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DIE ZEIT OHNE BEISPIEL - thule-italia.net

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mühsam und keuchend um sein nacktes Leben ringt. Es ist das vielleicht überhaupt das Merkwürdigste<br />

in diesem an Merkwürdigkeiten gewiß nicht armen Krieg. Denn schließlich setzt man ja nicht ein<br />

Weltreich aufs Spiel, ohne zu wissen, warum. Wir sind auch nicht so naiv zu glauben, England wäre<br />

sich überhaupt nicht im klaren darüber, wofür es kämpfe, und seine Führungsschicht habe keine blasse<br />

Vorstellung, welches System und welche allgemeine Lebensform sie einrichten wolle, wenn<br />

Großbritannien siegte. Man weiß es schon, aber man geniert sich, es zu sagen. Es besteht keine<br />

Möglichkeit mehr, wie 1917/18, einen Trick anzuwenden und uns einfach zu übertölpeln. Dagegen<br />

haben wir rechtzeitig vorgesorgt. Man kann auch keinen Eindruck damit machen, daß man in London<br />

einfach erklärt, man wolle nach dem Kriege wieder da anfangen, wo man vor dem Kriege aufgehört<br />

habe. Das würde weder dem eigenen Volke noch der Welt auch nur im mindesten imponieren. Auch<br />

würde das englische Volk mit Recht fragen, warum dann überhaupt Krieg, warum diese Opfer und<br />

diese Angst, wenn man dasselbe auch ohne Krieg hätte erreichen können? Kurz und gut:<br />

Mr. Churchill befindet sich in der Frage der englischen Kriegsziele in einer argen Zwickmühle, und<br />

darum antwortet er auch immer so barsch und unwirsch, wenn man ihn im Unterhaus oder in der<br />

Londoner Presse daraufhin stellt. Er erklärt dann einfach, England kämpfe um sein Leben. Eine etwas<br />

faule Ausrede, da ja niemand England in seinem Leben bedrohte, als es dem Reich den Krieg ansagte.<br />

Diese simple Antwort genügt denn auch offenbar den angelsächsischen Vettern jenseits des großen<br />

Teiches, die England für seine Kriegführung<br />

-446-<br />

Geld, Schiffe und Material zur Verfügung stellen sollen, nicht. Sie haben präzisere Auskünfte verlangt.<br />

Und so mußte denn Lord Halifax, der britische Botschafter in Washington, sich stellen und helfend<br />

eingreifen, wo Mr. Churchill sich mit Schweigen aus der Affäre zu ziehen versuchte. Er tat das in einer<br />

Rede auf dem Bankett der amerikanischen Pilgrims-Gesellschaft in New York. Ein Bankett in New<br />

York ist ja sicherlich auch die geeig<strong>net</strong>ste Gelegenheit, der Welt mitzuteilen, warum Großbritannien<br />

den Krieg provoziert hat und aus welchem Grunde es nun bis zum Weißbluten zu kämpfen<br />

entschlossen sein muß. Lord Halifax' Ausführungen sind für den amerikanischen Hausgebrauch<br />

zurechtgeschnitten. Sie enthalten alles, was man zu diesem Thema sagen kann, ohne sich irgendwie<br />

festzulegen, und würden sich deshalb auch besser zu einem Leitartikel in einem New Yorker<br />

Boulevardblatt als zu einer für die internationale Öffentlichkeit bestimmten amtlichen Erklärung<br />

eignen. Der fromme Lord meinte, England kämpfe für einen gerecht verteilten Wohlstand. Wieso<br />

kämpfen? London hätte ja den Wohlstand der Welt, der sich zum größten Teil in seinen Händen<br />

befindet, auch schon vor dem Kriege gerecht verteilen können. Vielleicht wäre dann der Krieg<br />

überhaupt überflüssig gewesen. Denn unseres Wissens hat England sich doch entgegen all unseren<br />

friedlichen Vorstellungen konstant geweigert, irgend etwas an der Verteilung der Reichtümer der Welt<br />

zu ändern. In London wurde doch die entehrende Klassifizierung der Völker in Besitzende und<br />

Habenichtse erfunden und diese Ordnung als die gottgewollte ausgegeben. Für ihre Neuregelung kann<br />

Großbritannien also nicht Krieg führen.<br />

Lord Halifax sagte weiter, England habe dem Reich den Krieg erklärt, um die Welt vor einer<br />

Wiederholung der Tragödie des Krieges zu beschützen. Merkwürdige Logik! Also London führt Krieg,<br />

um die Welt vor Krieg zu bewahren. Das ist dasselbe, wie wenn einer Selbstmord begeht, um den Tod<br />

abzuschaffen. Es sei nicht möglich, meint Lord Halifax, jetzt schon bis ins einzelne gehende Pläne zur<br />

Errichtung des Zukunftsgebäudes der Gemeinschaft der Nationen auszuarbeiten. Wir wollen auch gar<br />

keine Einzelheiten wissen; es genügte uns schon, wenn Lord Halifax uns dieses Zukunftsgebäude<br />

wenigstens in rohen Umrissen aufzeichnen wollte. Aber auch darüber schweigt er sich in seiner sonst<br />

so wortreichen Rede vernehmlich aus. Oder sollen wir uns etwa mit seiner<br />

-447-

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