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Lösungen Obj. Zurechnung

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strafrecht gk I<br />

Koll. AT I / 3. Stunde<br />

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Wintersemester 2006/07<br />

FAU Erlangen-Nürnberg • RiOLG Prof. Dr. Matthias Jahn<br />

<strong>Obj</strong>ektive <strong>Zurechnung</strong><br />

– Lösungsvorschlag –<br />

Fall 1a<br />

T fügt dem O eine Schussverletzung am Bein zu. Auf dem Weg zum Krankenhaus<br />

gerät der Krankenwagen in einen Unfall, durch den O stirbt.<br />

Ist T wegen Totschlags zu bestrafen?<br />

Strafbarkeit des T gem. § 212 StGB<br />

[Obersatz: „T könnte wegen Totschlags gem. § 212 StGB strafbar sein, indem er<br />

dem O eine Schussverletzung am Bein zugefügt hat.“]<br />

1. Handlung, Erfolg (+)<br />

2.<br />

P(roblem)1: Kausalität<br />

L(ösung)1: (+), c.s.q.n.<br />

P2: <strong>Obj</strong>ektive <strong>Zurechnung</strong><br />

L2: (+) wenn Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr des<br />

Erfolgseintritts geschaffen hat, und gerade diese Gefahr sich im<br />

konkreten tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat.<br />

Mit der Verletzung des O hat T den (gefährlichen) Krankentransport mit<br />

veranlasst und damit auch die Gefahr für den Unfalltod geschaffen.<br />

Damit: Erfolgszurechnung (+)<br />

a.A. vertretbar, mit dem Arg., mit dem Unfall verwirkliche sich eine<br />

andere, nicht von T gesetzte Gefahr bzw. lediglich ein allgemeines<br />

Lebensrisiko.<br />

Ergebnis: Je nachdem, welcher Ansicht man hier folgt, war T der Tod des O<br />

zuzurechnen oder nicht.<br />

Stand: 08.12.2006


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(Bejaht man den obj. Tatbestand, muss man sich – wie dies auch der BGH tut – in<br />

einem zweiten Schritt fragen, ob der Kausalverlauf so, wie er geschehen ist,<br />

jedenfalls in seinen wesentlichen Zügen vom Vorsatz des Täters umfasst war.)<br />

Fall 1b<br />

Wie Fall 1a, O stirbt aber nur deshalb, weil er sich im Krankenhaus der rettenden<br />

Bluttransfusion widersetzt.<br />

Hier entfällt die Zurechenbarkeit, da das ungewöhnliche Verhalten des<br />

Verletzten eine andere, nicht vom T gesetzte Gefahr ist, die sich im Erfolg<br />

realisiert.<br />

Vgl. auch Wessels/Beulke Rn. 187; beachte aber a.A. (im Hinblick auf § 226<br />

StGB) BGH NStZ 94, 394!<br />

Fall 2a<br />

A will C mit einer Axt erschlagen. B tritt helfend dazwischen und kann den Hieb so<br />

ablenken, daß nur C´s Arm verletzt wird. Strafbarkeit des B ?<br />

§ 223<br />

Kausalität (+) (Erfolg in seiner konkreten Form)<br />

P: <strong>Obj</strong>ektive Zurechenbarkeit<br />

L: Bei der bloßen Risikoverringerung fehlt es an der Schaffung einer<br />

rechtlich missbilligten Gefahr.<br />

Exkurs: Dies kann im Einzelfall anders sein, wenn der Täter ein völlig neues<br />

Risiko eines Erfolgseintritts geschaffen hat (dazu sogleich).<br />

Ergebnis: Mangels Zurechenbarkeit hat sich B nicht einer Körperverletzung strafbar<br />

gemacht.<br />

Vgl. Wessels/Beulke Rn. 193 f.<br />

Stand: 08.12.2006


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Fall 2b<br />

A lauert dem B mit einem Knüppel bewaffnet auf, um ihn mal so richtig durchzuprügeln. C,<br />

der dies weiß, stellt sich dem B einige hundert Meter vor A in den Weg und versetzt ihm<br />

einen leichten Kinnhaken. Derart getroffen macht B kehrt und wird dadurch vor den brutalen<br />

Schlägen des A bewahrt.<br />

§ 223<br />

oTB<br />

Kausalität (+) (Erfolg in seiner konkreten Form)<br />

P: <strong>Obj</strong>ektive Zurechenbarkeit<br />

L: Hier zwar Risikoverringerung im Hinblick auf das Verprügeln durch<br />

den A (C hat „Schlimmeres verhindert“). Allerdings ist dem C hier der<br />

konkrete Verletzungserfolg (durch Versetzen eines Kinnhakens), den er<br />

allein durch sein Handeln herbeigeführt hat, „als sein Werk“ objektiv<br />

zuzurechnen.<br />

Die objektive <strong>Zurechnung</strong> ist hier also zu bejahen.<br />

Die Strafbarkeit könnte allenfalls an der Rechtswidrigkeit (Notstand, §<br />

34 StGB) scheitern, wobei man die Frage stellen müsste, ob die Gefahr<br />

nicht anderweitig abgewendet hätte werden können. (Dies soll aber an<br />

dieser Stelle nicht vertieft werden, entscheidend ist das Herausarbeiten<br />

des Unterschieds zu Fall 2a.)<br />

Vgl. Wessels/Beulke Rn. 195<br />

Fall 3<br />

Lastwagenfahrer L fährt mit seinem Lkw in zu geringem Seitenabstand am<br />

Fahrradfahrer F vorbei. F verliert die Kontrolle, gerät unter den Lkw und stirbt. Da F<br />

(für L nicht erkennbar) erheblich angetrunken ist, besteht Grund zur Annahme, dass<br />

er auch bei Einhaltung des erforderlichen Seitenabstandes durch L unter den Lkw<br />

gekommen und gestorben wäre.<br />

Strafbarkeit des L?<br />

§ 222<br />

P: <strong>Obj</strong>ektive <strong>Zurechnung</strong><br />

L:<br />

e.A. „Pflichtwidrigkeitszusammenhang“: Das durch das pflichtwidrige<br />

Täterverhalten begründete Risiko schlägt sich dann nicht im Erfolg nieder,<br />

Stand: 08.12.2006


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wenn dieser auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten mit an Sicherheit<br />

grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre.<br />

Hier: Todeserfolg wäre auch bei ausreichendem Seitenabstand eingetreten;<br />

zumindest mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Bei der Frage des<br />

Erfolgseintritts bei pflichtgemäßem Alternativverhalten gilt nach h.M. der<br />

Grundsatz „in dubio pro reo“, d.h. die objektive <strong>Zurechnung</strong> entfällt (schon<br />

dann), wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es bei<br />

pflichtgemäßem Verhalten möglicherweise zum gleichen Erfolg gekommen<br />

wäre.<br />

Also hier: <strong>Obj</strong>ektive <strong>Zurechnung</strong> (-)<br />

a.A. „Risikoerhöhungslehre“: <strong>Zurechnung</strong>skriterium ist Prinzip der<br />

Risikoerhöhung, d.h. die objektive <strong>Zurechnung</strong> wird dann bejaht, wenn die<br />

Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts bei pflichtgemäßem Täterverhalten<br />

geringer gewesen wäre. Hier würde nach dieser Ansicht die Nichteinhaltung<br />

des Sicherheitsabstandes ein risikosteigerndes Element darstellen, das für die<br />

Bejahung der objektiven <strong>Zurechnung</strong> ausreicht. Nach a.A. objektive<br />

<strong>Zurechnung</strong> also (+)<br />

Ö Da beide Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, muss der<br />

Streit entschieden werden<br />

Gegen die „Risikoerhöhungslehre“ spricht, dass sie Verletzungsdelikte contra<br />

legem zu Gefährdungsdelikten macht. Außerdem wird der Grundsatz in dubio<br />

pro reo eingeschränkt.<br />

Es ist daher der ersten Ansicht zu folgen.<br />

Ergebnis: Der Tod des F ist dem L nicht zurechenbar. L hat sich damit nicht<br />

einer fahrlässigen Tötung strafbar gemacht.<br />

Vgl. BGHSt 11,1; Wessels/Beulke, Rn. 197<br />

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Fall 4<br />

Die C hat mit dem HIV-positiven A ein Verhältnis. Obwohl C von A´s Infektion weiß,<br />

hat sie mehrfach Geschlechtsverkehr mit ihm, wodurch sie sich ansteckt. Strafbarkeit<br />

des A ? (Vgl. NJW 1990, 131)<br />

§ 223<br />

- <strong>Obj</strong>. <strong>Zurechnung</strong> (-), da eigenverantwortliche Selbstschädigung vorliegt,<br />

die A nicht zugerechnet werden kann.<br />

(teilweise wird die objektive Zurechenbarkeit aufgrund des geringen<br />

Infektionsrisikos auch unter dem Gesichtspunkt des „erlaubten Risikos“ in<br />

Frage gestellt; angesichts der gravierenden Folgen einer Infektion und des<br />

vergleichsweise geringen Aufwa ndes, ein solches Risiko zu minimieren kann<br />

richtigerweise jedoch nicht von einem sozialadäquaten Verhalten<br />

ausgegangen werden)<br />

- Die <strong>Zurechnung</strong> scheitert hier am Prinzip der Eigenverantwortlichkeit. Der<br />

Schutzzweck einer Norm endet dort, wo der eigene Verantwortungsbereich<br />

des Opfers beginnt. Wie weit das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit reicht,<br />

muss anhand des jeweiligen Einzelfalls überprüft werden. Hier lag die<br />

Herrschaft, und damit die Verantwortung über das Geschehen, bei A und C<br />

gleichermaßen.<br />

Hier auch kein anderes Ergebnis aufgrund „überlegenen Sachwissens“ des<br />

Täters, da C von der Infektion wusste und somit das Risiko voll erkannt hat.<br />

Ergebnis: A hat sich keiner Körperverletzung strafbar gemacht.<br />

Exkurs: Anhand welcher Maßstäbe lässt sich die Eigenverantwortlichkeit<br />

bestimmen?<br />

e.A.: Es gelten die Exkulpationsregeln der §§ 20, 35 StGB, 3 JGG.<br />

Eigenverantwortliches Verhalten ist demnach nur dann bei<br />

Personen, welche die Voraussetzungen der genannten Normen erfüllen,<br />

zu verneinen.<br />

a.A.: Orientierung an den Kriterien zur rechtfertigenden Einwilligung:<br />

Eigenverantwortliches Verhalten liegt demnach nur vor, wenn<br />

sämtliche Kriterien, welche auch bei Preisgabe eigener Rechtsgüter zu<br />

prüfen sind, erfüllt sind.<br />

Stand: 08.12.2006


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Zusammenfassung/Wiederholung/Ausblick<br />

Die Lehre von der Kausalität<br />

Unterscheidung zwischen Tätigkeits- und Erfolgsdelikten.<br />

Bei den reinen Tätigkeitsdelikten besteht die Sanktionswürdigkeit allein in dem<br />

Handeln des Täters. Z.B. §§ 153 ff.; 173, 174 I, 175 I, 123 I (Hausfriedensbruch)<br />

StGB.<br />

Bei den Erfolgsdelikten wird eine von der Handlung unterschiedene raum-zeitlich<br />

abgrenzbare Wirkung an dem Handlungsobjekt vorausgesetzt.<br />

Lediglich bei den Erfolgsdelikten stellen sich Fragen der Kausalität und der<br />

objektiven <strong>Zurechnung</strong>. Es geht also um das Problem, ob ein bestimmter<br />

eingetretener Erfolg auf die von dem Täter in Gang gesetzte Handlung zurückgeführt<br />

werden kann. Das ist nicht immer eindeutig.<br />

Die Frage nach der Kausalität gehört bei den Vorsatzdelikten stets in den objektiven<br />

Tatbestand. Sie ist ein sog. ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, also ein<br />

Merkmal, das nicht dem Gesetzeswortlaut unmittelbar entnommen werden kann.<br />

Eine Handlung und ein Erfolg ergeben noch keine Unrechtstat. Voraussetzung ist<br />

vielmehr, dass der Erfolg dem Handelnden als sein Werk objektiv zugerechnet<br />

werden kann.<br />

Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für objektive Zurechenbarkeit ist die<br />

Kausalität (Ursächlichkeit). Hinzukommen weitere Merkmale, nämlich die der sog.<br />

objektiven <strong>Zurechnung</strong>.<br />

Man kann also schon hier sehen, dass die Kausalität im weiteren Sinne sowohl eine<br />

formelle und strenge Komponente als auch eine normative, also wertende enthält.<br />

1. Grundsätze der strafrechtlichen Kausalität<br />

Ausgangspunkt ist die Bedingungstheorie: Ursache ist jede Bedingung eines<br />

Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele. das ist<br />

Stand: 08.12.2006


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die sog. condicio sine qua non. Eine Unterscheidung zwischen wesentlichen und<br />

unwesentlichen Ursachen wird schon an dieser Stelle ausgeschlossen; alle<br />

Erfolgsbedingungen sind gleichwertig - äquivalent-. Deshalb nennt man (BGHSt<br />

1,332) diese Theorie zudem auch die Äquivalenztheorie (=Gleichwertigkeit der<br />

Bedingungen).<br />

Bsp: A ersticht B; sind As Eltern kausal für den Tod des B? oder: A schickt B in den<br />

Wald in der Hoffnung, daß er vom Baum erschlagen werde? Kausalität?<br />

Problemfälle<br />

a) Hypothetische Kausalverläufe<br />

(A gibt dem todkranken B eine tödliche Spritze, B stirbt.)<br />

Es genügt, dass die tatsächliche Bedingung den Eintritt des Erfolges beschleunigt<br />

hat.<br />

(A erschießt den B, der gerade das Haus verlässt. Zur gleichen Zeit hätte den B ein<br />

Blumetopf vom oberen Stockwerk erschlagen)<br />

Es genügt, dass bei Hinwegdenken der Bedingung der Erfolg in seiner konkreten<br />

Gestalt entfallen ist.<br />

Man sieht also, dass der tatsächliche Geschehensablauf maßgeblich ist. Die<br />

conditio-Formel gestattet es also die tatsächliche Handlung hinwegzudenken, nicht<br />

jedoch an ihrer Stelle eine weitere hinzuzudenken.<br />

b) Atypische Kausalverläufe<br />

Auch vollkommen unwahrscheinliche und abwegige Kausalverläufe schließen die<br />

Kausalität nicht aus. A schießt auf B, dieser wird schwer verletzt von einem<br />

Krankenwagen ins Krankenhaus gefahren. Auf einem Bahnübergang durchbricht der<br />

Fahrer mit dem Wagen die Schranke und wir von einem Zug erfasst. Dabei kommen<br />

alle zu Tode. Kausalität?<br />

Stand: 08.12.2006


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Im Gegensatz dazu bezieht die Adäquanztheorie nur adäquate Bedingungen, d.h.<br />

nur solche ein, die nach allgemeiner Lebenserfahrung den Erfolg herbeizuführen<br />

geeignet sind. Unwahrscheinliche und atypische Verkettungen scheiden hier aus.<br />

Die Adäquanztheorie ist insofern abzulehnen, als sie schon auf der formellen Ebene<br />

wertende Gesichtspunkte einfügt.<br />

c) Eintritt eines Dritten oder des Opfers selbst<br />

Polizeipistolenfall, Medikamentenschrank<br />

der Kausalzusammenhang wird auch hier nicht durchbrochen (BGHSt 4,360)<br />

Anders: Lehre vom Regressverbot; causa remota wird durch causa proxima<br />

aufgehoben.<br />

d) Gleichwertige Ursachen<br />

Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ (also beide<br />

gleichzeitig) hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, ist jede<br />

für den erfolg kausal. (Giftmischer: Je eine tödliche Dosis)<br />

e) Überholende Kausalität<br />

Eine angelegte Ursache kann sich aufgrund einer unabhängigen Ursache nicht<br />

verwirklichen. Das ist der einzige (Problem)fall, bei dem die Kausalität durchbrochen<br />

wird.<br />

Stand: 08.12.2006


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2. <strong>Obj</strong>ektive <strong>Zurechnung</strong><br />

Die reine conditio sine qua non Lehre reicht zur Begründung von<br />

Kausalzusammenhängen nicht aus. Es müssen normative Aspekte hinzutreten, die<br />

dann die sog. objektive <strong>Zurechnung</strong> des Erfolges einschränken.<br />

Faustregel: Der Täter muss ein Risiko schaffen, das sich in dem Erfolg auch<br />

verwirklicht hat.<br />

a) Beherrschbarkeit<br />

Das Kausalgeschehen muss vom Täter beherrschbar gewesen sein. Dazu gehört<br />

Steuerbarkeit und Voraussehbarkeit des Erfolges<br />

Ausschluss also bei:<br />

- entfernten Bedingungen<br />

- atypischen Kausalverläufen<br />

- bei eigenverantwortlichem Dazwischentreten eines<br />

Dritten<br />

b) Eigenverantwortlichkeit<br />

Der Erfolg fällt in den Verantwortungsbereich eines anderen. (Selbstbestimmung)<br />

Selbsttötung, Selbstverletzung oder Selbstgefährdung<br />

(z.B. Dienstpistole, Heroinspritze)<br />

Umstritten sind die Kriterien der Eigenverantwortlichkeit (h.M. §§ 3 JGG, 19, 20, 35<br />

StGB; Maßstäbe der wirksamen Einwilligung)<br />

Lediglich fahrlässige Veranlassung der vorsätzlichen Tat<br />

eines Dritten.<br />

Beachte aber die Einschränkung bei Betäubungsmittelfällen, BGH NJW 2000, 2286.<br />

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c) Pflichtwidrigkeitszusammenhang<br />

Der Erfolg wäre auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten.<br />

d) Schutzzweckzusammenhang<br />

Der Erfolg liegt nicht im Schutzbereich der verletzten Norm.<br />

e) Risikoerhöhungslehre<br />

Die Handlung muss eine tatsächlich relevante Gefahr geschaffen haben. das gleiche<br />

gilt, wenn die Gefahr innerhalb eines erlaubten Risikos liegt.<br />

f) Risikozusammenhang<br />

Eine durch die Tathandlung geschaffene Gefahr muss sich in dem Erfolg verwirklicht<br />

haben.<br />

Zur Fallbearbeitung:<br />

Bei dem Lösen von Fällen zur Kausalität muss man stets im Blick haben, welchen<br />

Stellenwert die Kausalitätsfragen einnehmen. Meist sind sie nur am Rande zu<br />

erörtern. Klausuren mit dem Schwerpunkt in diesem Bereich sind selten. Ist es<br />

jedoch von Anfang klar, dass die Arbeit sich hauptsächlich mit Kausalitätsproblemen<br />

befasst, so muss man die verschiedenen Ansichten erörtern.<br />

1. Die Lösung des Problems nach der Rechtsprechung, also den weiten<br />

Kausalitätsbegriff ansprechen und schon im obj. TB erwähnen, dass die Korrektur im<br />

subj. TB erfolgt.<br />

2. Die Adäquanz baut man am besten in 1.) ein, da sie auf der objektiven Ebene ein<br />

Korrektiv darstellen soll.<br />

3. <strong>Obj</strong>ektive <strong>Zurechnung</strong><br />

Auch hier findet die Diskussion im objektiven Tatbestand statt. Aufbauprobleme<br />

entstehen hier nicht.<br />

Stand: 08.12.2006

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