1 Historischer Hintergrund - Universität Bamberg
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<strong>Historischer</strong> <strong>Hintergrund</strong><br />
nahme der Planbürokratie nicht feststellen konnte, fühlte sie sich veranlaßt, in ihrer<br />
Schrift zum einjährigen Bestehen die grundsätzliche Unfehlbarkeit staatlicher Planvorgaben<br />
anzuzweifeln. Angesichts ihrer bevorstehenden Abwicklung legte die<br />
RTA Gedanken nieder, die an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig ließen und<br />
ihren Schatten voraus warfen auf die kommenden vierzig Jahre zentraler Planwirtschaft<br />
in der SBZ/DDR: „Die Prüfung soll ein Urteil über die Erfüllung der Produktionsauflage<br />
vermitteln. Sie muß deshalb zunächst nach der Angemessenheit<br />
der Produktionsauflage fragen, denn die Ursachen mangelnder Erfüllung können<br />
im Betrieb, aber auch in einer falschen Produktionsauflage liegen.“ 55 Hiermit hatte<br />
sich die RTA übernommen. Die sozialistische Führung definierte die<br />
„Angemessenheit der Produktionsauflage“ - entgegen der tatsächlichen Praxis -<br />
als nicht weiter verhandelbar und akzeptierte darüber keine Diskussion. Das Hinterfragen<br />
dieses Dogmas durch die RTA rüttelte am Prinzip des Systems. Der<br />
„Umbau“ der SED zur „Partei neuen Typus“ bedeutete, Personen und Institutionen<br />
mundtot zu machen, die sich gegen die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung<br />
der SBZ richteten oder daran zweifelten. Nun gehörte auch die RTA dazu. Sie<br />
sollte keine Gelegenheit mehr bekommen, Aussagen zu machen, die das Zentrum<br />
zentraler Verwaltungswirtschaft, den Plan, infrage stellten. Bald nach Erscheinen<br />
der Beilage zum Fachnachrichtendienst begann ihre Abwicklung, und war bis zum<br />
Ende des Jahres 1949 beendet. Gleichwohl war die Kritik der RTA systemimmanent<br />
zu verstehen. Selbstverständlich war sie überzeugte Anhängerin der Zentralplanwirtschaft.<br />
Hier zeigt sich ein immer wiederkehrendes Paradox des Wirtschafts-<br />
und Gesellschaftssystems der SBZ/DDR: Empirisch allgemein festzustellende<br />
Zustände der SBZ-Wirtschaft verlangten - dem „demokratischen“ Anspruch<br />
der Wirtschaftsordnung entsprechend - nach Kritik, denn jedermann<br />
spürte, daß sie weder materiell noch psychologisch befriedigend waren. Kritik am<br />
System war aber grundsätzlich nicht willkommen. Darum kamen ausschließlich<br />
systemimmanente Verbesserungsvorschläge zur Diskussion. Diese aber verstrickten<br />
die Wirtschaft der SBZ immer mehr in das Netz sozialistischer Utopie.<br />
Sie verstärkten die Hoffnung auf tatsächliche Verbesserungen und, weil diese<br />
ausblieben, auch die Suche nach weiteren (systemimmanenten) Begründungen des<br />
Scheiterns. So berechtigt die Kritik der RTA am staatlichen Plan offensichtlich<br />
war, so wenig hätte sich ihre Forderung realisieren lassen, im Vorfeld einer Betriebsrevision<br />
„die Angemessenheit der betreffenden Produktionsauflage“ zu<br />
überprüfen. Dafür wäre ein größeres Maß an Wissen um die Wirtschaftsdaten<br />
erforderlich gewesen als die Kenntnisse der staatlichen Planbürokratie, welche zur<br />
Aufstellung der Produktionsauflagen geführt hatten. Außerdem wäre dadurch die<br />
Autorität der Plankommissionen in Frage gestellt worden. Kritik am Umfang der<br />
Produktionsauflagen hätte die „störungsfreie“ Planerfüllung an vielen Stellen<br />
gleichzeitig erschüttert und den Plan als Ganzes in Gefahr gebracht. Betriebsübergreifende<br />
Diskussionen wären die Folge gewesen und vielleicht wäre eine Welle<br />
der Kritik durch die SBZ gegangen. Das ohnehin vorhandene Bestreben der Betriebe,<br />
die Planauflagen zu drücken, hätte sich verstärkt. Und für den Fall, daß<br />
tatsächlich unrealistische Pläne festgestellt worden wären, hätten diese abgeändert<br />
werden müssen. Die Folgen für den Gesamtplan wären unabsehbar gewesen. Das<br />
System der Zentralplanwirtschaft setzte darauf, einmal erteilte Pläne unter allen<br />
Umständen umsetzen zu lassen. Auch begründete Einwände wurden ignoriert und<br />
55 DN5-261, S. 114.