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Apg 8, 30 - Theologisches Studienjahr Jerusalem

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sowieso schon abhängig weiß: Das Erste und das Letzte sind nicht Geburt und<br />

Tod, die die Grenzen des Lebens markieren; das Erste ist vielmehr ein<br />

unvordenklicher Ursprung, und das Letzte ist eine uneinholbare Bestimmung,<br />

von denen zu sprechen nur in symbolischer Weise möglich ist. Folgt man den<br />

Einsichten Ricœurs, so ist eine Reflexion auf den unhintergehbar symbolischen<br />

Charakter biblischer Offenbarungstexte die Bedingung der Möglichkeit, die<br />

Wirklichkeit, von welcher diese Texte künden, einem geschichtlichen Denken<br />

zugänglich zu machen. 84<br />

Die Einsicht in den unhintergehbar symbolischen Sprachcharakter vieler<br />

biblischer Texte 85 könnte uns im Rahmen unseres Jahresthemas nun aber auch für<br />

eine vertiefte Begegnung mit jenen christlichen Traditionen sensibilisieren, die<br />

innerhalb des westeuropäischen Diskurses nur selten im Blick sind, in <strong>Jerusalem</strong><br />

aber seit mehr als anderthalb Jahrtausenden eine fest verwurzelte Heimat haben:<br />

die Traditionen der griechischen Orthodoxie und der vielen orientalischen<br />

Kirchen. Die Kluft, die seit langem die lateinische von der griechischen<br />

Christenheit trennt, gründet ja nicht zuletzt in der Frage, in welcher Art von<br />

Schriftexegese man sein Heil sucht. Es dürfte deutlich geworden sein, dass<br />

„westliche wie östliche Exegese [...] sich derzeit in einer üblen Lage [befinden];<br />

die eine, weil sie die Verbindung mit Dogmatik, Patristik und Spiritualität<br />

verloren hat, die andere, weil sie von Dogmatik, Patristik und Spiritualität<br />

erdrückt wird; die eine, weil sie fast nur noch historisch-kritische [...] Auslegung<br />

betreibt, die andere, weil sie historisch-kritische Auslegung so gut wie gar nicht<br />

kennt; die eine, weil sie den Traditionsbruch der Aufklärung nicht überwunden<br />

hat, die andere, weil sie, von Aufklärung unberührt, lebendige Tradition immer<br />

wieder mit steriler Konservierung verwechselt. Könnte es nicht sein, dass die<br />

orthodoxe Seite die Heilmittel für die westlichen Übel besitzt und die westliche<br />

Seite die Heilmittel für die östlichen [...]?“ 86 – Die Frage so zu stellen, heißt, die<br />

Richtung ihrer Beantwortung anzudeuten, wenn auch offensichtlich ist, dass<br />

„keine der beiden Seiten die Heilmittel in einer sofort einnehmbaren Form“ zur<br />

Verfügung hat. 87 Die im Rahmen des <strong>Studienjahr</strong>es problemlos mögliche<br />

Begegnung mit Gläubigen der Orthodoxie kann uns aber immerhin für die Frage<br />

84<br />

Vgl. dazu DERS.: Symbolik des Bösen. Phänomenologie der Schuld II [1960], Freiburg/Br.-München ( 2 1988);<br />

DERS.: Le mal. Un défi à la philosophie et à la théologie, Genève: Labor et Fides (1996); DERS. / André LACOQUE:<br />

Penser la Bible, Paris: Seuil (1998).<br />

85<br />

Vgl. oben Anm. 40.<br />

86<br />

Marius REISER: Geist und Buchstabe. Zur Situation der östlichen und der westlichen Exegese, in: TThZ 110<br />

(2001) 67-80, hier 67.<br />

87<br />

Ebd. 67.<br />

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