Einsichten 2 - Ludwig-Maximilians-Universität München
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Nr. 2/2013<br />
<strong>Einsichten</strong><br />
Der Forschungsnewsletter<br />
<strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>München</strong><br />
Sorge um die seltenen Fälle<br />
schwaches Immunsystem, Ekzeme und häufig Infekte. Auch ihre<br />
Blutgerinnung ist gestört, ihnen fehlen vor allem Thrombozyten,<br />
die Blutplättchen, zudem sind die wenigen vorhandenen auch<br />
noch viel zu klein. Mehrere Hundertausend schwimmen normalerweise<br />
in einem Milliliter Blut. Bei den kranken Kindern sinken<br />
die Werte auf unter 10.000.<br />
Nur langsam verfliegt die Angst<br />
Klein hat eine neue, experimentelle Stammzelltherapie entwickelt.<br />
Die Ärzte entnehmen den Kindern Stammzellen und<br />
versuchen dann, eine intakte Kopie des Gens mit Hilfe von Viren<br />
in die Zellen einzuschleusen. Viren sind dabei eine Art Gentaxi.<br />
Wichtig ist, dass das neue Gen im Körper langanhaltend abgelesen<br />
wird ohne unerwünschte Nebenwirkungen zur entfalten.<br />
„Hier betraten wir Neuland“, sagt Klein. „Eine Manipulation am<br />
Genom wird immer Nebenwirkungen haben. Solche experimentellen<br />
Therapien bei Kindern sind auch ethisch nicht einfach.“<br />
Für die Eltern waren es keine leichten Entscheidungen. Als mögliche<br />
Patienten kamen nur Kinder in Frage, die ohne die Therapie<br />
kaum eine Überlebenschance gehabt hätten. „Wir haben uns<br />
auch die Verpflichtung auferlegt, uns langfristig um die Kinder<br />
zu kümmern, egal wie hoch die Kosten sind“, sagt Klein.<br />
Bis heute haben zehn Kinder mit Wiskott-Aldrich-Syndrom im<br />
Rahmen einer klinischen Studie die neue Behandlung erhalten.<br />
Sie hatten keinen passenden Spender für eine klassische allogene<br />
Blutstammzelltransplantation. Sergey aus Russland war im Jahr<br />
2006 Kleins erster Patient, damals war er drei Jahre alt. „Unbehandelt<br />
sterben die Kinder meist, ehe sie zehn oder 15 Jahre alt<br />
sind“, sagt Klein. Und ohne die Behandlung begleitet die Angst<br />
das Leben der Kinder. So wie in der Familie des kleinen Felix aus<br />
Koblenz, der ebenfalls an der Studie teilnahm. Lange Zeit hätte<br />
jeder Sturz dazu führen können, dass er innerlich verblutet wäre.<br />
Nur langsam verfliegt die Angst jetzt. Felix gilt mittlerweile als<br />
gesund. „Wir wissen jedoch nicht, was nach 20 Jahren passiert.“<br />
Die Vorsicht ist begründet, denn die neue Therapie ist nicht nur<br />
eine Erfolgsgeschichte. Immer wieder treten Nebenwirkungen<br />
auf. Um diese zu erfassen und wenn nötig zu behandeln, kommen<br />
die Kinder alle drei Monate zu einer intensiven Nachkontrolle in<br />
die Münchner Klinik. Der kleine Sergey, mittlerweile zehn Jahre<br />
alt, hat vor gut einem Jahr plötzlich Leukämie bekommen, fünf<br />
weitere Kinder ebenfalls. „Wir waren einerseits sehr positiv überrascht,<br />
wie wirksam die Therapie ist“, sagt Klein. „Andererseits<br />
sind die langfristigen Nebenwirkungen völlig inakzeptabel. Jetzt<br />
müssen wir neue Gentaxis entwickeln und das Studienprotokoll<br />
verändern, ehe wir weitere Kinder behandeln können.“ Immerhin<br />
konnten die Ärzte die Leukämien der sechs betroffenen Kinder<br />
bislang aufhalten. „Ohne Spenden hätte uns die Behandlung in<br />
den finanziellen Ruin getrieben“, sagt Klein.<br />
Die Patienten seines französischen Kollegen Alain Fischer sind<br />
ebenfalls von den Risiken der Therapie betroffen, fünf von 20<br />
Kindern sind dort an Leukämie erkrankt. „Eine neue Therapie ist<br />
immer auch ein Schritt ins Ungewisse“, sagt Klein. Die perfekte<br />
Gentherapie kommt einer Art genetischer Chirurgie gleich, bei<br />
der man mit äußerster Präzision die geschädigte Stelle entfernt<br />
und genau dort ohne Auswirkungen auf Nachbarregionen das<br />
intakte Gen einbaut. „Hier gibt es viele hoffnungsvolle Entwicklungen“,<br />
sagt Klein, „doch wir sind noch weit von einer klinischen<br />
Anwendung entfernt.“<br />
Auch bei Sulin lagen Hoffnung und Rückschlag nah beieinander.<br />
„Sie kam im Alter von neun Jahren mit einer Gelbsucht zu mir,<br />
ihr Wachstum hatte damals auch nachgelassen, ihre Leber war<br />
vernarbt“, erzählt Klein. Sie sollte eine neue Leber erhalten. Die<br />
Ursache der Leberentzündung aber war unklar. Damit wollten<br />
sich Klein und seine Mitarbeiter nicht zufrieden geben. „Wir<br />
müssen als Ärzte den Dingen auf den Grund gehen, auch wenn<br />
die Symptome nicht im Lehrbuch stehen“, sagt Klein. Er hatte<br />
einen Verdacht, dass nämlich winzige einzellige Parasiten, sogenannte<br />
Kryptosporidien, an der Erkrankung beteiligt sind. Bei<br />
gesunden Menschen führen die Mikroorganismen lediglich zu<br />
milden Krankheitssymptomen, wie vorübergehenden Durchfällen.<br />
Bei Sulin konnte das Immunsystem die Erreger aber nicht<br />
ausschalten, die Gallengänge und die Leber entzündeten sich.<br />
Das brachte Klein auf die richtige Spur. Nach drei Jahren intensiver<br />
Forschung fand er nun in Sulins Genom einen Webfehler im<br />
Gen des Interleukin-21-Rezeptors. Dieser Fehler führt dazu, dass<br />
die Immunzellen nicht richtig funktionieren. So können keine<br />
Gedächtnis-Zellen der Immunabwehr entstehen, die von den<br />
Parasiten ausgelöste Infektion wird dann chronisch. „Auch bei<br />
Sulin haben diese Gedächtniszellen nicht funktioniert“, sagt<br />
Klein. Ihr fehlte der Interleukin-21-Rezeptor.<br />
„Sonst hat das niemand?“ Äyä leidet an einer seltenen Erkrankung.<br />
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Seite 7 Nr. 2/2013