KBW-Aktuell Juni 2013 - Diözese Linz
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Ein neues Pfingsten — Kirche in Bewegung<br />
CORAGGIO — HABT MUT!<br />
Thema<br />
Tätigkeit in der Erwachsenenbildung<br />
ist zu einem guten Teil der Versuch,<br />
andere Menschen zu einer dynamischen<br />
Lebenseinstellung zu motivieren.<br />
Dafür braucht es eigene Motivation<br />
und den Mut, mit Fantasie<br />
und Kreativität voranzugehen. Die<br />
folgenden Thesen wollen diese Ausrichtung<br />
unterstützen:<br />
1. Ein neues Pfingsten<br />
Es hat den Anschein, dass in der Kirche<br />
weltweit eine neue Atmosphäre<br />
Einzug hält.<br />
Dem „coraggio“ von Johannes XXIII.<br />
entspricht das „forza!“ von Bischof<br />
Franziskus. Pfingsten hat in diesem<br />
Jahr bereits vor Ostern begonnen.<br />
2. Kontinuität — ja;<br />
wie bisher — nein<br />
Engagement in der Kirche bedeutet<br />
nicht: So weiter wie bisher. Es<br />
erfordert neue Ideen und neue Aufbrüche<br />
und stets die Bereitschaft,<br />
„einen Sprung nach vorwärts“ (Johannes<br />
XXIII.) zu wagen.<br />
3. Das Schiff der Kirche<br />
im Sturm der Zeit<br />
Die Erzählung von der Stillung des<br />
Seesturms (Mk 4,35—41) und die<br />
darin enthaltene Ermutigung an die<br />
Jüngerinnen und Jünger ist für das<br />
Selbstverständnis von Kirche wegleitend.<br />
In ihrer Bereitschaft, die<br />
Herausforderungen unserer Zeit zu<br />
bewältigen, muss sie sich dabei immer<br />
wieder fragen lassen: „Warum<br />
habt ihr solche Angst? Habt ihr noch<br />
keinen Glauben?“ (Mk 4,40). Also:<br />
Corragio!<br />
Dr. Walter Kirchschläger Foto: Alois Litzlbauer<br />
4. Die Mitte heißt Jesus Christus<br />
Im Zentrum des Lebens von Kirche<br />
steht die Person Jesu Christi. „Wir<br />
können gehen, wie weit wir wollen.<br />
Wir können vieles aufbauen, aber<br />
wenn wir nicht Jesus Christus bekennen,<br />
geht die Sache nicht. Wir<br />
werden eine wohltätige NGO, aber<br />
nicht die Kirche.“ (Franziskus, Bischof<br />
von Rom). Tätigkeit in der Erwachsenenbildung<br />
entwickelt sich<br />
— ungeachtet konkreter Themenstellungen<br />
— aus dieser Mitte.<br />
5. Das Konzil als<br />
Bezugspunkt<br />
Das Zweite Vatikanische Konzil bildet<br />
als kirchliches Geschehen und in<br />
seinen Dokumenten auch heute die<br />
Grundlage für die Entfaltung des Lebens<br />
von Kirche. Dabei ist das Konzil<br />
selbst als „Symbolereignis“ (Günther<br />
Wassilowsky) zu begreifen. Dieses<br />
Ereignis sowie die verschiedenen<br />
Elemente einer „Körpersprache“ des<br />
Konzils sind bei der Interpretation<br />
der Texte als deren Kon-Text zu berücksichtigen.<br />
6. Nicht wie vor 50 Jahren,<br />
sondern vorwärts ins Heute<br />
Für das Verständnis des Konzils ist<br />
dessen eigene Methode ernst zu<br />
nehmen, das heisst: Es muss nach<br />
50 Jahren ebenfalls einem „aggiornamento“,<br />
also einer Verheutigung<br />
unterzogen werden. Dies entspricht<br />
auch jenem Kirchenbild, welches<br />
das Konzil als maßgebend entwickelt<br />
hat: das Volk Gottes, das unterwegs<br />
ist.<br />
7. Die Zeichen der Zeit<br />
Der Weg „in die Welt von heute“ gelingt<br />
nur, wenn wir als Kirche diese<br />
Welt wahr- und ernst nehmen. An<br />
den Zeichen der Zeit und an ihrer<br />
Analyse führt nichts vorbei. Nicht<br />
Wertung und Kritik sind dabei angesagt,<br />
sondern Beachtung der Zeitumstände<br />
als Umfeld kirchlichen<br />
Handelns.<br />
8. Bewegung in Bedachtsamkeit<br />
Herausforderungen stellen sich nicht<br />
als einmalige Aufgabe. Sie begleiten<br />
Kirche in Bewegung, belebt von Jesus<br />
Christus als ihre Mitte.<br />
Logo der Tagsatzung des Bistums Basel 1998.<br />
den Lebensprozess der Kirche als<br />
einer Gemeinschaft, die unterwegs<br />
ist. Als konkrete Methode ihres Alltags<br />
empfiehlt sich der Dreischritt:<br />
„camminare“/einen Weg festlegen<br />
und gehen — edificare-ostruire“/<br />
aufbauen — „confessare“/Farbe<br />
bekennen (Franziskus, Bischof<br />
von Rom). Er ist auf gemeinschaftliches<br />
Handeln zugeschnitten. Dafür<br />
braucht es Vertrauen, Zusammenarbeit<br />
und die Vielfalt der Begabungen<br />
für gemeinsame Vorhaben im Gespräch<br />
mit den Menschen.<br />
9. Ein neuer Tag im Leben<br />
der Kirche<br />
Erneut ist es in der Kirche wie am<br />
Beginn des Ostertags: „… früh morgens,<br />
als es noch dunkel war“ (Joh<br />
20,1). Dabei ist unbestritten: Der<br />
Tag bricht an, aber ein großes Stück<br />
des Weges liegt vor uns. Aufbruch<br />
ist angesagt. Dafür braucht es keine<br />
Unglückspropheten, die „in der<br />
jüngsten Vergangenheit bis zur Gegenwart<br />
… nur Missstände und Fehlentwicklungen<br />
zur Kenntnis“ nehmen.<br />
Es braucht das Hinhören auf<br />
die Ermutigung des Auferstandenen.<br />
Das „Avanti, avanti“ von Johannes<br />
XXIII. klingt wie ein neuer Weckruf. •<br />
Dr. Walter Kirchschläger<br />
<strong>2013</strong> <strong>Juni</strong><br />
kbw-aktuell 3