42 Zoom Ich erwische Sie ja gerade im Auto. Was hören Sie denn nachher im Radio, wenn wir mit dem Interview fertig sind? Auf Ö1 gibt es ganz lange Infosendungen, das höre ich mir immer an, falls Journalisten mir Fragen zur Innenpolitik stellen. Keine Sorge, jetzt wird es nicht besonders politisch. Wofür kritisieren Sie sich selbst eigentlich am meisten? Für mangelnde Konsequenz. In welchen Dingen? In allen Dingen! Privat und beruflich. Ich verzettele mich gerne. Ich habe eine völlig illusionäre Vorstellung von Zeit. Und wofür loben Sie sich? Wenn ich es schaffe, allein aus mir heraus ein Projekt zu stemmen, ohne dass mich ein anderer antreibt. Haben Sie nach 30 Jahren Karriere auf der Bühne noch Lampenfieber? Ich dachte als junger Mann immer, dass ich nach so langer Zeit in diesem Geschäft viel ausgebrannter wäre. Ich stelle mir zum Glück immer wieder Aufgaben, die keine „gmahde Wiesn“ sind. Deswegen habe ich auch immer noch Lampenfieber. Was sind das für Aufgaben? Im September war ich in Andalusien unterwegs als Kommentator für eine Doku über Christen und Mauren. Außerdem schreibe ich ein Drehbuch als alleiniger Autor. Und wenn ich damit fertig bin, möchte ich wieder ein neues Kabarettprogramm schreiben – das wird mich ziemlich herausfordern. Im Geist stelle ich mir schon vor, wie diese Wiener Schakale bei der Premiere im Publikum sitzen und alle sehen möchten, dass mir nichts eingefallen ist. Und ich möchte, dass sie am Schluss sagen: Dieses Arschloch hat es schon wieder geschafft! Wenn ich mir Ihre Sachen ansehe, ist es für mich einerseits ein schöner Schmäh und heimelig, auf der anderen Seite wird mir beiläufig die Banalität des Lebens hingeschmissen. Ich halte das nicht jeden Tag gleich gut aus. Was denken Sie, wenn Sie diese Zerspanntheit aus Wohlgefühl und Zumutung in den Gesichtern Ihres Publikums sehen? Ich glaube, man ist seinem eigenen Text am nächsten, wenn man ihn schreibt – da spürt man dann auch am ehesten, was der Zuschauer spürt. Die brutale Wahrheit ist aber: Steht man auf der Bühne, dann ist man so sehr auf das Schauspiel konzentriert, dass man von dem Text und von den Reaktionen gar nicht so viel mitbekommt. wach, als dass ich andere wachrütteln könnte. Wachrütteln würde implizieren, dass meine Wachheit bewusster ist als die des Publikums – das glaube ich gar nicht. Meine einzige Leistung in aufklärerischer Hinsicht ist, dass die Leute mitunter weniger wissen als vorher, wenn sie aus meinem Programm gehen. An was glauben Sie? An wenig! (lacht) Nein, ich glaube, dass zwischen Menschen angenehme Dinge passieren können und dass das ziemlich wahrscheinlich ist, wenn man sich an bestimmte Grundregeln hält. Wofür das Leben an sich gut ist, das weiß ich zum Beispiel gar nicht. Wir sind genug über unsere Existenz informiert, um zu sehen, dass sie unbefriedigend ist, aber wir haben nicht so viel drauf, um zu erkennen, warum das so ist. Eigenartigerweise bin ich trotzdem jemand, der gerne lebt. Ich habe ja keine andere Existenz und versuche, die für mich und andere angenehm zu machen. Sie haben Germanistik und Geschichte auf Lehramt studiert, hatten schon während des Studiums Erfolg als Kabarettist und haben die Uni dann abgebrochen. Hatten Sie Angst, dass es nicht klappen könnte? Ja, schon. Es gab den Punkt, an dem ich mir gesagt habe: Entweder es klappt nächstes Jahr oder ich bringe mein Studium zu Ende und werde doch Lehrer. Sie spielen wieder den Brenner in der Verfilmung des Romans „Das ewige Leben“ von Wolf Haas, die im März 2015 in die Kinos kommt. Was war das Highlight der Dreharbeiten? Man geht davon aus, dass es bei Dreharbeiten ein Highlight gibt. In Wirklichkeit ist es wochenlanges Schuften. Man könnte auch fragen: Was hat einen besonders gequält? Das war dieses Mal ein drei Tage langer Dreh in einem eiskalten Tunnel. Das Schönste ist aber eigentlich, dass man einen Teamgeist entwickelt und in der Früh mit den Lichtleuten gemeinsam einen Kaffee trinkt. Was machen Sie eigentlich in Ihrer Freizeit? Ich schreibe an Filmprojekten. Das Komische ist, dass ich das als Freizeit und nicht als Arbeit begreife. Sie gehen also nicht joggen oder kochen gern, oder…? Kochen ist für mich kein Hobby, sondern ein Dauerzustand. Am liebsten koche ich Sachen ohne Rezept, deswegen bin ich auch im Backen ganz schlecht. Ihnen fliegen die funkelnden Frauenblicke bestimmt nur so zu, oder? Ehrlich gesagt, ich… Hm. Ich kann damit eigentlich gar nichts anfangen, für mich wirkt das nicht so. Sie sollten mir das mal direkt nach der Vorstellung sagen. (lacht) Na ja, damit könnte ich dann wahrscheinlich auch nicht umgehen. Aber das Meiste funktioniert ja über Projektion, auch die Liebe. Und irgendwann, wenn die ganze Projektion zusammengebrochen ist, wenn man viel zu viel weiß vom anderen, dann muss man viel tun für die Liebe, damit sie noch bleibt. Ich profitiere sehr von den Projektionen, die man auf Menschen richten kann, die man nicht beim Frühstück erleben muss. Wie tut man denn was für die Liebe? Und Sie gehen davon aus, dass ich das weiß? Das ist ja auch eine Projektion! (lacht) Viel reden miteinander, sich ärgern miteinander und dann wieder versöhnen. Das Schlimmste ist, wenn man das Interesse verliert. Ich soll Sie noch von meiner Mutter fragen, wie viel von diesem gebeutelten, tragisch-komischen Brenner eigentlich in Ihnen steckt? Die traurige Wahrheit ist, dass ich eigentlich viel netter bin als die Figur, aber dadurch auch viel langweiliger. Der Brenner ist ein bisschen so, wie ich gern sein würde, es aber nicht schaffe: Er diskutiert nicht rum, ist nicht konfliktscheu, er sagt manchmal nix und hält das dann aus. Sehen Sie sich als Wachrüttler? Ach, wissen Sie, ich fühle mich selber nicht so Hader spielt Hader am Mittwoch, 15.<strong>10</strong>., im Kongress am Park. Tickets über AZ oder Stadtzeitung, oder (mit ein bisschen Glück) über die Verlosung in dieser Ausgabe.
Zoom „Dieses Arschloch hat es schon wieder geschafft!“ 43 04 Ein Interview mit Josef Hader über neue Filme und ein neues Programm, Wiener Schakale und die Liebe erhaltende Maßnahmen. Von <strong>Neue</strong>-<strong>Szene</strong>- Redakteurin Saskia Grandel