sei an einer viralen<br />
Halsentzündung gestorben.<br />
Auch hierfür werden Streptokokken<br />
verantwortlich gemacht. Diese hätten<br />
auch eine Nierenerkrankung verursacht,<br />
<strong>die</strong> wiederum hätte Mozarts<br />
Körper so anschwellen lassen, dass<br />
er sich zuletzt nicht einmal mehr im<br />
Bett umdrehen konnte. Zegers hatte<br />
für seine Diagnose immerhin <strong>die</strong><br />
Leichenschau-Protokolle der Stadt<br />
Wien ausgewertet. Im selben Winter<br />
wie Mozart, so fand Richard Zegers<br />
heraus, starben 27 jüngere Männer<br />
an Ödemen (Schwellungen aufgrund<br />
von Flüssigkeitsanlagerungen, wie sie<br />
Mozart hatte). Der Arzt schließt aus<br />
<strong>die</strong>sen Hinweisen auf<br />
eine Streptokokken-<br />
Epidemie.<br />
„Darum lasst uns<br />
Menschen sein“<br />
Der Film „Amadeus“<br />
zeigte Mozart als kieksendes<br />
Depperl, durch<br />
das göttliche Musik<br />
gleichsam hindurch<br />
floss wie durch ein leeres<br />
Gefäß. „Channeling“<br />
nennt man <strong>die</strong>ses<br />
Phänomen wohl heute.<br />
War Mozart ein musikalisches<br />
Medium, seiner<br />
Inspiration eigentlich<br />
unwürdig? Dieses<br />
Bild ist wohl hollywoodesk<br />
verzerrt und teilweise<br />
dem berüchtigten<br />
Fäkalhumor in den<br />
„Bäsle-Briefen“ geschuldet.<br />
Mozart war<br />
sehr wohl zu ernsthaften<br />
Gedanken fähig<br />
wie einige bewegende<br />
Äußerungen in seinen<br />
Briefen zeigen. Z.B.<br />
<strong>die</strong>se: „Da der Tod der<br />
wahre Endzweck unseres<br />
Lebens ist, so habe<br />
ich mich mit <strong>die</strong>sem<br />
wahren, besten Freund<br />
des Menschen so bekannt<br />
gemacht, dass sein Bild allein<br />
nichts Schreckliches mehr für mich<br />
hat.“ Freilich hatte der Jahrtausend-<br />
Musiker auch irdische, banale Züge.<br />
Dies ist jedoch eine Binsenweisheit,<br />
<strong>die</strong> seiner Größe keinen Abbruch tut.<br />
„Den Himmel zu erringen ist etwas<br />
Herrliches und Erhabenes, aber<br />
auch auf der lieben Erde ist es unvergleichlich<br />
schön. Darum lasst uns<br />
Menschen sein“. Ist <strong>die</strong>s Oberflächlichkeit,<br />
oder nicht vielmehr Tiefe?<br />
Mein Klavierlehrer, ein großer<br />
Mozart-Verehrer, sagte einmal, der<br />
Komponist habe seine Opernfiguren<br />
in einer ähnlichen Weise betrachtet,<br />
wie Gott seine Geschöpfe: menschliche<br />
Schwächen hellsichtig aufdekkend,<br />
um sie im selben Atemzug<br />
zu vergeben. Nicht wenige Charaktermerkmale<br />
des Künstlers deuten<br />
darauf hin, dass seine Meisterschaft<br />
keine „Sumpfblüte“ war; vielmehr<br />
wuchs sie auf dem soliden Boden<br />
einer ganzheitlich reifen Persönlichkeit.<br />
Mozart war vielseitig gebildet<br />
Wollen wir nur nicht wahrhaben,<br />
dass uns durch einen dummen<br />
körperlichen Zufall<br />
(eine Virus-Infektion) Mozarts<br />
Spätwerk geraubt wurde?<br />
und vertrat im Rahmen dessen, was<br />
in der Ständegesellschaft möglich<br />
war, einen aufklärerischen Standpunkt.<br />
Er reagierte auf <strong>die</strong> Anmaßung<br />
des Adels, seine Schöpferkraft<br />
nach seinen Interessen zu lenken,<br />
teilweise mit widerständigem Stolz.<br />
„Figaros Hochzeit“ nach dem berüchtigten<br />
Stück von Beaumarchais<br />
war eine Provokation, selbst <strong>wenn</strong><br />
der berühmteste Satz daraus – „Sie,<br />
gnädiger Herr, haben sich <strong>die</strong> Mühe<br />
gemacht, geboren zu werden und<br />
weiter nichts“ – in der Oper fehlte.<br />
Wollen wir nur einfach nicht<br />
wahrhaben, dass uns durch<br />
einen dummen körperlichen<br />
Zufall (etwa eine Virus-Infektion)<br />
Mozarts Spätwerk geraubt wurde –<br />
Werke von vermutlich unfassbarer<br />
Schönheit und Qualität? Hinter dem<br />
Spruch „Nur <strong>die</strong> Besten sterben<br />
jung“ steht zumindest eine Teilwahrheit.<br />
Mozart lebte und komponierte<br />
in einer für Außenstehenden unbegreiflichen<br />
Geschwindigkeit.<br />
Zudem war er<br />
„beruflich“ schon als<br />
kleiner Junge erwachsen.<br />
Schon mit 12 Jahren<br />
hatte er drei Opern,<br />
sechs Symphonien und<br />
hunderte anderer Werke<br />
komponiert. War<br />
es nicht naheliegend,<br />
dass er, der so viel<br />
Leben, so viel Schöpferkraft<br />
in so wenige<br />
Jahre gepresst hatte,<br />
früher ausbrannte als<br />
Andere? Viele versuchen<br />
sich den frühen<br />
Tod des Genies mit<br />
solchen Überlegungen<br />
jedenfalls wohl leichter<br />
zu machen. „Requiem<br />
aeternam dona eis.“<br />
Ruhe auch du in Frieden,<br />
Wolferl. Deine Musik<br />
ist eh unsterblich. ▀<br />
W. A. Mozart im<br />
Alter von 21 mit<br />
dem Orden vom<br />
Goldenen Sporn<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 55
Der Phönix – das erste Geld des<br />
unabhängigen Griechenland<br />
1828. Es wurde aus Silbermangel<br />
schon bald durch ungedecktes<br />
Papiergeld ersetzt.<br />
„Phönix“<br />
aus der Asche<br />
Eine Geld-<strong>Geschichte</strong> aus Griechenland<br />
Monika Herz<br />
Als ständig hilfsbedürftige, beklagenswert<br />
ineffiziente Volkswirtschaft<br />
steht Griechenland heute in<br />
der öffentlichen Wahrnehmung da.<br />
Dem Land werden wir vielleicht<br />
schon in naher Zukunft „kaputt geholfen“<br />
haben. Dabei handelt es sich<br />
bei den Griechen um eines der ideenreichsten<br />
und innovativsten Völker<br />
der Weltgeschichte. Das zeigte sich<br />
auch an einem zukunftsträchtigen<br />
Geldexperiment aus dem Jahr 1828.<br />
Monika Herz hat eine interessante<br />
<strong>Geschichte</strong> aufgespürt, <strong>die</strong> heute nur<br />
noch Wenigen bekannt ist. Sie erzählt<br />
davon, wie <strong>die</strong> Griechen entdeckten,<br />
dass Geld auch ohne „Deckung“ funktioniert,<br />
allein aufgrund kollektiver<br />
Übereinkunft. Die Idee erwies sich<br />
– wie vieles aus Griechenland – als<br />
zukunftsweisend. Statt sich über den<br />
mangelnden Eigenwert des Geldes zu<br />
beklagen, sieht <strong>die</strong> Autorin darin aber<br />
auch Vorteile und entwickelt – daran<br />
anknüpfend – <strong>die</strong> Vision eines besseren<br />
Geldes. rr<br />
Vor ein paar Tagen hielt ich eine<br />
wunderschön gestaltete Orakelkarte<br />
in Händen: Eine Frau sitzt<br />
rittlings auf einem mächtigen Vogel<br />
mit goldenem und rotem Gefieder und<br />
fliegt in den Himmel hinauf. Ich betrachtete<br />
das Bild, und in meinem Geist<br />
formte sich das Wort „Phönix“. Der legendäre<br />
Vogel, der sich aus der Asche<br />
erhebt, unsterblich. Zu meiner Überraschung<br />
spuckte das Internet für das<br />
Wort „Phönix“ gleich drei Bedeutungen<br />
aus. Der Phönix als mythischer Vogel,<br />
der aus seiner eigenen Asche wiedergeboren<br />
wird. Der Phönix als Wappentier.<br />
Und der Phönix als erste Währung<br />
des modernen griechischen Staates .<br />
Der Phönix – Symbol<br />
der Wiedergeburt<br />
In den Jahren 1932 und 1974 war der<br />
Phönix das Wappentier der Republik<br />
Griechenland. Das hatte wohl mit dem<br />
antiken Mythos zu tun. Dessen ursprüngliche<br />
Heimat ist das alte Ägypten.<br />
Dort lebte im Geist der Ägypter ein<br />
Totengott, der <strong>die</strong> Gestalt eines Zugvogels<br />
annehmen konnte. Nach seinem<br />
Abflug in <strong>die</strong> Überwinterungsgebiete<br />
kehrte das Tier frisch und neugebo-<br />
56<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Die Segnung der griechischen<br />
Flagge durch Metropolit Germanos<br />
von Patras am 25. März<br />
2821 gilt als Beginn des griechischen<br />
Unabhängigkeitskrieges<br />
gegen <strong>die</strong> Türkenherrschaft.<br />
In der Stadt Kalamata<br />
erklärte sich Griechenland<br />
– vermutlich am 23. März<br />
1821 – für unabhängig.<br />
ren jeweils im Frühjahr zurück. Der<br />
Vogel wurde dem Planeten Venus zugeordnet<br />
und erhielt einen goldenen<br />
Glorienschein. In <strong>die</strong>ser Form wurde<br />
er von griechischen Dichtern aufgegriffen<br />
und weithin bekannt gemacht.<br />
Die Dichter erzählten, dass der Vogel<br />
aus der Asche einer Gottheit hervorgegangen<br />
sei und bis zu 500 Jahre alt<br />
werden könne. Die Zeitspanne von 500<br />
Jahren steht dabei wohl für eine unvorstellbar<br />
lange Zeit. Als der Phönix dann<br />
sein Ende nahen fühlte, baute er sich<br />
ein Nest, setzte sich hinein, zündete es<br />
an und verbrannte sich selber mit Haut<br />
und Gefieder. In der Asche blieb ein<br />
goldenes Ei zurück. Aus dem schlüpfte<br />
ein neuer Phönix und flog in den indigoblauen<br />
Himmel hinauf.<br />
Der ersten griechischen Währung,<br />
<strong>die</strong> ebenfalls „Phönix“ hieß, ist es<br />
leider nicht so gut ergangen wie<br />
ihrem Namenspatron. Sie wurde 1828<br />
eingeführt, und der Name sollte <strong>die</strong><br />
Wiedergeburt Griechenlands symbolisieren,<br />
das gerade <strong>die</strong> Unabhängigkeit<br />
vom Osmanischen Reich erreicht hatte.<br />
Der Phönix ersetzte den türkischen<br />
Kurus. Eine eigene Währung gilt schon<br />
lange als Zeichen für Unabhängigkeit<br />
eines Landes. Die Phönix-Münze war<br />
damals ca. 4,5 g schwer und aus feinstem<br />
Silber geprägt. Weil es aber leider<br />
nicht allzu viel Silber in Griechenland<br />
gab, konnten nur relativ wenige<br />
Münzen geprägt werden, und <strong>die</strong> meisten<br />
Transaktionen fanden weiterhin in<br />
ausländischen Währungen statt.<br />
Papiergeld – eine smarte Idee<br />
Dieses Dilemma sollte durch einen<br />
ziemlich schlauen Akt gelöst werden.<br />
Im Jahr 1831 wurden 300.000 Phönix<br />
als Papiergeld herausgegeben. Das<br />
Papier war nicht durch Edelmetalle<br />
gedeckt. Die damalige griechische Regierung<br />
war also ihrer Zeit weit voraus.<br />
Denn heute ist es ganz selbstverständlich,<br />
dass Papiergeld durch nichts gedeckt<br />
ist. Es funktioniert eigentlich<br />
ganz wunderbar. Nur glaubten <strong>die</strong><br />
Griechen das damals noch nicht. Sie<br />
dachten, nur Papier, das mit Gold oder<br />
Silber „gedeckt“ ist, sei wirklich etwas<br />
wert. Deshalb wollten sie den Phönix<br />
nicht annehmen, und das führte bereits<br />
ein Jahr später zu einer weiteren Währungsreform,<br />
bei der dann <strong>die</strong> griechi-<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 57
Phönizische Münze<br />
(5. Jh. v. Chr.)<br />
sche Drachme rauskam. Der Phönix als<br />
Symbol wanderte zur Drachme hinüber.<br />
Ich hab <strong>die</strong> Drachme ja noch selber<br />
in der Hand gehabt. Damals, als ich<br />
mit 17 meine erste Reise in <strong>die</strong> weite<br />
Welt unternahm, mit Rucksack, Schlafsack<br />
und erhobenem Daumen. Ich fand<br />
es sehr spannend, wie unterschiedlich<br />
<strong>die</strong> Währungen in der Welt gestaltet<br />
sind und wie viel meine Deutsche Mark<br />
im Verhältnis zu anderen Geldern wert<br />
war. Heute muss man schon z.B. nach<br />
In<strong>die</strong>n fahren, um etwas Derartiges zu<br />
erleben. Erstaunlich, wie viele Rupien<br />
man dort für Euro bekommt und was<br />
man alles davon kaufen kann. Ich profitiere<br />
davon, sicher, aber ich fühle mich<br />
nicht wohl, <strong>wenn</strong> <strong>die</strong>s auf Kosten Anderer<br />
geschieht, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong>ses Weise über<br />
den Tisch gezogen werden.<br />
Wer rettet <strong>die</strong> Griechen<br />
vor den Rettern?<br />
Die <strong>Geschichte</strong> ging so weiter, dass <strong>die</strong><br />
griechische Drachme 2002 zugunsten<br />
des Euro aufgegeben wurde. Heute erfahren<br />
wir in der Presse, dass wir Europäer<br />
jetzt „<strong>die</strong> Griechen retten“ müssten.<br />
Der griechische Staat ist nämlich<br />
angeblich so schrecklich verschuldet,<br />
dass er seine Zinsen nicht mehr zahlen<br />
kann. Die Negativ-Zinsen der einen<br />
sind ja <strong>die</strong> Positiv-Zinsen der Anderen.<br />
Diese „Anderen“ sind zum Beispiel <strong>die</strong><br />
deutschen Sparer, <strong>die</strong> ihre Euros privaten<br />
Rentenversicherern in den Rachen<br />
geworfen haben. Diese haben mit dem<br />
Geld der Sparer griechische Staatsanleihen<br />
gekauft haben. Es müssen also<br />
eigentlich nicht <strong>die</strong> Griechen gerettet<br />
werden, sondern <strong>die</strong> deutschen Rentner.<br />
Das sagt uns aber keiner.<br />
Frau Merkel fährt oft nach Griechenland,<br />
redet mit den dortigen<br />
Staatsoberhäuptern und verspricht<br />
frisches Geld, damit <strong>die</strong> Griechen wieder<br />
zahlungsfähig sind (oder damit <strong>die</strong><br />
deutschen privaten Rentenversicherungen<br />
wieder Profit machen können).<br />
Als Gegenleistung sollen <strong>die</strong> Griechen<br />
dann sparen. Gespart wird immer an<br />
den Sozialleistungen. Wo sonst, an<br />
den Rüstungsausgaben etwa? Hierzu<br />
schrieb das Greenpeace-Magazin: „Als<br />
<strong>die</strong> EU Athen bereits ein einschneidendes<br />
Sparpaket auferlegt hatte, drängten<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel und<br />
der damalige französische Präsident<br />
Nikolas Sarkozy den damaligen griechischen<br />
Premierminister Giorgos Papandreou<br />
am Rande eines EU-Gipfels<br />
dazu, bestehende Rüstungsbestellungen<br />
bei deutschen und französischen<br />
Waffenschmieden mit einem Volumen<br />
von über 400 Millionen Euro nicht zu<br />
stornieren.“ Merkwürdig.<br />
Ein Banker wird kreativ<br />
Damit sind wir in der Gegenwart angelangt.<br />
Thomas Mayer, der ehemalige<br />
„Vater der Deutschen Bank“, ein Chef-<br />
Volkswirt, verkündete kurz vor seinem<br />
Abflug in <strong>die</strong> Rente im Jahr 2013 eine<br />
tolldreiste Idee zur Rettung Griechenlands.<br />
Herr Mayer meinte in einer<br />
Nachrichtensendung, <strong>die</strong> Griechen<br />
sollten doch für <strong>die</strong> innergriechischen<br />
Geschäfte den „Geuro“ (griechischen<br />
Euro) einführen. Die Bürger des Landes<br />
sollten mit <strong>die</strong>ser Geld-Kreation dazu<br />
bewegt werden, ihre Euro-Scheine gegen<br />
Geuros einzutauschen. Die Griechen<br />
hatten nämlich angefangen, Bargeld<br />
zu horten, obwohl <strong>die</strong>ses „an sich“<br />
ja gar keinen Wert hat. Der Wert von<br />
Papiergeld beruht ausschließlich auf<br />
einer kollektiven Übereinkunft, so wie<br />
seinerzeit der Phönix. Nur heute stört<br />
es niemanden mehr..<br />
Das Wort Kredit kommt von „Credo“<br />
– das heißt: „ich glaube“.<br />
Menschen glauben, dass sie<br />
Schulden haben, unbewusst also wohl<br />
auch daran, schuldig zu sein. Außerdem<br />
glauben sie daran, dass ihr Geld<br />
irgendwie „gedeckt“ ist. In Wirklichkeit<br />
ist es aber durch nichts anderes als<br />
unserem Glauben gedeckt. Das <strong>wäre</strong><br />
eigentlich nicht so schlimm, <strong>die</strong> Idee<br />
hat sogar etwas Geniales. Schlimm ist<br />
nur, dass im herrschenden System das<br />
Geld hinten und vorne fehlt. Mir fehlt es<br />
z.B., um endlich den Boden zu kaufen,<br />
auf den ich mein Haus bauen möchte.<br />
Viel schlimmer noch ist aber, dass vielen<br />
Menschen sogar das Geld für das<br />
Lebensnotwendige fehlt – etwa um ihre<br />
Kinder zu versorgen. Daneben gibt es –<br />
auch in Griechenland – Leute, <strong>die</strong> so viel<br />
Geld haben, dass sie gar nicht wissen,<br />
wohin damit. Das sind aber nicht <strong>die</strong>, an<br />
denen gespart werden soll.<br />
Planspiel: eine bayerische<br />
Parallelwährung<br />
Ich habe Herrn Mayer damals einen<br />
Brief geschrieben und ihm vorgerechnet,<br />
dass Griechenland mit seinem Geuro<br />
gar nicht gerettet werden kann. Dazu<br />
habe ihn eingeladen, mit mir Bayern zu<br />
besuchen, natürlich nur im Geist. Bayern<br />
hat mit seinen 12,5 Millionen Einwohnern<br />
eine vergleichbare Größe wie<br />
Griechenland. Die anteilige Staatsverschuldung<br />
beträgt ca. 310 Milliarden<br />
€, das sind für jeden einzelnen Bürger<br />
24.816 € Pro-Kopf-Verschuldung. Zum<br />
Vergleich: Griechenland hat 10,7 Millionen<br />
Einwohner und eine Pro-Kopf-Verschuldung<br />
von 29.000 €. Also haben <strong>die</strong><br />
Griechen gerade mal 4000 Euro mehr<br />
Schulden als wir in Bayern. Das könnte<br />
bedeuten, dass auch wir bald „gerettet“<br />
werden müssen. Vielleicht wird dann<br />
das Letzte, was wir haben, das wunderschöne<br />
bayerische Land, an <strong>die</strong>jenigen<br />
verpfändet, bei denen wir <strong>die</strong>se Schulden<br />
haben.<br />
Um einem ungeordneten Staatsbankrott<br />
zu entgehen, so erklärte<br />
ich in meinem Brief an Herrn<br />
Mayer, müsse auch in Bayern eine Parallelwährung<br />
eingeführt werden – und<br />
zwar bevor es zu spät ist. Bayern würde<br />
sich also eine eigene Zentralbank einrichten<br />
und den „Beuro“ herausgeben<br />
(um bei Mayers Wortspiel zu bleiben).<br />
In meinem Zukunftstraum würden sich<br />
<strong>die</strong> Bayern mit ihrer nagelneuen Währung<br />
dann unabhängig machen – unabhängig<br />
von Schulden. Nachdem <strong>die</strong><br />
anteiligen Schulden an den Bund zurückgezahlt<br />
sind, würde jeder der tapferen<br />
Bayern sein eigenes bayrisches<br />
Geld als Geschenk bekommen. 25.000<br />
– genau so viel, wie er vorher an Schulden<br />
hatte. Es <strong>wäre</strong> dann kein Schuldgeld<br />
mehr, sondern Geschenk-Geld. Es<br />
<strong>wäre</strong> nicht von Banken aus dem Nichts<br />
erzeugt, sondern von uns selbst. Wer<br />
wollte, könnte es sich in Form eines<br />
Grundeinkommens auszahlen lassen.<br />
Eine Rückkehr des „Phoenix“?<br />
Das bleibt vorerst ein Traum. Allerdings<br />
haben sich auch andere schlaue Köpfe<br />
über neues Geld Gedanken gemacht.<br />
Das Internet-Wirtschaftsmagazin „libri<br />
logicorum“ bringt eine Komplementärwährung<br />
als Rettungsanker in Griechenland<br />
ins Spiel – interessanterweise<br />
sogar unter dem Namen „Phoenix“.<br />
„Das würde dann so aussehen, dass <strong>die</strong><br />
Republik Griechenland den Euro nicht<br />
58<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
abschaffen, sondern einen parallelen<br />
Phoenix mit einem Erstausgabewechselkurs<br />
von 1:1 zum Euro ausgeben<br />
würde. Der große Vorteil hierbei <strong>wäre</strong>,<br />
dass Griechenland pro forma im Eurosystem<br />
verbleiben würde, aber bei den<br />
Lohn- & Rentenzahlungen nicht davon<br />
abhängig <strong>wäre</strong>, tatsächlich über Euros<br />
zu verfügen“.<br />
Das Problem an Geldknappheit, ist<br />
ja: Sie ist mittlerweile der Drehund<br />
Angelpunkt, <strong>wenn</strong> es darum<br />
geht, den Volkswillen zu brechen.<br />
Selbst <strong>wenn</strong> eine überwältigende Mehrheit<br />
gegen Sozialabbau ist, man kann ja<br />
„leider Gottes“ nur das Geld ausgeben,<br />
was man hat. Die Tatsache, dass monströse<br />
Milliardenvermögen noch immer<br />
in den Händen der reichsten 10 Prozent<br />
gebunkert sind, wird natürlich verschwiegen,<br />
<strong>wenn</strong> man <strong>die</strong> „Alternativlosigkeit<br />
von Reformen“ unterstreichen<br />
will. <strong>Was</strong> den Griechen blühen könnte,<br />
machte <strong>die</strong> Ratingagentur S&P deutlich.<br />
Sie drohte, <strong>wenn</strong> der Aufstand der<br />
Massen das radikale Sparprogramm<br />
zu Fall brächte, müsse man <strong>die</strong> Kreditwürdigkeit<br />
des Landes noch niedriger<br />
einstufen – schlechter als das ohnehin<br />
schon bedrohliche „BBB+“. Das könnte<br />
bedeuten, dass Griechenland entweder<br />
gar keine Kredite mehr bekommt oder<br />
zu erheblich höheren Zinsen.<br />
Fügsamkeit oder Neuanfang<br />
Die Lage scheint verfahren. Nach altem<br />
System bleibt den verschuldeten<br />
Ländern <strong>die</strong> Wahl zwischen „Pest und<br />
Cholera“, Fügsamkeit gegenüber den<br />
Befehlen der „Troika“ aus EU-Kommission,<br />
EZB und IWF oder Rebellion und<br />
internationale Isolierung – und noch<br />
mehr wirtschaftliche Probleme? Die<br />
Gedanken von „libri logicorum“ dazu<br />
sind wenigstens erfrischend und kühn:<br />
„Wenn Griechenland ganz fies ist, dann<br />
Notgeld der Phoenix Bergbau- und Hüttenbetrieb<br />
Aktiengesellschaft, 1923.<br />
erklärt es einfach mal<br />
alle griechischen Euros,<br />
sämtliche Buchgeldbestände<br />
und natürlich<br />
auch <strong>die</strong> auf Euro lautenden<br />
Staatsschulden<br />
als wertlos und führt den<br />
Phoenix als vollkommen<br />
neue Währung ohne<br />
staatliche garantiertes<br />
Umtauschrecht zum<br />
Euro ein. Der Vorteil<br />
<strong>wäre</strong>, dass der Staat<br />
ganz von allen Schulden<br />
befreit bei Null anfangen<br />
kann, der Nachteil,<br />
dass der Staat dann<br />
rundum nur von übel<br />
gesinnten Feinden (<strong>die</strong><br />
viel, viel Geld verloren<br />
haben) umgeben <strong>wäre</strong><br />
und auf Dauer niemand<br />
mehr Kredite an Griechenland<br />
vergeben würde.“<br />
Aber braucht ein<br />
Land, das sein<br />
Geld selbst schöpft und mit<br />
einem vernünftigen, nachhaltigen<br />
Geldsystem arbeitet, überhaupt noch<br />
Kredite? Vorerst bleiben kreative Ideen<br />
auf der Ebene der Spekulation.<br />
Wir dürfen aber schon mal anfangen,<br />
uns ein Geld vorzustellen, das so gestrickt<br />
ist, dass es sich schön gleichmäßig<br />
verteilt. Ein Geldsystem, das<br />
wie ein goldenes Ei in der Asche des<br />
alten Systems übrig bleibt, welches<br />
sich selbst verbrannt hat. Aus <strong>die</strong>sem<br />
Ei würde dann ein neues System<br />
schlüpfen, wie ein Vogel mit goldenen<br />
Federn, der sich beim Aufgang der<br />
neuen Sonne erhebt und in den indigoblauen<br />
Himmel hinein fliegt – in<br />
eine strahlende, glückliche Zukunft.<br />
▀<br />
„Die Phönizier haben das Geld erfunden –<br />
aber warum so wenig?“<br />
Und es ist nicht einmal wahr. Seit dem legendären Ausspruch<br />
von Johann Nepomuk Nestroy gelten <strong>die</strong> Phönizier<br />
als Erfinder des Geldes. In der Tat ist bekannt, dass es in<br />
den phönizischen Städten Arados, Tyros und Sidon schon<br />
im 5. Jh. v. Chr. Münzprägungen gab. Der Name der Seefahrernation,<br />
deren Heimat im heutigen Libanon und Syrien<br />
lag, erinnert interessanterweise an den „Phönix“.<br />
Die ersten Münzen wurden allerdings bereits von den Lydern<br />
im 7. Jh. v. Chr-geprägt. deren Reichtum seit König<br />
Krösus ebenfalls sprichwörtlich geworden ist.<br />
Gewöhnlich werden <strong>die</strong> Anfänge des Geldes im Tauschhandel<br />
gesehen. Besonders begehrte und einfach handhabbare<br />
Waren wie Muscheln, Getreide und Edelmetalle hatten<br />
sich dann als „Zwischentauschmittel“, quasi als frühe Form<br />
des Geldes, herausgebildet. Andere vermuten, der Kredit<br />
sei der Ursprung des Geldes gewesen.<br />
Geldscheine wurden erstmals in China im 11 Jh. verwendet.<br />
Sie <strong>die</strong>nten zunächst als vorübergehender Ersatz für fehlende<br />
Münzen. In Europa setzte sich <strong>die</strong>ses Prinzip, das den<br />
Zählwert erstmals vollkommen vom Materialwert trennte,<br />
erst im 14. Jh. durch, als <strong>die</strong> Spanier zur Kriegsfinanzierung<br />
sogenannte Belagerungsscheine ausgaben. Die ersten echten<br />
Banknoten für Jedermann emittierte <strong>die</strong> Bank of Stockholm<br />
im Jahre 1661. Papiergeld war jedoch zunächst noch<br />
durch Währungsreserven gedeckt. Scheine konnten bei Bedarf<br />
gegen „richtiges Geld“ umgetauscht werden.<br />
Schon im 14. Jh. bildete sich aber in Italien auch das Buchoder<br />
Giralgeld heraus. Es beinhaltete einen Anspruch des<br />
Kunden, von der Bank jederzeit eine Auszahlung in der verbuchten<br />
Höhe zu erhalten.<br />
Als historisch wichtiger Schritt gilt <strong>die</strong> Aufhebung der Golddeckung<br />
für den US-Dollar 1971 unter Richard Nixon. Als<br />
„Fiat-Geld“ (Fiat = „es werde“) gelten Zahlungsmittel, <strong>die</strong><br />
gleichsam aus dem „Nichts“ geschöpft wurden, also nicht<br />
auf einem zuvor vorhandenen tatsächlichen Wert beruhen.<br />
Im Zuge des Vertrauensverlustes, den <strong>die</strong> Weltleitwährung<br />
Dollar in den letzten Jahren erlitten hat, machen sich kluge<br />
Leute schon lange Gedanken darüber, welches Geldsystem<br />
ihm nachfolgen soll. „The Economist“ prognostizierte<br />
schon 1988, dass es bis 2018 eine neue Welt-Leitwährung<br />
geben solle. Die wirtschaftliche Souveränität der Staaten<br />
ginge dadurch komplett verloren. Der Name der (zunächst<br />
noch virtuellen) Währung: Phoenix. rr/fb<br />
Lydische Goldmünze des<br />
Königs Krösus (ca. 550 v. Chr.)<br />
Monika Herz ist Heilerin, Künstlerin und<br />
Mutter von fünf Kindern,<br />
gebürtig im bayerischen<br />
Hohenpeißenberg, wo sie mit<br />
traditionellen Heilmethoden<br />
in Berührung kam. Sie ist<br />
Autorin mehrerer Bücher,<br />
darunter „Alte Heilgebete“<br />
und „<strong>Geschichte</strong>n, <strong>die</strong><br />
heilen“.<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 59
Aufgang in der Katharerburg<br />
Quéribus<br />
Friedrich<br />
Wilhelm<br />
Nietzsche<br />
– gefangen zwischen Spiritualität und Ego<br />
Ralf Lehnert<br />
60<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong>
Vor 170 Jahren wurde einer der umstrittensten,<br />
provozierendsten und<br />
polarisierendsten Philosophen geboren:<br />
Friedrich Wilhelm Nietzsche.<br />
Im Folgenden zeige ich auf, dass es<br />
zu kurz greift, <strong>wenn</strong> man Nietzsches<br />
Werk mit Hinweis auf seine später<br />
durchgebrochene Geisteskrankheit<br />
sowie auf mögliche Deprivationen in<br />
seiner Kindheit erklärt und abwertet.<br />
Ich lege dar, dass Nietzsche ein<br />
spiritueller Mensch war, der mangels<br />
eines adäquaten Rahmens bzw.<br />
einer kompetenten Führung seine<br />
spirituellen Impulse und Offenbarungen<br />
gleichsam naturwüchsig mit<br />
seinem Ego vermischte und an den<br />
daraus erwachsenen Widersprüchen<br />
und Spannungen zerbrach.<br />
Bereits in seiner Jugend widmete<br />
sich Nietzsche anspruchsvoller literarischer,<br />
philosophischer und spiritueller<br />
Werke. Lange Zeit eiferte<br />
er Schopenhauer nach und er war<br />
ebenso vertraut mit chinesischer,<br />
persischer und altindischer Philosophie.<br />
Er las in den Upanishaden und<br />
der Bhagavad Gita, und auch <strong>die</strong> griechische<br />
Tragö<strong>die</strong> zog ihn an.<br />
Schon frühzeitig kristallisierte sich<br />
sein Drang nach etwas Höherem und<br />
Umfassenderem heraus. So schrieb<br />
er mit 17 Jahren : „Es muss noch<br />
höhere Prinzipien geben, vor denen<br />
alle Unterschiede in eine große Einheitlichkeit<br />
zusammenfließen... alles<br />
einem ungeahnten Ozean zuströmt,<br />
wo sich alle Entwicklungshebel der<br />
Welt wiederfinden, vereinigt, verschmolzen,<br />
all-eins.“<br />
Normen ersticken <strong>die</strong> Individualität<br />
Vor <strong>die</strong>sem Hintergrund avancierte<br />
Nietzsche schnell zu einem scharfzüngigen<br />
Kritiker der gesellschaftlichen<br />
Normen, Tugenden und Moralvorstellungen.<br />
Nietzsche monierte<br />
etwa spöttelnd, dass man „den Begriff<br />
Liebe als den Gegensatz des Egoismus<br />
herausgenommen hat, während<br />
sie vielleicht gerade der unbefangenste<br />
Ausdruck des Egoismus ist.“<br />
Er lehnte Mittelmäßigkeit und<br />
Spießbürgertum ab sowie <strong>die</strong><br />
daraus entstehende Ideologie,<br />
dass alle Menschen gleich seien. Deren<br />
Verfechter zählte er zu den „geistig<br />
Armen“. Denn nach Nietzsche<br />
hat der Mensch <strong>die</strong> Aufgabe sich zu<br />
entfalten und geistig zu wachsen,<br />
wodurch <strong>die</strong> einzelnen Menschen auf<br />
unterschiedlichen Entwicklungsstufen<br />
stehen.<br />
Nietzsche kritisierte den Herdeninstinkt<br />
des Gehorsams, dem selbst<br />
Führer unterliegen können, <strong>wenn</strong> sie<br />
sich höheren Idealen verschreiben.<br />
Diese Herdentierorientierung, <strong>die</strong><br />
er im Christentum, im Sozialismus<br />
und in der Demokratie ausmachte,<br />
bezeichnete er als den Tod des Individuums.<br />
Nietzsche postulierte einen<br />
Führer oder ein Vorbild, der <strong>die</strong> Talente<br />
des Menschen und sein ureigenstes<br />
Wesen hervorlockt und fördert.<br />
An vielen Philosophien und Konzepten<br />
bemängelte er, dass sie nicht<br />
neutral, sondern interessenbedingt<br />
seien.<br />
Die Sehnsucht nach<br />
dem eigenen Gesetz<br />
Nietzsche beschrieb, dass im Menschen<br />
zwei Kräfte miteinander ringen:<br />
Die Gewohnheit und Trägheit, <strong>die</strong><br />
nach unten ziehen, sowie <strong>die</strong> Sehnsucht<br />
nach Höherem, <strong>die</strong> den Menschen<br />
über sich hinausführt.<br />
Nach Nietzsche werden <strong>die</strong> Menschen<br />
durch <strong>die</strong> herrschenden Moralvorstellungen<br />
klein gehalten zum<br />
Wohl der herrschenden Klasse.<br />
Sie werden auf falsche Autoritäten<br />
hin orientiert und es werden ihnen<br />
Schuldkomplexe aufgebürdet. Nietzsche<br />
nahm <strong>die</strong> Gefahr wahr, <strong>die</strong> von<br />
den Gutmenschen ausgeht: „Hüte<br />
dich vor den Guten und Gerechten! Sie<br />
kreuzigen gerne <strong>die</strong>, welche sich ihre<br />
eigene Tugend erfinden.“<br />
Der Philosoph erkannte allerdings<br />
auch, dass sich zahlreiche Menschen<br />
noch nicht selbst führen können und<br />
äußerer Lenkung bedürfen. Er forderte<br />
aber, dass <strong>die</strong> von fremden Interessen<br />
bedingten und einschränkenden<br />
Normen ersetzt werden durch<br />
konstruktive, <strong>die</strong> an <strong>die</strong> Stärken und<br />
Talente der Menschen appellieren<br />
und sie zu Selbständigkeit, Eigenverantwortung<br />
und Selbstbestimmung<br />
führen.<br />
Diejenigen Menschen, <strong>die</strong> dann<br />
zu ihrem inneren Willen und inneren<br />
Genius gefunden haben, benötigen<br />
nach Nietzsche keine äußere Führung<br />
mehr, da sie ihrem eigenen Gesetz<br />
unterstehen und von ihm geleitet<br />
werden.<br />
"Hüte dich vor den Guten und<br />
Gerechten! Sie kreuzigen gerne<br />
<strong>die</strong>, welche sich ihre eigene<br />
Tugend erfinden." Friedrich Nietzsche<br />
Friedrich Nietzsche<br />
im Jahre 1861<br />
Äußere und innere Religion<br />
Aus <strong>die</strong>ser Perspektive kritisierte<br />
Nietzsche <strong>die</strong> Religion wie kurz zuvor<br />
Marx und Engels als Opium fürs Volk.<br />
Er sah <strong>die</strong> Religion als ein System,<br />
das sich aus menschlichen Ängsten<br />
speist und daher auch den äußeren<br />
Menschen anspricht und sogar dem<br />
biologischen Menschen Auferstehung<br />
und ewiges Leben verspricht. Er bezeichnete<br />
<strong>die</strong> Kirchen als „Gräber und<br />
Grabmäler Gottes“, in denen keine<br />
lebendigen spirituellen Impulse loderten.<br />
Nietzsches Konzept des Übermenschen<br />
war auch eine Antwort<br />
auf <strong>die</strong> christlichen Bestrebungen,<br />
einen Gott außerhalb von<br />
sich zu verorten in einem äußerlichen<br />
Himmelreich. Nietzsche ging es um<br />
den aus dem verwandelten Menschen<br />
selbst geborenen Übermenschen, der<br />
sich nicht klein und unvollkommen<br />
gegenüber einem perfekten Gott fühlt.<br />
Nietzsche betrachtete den Menschen<br />
als Zwischenzustand: „Der Mensch ist<br />
ein Seil, geknüpft zwischen Tier und<br />
Übermensch - ein Seil über einem<br />
Abgrunde.“<br />
„Ich bin von heute..., aber etwas<br />
ist in mir, das ist von morgen und<br />
einstmals.“ Immer wieder ging es<br />
Nietzsche um Grenzüberschreitun-<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 61
Foto von 1872<br />
gen, das Ausweiten des Bewusstseins<br />
und das Erwecken des inneren Genius.<br />
Umgekehrt übte er harsche Kritik am<br />
veräußerlichten und seelenabgewandten<br />
Menschen: „Es gibt kein öderes und<br />
widrigeres Geschöpf in der Natur als<br />
den Menschen, der seinem Genius ausgewichen<br />
ist... er ist ganz Außenseite<br />
ohne Kern, ein anrüchiges, gemaltes,<br />
aufgebauschtes Gewand, ein verbrämtes<br />
Gespenst, das nicht einmal Furcht<br />
und gewiss auch kein Mitleiden erregen<br />
kann.“<br />
Ist Gott tot?<br />
Seine Kritik an den „Schriftgelehrten“,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> lebendigen spirituellen Impulse<br />
zu ersticken drohen, drückte er aus mit<br />
den Metaphern. „Gott ist tot“ und „Wir<br />
haben ihn getötet“. Nietzsche dazu weiter:<br />
„Das Heiligste und Mächtigste, was<br />
<strong>die</strong> Welt bisher besaß, es ist unter unseren<br />
Messern verblutet - wer wischt <strong>die</strong>s<br />
Blut von uns ab?“<br />
Nietzsche hat also keineswegs<br />
selbst Gott für tot erklärt, wie es<br />
oft ungenau übermittelt wird, Mit<br />
seinen bildlichen und provozierenden<br />
Äußerungen drückte der Philosoph vielmehr<br />
aus, dass <strong>die</strong> Menschen Gott – im<br />
symbolischen Sinne - getötet haben, indem<br />
sie ihn aus ihrem Bewusstsein und<br />
ihrer Seele vertrieben haben, und dass<br />
sie ohne spirituelle Orientierung leben.<br />
So heftig Nietzsche das Christentum<br />
und <strong>die</strong> Christen auch kritisierte,<br />
so sparte er doch Christus von <strong>die</strong>ser<br />
Missbilligung aus. „Im Grunde gab es<br />
nur einen Christen, und der starb am<br />
Kreuz“, polemisierte der wortgewaltige<br />
Philosoph.<br />
Der Draht nach oben<br />
Gelegentlich hört man auch, dass<br />
Nietzsche <strong>die</strong> Metaphysik in Bausch<br />
und Bogen verdammte. Doch sieht man<br />
deutlicher hin, merkt man, dass Nietzsche<br />
auch hier wieder das monierte,<br />
was <strong>die</strong> Menschen durch Selbstbetrug<br />
an Unglückseligem aus ihr gemacht<br />
haben: „Es ist wahr, es könnte eine<br />
metaphysische Welt geben; <strong>die</strong> absolute<br />
Möglichkeit davon ist kaum zu<br />
bekämpfen... Aber alles, was... bisher<br />
metaphysische Annahmen wertvoll,<br />
schreckenvoll, lustvoll gemacht, was<br />
62<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong><br />
Die Ruinen der Abtei<br />
von Glastonbury
sie erzeugt hat, ist Leidenschaft, Irrtum<br />
und Selbstbetrug; <strong>die</strong> allerschlechtesten<br />
Methoden der Erkenntnis.“<br />
An anderer Stelle reflektierte<br />
Nietzsche: „Zuletzt verstehen<br />
wir das bewusste Ich selber nur<br />
als ein Werkzeug im Dienst jenes höheren<br />
überschauenden Intellekts.“<br />
Dass der Philosoph mit Offenbarungen<br />
vertraut war, zeigt seine folgende<br />
Aussage: „Der Begriff Offenbarung,<br />
in dem Sinn, dass plötzlich, mit<br />
unsäglicher Sicherheit und Feinheit,<br />
etwas sichtbar, hörbar wird, etwas,<br />
das einem im Tiefsten erschüttert und<br />
umwirft, beschreibt einfach den Tatbestand...<br />
Wie ein Blitz leuchtet ein Gedanke<br />
auf, mit Notwendigkeit, in der<br />
Form ohne Zögern, - ich habe nie eine<br />
Wahl gehabt.“<br />
Nietzsche hatte demnach Kontakt<br />
zur Welt der Ideen, wie es Platon<br />
nennen würde. Von dort schöpfte er<br />
Inspirationen und Eingebungen. Der<br />
Literaturprofessor und spätere Yogi<br />
Sri Aurobindo, der sich an 28 Stellen<br />
seines Werkes auf Nietzsche bezieht,<br />
würdigte <strong>die</strong>sen „lebendigsten, konkretesten<br />
und anregendsten“ modernen<br />
Denker, weil er <strong>die</strong> Philosophie<br />
wieder mit der intuitiven Schau bereicherte.<br />
Die Verlockung von Macht und Ego<br />
Sri Aurobindo schränkte jedoch ein:<br />
„Zum größten Teil wurde <strong>die</strong>se Botschaft<br />
(Nietzsches), <strong>die</strong> vibrierend aus<br />
dem Unendlichen in sein inneres Ohr<br />
gelangte,... mit einem etwas turbulentem<br />
Strom assoziierender Gedanken<br />
vermischt, der viel von der ursprünglichen<br />
reinen Melo<strong>die</strong> vergehen ließ.“<br />
Sri Aurobindo bezeichnete Nietzsche<br />
sogar als einen Propheten, der jedoch<br />
„seine eigene Botschaft missverstand.“<br />
Nietzsches Ego war nicht bereitet,<br />
nicht assimiliert für <strong>die</strong> höheren<br />
Eingebungen und blieb<br />
seinen alten Vorstellungen und Prinzipien<br />
verhaftet. Er missbrauchte <strong>die</strong><br />
spirituellen Impulse für seine egobezogenen<br />
Ambitionen, seinen Machtanspruch<br />
und seine Selbstverliebtheit,<br />
<strong>die</strong> sich auch in seinen monströsen<br />
Wortgebilden, seiner ausdrucksstarken,<br />
fast musikalisch und rhythmisch<br />
überhöhten bilderreichen sowie sehr<br />
apodiktischen Sprache niederschlug.<br />
Mit seinen spirituellen Erfahrungen<br />
war Nietzsche allein.<br />
<strong>Was</strong> ihm fehlte,<br />
war der schützende<br />
Rahmen einer Mysterienschule<br />
oder<br />
eines kompetenten<br />
spirituellen Lehrers.<br />
Denn <strong>die</strong> Entgrenzung<br />
des Ichs,<br />
<strong>die</strong> mögliche Überschwemmung<br />
mit<br />
Impulsen und Eingebungen<br />
erfordert<br />
auf der anderen Seite<br />
einen Halt, eine<br />
Struktur und eine<br />
Führung.<br />
Problematisch<br />
auf dem spirituellen<br />
Weg<br />
kann gerade <strong>die</strong> lange<br />
Zwischenphase<br />
sein, <strong>die</strong> Phase der<br />
Schwebe, in der der<br />
Anwärter das sichere<br />
und gewohnte<br />
Festland verlassen,<br />
das andere Ufer<br />
aber noch nicht erreicht<br />
hat. In <strong>die</strong>ser<br />
Wüste – so <strong>die</strong> bildhafte<br />
Nomenklatur<br />
in der Bibel – ist der<br />
Mysterienschüler<br />
besonders anfällig<br />
für Verführungen<br />
oder Versuchungen<br />
seitens der subtilen<br />
Ego-Anteile.<br />
Der unscharfe<br />
Übermensch<br />
In <strong>die</strong>ser unheilvollen<br />
Vermischung<br />
von spirituellen In-<br />
Gemälde von Hans<br />
Olde (1899)<br />
spirationen, seiner<br />
Sehnsucht nach geistigem Wachstum<br />
und dem Machtanspruch des Ego entwickelte<br />
Nietzsche seine bereits erwähnten<br />
Ideen vom Übermenschen.<br />
Diese blieben letztendlich unscharf, da<br />
sie <strong>die</strong> Widersprüchlichkeit von Nietzsches<br />
geistigen Einflüssen und seiner<br />
unzureichenden spirituellen Reife widerspiegeln.<br />
Oft verstand Nietzsche<br />
unter dem Übermenschen den auferstandenen<br />
und zur Blüte gekommenen<br />
inneren Geistmenschen - ein<br />
Postulat zahlreicher spiritueller Bewegungen.<br />
Vor allem in der Zeit nach<br />
seinem „Zarathustra“ skizzierte er<br />
Der Übermensch<br />
Der Begriff „Übermensch“ (hyperanthropos, homo superior)<br />
reicht philosophiegeschichtlich bis ins 1. Jd. vor Christus zurück.<br />
Er charakterisiert einen Menschen, der sein geistiges<br />
Potenzial sehr weit entwickelt hat und voll ausschöpft. Manche<br />
Schriftsteller benutzten <strong>die</strong>se Bezeichnung aber auch<br />
spöttelnd. Nietzsche übernahm den Begriff von dem französischen<br />
Philosophen Claude Adrien Helvétius.<br />
Nietzsche verwendete <strong>die</strong>sen Begriff nicht immer einheitlich<br />
und stimmig. Er betonte jedoch an vielen Stellen, dass<br />
im Menschen ein Keim wohnt, der über ihn hinausweist, und<br />
dass es Aufgabe des Menschen ist, <strong>die</strong>sen zu erwecken und<br />
wachsen zu lassen. „Der bisherige Mensch“ ist, so Nietzsche,<br />
„gleichsam ein Embryo des Menschen der Zukunft - alle gestaltenden<br />
Kräfte, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong>sen hinzielen, sind in ihm.“<br />
Diese Idee ist auch <strong>die</strong> Grundlage zahlreicher spiritueller<br />
Weltanschauungen. Im „Buch des Mirdad“ bezeichnet der<br />
arabische Autor Mikhail Naimy den Menschen als einen „Gott<br />
in Windeln“. Der Rosenkreuzer-Großmeister van Rijckenborgh<br />
spricht vom „transfigurierten“ oder „kommenden<br />
neuen Menschen“, Sri Aurobindo lehrt das Erreichen des<br />
supramentalen Bewusstseins, und <strong>die</strong> theosophische und<br />
anthroposophische Tradition lehrt, dass der Mensch noch<br />
weitere, vor allem geistige, Enwicklungsstufen vor sich hat.<br />
Der Bibliothekar und Schriftsteller K.O. Schmidt nimmt<br />
Nietzsche vor dessen späterem Missbrauch in Schutz: „Der<br />
Übermensch – das ist keine neue Gattung, kein Erzeugnis der<br />
Rassenzüchtung; er ist der Gottesfunke in uns, der im Bewusstsein<br />
jedes zu sich selbst Erwachenden geboren wird.“<br />
unter <strong>die</strong>sem Begriff aber auch den<br />
weltlichen Machtmenschen. Diese<br />
Inkonsistenz in Nietzsches Ausführungen<br />
bereitete den Boden für unterschiedliche<br />
Auslegungen sowie<br />
ihren Missbrauch.<br />
Die Belastung der<br />
Fremdlingsschaft<br />
Der Widerstreit zwischen den spirituellen<br />
Impulsen und den Machtansprüchen<br />
seines Ichs begleitete<br />
Nietzsche sein ganzes Leben und<br />
tränkte seine teilweise widersprüchlichen<br />
und gelegentlich wirr klingenden<br />
Lehren.<br />
<strong>History</strong> MATRIX 3000 63
Friedrich Nietzsche<br />
liebte Chopin<br />
und Wagner und<br />
komponierte selbst<br />
Sonaten.<br />
Homo integralis<br />
Der Begriff „Übermensch“ (hyperanthropos, homo superior)<br />
Gemäß der Analyse des Schweizer Kulturphilosophen Jean<br />
Gebser durchläuft <strong>die</strong> Evolution des menschlichen Bewusstseins<br />
sowohl individuell als auch kulturell folgende Verfassungen:<br />
archaisch - magisch - mystisch - mental - integral.<br />
Jede Stufe stellt einen Fortschritt gegenüber der vorangegangenen<br />
dar. Im Lauf der Zeit degenerieren <strong>die</strong>se Verfassungen<br />
jedoch und werden defizient. Dies erkennt man daran, dass<br />
<strong>die</strong> einstige Qualität in Quantität umschlägt. Die Überhandnahme<br />
des Rationalen innerhalb der mentalen Struktur führt<br />
zur Vermassung, sichtbar etwa anhand der Überproduktion<br />
von Gütern oder der „Meinungsmache“ durch <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n.<br />
Dieser defiziente Aspekt beinhaltet jedoch auch <strong>die</strong> Chance,<br />
durch Rückbesinnung auf das Ursprüngliche zur nächsten<br />
Bewusstseinsverfassung, der integralen Stufe, zu springen.<br />
Der homo integralis sieht sich als bewusster Teil innerhalb<br />
der Ordnung von Mensch, Natur und Kosmos. Er verwirklicht<br />
all seine Potenziale und hat <strong>die</strong> Harmonie mit dem Ursprung<br />
sowie dem Ganzen im Auge.<br />
Rudolf Bahro (1935-<br />
1997) war Journalist,<br />
Philosoph, Sozialökologe<br />
und linksgerichteter<br />
DDR-Dissident.<br />
64<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong><br />
Er unterjochte<br />
seine spirituellen<br />
Einsichten<br />
und Kräfte seinem<br />
Ego, das sich<br />
aufplusterte und<br />
dem Größenwahnsinn<br />
verfiel. Zum<br />
Schluss konnte er<br />
das Spannungsfeld<br />
zwischen <strong>die</strong>sen<br />
gegensätzlichen<br />
Einflüssen nicht<br />
mehr aushalten. Es<br />
zerrieb ihn und er<br />
ging daran zugrunde.<br />
Der Soziologe<br />
Konrad Dietzfelbinger<br />
sieht den Zusammenbruch<br />
des<br />
großen Denkers in<br />
seiner Exponiertheit<br />
im negativen<br />
Sinn, in seinem<br />
Außenseitertum. Er<br />
hatte sich zu weit<br />
von den Menschen<br />
entfernt. Nietzsche<br />
drückte seine<br />
Fremdlingsschaft<br />
selbst aus in einem<br />
Brief an seinen<br />
Freund Overbeck:<br />
„Unter den Lebenden<br />
so wenig als<br />
unter den Toten<br />
habe ich jemanden, mit dem ich mich<br />
verwandt fühle.“<br />
Ungeheure Resonanz<br />
Dennoch hat Nietzsche wie kaum ein<br />
Philosoph viele Menschen, Erneuerer<br />
und andere Philosophen in seinen<br />
Bann gezogen. Dies dürfte neben seinen<br />
wortgewaltigen Abhandlungen,<br />
<strong>die</strong> alles andere als „trocken“ und<br />
blutleer waren, davon herrühren,<br />
dass er sich trotz seiner elitären und<br />
abgehobenen Perspektive mit dem<br />
alltäglichen Leben und den sozialen<br />
Angelegenheiten des Menschen befasst<br />
hat sowie mit einem Grundbedürfnis,<br />
der Sehnsucht nach Freiheit.<br />
Davon fühlten sich viele angesprochen<br />
und der Dichter und Philosoph<br />
stieß auf Resonanz - unabhängig davon,<br />
ob man ihm zustimmte oder ihn<br />
ablehnte.<br />
Das Nachwirken der Zerrissenheit<br />
„Heidnisch war sein Hirn, gläubig<br />
sein Herz.“ So charakterisierte der<br />
Philosoph und Mystiker Sir Muhammad<br />
Iqbal den Denker Nietzsche.<br />
Die Mehrschichtigkeit und Widersprüchlichkeit<br />
seiner Ideen setzt<br />
sich in seiner Rezeption fort:<br />
Der Systemkritiker Rudolf<br />
Bahro etwa, der im Vorwort<br />
zu Jochen Kirchhoffs Buch<br />
„Nietzsche, Hitler und <strong>die</strong> Deutschen“<br />
Nietzsche noch mit einer<br />
Atombombe verglich, schlug während<br />
seiner letzten Lebensjahre<br />
versöhnliche Töne an und versuchte,<br />
Nietzsche zu rehabilitieren. Er sah<br />
in Nietzsches vielfach missbrauchtem<br />
Postulat des Übermenschen<br />
große Ähnlichkeiten mit der auf den<br />
Kulturphilosophen Jean Gebser zurückgehenden<br />
Vision des „Homo<br />
integralis“. Der Mensch auf <strong>die</strong>ser<br />
Entwicklungsstufe überwindet durch<br />
seine „aperspektivische“ Haltung<br />
und Wahrnehmung Raum und Zeit<br />
und behält folglich auch alle vorherigen<br />
Bewusstseinsverfassungen,<br />
etwa <strong>die</strong> magische oder <strong>die</strong> mentale,<br />
in ihren konstruktiven Ausprägungen<br />
zu seiner Verfügung, um bei<br />
Bedarf aus ihnen zu schöpfen. Nach<br />
Bahro appellierte Nietzsche „an unsere<br />
Bereitschaft und Begabung, uns<br />
selbst auszuwählen zu 'einem neuen<br />
Volke', das <strong>die</strong> Erde zu leben weiß als<br />
eine Stätte der Genesung.“ ▀<br />
Lesetipps:<br />
Dietzfelbinger, Konrad: Nietzsches<br />
Erleuchtung, Königsdorf 2006.<br />
Huchzermeyer, Wilfried: Der Übermensch<br />
bei Friedrich Nietzsche und Sri Aurobindo,<br />
Gladenbach 1986.<br />
Nietzsche, Friedrich: Gesammelte Werke,<br />
Köln 2012.<br />
Schmidt, Karl-O.: In Harmonie mit<br />
dem Schicksal. Ein Führer zu neuem<br />
Menschentum, Ergolding 1993<br />
Ralf Lehnert, Autor und Dipl.-<br />
Soziologe, beschäftigt sich seit<br />
fast 30 Jahren theoretisch und<br />
praktisch mit Esoterik (Ost wie<br />
West) und hat auf <strong>die</strong>sem Weg<br />
zahlreiche kleine und große<br />
Glaubensgemeinschaften,<br />
Organisationen und spirituelle<br />
Gruppen von „Innen“ kennengelernt. Die Essenz<br />
seiner Erfahrungen verarbeitete er in mehreren<br />
Büchern. Bei der <strong>Matrix3000</strong> ist Ralf Lehnert<br />
Redakteur für Spiritualität.<br />
„Ich bin von heute..., aber etwas<br />
ist in mir, das ist von morgen<br />
und einstmals.“ Friedrich Nietzsche
...und lesen nicht<br />
irgendwas<br />
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<strong>Vorschau</strong><br />
<strong>Vorschau</strong><br />
<strong>Vorschau</strong> auf <strong>Matrix3000</strong> Band 83, erscheint am 28. 8. 2014<br />
Der verschwiegene Super-GAU<br />
Seit der Zeit des Kalten Krieges lebt <strong>die</strong> Menschheit mit der nuklearen<br />
Bedrohung. Doch was darf der Bürger eigentlich über<br />
nukleare Forschung, Radioaktivität und Rettungsmaßnahmen<br />
bei einem ernsthaften Störfall wissen? Haben Sie jemals von<br />
Richland gehört – oder von Osjorsk? Zwei „radioaktive Leichen<br />
im Keller“ der USA und Russlands. In Osjorsk ereignete sich –<br />
bis heute vertuscht – einer der schlimmsten Atomunfälle der<br />
<strong>Geschichte</strong>.<br />
Europa im Blindflug<br />
Noch eine verschwiegene (Fast-)Katastrophe: Im Juni 2014<br />
fielen in kurzen Zeitabständen gleich zwei Mal <strong>die</strong> Radare der<br />
zivilen Flugsicherung Mitteleuropas komplett aus. Betroffen<br />
waren Deutschland, Österreich, Tschechien und <strong>die</strong> Slowakei.<br />
Hunderte von Passagierflugzeugen befanden sich dort in der<br />
Luft. Fast ein Wunder, dass es zu keinen Zusammenstößen kam.<br />
<strong>Matrix3000</strong> begibt sich auf Spurensuche nach den Ursachen.<br />
Waren NATO-Manöver <strong>die</strong> Ursache, Cyberterroristen oder Sonneneruptionen?<br />
Falls das Militär tatsächlich verantwortlich war:<br />
Welche Super-Technologie <strong>wäre</strong> notwendig, um in einem derart<br />
großen Bereich <strong>die</strong> Luftraumüberwachung komplett lahmzulegen?<br />
Der Denver-Plan<br />
Mitten in der Haupthalle des Denver International Airport befindet<br />
sich eine geheimnisvolle Zeitkapsel, der „Capstone“. Dieser<br />
Stein sowie andere rätselhafte „Kunstwerke“ auf dem Flughafen<br />
weisen hin auf einen „Denver-Plan“, der Bevölkerungsreduktion<br />
im Sinne des „Transhumanismus“ zum Thema hat.<br />
<strong>Was</strong> steht der Menschheit in den nächsten Jahrzehnten bevor?<br />
Ähnliche Hinweise finden sich auch <strong>anders</strong>wo, vor allem in der<br />
Nähe von Atlanta.<br />
MATRIX<br />
NEUES DENKEN<br />
3000<br />
Raumenergie<br />
Seit Anbeginn der Zeiten umgibt uns <strong>die</strong> Raumenergie.<br />
Sie ist eine Eigenschaft des Raumes selbst. Solange<br />
Raum existiert, existiert Raumenergie. Aber ist <strong>die</strong>se<br />
Energieform auch nutzbar? Es gibt Lösungen, <strong>die</strong> umweltfreundlich,<br />
unerschöpflich und extrem kostengünstig<br />
sind. Und gerade damit haben viele ihre Probleme…<br />
Prof. Claus W. Turtur im Gespräch mit Grazyna Fosar.<br />
Alchemie – eine ganzheitliche Kunst<br />
Weitab von akademischen Dogmen und intellektuellen Eitelkeiten<br />
ist <strong>die</strong> Alchemie eine universelle zeitlose und nach<br />
heutigen Begriffen nichtlineare holistische Wissenschaft.<br />
Sie ist entgegen vielen Behauptungen keineswegs ein primitiver<br />
mittelalterlicher Vorläufer der modernen Chemie<br />
oder Wissenschaft. In ihrem Selbstverständnis sieht sich<br />
<strong>die</strong> Alchemie als grundlegende Kunst, <strong>die</strong> so alt ist wie <strong>die</strong><br />
Menschheit, <strong>wenn</strong> nicht sogar älter.<br />
Impressum<br />
<strong>Matrix3000</strong> erscheint zweimonatlich.<br />
ISSN 1 439-4154<br />
ISBN (<strong>Matrix3000</strong> <strong>History</strong> Spezial): 978-3-xxx<br />
Redaktion MATRIX3000<br />
Ammergauer Str. 80<br />
D-86971 Peiting<br />
Telefon: 0171-3675406<br />
franz.bludorf@matrix3000.de<br />
grazyna.fosar@matrix3000.de<br />
Redaktionsschluß für <strong>die</strong> nächste Ausgabe,<br />
<strong>Matrix3000</strong> Band 83: 15. 7. 2014<br />
Chefredaktion<br />
Franz Bludorf<br />
Redaktion<br />
Franz Bludorf, Grazyna Fosar, Ulrich Heerd, Ralf Lehnert,<br />
Lisa Rampertshammer, Elke Röder, Roland Rottenfußer<br />
Beiträge von<br />
Franz Bludorf, Grazyna Fosar, Gernot L. Geise, Monika<br />
Herz, Ralf Lehnert, Armin Risi, Thomas Ritter, Roland<br />
Roth, Roland Rottenfußer<br />
Verlag<br />
MATRIX3000 Verlag GmbH<br />
Ammergauer Straße 80<br />
D-86971 Peiting<br />
Telefon: 0 88 61/59 0 18, Telefax: 0 88 61/67 0 91<br />
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