Neue Szene Augsburg 2014-10
Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info und Veranstaltungskalender unter www.neue-szene.de
Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info und Veranstaltungskalender unter www.neue-szene.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
46 Cinerama<br />
HIN UND WEG<br />
Regie: Christian Zübert<br />
Mit: Florian David Fitz, Julia Koschitz,<br />
Jürgen Vogel, Hannelore Elsner u.a.<br />
Manchmal ist die Leinwand schneller<br />
als die Polizei erlaubt: Kaum ist<br />
der letzte Ice Bucket verschüttet,<br />
kommt mit „Hin und weg“ ein Drama<br />
in die deutschen Lichtspielhäuser, in<br />
dem sich ein ALS-Kranker mit seinen<br />
Freunden auf eine letzte Radeltour<br />
begibt. Die Gruppe um Jürgen Vogel<br />
ist zunächst gar nicht begeistert<br />
vom Reiseziel Belgien, bis sie erfahren,<br />
dass das Pommesland aufgrund<br />
der liberalen Haltung zur Sterbehilfe<br />
ausgewählt wurde. Was jetzt<br />
kommt, kann man sich zwar denken,<br />
aber inszenieren wäre wichtiger und<br />
da trifft Regisseur Christian Zübert<br />
(„Lammbock“, „Dreiviertelmond“)<br />
eine ziemlich gute Mischung mit<br />
ziemlich guten Schauspielern. Dieses<br />
Roadmovie wird nicht von der<br />
Tränendrüse getrieben und schon<br />
allein die Sache mit dem Radfahren<br />
sorgt für die nötige Abwechslung.<br />
Und irgendwie wird sogar Belgien<br />
rehabilitiert. Helm ab dafür! (flo)<br />
(Kinostart: 23.<strong>10</strong>.)<br />
<br />
THE CUT<br />
Regie: Fatih Akin<br />
mit: Tahar Rahim, Akin Gazi, George<br />
Georgiou, Simon Abkarian u.a.<br />
Als Künstler kann man sich bei<br />
der Ausführung einer fixen Idee so<br />
richtig verrennen. So zum Beispiel<br />
Fatih Akin mit seiner „Liebe, Tod und<br />
Teufel“-Trilogie. Wäre er es lockerer<br />
angegangen, hätte er sich vielleicht<br />
nicht auf der Suche nach dem Teufel<br />
in einem seltsam altmodischen Kulissenschinken<br />
verlaufen. Tahar Rahim<br />
läuft darin als Armenier im Jahre 1921<br />
einmal um den Globus, auf der Suche<br />
nach seinen beiden Töchtern, von<br />
denen er nach einem von den Türken<br />
verübten Massaker sechs Jahre zuvor<br />
getrennt worden war. Leider behält<br />
der seitdem verstummte Rahim<br />
während der gesamten Odyssee den<br />
immerzu gleich naiv erschrockenen<br />
Gesichtsausdruck bei. Sowohl die<br />
politische als auch die persönliche<br />
Geschichte bleiben unterkomplex am<br />
Wegesrand. Hölzern werden <strong>Szene</strong>n<br />
etabliert, zweidimensional sind die<br />
Figuren. Kein Mensch braucht diesen<br />
Ausbund an kitschigen Klischees.<br />
Manch einer sollte fixe Ideen meiden<br />
wie der Teufel das Weihwasser.<br />
(fs) (Kinostart: 16.<strong>10</strong>.)<br />
<br />
AM SONNTAG<br />
BIST DU TOT<br />
Regie: John Michael McDonagh<br />
mit: Brendan Gleeson, Chris O’Dowd,<br />
Kelly Reilly, Dylan Moran u.a.<br />
Auf einer Grundidee von Robert<br />
Bresson basiert dieser vielschichtige<br />
Film (OT: Calvary), der eine gehörige<br />
Lektion in Sachen Sarkasmus auf die<br />
Leinwand bringt. So tragikomisch ist<br />
das, was dem gutherzigen Priester in<br />
einer irischen Kleinstadt widerfährt,<br />
dass es für eine Weile vergessen<br />
lässt, wie bleiern ernst das ist, was<br />
ihm im Beichtstuhl angekündigt<br />
wurde: der eigene Tod. Eine fremde<br />
Person will aus Rache darüber, von<br />
einem katholischen Kollegen vergewaltigt<br />
worden zu sein, nun, da der<br />
Peiniger selber nicht mehr am Leben<br />
ist, einen moralisch integren Gottesdiener<br />
umbringen. Von nun an habe<br />
der Mann eine Woche Zeit, sein Leben<br />
in Ordnung zu bringen, dann wolle<br />
ihn der Fremde töten. Gebunden an<br />
das Beichtgeheimnis begibt sich der<br />
Priester selbst auf die Suche nach<br />
seinem zukünftigen Mörder, und mit<br />
ihm der Zuschauer in einen Abgrund<br />
aus Schuld und Sühne. Intelligent,<br />
provozierend, böse und gut. (fs)<br />
(Kinostart: 23.<strong>10</strong>.)<br />
<br />
EIN GESCHENK DER<br />
GÖTTER<br />
Regie: Oliver Haffner<br />
Mit: Katharina Marie Schubert, Adam<br />
Bousdoukos, Katharina Hauter, Paul<br />
Faßnacht, Eva Löbau, u.a.<br />
Die „deutsche Working-Class-Komödie“<br />
von Regisseur Oliver Haffner<br />
(„Mein Leben im Off“) erzählt laut<br />
Infotext „die tragisch-komische<br />
Geschichte einer Gruppe gesellschaftlicher<br />
Außenseiter, die alle in<br />
einer beruflichen und persönlichen<br />
Krise stecken. Mit der magischen<br />
Kraft des Theaters und durch die<br />
Erfahrung von Gemeinsinn erobern<br />
sie sich ihre Würde und Selbstachtung<br />
zurück.“ Potzblitz! Der Plot<br />
ist altbekannt und bewährt: Eine<br />
arbeitslose Schauspielerin übernimmt<br />
die Leitung eines Theaterkurses<br />
für „Schwervermittelbare“<br />
und inszeniert „Antigone“. Am Ende<br />
sind alle verliebt und vermittelt und<br />
der Kinobesucher verzweifelt ob der<br />
Banalität des Gebotenen. Wer solche<br />
Stoffe dermaßen vorhersehbar<br />
auf die Leinwand bringt, hat sonst<br />
nichts mehr zu sagen und sollte<br />
eigentlich ganz einfach ganz laut<br />
schweigen, siehe „Antigone“. (flo)<br />
(Kinostart: 09.<strong>10</strong>.)<br />
<br />
FILM DES MONATS<br />
JACK<br />
Regie: Edward Berger<br />
mit: Ivo Pietzcker, Georg Arms, Luise Heyer, Vincent Redetzki u.a.<br />
Dieser Film hätte auch gründlich in die Hose gehen können: Ein kleiner<br />
Junge geistert allein durch die Großstadt, immer auf der Suche nach der<br />
Mama. Obwohl diese den kleinen Jungen im Heim und im Stich gelassen hat<br />
und mehr an ihren neuesten Affären interessiert ist, als daran zu denken,<br />
den Jungen am ersten Ferientag vom Heim abzuholen. Der Junge heißt Jack<br />
und die Stadt Berlin, und dass der Film funktioniert, ist sicher mehr das<br />
Verdienst des jungen Schauspielers Ivo Pietzcker als das der Stadt. Oder<br />
von beiden, denn beide, Junge und Stadt, lassen diesen zehnjährigen Jack<br />
so aussehen, wie ein Kind aussieht, das seinen Alltag komplett selber<br />
schmeißen muss und vom vielen Alleinsein nichts Kindliches mehr hat.<br />
Gut, da ist noch der kleinere Bruder Manuel, der aber so klein ist, dass er<br />
den halben Film verschläft. Und die Kamera, die dem einsamen Jungen auf<br />
Augenhöhe folgt. Gut auch, dass die Mutter, als sie dann mal gefunden<br />
ist, kein Monster ist, sondern mit anderen Dingen beschäftigt, ja selber<br />
noch Kind ist. Ein ruhiger, beeindruckender Film. (fs)<br />
(Kinostart: 09.<strong>10</strong>.)<br />
<br />
3D