THEATERjournal - Theater Osnabrück
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Dienstag, 27. August 2013 5<br />
BEGINNEN IM BEKANNTEN, ENDEN IM WAHNWITZ<br />
Autor David Gieselmann über seine neue Komödie Die Phobiker<br />
David Gieselmann, geboren 1972<br />
in Köln, studierte Szenisches<br />
Schreiben in Berlin. Seine abgründige<br />
Komödie Herr Kolpert<br />
wurde international nachgespielt,<br />
mit seinem Stück Über Jungs gewann<br />
er beim diesjährigen Heidelberger<br />
Stückemarkt den JugendStückePreis.<br />
Die Phobiker<br />
hat David Gieselmann für das<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Osnabrück</strong> geschrieben.<br />
Der Autor lebt in Hamburg.<br />
Herr Gieselmann, worum geht<br />
es in Ihrer neuen Komödie Die<br />
Phobiker?<br />
David Gieselmann: Es geht um<br />
DIE PHOBIKER<br />
Uraufführung von David Gieselmann<br />
PREMIERE:<br />
Freitag, 6. September 2013, Route Innenstadt,<br />
emma-theater (Übernahmepremiere:<br />
Mittwoch, 11.9., 19.30 Uhr,<br />
emma-theater)<br />
INSZENIERUNG:<br />
Christian Brey<br />
BÜHNE/KOSTÜME: Anette Hachmann<br />
DRAMATURGIE:<br />
Anja Sackarendt<br />
MIT:<br />
Marie Bauer, Andrea Casabianchi,<br />
Monika Vivell; Dennis Pörtner,<br />
Marcus Hering, Thomas Kienast<br />
David Gieselmann bei der Leseprobe für Die Phobiker mit dem<br />
Ensemble.<br />
eine Hochzeit, die stattfindet, obwohl<br />
es keiner mehr will, oder<br />
um eine Hochzeit, die nicht stattfindet,<br />
obwohl alle es wollen, aber<br />
produktiv unentschlossen sind.<br />
Die Premiere findet am Wochenende<br />
des Spieltriebe-Festivals<br />
Total Real statt. Wie halten<br />
Sie es mit der Realität?<br />
Die Figuren Claire und Clemens<br />
simulieren ihre Hochzeit.<br />
Sie ziehen den Plan durch, das<br />
scheint leichter zu sein, als die<br />
Hochzeit abzusagen, weil sie<br />
sich ihrer Liebe nicht mehr sicher<br />
sind. Außerdem und vor<br />
allem glauben sie, sein Vater habe<br />
das Fest schon angezahlt –<br />
die Kosten werden sich auf circa<br />
15 000 Euro belaufen.<br />
Das Stück erzählt vom JunggesellInnen-Abschied.<br />
Das ist ja ein<br />
wirkliches Phänomen. Diese marodierenden<br />
Massen in den Innenstädten<br />
verhalten sich, als sei<br />
das Ende gekommen für die Personen,<br />
die heiraten. Also ist keine<br />
Hochzeit, vom JunggesellInnen-Abschied<br />
her betrachtet, real.<br />
Denn hoffentlich ist es nicht<br />
so: dass immer das Ende für das<br />
Brautpaar bevor steht.<br />
Sie sind also Optimist.<br />
Ja.<br />
Und sie bilden die Realität<br />
nicht ab?<br />
Einerseits gibt es den Bezug zur<br />
Realität, ich will nicht in einen<br />
luftleeren Raum hineinschreiben.<br />
Andererseits erfinde ich<br />
Räume. Die Figuren beginnen<br />
im Bekannten und enden im<br />
Wahnwitz. Das ist nichts Neues<br />
für eine Komödie und eine bewährte<br />
Dramaturgie von mir:<br />
einen irrealen Wahn sich ausbreiten<br />
lassen. Ich versuche die<br />
Grenzen der Realität einzureißen,<br />
im Rahmen der Komödie –<br />
dann ist einiges erreicht.<br />
Die Phobiker haben Sie als<br />
Auftragswerk für das <strong>Theater</strong><br />
<strong>Osnabrück</strong> geschrieben. Wie<br />
beeinflusst das Ihr Schreiben?<br />
Der Regisseur Christian Brey<br />
und ich waren hin und wieder<br />
hier und haben ein paar Vorstellungen<br />
angeschaut. Da frage<br />
ich mich beim Schreiben schon:<br />
Wer spielt mit? Ah, die und der.<br />
Ich stelle mir vor, wie die<br />
SchauspielerInnen in den Rollen<br />
agieren könnten. Und auch<br />
den Spielort, das emma-theater,<br />
hatte ich bei der Arbeit vor Augen.<br />
(AS)<br />
DIE KUNDEN WERDEN UNRUHIG<br />
Johannes Schrettles Stück basiert auf realen Begebenheiten<br />
Johannes Schrettle, Autor von Die Kunden werden unruhig.<br />
DIE KUNDEN WERDEN UNRUHIG<br />
Uraufführung von Johannes Schrettle<br />
PREMIERE:<br />
Freitag, 6. September 2013, Route<br />
Helmann zwei, Lagerhalle Hellmann<br />
(Übernahmepremiere: Dienstag, 17.9.,<br />
19.30 Uhr, emma-theater)<br />
INSZENIERUNG:<br />
Nick Hartnagel<br />
BÜHNE:<br />
Lara Nikola Linnemeier<br />
KOSTÜME:<br />
Linda Spörl, Imke Hingst<br />
DRAMATURGIE:<br />
Hilko Eilts, Adrian Jager<br />
MIT:<br />
Andrea Casabianchi, Christine<br />
Diensberg; Dennis Pörtner<br />
BLICK IN DIE<br />
ZUKUNFT VON<br />
OSNABRÜCK!<br />
Auf den ersten Blick scheint alles<br />
unspektakulär und gewöhnlich:<br />
Eine mittelständische Bank mit<br />
den üblichen Angestellten hat<br />
die üblichen Probleme und engagiert<br />
die in solchen Fällen<br />
ebenfalls übliche Personalberaterin<br />
zu einer in vielen sozialen<br />
Bereichen längst nicht mehr üblichen<br />
Tagesgage. Doch während<br />
des Coachings in dem sterilen<br />
Ambiente eines in Autobahnnähe<br />
gelegenen Tagungshotels stellt<br />
sich heraus, dass es in Wahrheit<br />
um ganz andere Dinge geht als<br />
um die Optimierung von Kommunikationsstrukturen,<br />
das Moderieren<br />
von Mitarbeiterkonflikten<br />
oder Methoden zur Intensivierung<br />
der Kundenbindung.<br />
Das Tagungshotel wird zum Ort<br />
eines regelrechten Psychothrillers,<br />
zur Kulisse für ein abgründiges<br />
Spiel um Macht, Geld und<br />
Sex, an dessen Ende es zu einer<br />
blutigen Gewalttat kommt.<br />
So zumindest sieht es das Stück<br />
vor, das von zwei Schauspielerinnen<br />
und einem Schauspieler<br />
auf die Bühne gebracht werden<br />
soll. Aber statt zu spielen, stellen<br />
die Akteure Fragen und formulieren<br />
ihre Zweifel: Was genau<br />
hat es eigentlich mit den Figuren<br />
auf sich, die gespielt werden<br />
sollen, in welchem Verhältnis<br />
stehen die Spieler zu den Figuren<br />
und das <strong>Theater</strong> zur<br />
Wirklichkeit? Ist die Inszenierung,<br />
ist das <strong>Theater</strong> nicht selber<br />
ein Unternehmen, das nach<br />
denselben Prinzipien organisiert<br />
ist, wie jedes andere Unternehmen<br />
auch, das sich die<br />
Sehnsüchte, Bedürfnisse und<br />
Hoffnungen von Menschen zunutze<br />
macht, um Umsatz zu erzeugen?<br />
Ist das <strong>Theater</strong> selbst<br />
vielleicht längst Bestandteil<br />
eben desjenigen perfiden Systems,<br />
das auf der Bühne Gegenstand<br />
kritischer Auseinandersetzung<br />
ist? Gibt es in Zeiten<br />
des allumfassenden und alles<br />
verwertenden Hightech-Kapitalismus<br />
überhaupt noch die<br />
Möglichkeit, Utopie und Alternative<br />
zu denken oder glaubwürdig<br />
Kritik zu formulieren?<br />
Der Autor Johannes Schrettle<br />
wurde 1980 in Graz geboren<br />
und studierte in seiner Heimatstadt<br />
sowie in Wien Germanistik,<br />
Spanisch, Französisch, Soziologie<br />
und Publizistik. Seit<br />
1998 ist er freier Autor. Bereits<br />
sein Debütstück fliegen / gehen /<br />
schwimmen, für das er 2004 den<br />
Grabbe-Preis der Stadt Detmold<br />
bekam, wurde am <strong>Theater</strong><br />
<strong>Osnabrück</strong> uraufgeführt.<br />
In Die Kunden werden unruhig,<br />
das im Rahmen des Spieltriebe-<br />
Festivals in der Inszenierung von<br />
Regisseur Nick Hartnagel uraufgeführt<br />
wird, entwirft Schrettle<br />
ein Spiegelkabinett der Positionen<br />
und Perspektiven, in dem<br />
Bühnenrealität und dramatische<br />
Fiktion zu einer irritierenden<br />
Matrix verschmelzen. (HE)