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Das Regionale Patientenmagazin - Pieks 10/2014

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DAS REGIONALE PATIENTENMAGAZIN | REGIONALE GESCHICHTE Seite 6<br />

Der Kaiser in der Basilika<br />

Lothar I.: Wie der Enkel Karls des Großen nach Prüm kam und starb<br />

Die Eifelstadt Prüm<br />

und ihre Geschichte<br />

sind über Jahrhunderte<br />

hinweg von den Karolingern<br />

geprägt: Bertrada die<br />

Ältere, eine Urgroßmutter<br />

Karls des Großen, stiftete<br />

dort zusammen mit ihrem<br />

Sohn Charibert 721 das erste<br />

Kloster. Karls Eltern Pippin<br />

und Bertrada die Jüngere<br />

gründeten es 752 neu (der<br />

formelle Akt folgte allerdings<br />

zehn Jahre später, was<br />

gelegentlich Datenverwirrung<br />

stiftet) und siedelten<br />

darin Benediktinermönche<br />

an. In den Folgejahrzehnten<br />

wuchsen Prüms Einfluss<br />

und Bedeutung: Die Karolinger<br />

von Karl dem Großen bis<br />

zu seinem Enkel Lothar I.<br />

statteten das Kloster mit<br />

großen Besitztümern und<br />

die Basilika mit bedeutenden<br />

Reliquien aus. So befindet<br />

sich in einem Schrein ein<br />

mittelalterlicher Stoffschuh,<br />

der Partikel aus dem Heiligen<br />

Land enthalten soll – die<br />

„Sandale Christi“. Und im<br />

Chor der Kirche steht der<br />

Sarkophag mit den Gebeinen<br />

Kaiser Lothars, der 795 geboren<br />

wurde und nur sechs<br />

Tage nach dem Eintritt ins<br />

Kloster starb – am 29. September<br />

855.<br />

<strong>Das</strong> Reich zerfiel<br />

Lothar hatte sich, so die<br />

Sicht der meisten Historiker,<br />

nicht gerade als rühmenswerter<br />

Herrscher erwiesen:<br />

<strong>Das</strong> vom Vater Ludwig dem<br />

Frommen 840 geerbte Frankenreich<br />

– er hielt es nicht<br />

<strong>Das</strong> Grab Lothars I. in der Prümer Basilika (linkes Bild) ist im 19. Jahrhundert mit einem neuen<br />

Marmor-Sarkophag versehen worden. Auch eine Statue erinnert in der Abteistadt an den Kaiser.<br />

TV-Fotos (2): Fritz-Peter Linden<br />

zusammen. Stattdessen<br />

wurde es 843 unter Lothar<br />

und seinen Brüdern, Ludwig<br />

dem Deutschen und Karl<br />

dem Kahlen, aufgeteilt.<br />

Wobei man Lothars Brüdern<br />

kein Unrecht antun<br />

darf: Als Herrscher in jener<br />

Zeit habe er zwar nicht zimperlich<br />

sein können, aber<br />

Lothar, dem das Format<br />

Karls des Großen fehlte, habe<br />

sich als unnötig grausam<br />

und rücksichtslos gegen Volk<br />

und Verwandtschaft gezeigt.<br />

Und als Versager, der das Erbe<br />

seines Großvaters verspielte<br />

– so lautet zumindest<br />

das Urteil der Schriftstellerin<br />

und Karolinger-Kennerin<br />

Martina Kempff, deren<br />

Karl-Roman „Die Gabe der<br />

Zeichnerin“ im Herbst 2013<br />

erschienen ist. Zehn Tage<br />

vor seinem Tod, am 19. September<br />

855, hatte Lothar seine<br />

letzte Urkunde unterzeichnet.<br />

Ein Dokument, das<br />

dem Kloster Prüm „eine Villa<br />

aus unserem Eigentum<br />

namens Elvenich im Ripuariergau<br />

mit allem rechtmäßigen<br />

Zubehör“ vermachte.<br />

Denn in Prüm wollte Lothar<br />

„nach Gottes Willen“ begraben<br />

werden. Und um den<br />

Herrn noch ein wenig mehr<br />

auf seine Seite zu ziehen,<br />

kam es zur Schenkung, die<br />

unter anderem gewährleisten<br />

sollte, dass in der Prümer<br />

Salvator-Basilika das ewige<br />

Licht – genau, ewig brennen<br />

möge.<br />

<strong>Das</strong> Grab Lothars in der<br />

Basilika, im 19. Jahrhundert<br />

mit einem neuen Marmor-<br />

Sarkophag versehen, hielt<br />

deutlich länger als das Reich<br />

des Frankenkaisers. Und so<br />

ist das kleine Prüm heute neben<br />

Speyer die einzige Stadt<br />

in Rheinland-Pfalz mit einem<br />

Kaisergrab, und zwar<br />

im Chor der Basilika.<br />

Erneute Teilung<br />

Die Inschrift: „Es birgt dieses<br />

Grab die Gebeine des unvergesslichen<br />

Kaisers, Lothars,<br />

des großen und gottesfürchtigen<br />

Herrschers. Der<br />

über Franken, Italier, selbst<br />

Römer gebot. Verschmähte<br />

doch alles und ging dann als<br />

Armer hinweg ... wandelte<br />

sich und schied danach selig<br />

dahin am 29. September<br />

855.“<br />

Als Lothar dahinschied,<br />

war auch das Mittelreich<br />

beinahe perdu: Es wurde in<br />

der Prümer Teilung unter<br />

seinen drei Söhnen erneut<br />

aufgespalten.<br />

Was wissen wir sonst über<br />

Kaiser Lothar? Nicht genug,<br />

so die Überzeugung der Aachener<br />

Historikerin Maria<br />

Schäpers. Sie hat sich einige<br />

Jahre lang mit Lothar befasst<br />

und 2013 auch ihre Dissertation<br />

über ihn geschrieben<br />

(„Lothar I. – Untersuchungen<br />

zum Frankenreich<br />

zwischen 795 und 855“). Bei<br />

den Geschichtswissenschaftlern<br />

gilt Lothar nicht<br />

unbedingt als Lichtgestalt –<br />

anders als die Brüder, Ludwig<br />

und Karl: Aus deren beiden<br />

Reichsteilen entstanden<br />

später Deutschland und<br />

Frankreich. Lothar? Kann<br />

man vergessen: Sein Tod in<br />

der Mönchskutte war für<br />

den Historiker Ernst<br />

Dümmler im Jahr 1887 „der<br />

klägliche Ausgang eines verfehlten<br />

<strong>Das</strong>eins“. Ein Bild,<br />

dem Maria Schäpers zwar<br />

nicht unbedingt widerspricht,<br />

aber – die Prümer<br />

wird es freuen – „an manchen<br />

Stellen bin ich zu anderen<br />

Einschätzungen gelangt“.<br />

Nach ihrer Überzeu-

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