POLITIK POLITIK wohnen und älter werden können. Einige Wohnungsgesellschaften zeigen bereits, wo der Trend hingeht: „Wohnplus-Programme“, mit Unterstützung etwa bei der Begleitung zu Ämtern, Hilfen in der Wohnung und einem Einkaufs- oder Essensservice. Und wir müssen den Menschen gerade im Alter mehr Möglichkeiten geben, der Isolation zu entkommen: Kiezzeitungen, Lesezirkel, Veranstaltungsräume, Gästewohnungen für Besuche von Freunden und Verwandten sowie Senioren-Wohngemeinschaften oder innovative Wohnformen, in den mehrere Generationen unter einem Dach leben. Und natürlich Maßnahmen des Wohnungsumbaus, die beispielsweise Stürze in Bädern verhindern helfen. Jens Bullerjahn läst sich gerade über die Autobahn Richtung Potsdam chauffieren, als er die Eilmeldung im Autoradio hört: Matthias Platzeck tritt zurück. Bullerjahn, demnächst SPD- Juniorpartner in der großen Koalition von Sachsen-Anhalt und Vertrauter Platzecks, lässt den Wagen wenden und rast nach Berlin zurück. Zwanzig Minuten zu spät kommt er zur Präsidiumssitzung der SPD im Willy-Brandt-Haus - und erlebt die zweite Überraschung des Tages. Der neue SPD-Vorsitzende Kurt Beck nimmt ihn zur Seite und teilt ihm mit, dass er jetzt an seiner Stelle den Parteivizevorsitz übernehmen müsse. Außerdem soll Bullerjahn Präsidiumsmitglied werden. Platzeck lege großen Wert darauf, dass die Präsenz der „ostdeutschen Genossen im engeren Zirkel sichergestellt“ bleibe. Bullerjahn ist konsterniert, die Partei steht unter Schock. Nach Franz Müntefering ist der nächste Parteichef verschlissen. Nach nur 146 Tagen. Hinzu kommt: Mittel, die für den seniorengerechten Umbau von Wohnungen investiert werden, stärken unser regionales Handwerk und schaffen <strong>Arbeit</strong>splätze im Dienstleistungsbereich. Ich glaube, gerade in einer Metropole wie Berlin ist es ganz wichtig, dies alles nicht allein dem anonymen Markt zu überlassen, sondern hier ganz deutlich von der Politik Leitplanken zu setzen. Darüber hinaus bietet der Bezirk mit seinen grünen Wohngebieten auch hervorragenden <strong>Leben</strong>sraum für Familien mitten in der Stadt. <strong>Berliner</strong> <strong>Leben</strong> & <strong>Arbeit</strong>: Wie schätzen Sie die Politik der Linkspartei.PDS in der Wohnungspolitik ein? Rücktritt nach nur 146 Tage Platzeck hört auf seine Ärzte und tritt zurück Mit Platzeck verliert die Partei ihre Zukunftshoffnung, die die Perspektive für die Bundestagswahl 2009 verkörperte. Präsidiumsmitglied Andrea Nahles spricht von einem „echten Schicksalsschlag“ für die SPD, Außenminister Frank-Walter Steinmeier von einem „schwerem Schlag“. Platzeck habe die SPD als moderne Partei positionieren wollen und sich intensiv um einen neuen Stil bemüht: „Er hat ihn geradezu verkörpert.“ Jetzt macht sein Körper nicht mehr mit. Auch die verhinderte Generalsekretärin Nahles kann es zunächst nicht glauben, als sie am frühen Montagmorgen vom bevorstehenden Rücktritt erfährt: „Das gibt es doch nicht!“ Ähnlich reagieren die meisten ihrer Präsidiumskollegen, die wenig später in die Parteizentrale eilen. Dort tritt ihnen ein blasser, um Fassung ringender Parteichef gegenüber. Es fließen Tränen, als der „sympathische Matthias“ bestätigt: Er schafft es nicht mehr, er muss zurücktreten. Sichtlich angeschlagen trägt der scheidende Parteichef danach den Journalisten eine Art ärztliches Bulletin vor, sein eigenes: Zum Jahreswechsel erster Hörsturz; am 11. Februar Kreislauf- und Nervenzusammenbruch; 29. März zweiter Hörsturz im rechten Ohr. Schon beim ersten Mal habe er „sieben, acht Tage gebraucht, bis wieder alles richtig tickte“, sagt Platzeck. Der zweite Hörsturz habe ihm „einen erheblichem Verlust des Hörvermögens“ eingetragen. Es wird still im Saal des Willy- Brandt-Hauses, der Parteichef kämpft wieder mit den Tränen: „Es blieb keine andere verantwortliche Entscheidung, als das jetzt nicht weiter auf die Spitze zu treiben. Ich habe meine Kräfte überschätzt.“ Seit Jahresbeginn hat Platzeck Thomas Isenberg: Die Linkspartei argumentiert scheinheilig. Immerhin waren es in Dresden gerade LPDS Stadträte, die sich als heftigste Verfechter der dortigen Komplettprivatisierung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft aufgeschwungen haben. ■ Ergänzende Informationen: Näherer Informationen zu Thomas Isenberg können Sie auch unter www.thomas-isenberg.de finden. Gerne steht Herr Isenberg Ihnen für Diskussionen zur Verfügung. demnach allen ärztlichen Rat in den Wind geschlagen, jetzt hat er sich dem Druck gebeugt. Ende einer Karriere. 6 <strong>Berliner</strong> <strong>Leben</strong> & <strong>Arbeit</strong> Parteikreisen zufolge soll Platzecks Arzt ihm nach den Infusionen im Potsdamer Klinikum nochmals eindringlich nahe gelegt haben, künftig wesentlich kürzer zu treten. Platzeck verstand, schließlich war sein Vater einst der führende Hals- Nasen-Ohren-Arzt von Potsdam. Der SPD-Chef traf aber keine Spontanentscheidung. Noch vom Krankenbett aus hatte er wiederholt mit engen Parteifreunden wie SPD-Generalsekretär Hubertus Heil beraten. Einen Tag nach seiner Entlassung aus der Klinik, folgte ein zweites Gespräch, an der neben Platzeck und Beck auch SPD-Fraktionschef Peter Struck und Vizekanzler Franz Müntefering teilnahmen, die Entscheidung für den Rücktritt. Trotz seines offenherzigen Auftritts wird Platzeck mit Gerüchten über das ganze Ausmaß seiner Motive vorerst leben müssen. Zumindest im Februar hatte er der Öffentlichkeit die Wahrheit verschwiegen: Nicht ein „grippaler Infekt“, sondern ein Kreislauf- und Nervenzusammenbruch setzte ihn damals außer Gefecht. Kurt Beck wird neuer SPD-Vorsitzender Der designierte Parteichef ist in der deutschen Politik eine Ausnahmeerscheinung Es ist noch kein Jahr her, da schloss Kurt Beck mit definitiven Worten aus, den Vorsitz der SPD alsbald zu übernehmen. Die Neuwahlen waren damals ausgerufen, die Sozialdemokratie war in Nordrhein-Westfalen abgewählt worden; viel sprach für eine baldige Verdammnis in die Opposition. Sogar unter diesen Voraussetzungen blieb Beck stur. Unterwegs an der Pfälzer Weinstraße deutete der beliebtbeleibte Landesvater auf die Schönheit der Landstriche an Rhein, Mosel und Nahe. Beck schwärmte von Wanderungen und Wein, nicht zu vergessen den „Leberwurschtbroten“, die er so mag. „Das alles“, meinte Beck, „gibt es doch gar nicht in Berlin. Was soll ich da also?“ Ab sofort wird der künftige Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands - der neunte seit Willy Brandt - öfter in Berlin weilen. In seinem Haus in Steinfeld in der Pfalz, das er mit seiner Frau Roswitha bewohnt, wird Beck künftig nicht einmal das Wochenende verbringen können. Seit dem 10. April leitet der 57jährige die SPD kommissarisch, auf einem Sonderparteitag Ende Mai soll er offiziell zum Nachfolger Matthias Platzecks gewählt werden. Beck ist in der deutschen Politik eine Ausnahmeerscheinung. Der gelernte Elektromechaniker holte den Realschulabschluss über den mühsamen zweiten Bildungsweg nach - und zählt zu den wenigen Nicht-Akademikern im politischen Geschäft. Platzecks fünfmonatige Amtszeit als Parteichef wird durch zwei programmatische Beiträge eingerahmt: Von seiner allseits anerkannten Rede auf dem Karlsruher SPD-Parteitag, der ihn am 15. November vergangenen Jahres mit dem Traumergebnis von 99,4 Prozent der Delegiertenstimmen gewählt hatte. Und von einem Abschiedsgruß im Nachrichtenmagazin „Spiegel“, mit dem er das verstaubte Grundsatzprogramm seiner Partei auf Vordermann bringen wollte. Dazwischen fiel es Platzeck schwer, der SPD nachhaltig zu neuem Profil zu verhelfen; seine Strategie setzte auf lange Fristen. Aber in seiner Partei wuchs die Dass die Wahl im engen Führungszirkel der SPD auf Kurt Beck fiel beruht auf einem weiteren Alleinstellungsmerkmal: Beck hat seine Landtagswahl am 26. März nicht nur siegreich überstanden, er holte für die ansonsten depressive SPD gar die absolute Mehrheit. Bis dato war Beck der letzte sozialdemokratische Ministerpräsident in einem westdeutschen Flächenland, seither ist er unangefochten die Nummer eins. Eine seiner Stärken, seine Verlässlichkeit, wird Beck in den kommenden Wochen und Monaten pflegen müssen. Zum einen bekundete er seine Loyalität zur Koalition und sagte: „Ich werde sobald als möglich das direkte Gespräch mit Frau Merkel suchen.“ Zum anderen sieht er sich in der kurzen, programmatisch aber durchaus tiefgründigen Tradition Platzecks. Dessen Leitsätze für das neue Grundsatzprogramm hatte das Präsidium gestern trotz allen Trubels in erster Lesung beraten. Beck knüpft nicht aus Höflichkeit an den erkrankten Vorgänger an. Er tut dies überzeugt, ist er doch kein sozialdemokratischer Theoretiker, sondern ein Mann mit Kompass und Sinn für Kompromiss wie Konsens. Ideologische Argumentationen kann er nicht ertragen, Parteilinken wie Grünen begegnet er skeptisch. Nervosität angesichts sinkender Umfragewerte. Das schien auch Platzeck zu verunsichern: Erst erteilte er dem mühsam mit der Union erzielten Kompromiss zur Föderalismusreform seinen Segen, dann stellte er diesen nach Protesten der SPD-Bundestagsfraktion wieder in Frage. Und im Tarifstreit geriet Platzeck in einen Konflikt zwischen seinen Aufgaben als Parteichef und als Ministerpräsident, befürwortete sogar die harte Verhandlungslinie. Platzeck will sich nun nach Brandenburg zurückziehen. Im Bund lässt er eine fassungslose Partei zurück. ■ All dies bedeutet nicht, dass man Beck auf die Rolle des Landesvaters beschränken darf. Früh hat er etwa die Brisanz der Frage der Ganztagsbetreuung erkannt und entsprechend gehandelt. Rheinland-Pfalz mag konservativ und ländlich strukturiert sein; um so erstaunlicher ist, wie gut dieses Land ohne Großstädte in diesem Bereich versorgt ist. Zudem steht es wirtschaftlich und in Bezug auf den <strong>Arbeit</strong>smarkt recht gut da; im Wahlkampf hat Beck diesen Trumpf ausgespielt. Das Risiko seiner neuen Funktion dürfte Beck bewusst sein. Er, der sich als „nah bei den Leuten“ beschreibt, der so gern Hände schüttelt und Weinköniginnen küsst, wird sich zwangsläufig von seiner Basis entfernen. Integrieren, Kompromisse suchen und sein Markenzeichen, das „Miteinander“, pflegen - das muss er künftig vor allem in der Bundeshauptstadt. ■ <strong>Berliner</strong> <strong>Leben</strong> & <strong>Arbeit</strong> 7