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Die Fakten

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6 TITELTHEMA<br />

„Wir sind doch alles nur Menschen“<br />

Asylbewerber und Kontingentflüchtlinge im Landkreis Freyung-Grafenau<br />

Yussuf aus Nigeria im Gespräch<br />

Freyung-Grafenau. Yussuf<br />

kommt aus dem afrikanischen<br />

Staat Nigeria. Es ist<br />

ein ölreiches Land. <strong>Die</strong> Schere<br />

zwischen arm und reich<br />

klafft weit auseinander. Seit<br />

einigen Jahren herrscht eine<br />

Art unerklärter Krieg. Muslimische<br />

Gruppen verüben Terrorakte<br />

hauptsächlich gegen<br />

die christliche Bevölkerung.<br />

Yussuf studierte Grafik und<br />

Design und kam zwischen die<br />

Fronten. Er wusste nicht mehr ,<br />

wo er sicher leben konnte und<br />

kam deshalb nach Deutschland.<br />

Hier fühlt er sich sicher.<br />

Er hat schon Kontakt zum lokalen<br />

Sportverein und zur Bevölkerung.<br />

Er möchte Deutsch lernen<br />

und hofft, hier bleiben zu<br />

können. Solange er Asylbewerber<br />

ist, darf er nicht arbeiten,<br />

um Geld zu verdienen. So<br />

helfen er und seine Kollegen<br />

unentgeltlich im Bauhof der<br />

Gemeinde Thurmansbang,<br />

seiner Unterkunftsgemeinde.<br />

Grünflächen mähen, Hecken<br />

schneiden und ähnliches sind<br />

die Aufgaben – es gibt viel zu<br />

tun. <strong>Die</strong> altgedienten Gemeindearbeiter<br />

sind ganz froh über<br />

ihre neuen Mitarbeiter. Sie sind<br />

hilfsbereit und wollen arbeiten.<br />

<strong>Die</strong> Verständigung klappt<br />

mit Schulenglisch und Gestensprache.<br />

Bis sein Asylantrag<br />

genehmigt oder abgelehnt<br />

wird, kann es derzeit zwischen<br />

einem halben und einem Jahr<br />

dauern, eventuell auch länger.<br />

Asylrecht<br />

Fotos: Demont<br />

Asylrecht hat in Deutschland<br />

Verfassungsrang. Nach Artikel<br />

16a des Grundgesetzes der<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

genießen politisch Verfolgte<br />

Asyl. <strong>Die</strong>s gilt für die politische<br />

Überzeugung genauso wie für<br />

die religiöse Grundentscheidung<br />

des Betroffenen. Verfolgt<br />

man die Zeitungsmeldungen,<br />

egal ob es um das<br />

Gebiet des nahen Ostens oder<br />

um viele Länder Afrikas geht,<br />

überall wird über Terror, Krieg<br />

und Verfolgung berichtet.<br />

2014 rechnet man in Bayern<br />

mit über 20.000 Asylbewerbern.<br />

Damit ist der Höchststand<br />

von 1992 mit 60.000<br />

Asylbewerbern bei weitem<br />

nicht erreicht.<br />

<strong>Die</strong> Aufteilung der Menschen<br />

auf die bayerischen Regierungsbezirke<br />

erfolgt nach<br />

einer Quotenregelung, die<br />

jährlich angepasst wird. Heuer<br />

beträgt die Quote für Niederbayern<br />

9,6%, d.h. 1920<br />

Menschen bezogen auf die<br />

Gesamtschätzzahl von 20.000<br />

Personen. Der Landkreis Frey-<br />

ung-Grafenau muss mit 250<br />

bis 270 zugewiesenen Asylbewerbern<br />

rechnen. Nachdem<br />

die Gemeinschaftsunterkunft<br />

in Grafenau mit 140<br />

Plätzen voll belegt ist und keine<br />

weitere Gemeinschaftsunterkunft<br />

zur Verfügung steht,<br />

müssen die übrigen Personen<br />

dezentral untergebracht werden.<br />

Das Asylbewerberaufnahmegesetz<br />

in Bayern sieht<br />

die dezentrale Unterbringung<br />

vor, wenn die Gemeinschaftsunterkünfte<br />

voll belegt sind.<br />

Dezentral<br />

Das Landratsamt fungiert in<br />

diesem Fall als untere Verwaltungsbehörde<br />

des Freistaates<br />

und ist weisungsgebunden. Es<br />

werden angebotene Immobilien<br />

in Gemeinden angemietet,<br />

wenn diese für die<br />

dezentrale Unterbringung<br />

geeignet sind. Unterkunft,<br />

ärztliche Betreuung und Auszahlung<br />

eines monatlichen<br />

Betrages für Lebensmittel,<br />

damit der Asylbewerber sich<br />

selbst versorgen kann, werden<br />

garantiert. Damit sind<br />

die gesetzlichen Grundlagen<br />

erfüllt. In der Regel erfährt<br />

eine Gemeinde erst von der<br />

Anmietung einer Unterkunft,<br />

wenn der Vertrag mit dem Vermieter<br />

unterzeichnet ist. Man<br />

will vermeiden, dass Vermieter<br />

abspringen, wenn es vorher<br />

bekannt wird. <strong>Die</strong>s führt<br />

natürlich vor allem in kleineren<br />

Gemeinden zu einer Verunsicherung<br />

der Bevölkerung.<br />

In den bereits betroffenen<br />

Gemeinden wie Thurmansbang,<br />

Haidmühle oder Perlesreut<br />

hat sich dies aber schnell<br />

wieder gelegt. Pensionierte<br />

Lehrerinnen bieten Deutschunterricht<br />

an, Kontakte zu örtlichen<br />

Sportvereinen entstehen<br />

und eine ehrenamtliche<br />

Betreuung vor Ort erfolgt. <strong>Die</strong><br />

Asylbewerber haben ein Recht<br />

auf ein menschenwürdiges<br />

Dasein, wie es Bürgermeister<br />

Manfred Eibl aus Perlesreut<br />

betont. Wenn der Kontakt zwischen<br />

beiden Seiten erst hergestellt<br />

ist, werden viele Berührungsängste<br />

abgebaut.<br />

Wie eine ältere Anwohnerin in<br />

Thurmansbang meinte: „Dagegen<br />

tun können wir nichts.<br />

Aber ich kann auch nichts<br />

Negatives über diese Menschen<br />

sagen, die bestimmt<br />

entsprechendes erlebt haben.<br />

Nur mit dem Fahrradfahren<br />

tun sie sich noch ein bisschen<br />

schwer.“ <strong>Die</strong> VHS des Landkreises<br />

arbeitet derzeit an<br />

einem Konzept „Ausbildung<br />

zum Integrationspaten“. Interessenten<br />

können sich schon<br />

jetzt bei der VHS melden.<br />

Momentan sucht das Landratsamt<br />

weitere Unterkünfte<br />

für die dezentrale Unterbringung<br />

und hat deshalb alle Bürgermeister<br />

des Landkreises<br />

angeschrieben. Notfalls müsse<br />

man inserieren, wenn das<br />

Angebot nicht ausreicht. <strong>Die</strong><br />

Unterkünfte müssten auch<br />

den baurechtlichen und den<br />

Brandschutzbestimmungen<br />

Asylbewerber bei der Arbeit in der Gemeinde Thurmansbang.<br />

genügen, erläutert die zuständige<br />

Abteilungsleiterin Judith<br />

Wunder vom Landratsamt<br />

Freyung-Grafenau.<br />

Kontingentflüchtlinge<br />

Neben den Asylbewerbern<br />

gibt es noch die Kontingentflüchtlinge.<br />

<strong>Die</strong>se sind in der<br />

niederbayerischen Quote<br />

nicht enthalten. „<strong>Die</strong>s betrifft<br />

Flüchtlinge, die im Rahmen<br />

einer humanitären Hilfsaktion,<br />

aufgrund von Sichtvermerken<br />

(Visa) oder einer Übernahmeerklärung<br />

des Bundesministeriums<br />

des Innern aufgenommen<br />

wurden. Sie durchlaufen<br />

kein Asyl- und auch kein sonstiges<br />

Anerkennungsverfahren,<br />

sondern erhalten mit<br />

ihrer Ankunft sofort eine Aufenthaltserlaubnis<br />

aus humanitären<br />

Gründen (§ 23 und §<br />

24 AufenthG), können ihren<br />

Wohnsitz jedoch nicht frei<br />

wählen.“ In der Hauptsache<br />

handelt es sich um Menschen<br />

aus Syrien. „Wie war es in der<br />

Zeit vor und während des 2.<br />

Weltkrieges? Da sind viele<br />

Menschen aus Deutschland<br />

geflohen und haben in anderen<br />

Ländern Asyl bekommen.<br />

Ist es nicht eine humanitäre<br />

Aufgabe, wenn wir heute<br />

denen helfen, die es brauchen?“<br />

<strong>Die</strong>s ist die Meinung<br />

einer Anwohnerin aus der<br />

Nähe einer Ayslbewerberunterkunft.<br />

<br />

rd

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