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Apg 8, 30 - Theologisches Studienjahr Jerusalem

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eligionsgeschichtlichen Werdezusammenhang eines Textes interessiert sind und<br />

deswegen in Sachen »theologische Wahrheit« des Textes eine verständliche<br />

Vorsicht walten lassen, gilt denn auch folgender elementare Grundsatz:<br />

Rabbinische Schriftauslegung ist nicht ein profanes, sich selbst genügendes<br />

Geschäft, sondern sie ist Suche nach dem Sinn des Gotteswortes. Denn Ziel aller<br />

Schriftauslegung ist es, jener „kommenden Welt“ teilhaftig zu werden, von<br />

welcher die Texte künden. Studium der Schrift (und nichts anderes ist<br />

Schriftauslegung) ist denn auch das Ernsthafteste, was es gibt (vgl. bSanh 99a),<br />

und ihm sein ganzes Leben zu weihen des frommen Juden höchste Pflicht, mag<br />

der religionshistorische Kontext, in welchen das jeweilige Schriftcorpus<br />

anzusiedeln ist, auch in ganz andere Richtungen weisen als in jene, die sich dem<br />

frommen Ausleger eröffnet.<br />

IV.<br />

Schriftauslegung und Hermeneutik muslimisch<br />

Auch das Textverständnis der dritten Schriftreligion, des Islam, erscheint – von<br />

der Warte historisch-kritischer Exegese aus betrachtet – als ein vorkritisches,<br />

ungeschichtliches. Der herkömmlichen Meinung nach vertritt der orthodoxe<br />

Islam in dieser Angelegenheit in etwa folgende Position:<br />

Die vom Propheten zu rezitierenden Verse (qur’an) gelten als durch den Erzengel<br />

Gabriel übermittelte Offenbarung im Sinne einer „Eingebung“ (wahy); sie sind Wort<br />

Gottes selbst (kalâm Allâh). Wenn auch menschlichem Begreifen sich entziehe, wie eine<br />

solche Vermittlung des schlechterdings Transzendenten konkret vonstatten gegangen sei<br />

(wir wissen nicht, ob der Prophet im Moment der „Herabsendung“ [tanzil] als eine Art<br />

willenloses Werkzeug bzw. Medium fungiert habe, ob er in trance- oder hypnoseartige<br />

Zustände gefallen sei), so hätten wir es im Koran in jedem Fall mit göttlicher<br />

Verbalinspiration im strengen Sinn des Wortes zu tun, weshalb jeder Versuch, die<br />

Entstehung des Koran geschichtlich, d.h. vermittels des Nachweises<br />

religionsgeschichtlicher Abhängigkeiten o.ä. zu erklären, von vorneherein scheitern müsse.<br />

Aus dem streng instruktionstheoretischen Offenbarungsverständnis, das dem Koran<br />

zugrunde liege, folge denn auch, dass Muslime ihren heiligen Text immer nur im Sinne<br />

eines übergeschichtlichen Dokumentes verstehen könnten.<br />

Mag die hier skizzierte Position auch repräsentativ sein für die Mehrheit<br />

traditionalistisch gesonnener Kreise in der muslimischen Welt 64 (die im übrigen<br />

auf jüdischer wie christlicher Seite durchaus Entsprechungen haben), so ist doch<br />

festzuhalten, dass es in der gegenwärtigen islamischen Theologenszene<br />

zumindest vereinzelte Koranexegeten gibt, die beachtliche Anstrengungen im<br />

64<br />

Vgl. Stefan WILD, Drei Tage in Medina. Als Ungläubiger unter Korangelehrten, in: FAZ Nr. 252 (<strong>30</strong>.<br />

November 2006); Ömer ÖZSOY: Die Geschichtlichkeit der koranischen Rede und das Problem der ursprünglichen<br />

Bedeutung von geschichtlicher Rede, in: Felix Körner SJ (Hg. u. Übers.): Alter Text – neuer Kontext.<br />

Koranhermeneutik in der Türkei heute, Freiburg/Br.: Herder (2006) 78-98, hier 78-81.<br />

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