Stagione #2 - Theater an der Wien
Stagione #2 - Theater an der Wien
Stagione #2 - Theater an der Wien
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Oper konzert<strong>an</strong>t<br />
Londoner Fenstersturz<br />
Wo das Herz auf Freuden hofft: Robert King leitet Händels Ottone, Re di Germ<strong>an</strong>ia.<br />
Händels erster Biograph John Mainwaring<br />
hat die bek<strong>an</strong>nte Anekdote in die Welt gesetzt.<br />
Als die Sängerin Fr<strong>an</strong>cesca Cuzzoni<br />
sich weigerte, ihre Auftrittsarie als Teof<strong>an</strong>e<br />
„Falsa imagine“ aus Ottone zu singen, soll<br />
Händel sie gepackt und ihr geschworen haben,<br />
sie aus dem Fenster zu werfen. Nach<br />
einigem Zappeln willigte Cuzzoni ein, da<br />
Händel ihr erklärt haben soll: „Madame,<br />
ich weiß, dass sie eine wahre Göttin sind,<br />
aber lassen sie mich Ihnen sagen, dass ich<br />
<strong>der</strong> Herr <strong>der</strong> Teufel bin.“<br />
Cuzzoni, gerade in London <strong>an</strong>gekommen<br />
und erstmals Sängerin in einer Händel-<br />
Oper, wollte sich dem Publikum mit einer<br />
Bravourarie vorstellen, doch „Falsa imagine“<br />
enthielt keine Koloraturen, mit <strong>der</strong><br />
die Sängerin ihr Publikum blenden konnte.<br />
Händel ordnete die scheinbar altmodische<br />
Komposition g<strong>an</strong>z <strong>der</strong> szenischen Situation<br />
unter. Das Publikum reagierte, wie er erwartet<br />
hatte, und die Arie etablierte Cuzzonis<br />
Ruf als herausragende Sängerin ihrer Zeit.<br />
In den fast 40 Jahren, in denen Händel<br />
Opern komponierte, schrieb er rund 1400<br />
Arien, doch er unterwarf sich in einer Zeit,<br />
in <strong>der</strong> die Arienkomposition einen perm<strong>an</strong>enten<br />
W<strong>an</strong>del durchlief, nie gängigen Moden<br />
und blieb Formen und Kompositionsprinzipien<br />
treu, die bereits ihre Wirkung auf<br />
das Publikum bewiesen hatten. Dies ist für<br />
die Musikwissenschafterin Silke Leopold eines<br />
<strong>der</strong> Geheimnisse jener schier unendlich<br />
musikalischen Variationsbreite, die Händels<br />
Opern im Vergleich zu denen seiner Zeitgenossen<br />
kennzeichnet. Händel nutzt die<br />
musikalischen Möglichkeiten stets gezielt<br />
für die Interpretation des Dramas und zur<br />
Charakterisierung einer Person.<br />
Seit 1712 hatte Händel Engl<strong>an</strong>d nur noch<br />
dreimal verlassen. Im September 1719 war<br />
er vermutlich bei einer Aufführung von Teof<strong>an</strong>e<br />
von Antonio Lotti in Dresden <strong>an</strong>wesend.<br />
Für die vierte Saison seiner Royal<br />
Academy of Music bearbeitete sein Librettist<br />
Nicola Fr<strong>an</strong>cesco Haym die Erzählung<br />
über die Heirat des späteren deutschen<br />
Kaisers Otto II. mit <strong>der</strong> byz<strong>an</strong>tinischen Prinzessin<br />
Theoph<strong>an</strong>u und am 12. Jänner 1723<br />
wurde Ottone, Re di Germ<strong>an</strong>ia im King’s<br />
Theatre am Londoner Haymarket uraufgeführt<br />
– schließlich mit <strong>der</strong> erfolgreichen<br />
Continuo-Arie „Falsa imagine“.<br />
In Rom im Jahre 972 möchte <strong>der</strong> deutsche<br />
Kaiser Otto durch seine Heirat mit Teof<strong>an</strong>e<br />
seine Macht erweitern. Die Prinzessin ist<br />
mit einer Miniatur ihres Verlobten, den sie<br />
noch nie gesehen hat, in die ewige Stadt<br />
gekommen, um den Beschützer Otto zu<br />
heiraten. Doch Adelberto, Sohn des vertriebenen<br />
italienischen Königs, stellt sich ihr<br />
als Ottone vor, um Teof<strong>an</strong>e selbst zu heiraten<br />
und den Thron zu be<strong>an</strong>spruchen. Doch<br />
die junge Frau findet Adelberto abstoßend,<br />
Robert King<br />
in ihrem Zwiegespräch mit dem Continuo<br />
offenbaren sich ihre Gefühle beim Anblick<br />
des Bildes, das sie vermeintlich getäuscht<br />
hat: „Falsches Bild, du hast mich getäuscht,<br />
du zeigtest mir ein liebenswertes Antlitz,<br />
und dieses Antlitz zog mich <strong>an</strong>. Nun, da<br />
<strong>der</strong> süße Betrug gewichen ist, finde ich<br />
Leid, wo das Herz auf Freuden hoffte.“<br />
Mit 20 Jahren hat <strong>der</strong> 1960 geborene, englische<br />
Dirigent Robert King, <strong>der</strong> seine erste<br />
musikalische Ausbildung als Chorknabe<br />
im St John’s College in Cambridge erhielt,<br />
bereits The King‘s Consort mit den Schwerpunkten<br />
Barock und Klassik gegründet, das<br />
er bis heute leitet. In den dreißig Jahren des<br />
Bestehens spielte das Ensemble nahezu<br />
100 Aufnahmen ein, darunter auch Ottone,<br />
Re di Germ<strong>an</strong>ia. D<strong>an</strong>k <strong>der</strong> differenzierten<br />
musikalischen Sprache Händels und dem<br />
ausgezeichneten Sängerensemble inklusive<br />
<strong>der</strong> bekehrten Fr<strong>an</strong>cesca Cuzzoni war Ottone<br />
einer <strong>der</strong> größten Erfolge <strong>der</strong> Royal<br />
Academy of Music, wurde in <strong>der</strong> ersten<br />
Spielzeit vierzehnmal gespielt und in vier<br />
folgenden Saisonen erneut aufgenommen.<br />
Ottone, Re di Germ<strong>an</strong>ia<br />
Musik von Georg Friedrich Händel<br />
Libretto von Niccolò Fr<strong>an</strong>cesco Haym<br />
Robert King | The King’s Consort<br />
Mit Mhairi Lawson, Claire Debono,<br />
Iestyn Davies, Robin Blaze, Hilary Summers,<br />
Andrew Foster-Williams<br />
Mittwoch, 17. November, 19.00 Uhr<br />
12