P.T. MAGAZIN 02/2013
Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung
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Wirtschaft<br />
Milliardengrab Stress<br />
Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz kosten Wirtschaftskraft<br />
Der demographische Wandel hat zur<br />
Folge, dass die Menschen in Deutschland,<br />
Österreich und der Schweiz weniger<br />
und älter werden. Die Auswirkungen<br />
dieser Entwicklung betreffen auch die<br />
Erhalt der Arbeitsfähigkeit<br />
gewinnt an Bedeutung<br />
Arbeitswelt. Um vor diesem Hintergrund<br />
den Fortbestand des Unternehmens zu<br />
sichern, bedarf es einer Hinwendung zu<br />
künftigen Problembereichen wie Fachkräftemangel,<br />
Erhalt des betrieblichen<br />
Know-hows oder langfristiger Beschäftigungsfähigkeit<br />
älterer Arbeitnehmer.<br />
Mit Blick auf den Fachkräftemangel<br />
wird die zukünftige Innovationsund<br />
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen<br />
davon abhängen, inwiefern<br />
alternde Beschäftigte weiterhin produktiv<br />
bleiben. Der Erhalt der Arbeitsfähigkeit<br />
der Beschäftigten gewinnt zunehmend<br />
an Bedeutung, da künftig weniger<br />
und durchschnittlich ältere Erwerbsfähige<br />
zur Verfügung stehen werden. So<br />
ist die Erwebsfähigkeit der Personen<br />
zwischen 50 und unter 65 stärker gestiegen<br />
als die der 15- bis unter 65-Jährigen.<br />
Der Erhalt der Arbeitsfähigkeit<br />
von Beschäftigten gewinnt zunehmend<br />
an Bedeutung. Auch die Bedingungen<br />
am Arbeitsplatz werden immer härter,<br />
so dass Beschäftigte durch vermehrten<br />
Arbeits- und Leis tungsdruck und durch<br />
den Anspruch an erhöhter Flexibilität<br />
enorm unter Stress stehen.<br />
Angst, Schlaf- und<br />
Konzentrationsmangel<br />
Stress gilt inzwischen als Krankmacher<br />
Nummer 1. Die Weldgesundheitsorganisation<br />
stuft Stress als eine der größten<br />
Gefahren für das menschliche Wohlergehen<br />
im 21. Jahrhundert ein. Aktuelle<br />
Studien belegen, dass psychische Belastungen<br />
am Arbeitsplatz europaweit<br />
zunehmen. Körper und Seele leiden. Die<br />
Folgen sind psychische und psychosomatische<br />
Beschwerden, die sich in Reizbarkeit<br />
und Hypochondrie, Angst und<br />
Depressionen, Schlaf- und Konzentrationsmangel<br />
äußern oder in Kopfschmerzen,<br />
Migräne, Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen<br />
münden. Es kommt<br />
zu Burnouts, Gefühlen von Hilflosigkeit<br />
oder Resignation und schließlich auch<br />
zu sozialer Entfremdung und familiären<br />
Steigende Zahl an<br />
„Arbeitsunfähigkeitstagen“<br />
(Foto: DPP-Europe)<br />
Problemen. Die Auswirkungen werden<br />
von verschiedensten Suchtformen wie<br />
Drogen, Alkohol, Medikamente, Tabak,<br />
Spiel- oder Kaufsucht begleitet. Dauert<br />
dieser Zustand der Überbeanspruchung<br />
länger an, kann er chronisch werden.<br />
Das Thema ist aktueller denn je. Depressionen<br />
und Angsterkrankungen drohen<br />
zu Volkskrankheiten zu werden. Betriebe<br />
und das Gesundheitssystem müssen<br />
heute lernen, mit einer stetig steigenden<br />
Zahl psychisch erkrankter Mitarbeiter<br />
umzugehen. Die Symptome im betrieblichen<br />
Kontext lassen sich unter anderem<br />
direkt an der sinkenden Leistungsfähigkeit<br />
erkrankter Mitarbeiter und<br />
einer steigenden Zahl an „Arbeitsunfähigkeitstagen“<br />
sowie den damit verbundenen<br />
Mehrkosten ablesen. Allein<br />
in Deutschland fallen jährlich 3,8 Mrd.<br />
Euro Produktionsausfallkosten aufgrund<br />
psychischer Erkrankungen an (M. Hommelsen,<br />
2007, BApK). Mittlerweile lassen<br />
sich in Deutschland rund zwölf Prozent<br />
aller Fehltage darauf zurückführen. Die<br />
Tendenz ist steigend. Arbeitsbedingte<br />
psychische Belastungen verursachen in<br />
Deutschland jährlich Kosten zwischen<br />
sieben und 30 Mrd. Euro – je nachdem,<br />
ob auch körperliche Erkrankungen im<br />
Muskel-Skelett-, Kreislauf- sowie Magenund<br />
Darm-System, die auf psychische<br />
Belastungen am Arbeitsplatz zurückzuführen<br />
sind, hinzugerechnet werden<br />
(W. Bödeker, 2011, Hans-Böckler-Stiftung).<br />
Weiterhin führen Psychosen zu<br />
besonders langen Fehlzeiten von durchschnittlich<br />
30 Tagen, Depressionen zu<br />
durchschnittlich sogar 39 Tagen.<br />
Betriebsklima fördert oder behindert<br />
In der Folge beeinflussen die psychischen<br />
Belastungen der Beschäftigten<br />
in hohem Maße die Umsetzung und<br />
Ergebnisse betrieblicher (Modernisierungs-)Prozesse:<br />
Die Arbeitsorganisation,<br />
das Führungsverhalten sowie das<br />
Betriebsklima sind wesentliche Faktoren,<br />
welche die psychische Gesundheit der<br />
Beschäftigten fördern oder behindern<br />
können. Insofern sollte es im Interesse<br />
der Unternehmen liegen, Gefahren für<br />
die psychische Gesundheit zu erkennen<br />
und abzubauen. Besonders die für die<br />
Wirtschaftskraft wichtigen kleinen und<br />
mittleren Unternehmen spüren diesen<br />
demografischen Umbruch deutlich: Diese<br />
Betriebe mit bis zu 250 Mitarbeitern<br />
beschäftigen laut Bundesamt für Statistik<br />
knapp 70 Prozent aller Sozialversicherungspflichtigen.<br />
Diese Betriebe<br />
laufen mangels vorausschauendem<br />
Personalmanagement Gefahr, zu Demografie-Verlieren<br />
zu werden" (R. Lemmer,<br />
2008, PERSONAL). Dieser Entwicklung<br />
wird sich nicht entzogen werden können,<br />
jedoch lässt sie sich beispielsweise<br />
mithilfe von Stress-Management-<br />
Instituten eindämmen. Workshops mit<br />
Themen wie „Burnout-Prävention“, „Psychische<br />
Gesundheit am Arbeitsplatz“<br />
oder „Strategien für den Umgang mit<br />
psychisch kranken Mitarbeitern“ sollen<br />
als „Werkzeuge zur Selbsthilfe im (beruflichen)<br />
Alltag“ psychische Belastungen<br />
verringern und vermeiden helfen. Denn<br />
der Erhalt und die Förderung der Arbeitsfähigkeit<br />
der Arbeitnehmer 55+ in kleineren<br />
und mittleren Unternehmen birgt<br />
die Chance für Unternehmen auf weiteren<br />
Erfolg am Markt. n<br />
Anteil der Befragten<br />
Horst Grässlin<br />
Angebot des Steinbeis-Transfer-Instituts<br />
n Einführung zu psychischen Erkrankungen<br />
n Auswirkungen der Erkrankungen auf die<br />
Arbeitssituation<br />
n Betriebliche Umfeldanalyse<br />
n Frühwarnzeichen<br />
n Behandlungsmöglichkeiten<br />
n Leitungsfunktion – Führungsverantwortung<br />
n Handlungshilfen für den Betrieb, Maßnahmen<br />
n Informationen über externe Hilfsangebote<br />
www.stress-burnout-frei.de<br />
Zeitdruck und Arbeitshetze bei Vollzeitbeschäftigten in Deutschland 2011<br />
Deutschland<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
21,00<br />
27,00<br />
19,00<br />
Wie häufig fühlen Sie sich bei der Arbeit gehetzt und stehen unter Zeitdruck?<br />
32,00<br />
31,00<br />
32,00<br />
Sehr häufig Oft Selten Nie<br />
Insgesamt (Vollzeit) Frauen Männer<br />
36,00<br />
32,00<br />
Über den Autor<br />
n Horst Grässlin, Leiter des „Steinbeis-Transfer-Instituts<br />
für Stressmanagement,<br />
ganzheitliche<br />
Gesundheit & Prävention“ in<br />
Konstanz, wirkt in den Bereichen<br />
Energetik und Salutogenese.<br />
38,00<br />
11,00<br />
10,00<br />
11,00<br />
in %<br />
(Foto: surfstyle/Flickr.com)<br />
Arbeitsorganisation, Führungsverhalten<br />
und Betriebsklima sind wesentliche<br />
Gesundheits-Faktoren am Arbeitsplatz<br />
(Szene aus „Moderne Zeiten“ mit Charlie<br />
Chaplin, 1936)<br />
(Grafik: DGB/Statista <strong>2013</strong>)<br />
Hinweis: Weitere Angaben zu dieser Statistik, sowie Erläuterungen zu Fußnoten, sind im Backup des Dossiers auf Seite 8 zu finden. ID 233477<br />
Quelle: DGB, DGB - Index Gute Arbeit 2012, Seite 5<br />
© Statista GmbH<br />
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