Apg 8, 30 - Theologisches Studienjahr Jerusalem
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und Kosmologie. Eine solche Art von Exegese lässt sich, wie gesagt, nur schwer<br />
mit einem Denken vermitteln, das in seinen wesentlichen Grundzügen<br />
geschichtlich geprägt ist. Eine der wesentlichen systematischen Aufgaben, die<br />
uns das diesjährige Leitthema stellt, wird deswegen nicht zuletzt auch in der<br />
Überlegung bestehen, ob und – wenn ja – auf welche Weise ein fruchtbringendes<br />
Gespräch zwischen historisch-kritischer und geistlich-sapientialer Exegese<br />
denkbar werden kann.<br />
III.<br />
Schriftauslegung und Hermeneutik jüdisch-rabbinisch<br />
Sowohl hinsichtlich ihrer Methodik als auch hinsichtlich ihres theonomen<br />
Textverständnisses gleicht die rabbinische Schriftauslegung in vielem der<br />
christlichen Väterexegese. So sind die Rabbinen bspw. davon überzeugt, dass die<br />
genaue Anzahl der Konsonanten des hebräischen Textes der Grundstruktur des<br />
Seins entspricht (man vergleiche Philos These, dass die zehn Gebote den zehn<br />
Kategorien des Mose der aristotelischen Metaphysik entsprechen), weshalb in der<br />
Bibel alle Wirklichkeit enthalten sei. Beim Abschreiben des Textes auch nur<br />
einen Buchstaben hinzuzufügen oder wegzulassen, würde bedeuten, „die ganze<br />
Welt zu zerstören“ (bEr 13a; vgl. Midrasch LevR 19, 2) – ein Satz, der nicht von<br />
metaphorischer Emphase zeugt, sondern wörtlich gemeint ist. Die Tora gilt den<br />
Rabbinen nicht nur ihrem Sinn, sondern ihrem ganzen Textbestand nach als<br />
göttlichen Ursprungs, weswegen noch ihre subtilsten sprachlichen Details als<br />
Bestandteil der Offenbarung am Sinai angesehen werden: „Man geht davon aus,<br />
dass im Text nichts zufällig ist, jede von der Norm abweichende Schreibweise,<br />
jede ungewöhnliche grammatikalische Form, jede verbale Übereinstimmung<br />
eines Textes mit einem anderen in der Bibel für eine exegetische Verbindung<br />
gewertet werden kann.“ 55 Daraus resultiert eine auch den historisch-kritischen<br />
Geist beeindruckende Genauigkeit in der Textanalyse, wenngleich das einer<br />
solchen Analyse zugrunde liegende instruktionstheoretische<br />
Offenbarungsverständnis ein hermeneutisches Bewusstsein, das durch die<br />
verschiedensten Aufklärungen hindurchgegangen ist, kaum mehr befriedigen<br />
wird. So haben bspw. die vielen Varianten biblischer Zitate in Mischna und<br />
Talmud „keinen textkritischen Wert in dem Sinn, dass man bei entsprechender<br />
Abwägung auch zu einer anderen Lesart als der des Standardtextes kommen<br />
könnte. Was sie bieten, sind Auslegungshilfen, die auf eine zusätzliche Nuance<br />
55<br />
Günter STEMBERGER: Die Schriftauslegung der Rabbinen, in: Christoph Dohmen / Ders.: Hermeneutik der<br />
jüdischen Bibel und des Alten Testaments, aaO. 80.<br />
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