AGIL - Ausgabe Oktober 2014
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Im Gespräch: Hans-Dietrich Genscher<br />
scher-Charakteristikum ansieht, hat er<br />
nicht Ihren gelben Pulli genannt, sondern<br />
gesagt: `La Finesse!` - Was meint<br />
er damit?<br />
HDG: Vielleicht mein Geschick, mit Menschen<br />
umzugehen. Man muss sich in die<br />
Schuhe des Gesprächspartners versetzen<br />
können. Man muss spüren, wo der andere<br />
seine Achillesferse hat, aber auch, wo<br />
seine Vorteile liegen, wo er zum Beispiel<br />
großzügig sein kann. Das hilft in jeder Situation<br />
ganz enorm.<br />
ATH: Was war Ihre schönste Mission?<br />
HDG: …so entscheidend beim Fall der<br />
Mauer mitgewirkt zu haben.<br />
ATH: Hatte Ihr bekannter `Genscherismus´,<br />
Ihre sehr persönliche Europa-<br />
und Außenpolitik, auch mit Ihrer<br />
Herkunft zu tun? Man sagt, Sie haben<br />
alle internationalen Politiker, wie etwa<br />
den Henry Kissinger, in Ihre Geburtsstadt<br />
Halle geschleppt? Was wollten Sie<br />
ihnen dort vermitteln?<br />
HDG: Ich wollte, dass der andere Teil<br />
Deutschlands auch ernst genommen wird.<br />
Ich glaube, den Kissinger habe ich so viele<br />
Male dorthin hingeschleppt, dass er nachts<br />
sicher von Halle geträumt hat. Einmal waren<br />
wir sogar zusammen mit Gorbatschow<br />
dort.<br />
ATH: Ihr Biograph, der Diplomat<br />
Hans-Dieter Heumann, betont immer<br />
wieder einen Satz von Ihnen: `Nichts<br />
ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit<br />
gekommen ist´. – Welche Idee gehört in<br />
unsere heutige Zeit?<br />
HDG: Ich lese sehr viel. Unter dem Dach<br />
meines Hauses habe ich mir eine große Bibliothek<br />
eingerichtet. Ich bin mindestens<br />
einmal täglich im Wasser. Und, ich liebe<br />
Musik, vor allem klassische Musik. Bei den<br />
Festivals in Bayreuth oder Salzburg werden<br />
Sie meine Frau und mich immer antreffen.<br />
Das ist Entspannung für uns beide.<br />
HDG: Wir müssen alle zusammen eine<br />
neue, friedliche Weltordnung etablieren.<br />
Eine Kooperation der Gesellschaften dieser<br />
Welt auf gleicher Augenhöhe. Das ist<br />
meine Vision für dieses Jahrtausend. Und<br />
diese Zeit ist längst gekommen!<br />
ATH: Was machen Sie, wenn Sie nicht<br />
in Ihrem Bonner Büro sitzen?<br />
Foto: © Roba Press Medienagentur<br />
<strong>Oktober</strong> <strong>2014</strong> | 9