KeRneneRgie in DeutschlanD
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NATURWISSENSCHAFT UND<br />
TECHNIK IM UNTERRICHT<br />
Jahrgang 54<br />
DezembER 2012<br />
K E R N<br />
E N E R G I E<br />
D I E<br />
S I T U A T I O N<br />
I N<br />
D E U T S C H L A N D<br />
Ausstieg – SICHERHEIT – Rückbau – Endlagerung
Vorwort<br />
Liebe Lehrer<strong>in</strong>nen, liebe Lehrer,<br />
die Energiewende ist derzeit e<strong>in</strong>es der wichtigsten gesellschaftspolitischen<br />
Themen <strong>in</strong> Deutschland. E<strong>in</strong> zentrales Element<br />
dar<strong>in</strong> ist der Ausstieg aus der Kernenergie. Im Rahmen<br />
ihres Energiekonzepts aus dem Jahr 2010 hatte die Bundesregierung<br />
die Laufzeiten der Kernkraftwerke <strong>in</strong> Deutschland<br />
zunächst teilweise deutlich verlängert. Nach der Reaktorkatastrophe<br />
von Fukushima beschloss die Bundesregierung dann<br />
die Rücknahme der Laufzeitverlängerung. 2022 soll nunmehr<br />
das letzte Kernkraftwerk <strong>in</strong> Deutschland vom Netz gehen.<br />
Ist die Kernenergie dann überhaupt noch e<strong>in</strong> Thema<br />
für den Unterricht? Sowohl <strong>in</strong> Europa als auch weltweit<br />
wird die Kernenergie weiter e<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />
E<strong>in</strong>ige unserer Nachbarn nutzen Kernkraftwerke langfristig<br />
und bauen diese Form der Stromerzeugung sogar aus.<br />
Der Rückbau der stillgelegten Kraftwerke und die Entsorgung<br />
radioaktiver Abfälle werden uns <strong>in</strong> Deutschland auch<br />
nach 2022 über Jahrzehnte begleiten. Stichworte dabei s<strong>in</strong>d<br />
zum e<strong>in</strong>en die Behandlung und der Transport dieser Abfälle,<br />
aber auch e<strong>in</strong>e neue Suche nach e<strong>in</strong>em Endlager für hochradioaktive<br />
Stoffe.<br />
Ausgehend von der Frage „Was geschah eigentlich <strong>in</strong> Fukushima?“<br />
vermittelt das vorliegende Material aktuelle Fakten<br />
zur Kernenergie <strong>in</strong> Deutschland nach dem Ausstieg, aber<br />
auch zum Aufbau und zur Funktionsweise von Kernkraftwerken.<br />
Dieses Zeitbild WISSEN ist Teil der Bildungsreihe<br />
des Zeitbild Verlags zu Fragen der Energieversorgung und<br />
soll dazu beitragen, dass sich Ihre Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />
sachkundig an der gesellschaftlichen Debatte um unsere<br />
Energiezukunft beteiligen können.<br />
Ihre Zeitbild-Redaktion<br />
Zeitbild Wissen<br />
2
Inhalt<br />
Seite 4+5<br />
Die Reaktorkatastrophe von Fukushima<br />
Seite 6+7<br />
Stromversorgung im Umbruch<br />
Seite 8+9<br />
Kernenergie weltweit<br />
Seite 10+11<br />
Kernenergie <strong>in</strong> Deutschland<br />
Seite 12+13<br />
Der Aufbau e<strong>in</strong>es Kernkraftwerks<br />
Seite 14+15<br />
Sicherheit von Kernkraftwerken <strong>in</strong> Deutschland<br />
Seite 16+17<br />
Radioaktive Abfälle<br />
Seite 18+19<br />
Endlagerung von radioaktiven Abfällen <strong>in</strong> Deutschland<br />
Seite 20+21 Rückbau von Kernkraftwerken<br />
Seite 22<br />
„Wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Ingenieurnation“<br />
Im Gespräch mit Dr. Joachim Knebel<br />
Seite 23<br />
H<strong>in</strong>weise für den E<strong>in</strong>satz im Unterricht<br />
Seite 24-34 Arbeitsblätter<br />
Seite 35<br />
Lösungsh<strong>in</strong>weise, Bildnachweis<br />
Seite 36<br />
L<strong>in</strong>ks und Literaturtipps, Impressum<br />
3 Zeitbild Wissen
Die Reaktorkatastrophe<br />
von Fukushima<br />
Am Freitag, dem 11. März 2011, ereignete<br />
sich e<strong>in</strong> gewaltiges Seebeben der Stärke<br />
9,0 (Magnitude) vor der Ostküste Japans.<br />
E<strong>in</strong> Tsunami mit e<strong>in</strong>er Wellenhöhe von<br />
mehr als 14 m überrollte etwa e<strong>in</strong>e Stunde<br />
nach dem Beben, gegen 16:00 Uhr Ortszeit<br />
(08:00 Uhr MEZ), die Küste, überflutete<br />
die angrenzende Region und richtete schwere<br />
Verwüstungen an. Beben und Tsunami<br />
forderten Tausende von Menschenleben.<br />
SAPPORO<br />
AOMORI<br />
AKITA<br />
SENDAI<br />
FUKUSHIMA<br />
TOKIO<br />
YOKOHAMA<br />
HIROSHIMA<br />
OSAKA<br />
Im unmittelbaren E<strong>in</strong>wirkungsbereich dieser<br />
Naturkatastrophe bef<strong>in</strong>den sich vier Kernkraftwerksstandorte.<br />
Während sich die Schäden an<br />
drei Standorten <strong>in</strong> Grenzen hielten, verursachte<br />
der Tsunami am Standort Fukushima Daiichi<br />
folgenschwere Zerstörungen. In drei Blöcken<br />
des Kernkraftwerks kam es dabei zu e<strong>in</strong>er Kernschmelze<br />
und zu Wasserstoffexplosionen.<br />
Dabei wurden auch radioaktive Stoffe <strong>in</strong> die<br />
Umgebung freigesetzt. Diese Ereignisse wurden<br />
auf der <strong>in</strong>ternationalen INES-Skala <strong>in</strong> die höchste<br />
Kategorie 7 als „katastrophaler Unfall“ e<strong>in</strong>gestuft.<br />
Vermeidbare Tragödie<br />
Das Kraftwerk Fukushima Daiichi umfasst<br />
sechs Reaktorblöcke und liegt unmittelbar an der<br />
Pazifikküste. Bekannt ist, dass große Tsunamis<br />
mit mehr als 10 m Wellenhöhe an der japanischen<br />
Küste und auch am Küstenabschnitt von<br />
Fukushima auftreten können. Der Schutzwall vor<br />
dem Kraftwerk war aber nur 5,7 m hoch. Die Welle<br />
vom 11. März erreichte an diesem Küstenabschnitt<br />
e<strong>in</strong>e Höhe von etwa 13 m, überflutete die Anlage<br />
und verursachte dabei schwere Zerstörungen<br />
am Kernkraftwerk. Besonders folgenschwer war<br />
der Ausfall der Notstromversorgung mit den<br />
Dieselgeneratoren und elektrischen E<strong>in</strong>richtungen<br />
<strong>in</strong> den Kellerräumen der Masch<strong>in</strong>enhäuser und<br />
damit der Stromversorgung der Notkühlsysteme.<br />
Die Anlagen und Räume waren nicht gegen<br />
e<strong>in</strong>en solchen Wassere<strong>in</strong>bruch geschützt, obwohl<br />
japanische Sicherheitsexperten <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren immer wieder auf diesen gravierenden<br />
Sicherheitsmangel h<strong>in</strong>gewiesen hatten.<br />
Zeitbild Wissen<br />
4
Schwere Fehler des<br />
Kernkraftwerksbetreibers<br />
E<strong>in</strong>e von der japanischen Regierung<br />
e<strong>in</strong>gesetzte Expertenkommission hat dem<br />
Kraftwerksbetreiber Tepco (Tokyo Power Company)<br />
schwere Versäumnisse vor und auch während der<br />
Katastrophe vorgeworfen: Tepco rechnete nicht<br />
mit e<strong>in</strong>er Situation, bei der alle Stromquellen<br />
wegen e<strong>in</strong>er Naturkatastrophe gleichzeitig<br />
unterbrochen würden und habe die Mitarbeiter<br />
nicht ausgebildet, entsprechend darauf zu<br />
reagieren. Das Unternehmen habe zudem falsch<br />
auf die Katastrophe reagiert. Die Kernschmelzen<br />
<strong>in</strong> den Reaktoren und das Entweichen radioaktiver<br />
Stoffe hätten deutlich begrenzt werden können,<br />
wenn <strong>in</strong> den Reaktoren 1 und 3 früher Überdruck<br />
abgebaut und sehr viel schneller Wasser zur<br />
Kühlung zugeführt worden wäre. Auch sei die<br />
Kommunikation zwischen den E<strong>in</strong>satzteams<br />
äußerst mangelhaft gewesen.<br />
Fukushima und die<br />
Folgen <strong>in</strong> Deutschland<br />
Die Katastrophe <strong>in</strong> Japan hatte direkte<br />
Auswirkungen auf die Politik <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Am 15. März 2011 entschied die Bundesregierung,<br />
sieben vor 1980 ans Netz gegangene Kernreaktoren<br />
zunächst abzuschalten. Die Bundesregierung<br />
richtete e<strong>in</strong>e Ethikkommission „Sichere<br />
Energieversorgung“ zur Neubewertung der<br />
Risiken der Kernenergie und als Ratgeber der<br />
zukünftigen Energieversorgung e<strong>in</strong>. Die Reaktor-<br />
Sicherheitskommission (RSK) wurde beauftragt,<br />
den Zustand der 17 deutschen Kernkraftwerke<br />
sicherheitstechnisch zu prüfen.<br />
Dieser sogenannte nationale Stresstest besche<strong>in</strong>igte<br />
den deutschen Kernkraftwerken<br />
sicherheitstechnische Robustheit, führte jedoch<br />
auch Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung<br />
der Sicherheitsreserven auf. Zusätzlich wurden<br />
deutsche Kernkraftwerke e<strong>in</strong>er EU-weiten<br />
Überprüfung (EU-Stresstest) unterzogen.<br />
Dieser nukleare EU-Stresstest bestätigte die<br />
Ergebnisse der RSK und empfahl ebenfalls<br />
Sicherheitsverbesserungen. Im Juni 2011 beschloss<br />
der Deutsche Bundestag den Ausstieg aus der<br />
Kernenergie bis 2022.<br />
E<strong>in</strong> Jahr danach – 2012<br />
In den ersten Tagen der Katastrophe wurde<br />
aufgrund der Wetterlage e<strong>in</strong> großer Teil der<br />
radioaktiven Stoffe, <strong>in</strong>sbesondere Jod und Cäsium,<br />
aufs Meer verweht. Später gelangten nach Drehen<br />
des W<strong>in</strong>des radioaktive Stoffe <strong>in</strong> die Prov<strong>in</strong>z<br />
Fukushima. Insgesamt wurden zwischen fünf<br />
und zehn Prozent der 1986 beim Reaktorunfall<br />
von Tschernobyl (damalige UdSSR) freigesetzten<br />
Menge emittiert. Bis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Entfernung von 40<br />
Kilometern wurden radioaktive Kontam<strong>in</strong>ationen<br />
gemessen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO<br />
berechnete für weite Bereiche der dortigen<br />
Präfektur Strahlendosen von 1 bis 10 mSv und für<br />
zwei höher belastete Beispielgebiete von 10 bis<br />
50 Millisievert (mSv) 80.000 Menschen wurden<br />
evakuiert, von denen bislang e<strong>in</strong>ige zum<strong>in</strong>dest<br />
zeitweise <strong>in</strong> ihre Heimat zurückkehren konnten.<br />
Kernkraftwerk Fukushima Daiichi nach dem Tsunami<br />
und den nachfolgenden Wasserstoffexplosionen<br />
C h r o n o l o g i e d e r e r s t e n T A g e<br />
11. März 2011<br />
14:46 Uhr: Seebeben vor der japanischen Küste +++ Automatische<br />
Schnellabschaltung aller Kernkraftwerke an der Ostküste +++ Tsunami trifft<br />
die Ostküste Japans nachmittags gegen 15:00 +++ Überflutung des Kraftwerks<br />
Fukushima Daiichi +++ Dadurch Ausfall der Strom- und Notstromversorgung<br />
sowie der Kühlsysteme +++ Regierung ruft abends den nuklearen Notstand aus<br />
+++ Behörden ordnen Evakuierung der lokalen Bevölkerung an.<br />
12. März 2011<br />
Messung von erhöhter Radioaktivität <strong>in</strong> und um das KKW Fukushima Daiichi<br />
+++ Evakuierungszone auf zehn Kilometer erweitert +++ Wasserstoffexplosion<br />
<strong>in</strong> Reaktor 1, Dach und Wände des Gebäudes werden zerstört +++ Radius<br />
der Evakuierungszone auf 20 Kilometer vergrößert, 140.000 Menschen s<strong>in</strong>d<br />
betroffen.<br />
13. März 2011<br />
Japanische Atomaufsicht teilt mit, dass <strong>in</strong> Fukushima möglicherweise e<strong>in</strong>e<br />
Kernschmelze begonnen hat.<br />
14. März 2011<br />
Wasserstoffexplosion <strong>in</strong> Reaktor 3 des KKW Fukushima Daiichi +++ Brennstäbe<br />
im Reaktor 2 liegen trocken +++ Regierungssprecher erklärt am Abend, dass<br />
möglicherweise <strong>in</strong> drei Reaktoren e<strong>in</strong>e Kernschmelze droht.<br />
15. März 2011<br />
Explosion <strong>in</strong> Reaktor 2, Feuer nach e<strong>in</strong>er Explosion <strong>in</strong> Reaktor 4 +++ Sehr<br />
hohe Werte an Radioaktivität auf dem Gelände des Kraftwerks +++ zeit- und<br />
stellenweise hohe Strahlungs<strong>in</strong>tensität +++ Erhöhte Radioaktivität am Rand des<br />
Großraums Tokio festgestellt.<br />
5 Zeitbild Wissen
Stromversorgung<br />
im Umbruch<br />
Bruttostromerzeugung<br />
<strong>in</strong> Deutschland (2011)<br />
Ste<strong>in</strong>kohle<br />
18,5 %<br />
Erdgas<br />
13,6%<br />
M<strong>in</strong>eralölprodukte 1,1 %<br />
Übrige Energieträger 4,2 %<br />
8 % W<strong>in</strong>d<br />
Braunkohle<br />
24,6 %<br />
Erneuerbare<br />
20,3 %<br />
5,4 % Biomasse<br />
Im- und Export von Strom<br />
zwischen Deutschland und<br />
se<strong>in</strong>en Nachbarländern<br />
<strong>in</strong>nerhalb des europäischen<br />
Verbundnetzes UCTE<br />
Export | Import<br />
Kernenergie<br />
17,7 %<br />
2,9 % Wasser<br />
3,2 % Photovoltaik<br />
0,8 % Hausmüll<br />
Quelle: AG Energiebilanzen 2012<br />
Entwicklung der Stromerzeugung<br />
<strong>in</strong> Deutschland (<strong>in</strong> Mrd. kWh)<br />
576,6 608,8 621,0<br />
59,9 Mrd. kWh | 42,2 Mrd. kWh<br />
56,0 Mrd. kWh | 50,0 Mrd. kWh<br />
2010<br />
2011<br />
Der Stromexport g<strong>in</strong>g von 2010 auf 2011 deutlich<br />
zurück, während der Import stieg.<br />
2000 2011 2030*<br />
*Vorläufige Prognose, Stand: 10/2011<br />
Quelle: BMWi/AGEB,<br />
Studien zur weiteren Entwicklung des Energieverbrauchs bzw.<br />
der Stromerzeugung <strong>in</strong> den nächsten 20 Jahren zeigen e<strong>in</strong>e<br />
une<strong>in</strong>heitliche Entwicklung. Fachleute rechnen damit, dass sich<br />
der Primärenergiebedarf <strong>in</strong> Deutschland bis 2030 um nahezu<br />
25 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2000 verr<strong>in</strong>gern wird.<br />
Den Strombedarf <strong>in</strong> Deutschland sehen Energieexperten dagegen<br />
für die nächsten 20 Jahre auf e<strong>in</strong>em annähernd gleichbleibenden<br />
Niveau, er könnte trotz aller Bemühungen, Strom zu sparen,<br />
<strong>in</strong> der Zukunft sogar noch leicht ansteigen.<br />
Zeitbild Wissen<br />
6
Weltstrombedarf steigt<br />
Der globale Bedarf an elektrischer Energie ist<br />
<strong>in</strong> den letzten 20 Jahren rasant angestiegen und<br />
wird nach Auffassung von Energieexperten auch<br />
<strong>in</strong> der Zukunft voraussichtlich weiter zunehmen.<br />
Die Gründe hierfür liegen vor allem im<br />
Wirtschaftswachstum e<strong>in</strong>iger bevölkerungsreicher<br />
Schwellenländer wie Ch<strong>in</strong>a, Indien und Brasilien.<br />
Auch die Forderung nach „Zugang zu Elektrizität<br />
für alle“, wie sie UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon<br />
schon mehrmals geäußert hat, lässt angesichts der<br />
Tatsache, dass noch immer mehr als 1,6 Milliarden<br />
Menschen ke<strong>in</strong>en Zugang zu Elektrizität haben, für<br />
die Zukunft e<strong>in</strong>en rasanten Anstieg des Verbrauchs<br />
um bis zu 45 Prozent bis 2035 erwarten.<br />
Strom kennt ke<strong>in</strong>e Grenzen<br />
Deutschlands Stromnetz gilt als e<strong>in</strong>es der<br />
weltweit sichersten. Sollte es dennoch e<strong>in</strong>mal zu<br />
e<strong>in</strong>em Engpass <strong>in</strong> der Energieversorgung kommen,<br />
gibt es Unterstützung aus anderen europäischen<br />
Ländern. Für den Stromaustausch haben sich<br />
europäische Länder zu e<strong>in</strong>em grenzübergreifenden<br />
Verbundnetz zusammengeschlossen. Das Verbundnetz<br />
ermöglicht auch den Stromhandel.<br />
Strom wird dort gekauft, wo er gerade am<br />
günstigsten produziert wird. Wer beispielsweise<br />
gerade über freie Stromkapazitäten verfügt, bietet<br />
diese über die Strombörse zum Kauf an.<br />
Im Herbst 2010 beschloss die Bundesregierung e<strong>in</strong> „Energiekonzept<br />
für e<strong>in</strong>e umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung“.<br />
Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima hat der Deutsche Bundestag<br />
beschlossen, zügig aus der Nutzung der Kernenergie auszusteigen.<br />
Die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung, bezogen auf elektrische Energie:<br />
• Reduktion des Stromverbrauchs um 10 % bis 2020 und um 25 % bis 2050 (gegenüber 2008).<br />
• Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch:<br />
35 % bis 2020 und 80 % bis 2050.<br />
• Beschleunigung des Ausbaus der Offshore-W<strong>in</strong>dleistung sowie Ausbau der<br />
Netz<strong>in</strong>frastruktur (Nord-Süd-Trassen).<br />
• Ausstieg aus der Kernenergienutzung <strong>in</strong> Deutschland bis 2022.<br />
Auswirkungen auf die Stromversorgung<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund des Kernenergieausstiegs geht es mittelfristig vor allem<br />
darum, e<strong>in</strong>e sichere Stromversorgung zu gewährleisten, um mögliche Stromausfälle<br />
zu vermeiden. Hierzu muss – parallel zum Ausbau der erneuerbaren Energien – das<br />
vorhandene Stromnetz so erweitert und modernisiert werden, dass es künftigen<br />
Anforderungen gerecht wird, <strong>in</strong>sbesondere mit Blick auf e<strong>in</strong>e Nord-Süd-Stromachse<br />
von Offshore-W<strong>in</strong>dparks zu den Verbrauchszentren der Ballungsräume <strong>in</strong> West- und<br />
Süddeutschland.<br />
Auch die Frage der Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien stellt sich<br />
für die Zukunft. Diese Speicher gleichen die Unterschiede zwischen Stromnachfrage<br />
und schwankendem Stromangebot von W<strong>in</strong>dkraft- und Photovoltaikanlagen aus. In<br />
Deutschland dienen Pumpspeicherkraftwerke diesem Zweck, die wenigen Anlagen s<strong>in</strong>d<br />
aber schon heute nicht ausreichend <strong>in</strong> der Lage, Stromproduktionsspitzen durch die<br />
erneuerbaren Energien aufzunehmen.<br />
7 Zeitbild Wissen
Kernenergie<br />
weltweit<br />
KERNENERGIENUtzUNG<br />
KEINE KERNENERGIENUtzUNG<br />
KERNENERGIENUtzUNG geplant<br />
AUSSTIEG AUS DER KERNENERGIENUtzUNG BEScHLOSSEN<br />
Zum Jahresende 2011 waren weltweit 437 Kernkraftwerke <strong>in</strong> Betrieb. Stand 9/2012. Quelle: IAEA<br />
Die zivile Nutzung der Kernenergie <strong>in</strong> Kernkraftwerken<br />
begann Mitte der 1950er-Jahre. In den folgenden<br />
Jahrzehnten wurden <strong>in</strong> vielen Industriestaaten Kernkraftwerke<br />
gebaut; deren Leistung pro Reaktor<br />
wuchs schnell an. Im Jahr 1951 erzeugte der erste<br />
Versuchsreaktor <strong>in</strong> den USA Strom aus Kernenergie.<br />
Das erste Kraftwerk zur großtechnischen Erzeugung<br />
von elektrischer Energie wurde 1954 bei Moskau <strong>in</strong><br />
Betrieb genommen. 1955 folgte <strong>in</strong> England das weltweit<br />
erste kommerzielle Kraftwerk, 1957 <strong>in</strong> Pennsylvania <strong>in</strong><br />
den USA und 1961 <strong>in</strong> Deutschland. Zahlreiche Länder<br />
wandten sich <strong>in</strong> den folgenden Jahren der Nutzung<br />
der Kernenergie zur Stromerzeugung zu.<br />
Zeitbild Wissen<br />
8
Standorte von Kernkraftwerken<br />
<strong>in</strong> Europa<br />
Entwicklung weltweit<br />
Nach der Reaktorkatastrophe <strong>in</strong> Japan legte neben Deutschland auch die Schweiz<br />
verb<strong>in</strong>dlich fest, aus der Nutzung auszusteigen, Deutschland nunmehr beschleunigt bis<br />
zum Jahr 2022, die Schweiz bis 2034. Auch Italien lehnte die Kernenergienutzung erneut<br />
ab. Unter den Staaten, die weiter an der Kernenergienutzung festhalten, s<strong>in</strong>d besonders<br />
Indien und Ch<strong>in</strong>a hervorzuheben. Beide Länder setzen aufgrund ihrer wirtschaftlichen<br />
Entwicklung und ihres großen Strombedarfs auf den Ausbau der Kernenergie und planen<br />
zahlreiche neue Kraftwerke. Auch europäische Staaten wie Frankreich, Großbritannien<br />
und F<strong>in</strong>nland, aber auch die USA halten weiter an der Kernenergie fest und planen zum<br />
Teil, ihre Kernenergiekapazitäten zu ersetzen oder weiter auszubauen.<br />
Internationale Zusammenarbeit<br />
Stimmen gegen die Kernenergie<br />
Seit den 1970er-Jahren entstanden <strong>in</strong> vielen Ländern<br />
Bewegungen, die die Nutzung von Kernenergie ablehnten,<br />
weil sie Risiken für Bevölkerung und Natur befürchteten. Vor<br />
allem <strong>in</strong> Deutschland ist diese Bewegung seit über 40 Jahren<br />
sehr aktiv. Die teilweise Kernschmelze im Kernkraftwerk<br />
Three Mile Island 1979 <strong>in</strong> den USA und <strong>in</strong>sbesondere die<br />
Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 <strong>in</strong> der Sowjetunion,<br />
heute Ukra<strong>in</strong>e, bestärkten diese Bewegungen <strong>in</strong> ihrer<br />
Ablehnung. Ab den 1990er-Jahren verlangsamte sich der<br />
Ausbau der Atomkraft deutlich; <strong>in</strong> Deutschland wurde<br />
im Jahr 2000 vere<strong>in</strong>bart, die Nutzung der Kernenergie<br />
bis 2024 geordnet zu beenden. Diese Frist wurde von der<br />
Bundesregierung 2010 zunächst wieder verlängert.<br />
Die Internationale Atomenergieorganisation<br />
(IAEO) wurde 1957 mit dem Ziel gegründet, die<br />
<strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet<br />
der friedlichen Nutzung der Kernenergie und der<br />
Anwendung radioaktiver Stoffe zu fördern und<br />
gleichzeitig den Missbrauch dieser Technologie<br />
(<strong>in</strong>sbesondere die Weiterverbreitung von<br />
Kernwaffen) zu verh<strong>in</strong>dern. Der Sitz der IAEO ist<br />
<strong>in</strong> Wien.<br />
Die IAEO befasst sich <strong>in</strong>tensiv mit der<br />
Sicherheit von Kernkraftwerken und anderen<br />
kerntechnischen Anlagen – <strong>in</strong>sbesondere mit<br />
denen <strong>in</strong> Osteuropa und Asien, wo derzeit die<br />
meisten neuen Kernkraftwerke entstehen. Die<br />
Organisation formuliert und überwacht nicht<br />
nur technische Sicherheitsstandards, sondern<br />
auch zum Beispiel Standards für Gesetze und die<br />
E<strong>in</strong>schätzung der Sicherheit und des Managements<br />
von Kernkraftanlagen sowie die Verteilung der<br />
Uranvorräte weltweit.<br />
9 Zeitbild Wissen
Kernenergie<br />
<strong>in</strong> Deutschland<br />
In Deutschland erlaubten die alliierten<br />
Siegermächte bis 1955 ke<strong>in</strong>e kerntechnische<br />
Forschung, auch nicht für die friedliche<br />
Anwendung. Als dieses Verbot aufgehoben war,<br />
arbeitete man <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland<br />
<strong>in</strong>tensiv daran, den Rückstand zum <strong>in</strong>ternationalen<br />
Forschungsstand möglichst schnell aufzuholen.<br />
Schon nach zwei Jahren war es so weit: 1957 wurde<br />
der erste deutsche Forschungsreaktor <strong>in</strong> Garch<strong>in</strong>g<br />
bei München – auch als „Atomei“ bezeichnet – <strong>in</strong><br />
Betrieb genommen. 1961 folgte das erste deutsche<br />
Kernkraftwerk <strong>in</strong> Kahl am Ma<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>er Leistung<br />
von 15 MW – wenig im Vergleich zu heute üblichen<br />
1.400 MW und mehr. Es wurde 1985 stillgelegt. In<br />
den folgenden zwei Jahrzehnten wurden <strong>in</strong> der<br />
Bundesrepublik und <strong>in</strong> der DDR <strong>in</strong>sgesamt mehr als<br />
30 Kernkraftwerke zur Stromerzeugung gebaut.<br />
Zeitbild Wissen<br />
10
Brunsbüttel<br />
Unterweser<br />
Brokdorf<br />
Krümmel<br />
Kernkraftwerk Neckarwestheim<br />
In Deutschland wurden <strong>in</strong>sgesamt etwa 100<br />
kerntechnische Anlagen <strong>in</strong> Betrieb genommen. Dabei<br />
muss zwischen Kernreaktoren zur Energiegew<strong>in</strong>nung<br />
und Forschungsreaktoren unterschieden werden.<br />
Als letzter kommerzieller Kernreaktor g<strong>in</strong>g 1989 der<br />
Block 5 des Kernkraftwerks Greifswald ans Netz. Der<br />
Ausbildungskernreaktor Dresden erhielt 2004 als bislang<br />
letzter Forschungsreaktor se<strong>in</strong>e Betriebsgenehmigung.<br />
Am 1. Januar 1960 trat das Gesetz über die friedliche<br />
Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen<br />
ihre Gefahren (kurz Atomgesetz) <strong>in</strong> Kraft. Seitdem<br />
wurde es mehrfach geändert und ergänzt. Im Zuge der<br />
Wiedervere<strong>in</strong>igung wurden die Kernkraftwerke der<br />
ehemaligen DDR abgeschaltet.<br />
2002 vere<strong>in</strong>barte die damalige Bundesregierung mit<br />
den Energieversorgungsunternehmen, dass die Nutzung<br />
der vorhandenen Kernkraftwerke zeitlich begrenzt<br />
wird und ke<strong>in</strong>e neuen Kernkraftwerke gebaut werden.<br />
Vorgesehen war, dass die ursprünglich 19 kommerziell<br />
genutzten Kernkraftwerke (bezogen auf das Jahr 2002)<br />
bis 2021 abgeschaltet werden. Zwei Kernkraftwerke, Stade<br />
und Obrigheim, wurden <strong>in</strong> den Jahren 2003 und 2005<br />
abgeschaltet, <strong>in</strong> Betrieb waren 17 kommerziell genutzte<br />
Kernkraftwerke.<br />
Im Zuge e<strong>in</strong>es neuen Energiekonzeptes entschied<br />
die Bundesregierung 2010, die Laufzeiten der deutschen<br />
Kernkraftwerke um durchschnittlich 12 Jahre zu verlängern.<br />
Aufgrund der Reaktorkatastrophe von Fukushima<br />
beschloss sie im März 2011 jedoch e<strong>in</strong> Moratorium zur<br />
Sicherheitsüberprüfung aller deutschen Kernkraftwerke.<br />
Dieses be<strong>in</strong>haltete die vorläufige Abschaltung der sieben<br />
vor 1980 ans Netz gegangenen Kraftwerke. Mit der<br />
Novellierung des Atomgesetzes im August 2011 erlosch<br />
die Betriebsgenehmigung dieser sieben Kernkraftwerke<br />
sowie des Kernkraftwerks Krümmel. Die verbleibenden<br />
neun Reaktoren sollen gemäß dem Atomgesetz nun bis<br />
spätestens Ende 2022 abgeschaltet werden. In Betrieb s<strong>in</strong>d<br />
acht Forschungsreaktoren und fünf Unterrichtsreaktoren.<br />
Philippsburg 1<br />
Emsland<br />
Neckarwestheim 1<br />
Stromerzeugung <strong>in</strong> GWh<br />
16000<br />
14000<br />
12000<br />
10000<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
Biblis A<br />
Biblis B<br />
Grohnde<br />
Grafenrhe<strong>in</strong>feld<br />
Philippsburg 2<br />
Isar 1<br />
Neckarwestheim 2<br />
Gundremm<strong>in</strong>gen B<br />
Gundremm<strong>in</strong>gen C<br />
gemäß Atomgesetz-Novelle von<br />
2011 außer Betrieb<br />
Kernkraftwerke <strong>in</strong> Betrieb<br />
Isar 2<br />
Stromerzeugung aus Kernkraft <strong>in</strong> Deutschland<br />
3000<br />
0<br />
Jan<br />
Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez ø<br />
2010 2011<br />
Quelle: VGB PowerTech<br />
11 Zeitbild Wissen
Der Aufbau e<strong>in</strong>es<br />
Kernkraftwerks<br />
In e<strong>in</strong>em Kernkraftwerk (KKW), auch als Atomkraftwerk<br />
(AKW) bezeichnet, entsteht Wärme durch die kontrollierte<br />
Kernspaltung von radioaktivem Uran-235. Diese Wärme<br />
erhitzt Wasser, mit dem entstehenden Dampf wird e<strong>in</strong>e<br />
Turb<strong>in</strong>e angetrieben, an der e<strong>in</strong> Generator angeschlossen ist.<br />
Der Generator erzeugt schließlich elektrischen Strom.<br />
Typen von Kernreaktoren<br />
Es gibt weltweit verschiedene Reaktortypen.<br />
Man unterscheidet sie danach, wie der Reaktorkern<br />
gekühlt wird – entweder mit Wasser, Natrium<br />
oder Heliumgas. In Deutschland gibt es nur<br />
wassergekühlte Reaktoren, die sogenannten<br />
Leichtwasserreaktoren. „Leichtes Wasser“ ist<br />
dabei die Bezeichnung für gewöhnliches Wasser,<br />
dessen Wasserstoffatome aus dem leichtesten<br />
Wasserstoffisotop, aus Protium, bestehen. Das<br />
Wasser umspült die Brennstäbe im Reaktorkern<br />
und dient als Moderator* und zur Kühlung der<br />
Brennstäbe. Leichtwasserreaktoren gibt es <strong>in</strong> zwei<br />
unterschiedlichen Formen: Druckwasserreaktoren<br />
und Siedewasserreaktoren. Von den neun<br />
deutschen Kernkraftwerken <strong>in</strong> Betrieb gehören<br />
sieben Anlagen zum Typ Druckwasserreaktor, zwei<br />
Anlagen zum Typ Siedewasserreaktor.<br />
*Der Moderator dient dazu, schnelle Neutronen abzubremsen,<br />
um so die Kettenreaktion zu ermöglichen.<br />
Der Druckwasserreaktor (DWR)<br />
ist weltweit die häufigste Bauform der Leichtwasserreaktoren.<br />
Der Betriebsdruck des Wassers ist mit bis<br />
zu 150 bar so hoch gewählt, dass es bei der vorgesehenen<br />
Temperatur nicht siedet. Dadurch erfolgt e<strong>in</strong>e gleichmäßige<br />
Benetzung der Brennstäbe und e<strong>in</strong>e ausgeglichene<br />
Wärmeverteilung. Druckwasserreaktoren verfügen über<br />
drei Wasserkreisläufe.<br />
Der Primärkreislauf nimmt die Wärme des Reaktors<br />
auf und gibt sie an den Sekundärkreislauf ab. Dadurch<br />
verdampft dar<strong>in</strong> das Wasser; der Dampf treibt die Turb<strong>in</strong>e<br />
an. Der Kühlkreislauf kühlt den Dampf im Sekundärkreislauf<br />
im Kondensator wieder zu Wasser. Der Vorteil: Die<br />
Radioaktivität bleibt im Primärkreislauf, sie gelangt nicht <strong>in</strong><br />
die Turb<strong>in</strong>e und den Kondensator.<br />
ScHEMAzEIcHNUNG e<strong>in</strong>es<br />
DRUcKWASSERREAKTORS (DWR)<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
13<br />
14<br />
15<br />
Reaktordruckbehälter<br />
Hauptkühlmittelpumpe<br />
Dampferzeuger<br />
Sicherheitsbehälter<br />
Brennelementlagerbecken<br />
Turb<strong>in</strong>en-Hochdruckteil<br />
Wasserabscheider und Zwischenüberhitzer<br />
Turb<strong>in</strong>en-Niederdruckteil<br />
Generator<br />
Transformator<br />
Kondensator<br />
Vorwärmanlage<br />
Speisewasserpumpe<br />
Hauptkühlwasserpumpe<br />
Kühlturm<br />
Zeitbild Wissen<br />
12
Der Siedewasserreaktor (SWR)<br />
Dieser Reaktortyp verfügt über zwei Wasserkreisläufe.<br />
Beim Siedewasserreaktor wird der Dampf, der die Turb<strong>in</strong>en<br />
antreibt, direkt im Reaktor erzeugt. Die Brennstäbe<br />
geben die Wärme direkt an das Wasser ab, das sie umgibt.<br />
Dieses beg<strong>in</strong>nt dadurch zu sieden – daher der Name.<br />
Der entstehende Dampf wird direkt an die Turb<strong>in</strong>en<br />
weitergeleitet, gelangt von dort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Kondensator, wo<br />
er wieder zu flüssigem Wasser abkühlt. Und von hier geht es<br />
wieder zurück <strong>in</strong> den Reaktor.<br />
Abkl<strong>in</strong>gbecken für Brennelemente<br />
Der Betriebsdruck e<strong>in</strong>es Siedewasserreaktors<br />
ist mit etwa 70 bar relativ niedrig. So<br />
muss der Druckbehälter nur für e<strong>in</strong>en Druck –<br />
e<strong>in</strong>schließlich Sicherheitszuschlag – von etwa 90<br />
bar ausgelegt werden. Außerdem gibt es beim<br />
Siedewasserreaktor nur e<strong>in</strong>en Wasserkreislauf<br />
zwischen Turb<strong>in</strong>e und Reaktor. Das Wasser<br />
dient im Reaktor auch als Moderator. Im Dampf<br />
bef<strong>in</strong>den sich weniger Wassermoleküle, daher<br />
verschlechtert sich bei steigender Hitze die<br />
Moderatorwirkung: Je heißer der Reaktor wird,<br />
desto mehr bremst er sich selbst, e<strong>in</strong>e vorteilhafte<br />
Sicherheitseigenschaft. Das Wasser im Reaktor<br />
enthält hochradioaktive Stoffe, die aus den<br />
Brennstoffstäben stammen. Sie werden durch die<br />
Dampf-Wasser-Trennung zum weitaus größten<br />
Teil im Reaktordruckbehälter zurückgehalten.<br />
Gasförmige radioaktive Stoffe, die mit dem Dampf<br />
mitgerissen werden, werden im Kondensator<br />
abgesaugt und damit dem Kühlmittelkreis<br />
entzogen. Deshalb s<strong>in</strong>d auch Masch<strong>in</strong>enhaus<br />
und Turb<strong>in</strong>e <strong>in</strong> die Sicherheitsmaßnahmen<br />
des Strahlenschutzes e<strong>in</strong>bezogen. Aus diesem<br />
Grund s<strong>in</strong>d Sicherheitse<strong>in</strong>richtungen e<strong>in</strong>gebaut,<br />
die bei e<strong>in</strong>er Störung den Dampfstrom zum<br />
Masch<strong>in</strong>enhaus sofort unterbrechen.<br />
13 Zeitbild Wissen
Sicherheit von Kernkraftwerken<br />
<strong>in</strong> Deutschland<br />
Der Schutz der Bevölkerung vor e<strong>in</strong>er radioaktiven Belastung ist beim Betrieb e<strong>in</strong>es<br />
Kernkraftwerkes ganz besonders wichtig. Deshalb unterliegen <strong>in</strong> Deutschland gemäß den<br />
Vorgaben des Atomgesetzes Planung, Bau, Betrieb und Rückbau e<strong>in</strong>es KKW sehr strengen<br />
Vorschriften und staatlicher Aufsicht. Auf der Bundesebene ist das Bundesm<strong>in</strong>isterium für<br />
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zuständig. Das BMU überträgt den<br />
Ländern die Aufsicht über den Betrieb der Kernkraftwerke. Die Umweltm<strong>in</strong>isterien der<br />
Länder wachen mit Unterstützung von Gutachterorganisationen (z. B. TÜV) darüber,<br />
dass die Anlagen nach den rechtlichen Vorgaben betrieben werden und dass der gesetzlich<br />
geforderte Schutz gewährleistet wird.<br />
Sicherheitsüberprüfungen<br />
und -analysen<br />
Nationale und <strong>in</strong>ternationale Aufsichtsbehörden<br />
führen regelmäßige Kontrollen aller Kernkraftwerke<br />
durch. Die technischen Systeme werden<br />
ständig weiterentwickelt und modernisiert. Der Erfahrungsaustausch<br />
mit anderen Staaten trägt dazu<br />
bei, dass alle Kernkraftwerksbetreiber von den<br />
neuesten Erkenntnissen profitieren können. Auch<br />
die Aus- und Weiterbildung des Personals spielt<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle: Die Kernkraftwerksmitarbeiter<br />
bilden sich regelmäßig fort, zum Beispiel durch<br />
Sicherheitstra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs am Simulator.<br />
Aktive Sicherheitsmaßnahmen<br />
Neben den hier vorgestellten<br />
passiven Sicherheitsmaßnahmen<br />
verfügen Kernkraftwerke<br />
noch über aktive Sicherheitsmaßnahmen.<br />
Dazu gehören: Redundanz –<br />
alle Sicherheitssysteme s<strong>in</strong>d<br />
mehrfach vorhanden. Diversität<br />
– die Sicherheitssysteme s<strong>in</strong>d<br />
nicht nur mehrfach vorhanden,<br />
sondern auch unterschiedlich<br />
ausgelegt. Räumliche Trennung<br />
– stellt sicher, dass nicht mehrere<br />
Systeme gleichzeitig beschädigt<br />
oder zerstört werden<br />
können. Fail-Safe – bedeutet,<br />
dass die Sicherheitssysteme bei<br />
eventuellen Fehlern sofort aktiv<br />
werden.<br />
Sicherheitsschleuse<br />
Das Zwiebelschalenpr<strong>in</strong>zip<br />
In westlichen Leichtwasserreaktoren dienen mehrere Barrieren zum Zurückhalten<br />
der radioaktiven Stoffe. Wie bei e<strong>in</strong>er Zwiebel, deren Keim von vielen Schutzschichten<br />
umschlossen ist, wirken beim Kernkraftwerk mehrere nache<strong>in</strong>ander gestaffelte<br />
Barrieren. Selbst wenn e<strong>in</strong>e Barriere versagen sollte, sorgen die übrigen<br />
weiterh<strong>in</strong> für Sicherheit. Die Mehrfachbarrieren schließen somit die Radioaktivität<br />
sicher e<strong>in</strong>. Darüber h<strong>in</strong>aus herrscht im Reaktorgebäude e<strong>in</strong> konstanter Unterdruck,<br />
der das Austreten von Radioaktivität aus dem Inneren verh<strong>in</strong>dern kann.<br />
Zeitbild Wissen<br />
14
Barriere 1<br />
Das Kristallgitter des Brennstoffes selbst: Die<br />
erste Barriere stellen die Kernbrennstofftabletten<br />
selbst dar, da sie den größten Teil der Spaltprodukte<br />
zurückhalten. In Leichtwasserreaktoren<br />
wird heute nahezu ausschließlich Uran-235 für die<br />
Kernspaltung verwendet. Dieses ist <strong>in</strong> dem natürlich<br />
vorkommenden Uran <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Anteil von 0,7<br />
Prozent enthalten. Im Kernbrennstoff wird dieser<br />
Anteil auf 3 bis 5 Prozent angereichert.<br />
Barriere 2<br />
Die Brennstabhülle: Die gasdicht und druckfest<br />
verschweißte Brennstabhülle trennt den Kernbrennstoff<br />
vom Kühlmittel und verh<strong>in</strong>dert, dass die<br />
bei der Kernspaltung entstehenden Spaltprodukte<br />
<strong>in</strong> das Kühlmittel gelangen. Darüber h<strong>in</strong>aus muss<br />
die Brennstabhülle über mechanische Festigkeit<br />
verfügen, korrosions- und hitzebeständig se<strong>in</strong> sowie<br />
e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Neigung zur Neutronenabsorption<br />
aufweisen. Die Brennstäbe e<strong>in</strong>es Druckwasserreaktors<br />
s<strong>in</strong>d – bspw. wie im Kernkraftwerk Brokdorf<br />
– 4,8 Meter lang, 11 Millimeter dick und bestehen<br />
aus e<strong>in</strong>er 0,65-Millimeter starken Umhüllung aus<br />
Zirkaloy (Zirkonium-Legierung).<br />
Barriere 3<br />
Der Reaktordruckbehälter mit dem angeschlossenen<br />
Rohrsystem: Der Reaktordruckbehälter – e<strong>in</strong><br />
dickwandiger zyl<strong>in</strong>drischer Stahlbehälter mit e<strong>in</strong>er<br />
Höhe von zwölf und e<strong>in</strong>em Innendurchmesser von<br />
fünf Metern besitzt e<strong>in</strong>e Wandstärke von 25 Zentimetern<br />
und e<strong>in</strong> Leergewicht von etwa 530 Tonnen.<br />
Das Reaktordruckgefäß und die Wandungen des<br />
Kühlmittelkreislaufes verh<strong>in</strong>dern das Austreten der<br />
im Brennstoff entstandenen radioaktiven Substanzen<br />
und der sich im Kühlwasser bef<strong>in</strong>dlichen durch<br />
Neutronen aktivierten Korrosionsprodukte.<br />
Barriere 4<br />
Betonabschirmung (Biologischer Schild): Der<br />
Reaktordruckbehälter bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Betonkammer.<br />
Diese verfügt über e<strong>in</strong>e besondere Kühlung<br />
und übernimmt die Funktion e<strong>in</strong>es biologischen<br />
Schildes und der Strahlenabschirmung. E<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ger<br />
Anteil der entstandenen Spaltprodukte kann gegebenenfalls<br />
<strong>in</strong> das Kühlmittel gelangen.<br />
Barriere 5<br />
Der Sicherheitsbehälter (Conta<strong>in</strong>ment): Der<br />
Reaktordruckbehälter und der sich daran unmittelbar<br />
anschließende Teil des Kühlmittelkreislaufes<br />
werden vom gasdichten und druckfesten Sicherheitsbehälter<br />
mit e<strong>in</strong>er Wanddicke von z. B. 30 mm<br />
umschlossen. Um den Sicherheitsbehälter bef<strong>in</strong>det<br />
sich – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Zentimetern Abstand – e<strong>in</strong>e Dichthaut<br />
aus Stahl von vier Millimetern Stärke. Der Reaktordruckbehälter<br />
ist so ausgelegt, dass er bei<br />
Störungen den austretenden Dampf aufnimmt, sodass<br />
ke<strong>in</strong>e radioaktiven Stoffe <strong>in</strong> die Atmosphäre<br />
und Umgebung entweichen können.<br />
Barriere 6<br />
Stahlbetonhülle: Der stählerne Sicherheitsbehälter<br />
ist mit e<strong>in</strong>er bis zu zwei Meter dicken Stahlbetonhülle<br />
umschlossen. Diese bildet das sichtbare Reaktorgebäude<br />
und schützt gegen äußere E<strong>in</strong>wirkungen.<br />
100-prozentige Sicherheit?<br />
Kritiker der Kernkraftnutzung wie zum Beispiel Umweltorganisationen<br />
bemängeln, dass bei allen ausgefeilten technischen Sicherheitssystemen<br />
der Faktor Mensch e<strong>in</strong> unkalkulierbares Risiko darstelle. Die Erfahrung<br />
zeige, dass Menschen unvorhersehbare Fehler machen können.<br />
Auch e<strong>in</strong>e noch so ausgefeilte Technik und Sicherheit könne diese Risiken<br />
allenfalls m<strong>in</strong>imieren, aber nicht ausschließen. H<strong>in</strong>zu käme, dass<br />
es erfahrungsgemäß ke<strong>in</strong> technisches System gebe, das zu 100 Prozent<br />
sicher sei. E<strong>in</strong> schwerer Reaktorunfall – <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dicht besiedelten<br />
Industrieland – könne nach Auffassung von Kritikern zu unüberschaubaren<br />
Folgen führen.<br />
Sicherheit nach Fukushima<br />
1 – Kristallgitter des Brennstoffs<br />
2 – Brennstabhülle<br />
3 – Reaktordruckbehäter<br />
4 – Betonabschirmung<br />
5 – Sicherheitsbehälter<br />
6 – Stahlbetonhülle<br />
Die Bundesregierung ordnete nach der Katastrophe von Fukushima<br />
an, e<strong>in</strong>e Untersuchung aller deutschen Kernkraftwerke auf ihre Sicherheit<br />
gegen Naturkatastrophen (Erdbeben und Hochwasser mit Überflutung<br />
der Anlage), gegen e<strong>in</strong>en Ausfall der Kühlwasserversorgung sowie<br />
gegen Flugzeugabstürze durchzuführen. Für die deutschen Anlagen hat<br />
die untersuchende Reaktorsicherheitskommission (RSK) des Bundesumweltm<strong>in</strong>isteriums<br />
festgestellt, dass sie „durchgehend robuster s<strong>in</strong>d<br />
als die von Fukushima I [Daiichi]“. Gleichzeitig wurden Maßnahmen zur<br />
Verbesserung der Sicherheitsreserven empfohlen.<br />
15 Zeitbild Wissen
Radioaktive Abfälle<br />
Blick <strong>in</strong> den Reaktorkern<br />
In Deutschland werden zwei Arten<br />
radioaktiver Abfälle unterschieden:<br />
Für die Behandlung der Abfallstoffe, den<br />
Transport und die Zwischenlagerung s<strong>in</strong>d<br />
<strong>in</strong> Deutschland die Abfallverursacher, das<br />
heißt bei Abfällen aus Kernkraftwerken<br />
die Energieversorgungsunternehmen, verantwortlich.<br />
Für die Endlagerung liegt die<br />
Verantwortung gemäß Atomgesetz bei der<br />
Bundesrepublik Deutschland.<br />
• wärmeentwickelnde Abfälle<br />
(hochradioaktiv)<br />
• Abfälle mit vernachlässigbarer<br />
Wärmeentwicklung<br />
(schwach- und mittelradioaktiv)<br />
Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung<br />
s<strong>in</strong>d beispielsweise Schutzkleidung, Filter,<br />
Re<strong>in</strong>igungsmittel oder auch kontam<strong>in</strong>ierte Werkzeuge<br />
aus dem Betrieb der Anlagen sowie Rohre,<br />
Kabel oder auch ausgediente Anlagenteile wie z. B.<br />
Pumpen oder Rohrleitungen, die vor allem beim<br />
Rückbau anfallen. Zu den wärmeentwickelnden<br />
radioaktiven Abfällen zählen die abgebrannten<br />
Brennelemente der Kernkraftwerke sowie die radioaktiven<br />
Abfälle, die aus der Wiederaufarbeitung<br />
deutscher Brennelemente <strong>in</strong> Frankreich und England<br />
stammen. In Deutschland ist vorgesehen, alle<br />
radioaktiven Abfälle für immer <strong>in</strong> tiefe geologische<br />
Formationen (bis ca. 1.300 m Tiefe) e<strong>in</strong>zulagern,<br />
um sie dauerhaft von der Biosphäre abzuschließen.<br />
Was passiert mit den Abfällen?<br />
Bevor Abfälle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Endlager e<strong>in</strong>gelagert<br />
werden können, müssen sie behandelt und<br />
endlagergerecht verpackt werden. Hierbei steht<br />
<strong>in</strong>sbesondere die Volumenreduzierung im Vordergrund.<br />
Die Behandlung der Abfälle hängt <strong>in</strong><br />
starkem Maße von ihrer Radioaktivität und von der<br />
Form ab, <strong>in</strong> der sie vorliegen. Schwach und mittelradioaktive<br />
Stoffe, die <strong>in</strong> fester Form vorliegen,<br />
werden zunächst gepresst, damit sie möglichst<br />
wenig Platz benötigen, und anschließend <strong>in</strong> Stahlfässern<br />
verpackt. Bei Flüssigkeiten trennt man<br />
die radioaktiven Stoffe durch Verdampfen, Fällen<br />
oder Filtern von der nicht aktiven Flüssigkeit ab<br />
und verfestigt die Rückstände <strong>in</strong> Bitumen oder Zement.<br />
Sie werden ebenfalls <strong>in</strong> Stahlfässern e<strong>in</strong>geschlossen.<br />
Jährlich werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Druckwasser-Kernkraftwerk<br />
ungefähr 40 Brennelemente mit e<strong>in</strong>em<br />
Gesamtgewicht von ca. 20 Tonnen ausgetauscht.<br />
Die abgebrannten Brennelemente lagern zunächst<br />
e<strong>in</strong>ige Jahre im Abkl<strong>in</strong>gbecken des Kraftwerks, bis<br />
ihre Radioaktivität und Wärmeproduktion so weit<br />
abgeklungen s<strong>in</strong>d, dass sie <strong>in</strong> Zwischenlagerbehälter<br />
verpackt werden können.<br />
Bis 2005 kam e<strong>in</strong> Teil der abgebrannten<br />
Brennelemente aus Deutschland zur Wiederaufarbeitung,<br />
die gesetzlich vorgesehen war, <strong>in</strong><br />
spezielle Anlagen nach Frankreich und Großbritannien.<br />
In e<strong>in</strong>em komplizierten Verfahren<br />
wurden Plutonium und Uran abgetrennt, um<br />
sie zu neuen Brennelementen zu verarbeiten.<br />
Die übrigen, nicht wieder verwertbaren Spaltprodukte<br />
aus den abgebrannten Brennelementen<br />
werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Borsilikatglasschmelze e<strong>in</strong>geschlossen<br />
und <strong>in</strong> Behälter aus Edelstahl gefüllt.<br />
Deutschland ist zur Rücknahme der bei der Wiederaufarbeitung<br />
entstandenen radioaktiven Abfälle<br />
verpflichtet. Die Abfälle wurden zu e<strong>in</strong>em großen<br />
Teil bereits nach Deutschland zurückgebracht beziehungsweise<br />
werden <strong>in</strong> den nächsten Jahren<br />
noch nach Deutschland zurückgeführt. Transpor-<br />
Zeitbild Wissen<br />
16
Schutzplatte<br />
te <strong>in</strong> die Wiederaufarbeitung s<strong>in</strong>d seit dem 1. Juli<br />
2005 verboten. Seither lagern alle abgebrannten<br />
Brennelemente bis zu ihrer Endlagerung <strong>in</strong> eigens<br />
errichteten Zwischenlagern an den Standorten der<br />
e<strong>in</strong>zelnen Kernkraftwerke.<br />
Die CASTOR-Behälter<br />
Für den Transport und die langjährige Zwischenlagerung<br />
von abgebrannten Brennelementen<br />
und hochradioaktiven Abfällen werden <strong>in</strong> Deutschland<br />
hauptsächlich sogenannte CASTOR-Behälter<br />
verwendet. Es gibt hiervon unterschiedliche Bauformen,<br />
je nachdem für welche Art von Brennelementen<br />
oder Abfällen. E<strong>in</strong> aktueller CASTOR-<br />
Behälter für bestrahlte Brennelemente ist an die 6<br />
Meter lang, hat e<strong>in</strong>en Durchmesser von etwa 2,5<br />
Meter, e<strong>in</strong>e Wandstärke von 40 cm und e<strong>in</strong> Leergewicht<br />
von rund 100 Tonnen. Se<strong>in</strong> Behälterkörper<br />
ist aus Gusseisen mit Kugelgraphit hergestellt,<br />
e<strong>in</strong>em speziellen Material, das über e<strong>in</strong>e extrem<br />
hohe Festigkeit und Zähigkeit verfügt. Der Behälter<br />
schirmt die Gamma- und Neutronenstrahlung<br />
weitgehend ab. Die Anforderungen an e<strong>in</strong>en<br />
Transportbehälter s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Bezug auf mechanische<br />
Stabilität, Dichtheit und Temperaturfestigkeit sehr<br />
hoch. Behälter, wie sie für abgebrannte Brennelemente<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden, müssen gemäß <strong>in</strong>ternational<br />
gültigen Gefahrgutbestimmungen folgende<br />
Prüfungen bestehen, ohne undicht zu werden:<br />
Sekundärdeckel<br />
Primärdeckel<br />
Abschirmungselemente<br />
Tragekorb mir E<strong>in</strong>zelbehältern<br />
für strahlende Glaszyl<strong>in</strong>der<br />
oder Brennelemente<br />
Behälterkörper aus besonders<br />
dickem und stabilem Gusseisen<br />
Kühlrippen<br />
Tragzapfen<br />
Quelle: GNS<br />
• Freier Fall des Behälters aus 9 m Höhe auf e<strong>in</strong><br />
unnachgiebiges Fundament.<br />
• Freier Fall des Behälters aus 1 m Höhe auf e<strong>in</strong>en Stahldorn<br />
mit e<strong>in</strong>em Durchmesser von 15 cm und e<strong>in</strong>er Höhe von<br />
m<strong>in</strong>destens 20 cm.<br />
• Feuertest von 30 M<strong>in</strong>uten bei m<strong>in</strong>destens 800 °C.<br />
• E<strong>in</strong>tauchen des Behälters <strong>in</strong> Wasser für<br />
15 Stunden bei e<strong>in</strong>er Wassertiefe von 15 m<br />
oder bei Zulassung für besonders große<br />
Gesamtaktivität für 1 Stunde bei e<strong>in</strong>er Wassertiefe von 200 m.<br />
Umstrittene Transporte<br />
Verladen e<strong>in</strong>es CASTOR-Behälters<br />
Als „Castortransporte“ mit Güterzügen und Schwerlasttransportern s<strong>in</strong>d die<br />
zwischen 1996 und 2011 durchgeführten Rückführungstransporte von hochradioaktiven<br />
Wiederaufarbeitungsabfällen aus Frankreich <strong>in</strong>s Zwischenlager <strong>in</strong> Gorleben<br />
bekannt geworden. Gorleben ist die e<strong>in</strong>zige Anlage <strong>in</strong> Deutschland, die über e<strong>in</strong>e<br />
Genehmigung verfügt, hochradioaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung deutscher<br />
Brennelemente aufzunehmen. Diese Transporte wurden von e<strong>in</strong>em großen<br />
Polizeiaufgebot begleitet. Kernkraftgegner nahmen sie zum Anlass, um beispielsweise<br />
mit Kundgebungen und Sitzblockaden, an denen sich bis zu mehrere tausend<br />
Menschen beteiligten, gegen die Transporte selbst, aber auch gegen die Nutzung<br />
der Kernenergie <strong>in</strong>sgesamt zu demonstrieren. Der letzte Transport mit hochradioaktiven<br />
Wiederaufarbeitungsabfällen aus Frankreich hat 2011 stattgefunden. Weitere<br />
Transporte aus England (hochradioaktiv) und Frankreich (mittelradioaktiv) s<strong>in</strong>d<br />
nicht vor 2015 geplant.<br />
17 Zeitbild Wissen
Endlagerung von radioaktiven<br />
Abfällen <strong>in</strong> Deutschland<br />
Die Endlagerung von radioaktiven Abfällen <strong>in</strong> Deutschland ist<br />
im Atomgesetz (AtG) geregelt. Demnach muss die Bundesregierung<br />
Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver<br />
Abfälle e<strong>in</strong>richten. Die Zuständigkeit <strong>in</strong>nerhalb des Bundes<br />
liegt beim Bundesm<strong>in</strong>isterium für Umwelt, Naturschutz und<br />
Reaktorsicherheit (BMU) mit se<strong>in</strong>er nachgeordneten Behörde,<br />
dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS).<br />
sich bereits radioaktive Abfälle, es f<strong>in</strong>den jedoch<br />
ke<strong>in</strong>e neuen E<strong>in</strong>lagerungen mehr statt. Aufgrund<br />
von Wasserzuflüssen <strong>in</strong> die unterirdischen Lagerräume<br />
prüft die Behörde gegenwärtig Möglichkeiten,<br />
die Abfälle <strong>in</strong> der Asse aus dem Bergwerk<br />
zurückzuholen. Das stillgelegte Eisenerzbergwerk<br />
Schachtanlage Konrad, nahe Salzgitter, ist als Endlager<br />
für schwach- und mittelradioaktive Abfälle<br />
gesetzlich genehmigt und wird für die E<strong>in</strong>lagerung<br />
der Abfälle ausgebaut.<br />
Gorleben als Endlager?<br />
Technische Messungen <strong>in</strong> Gorleben<br />
In Deutschland s<strong>in</strong>d etwa 95 Prozent der anfallenden<br />
nuklearen Abfälle schwach- und mittelradioaktiv.<br />
Etwa 5 Prozent s<strong>in</strong>d hochradioaktiv,<br />
enthalten aber 99 Prozent der gesamten Radioaktivität.<br />
Radioaktive Abfälle sollen für 1 Million Jahre<br />
sicher von der Umwelt abgeschirmt werden. International<br />
besteht Konsens, tiefe geologische Formationen<br />
für die Endlagerung zu nutzen.<br />
In Deutschland gibt es vier Endlager bzw. Endlagerprojekte,<br />
die unter der fachlichen Aufsicht des<br />
BfS stehen: das Endlager Morsleben <strong>in</strong> Sachsen-<br />
Anhalt, die Endlager Asse und Schacht Konrad<br />
und das Erkundungsbergwerk Gorleben <strong>in</strong> Niedersachsen.<br />
In Morsleben und der Asse bef<strong>in</strong>den<br />
Am Standort Gorleben bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> unberührter<br />
Salzstock (anders als die Asse, die früher<br />
als Salzbergwerk diente und riesige Hohlräume<br />
enthält, vergleichbar e<strong>in</strong>em groben Schwamm),<br />
der seit 1979 auf se<strong>in</strong>e Eignung als mögliches Endlager<br />
für hochradioaktive Abfälle h<strong>in</strong> untersucht<br />
wird – die sogenannte Erkundung. Nach Auffassung<br />
vieler Fachleute lassen sich radioaktive Abfälle<br />
<strong>in</strong> Salzformationen besonders sicher lagern:<br />
• Salzlagerstätten weisen e<strong>in</strong>e besonders hohe<br />
geologische Stabilität auf, verändern sich also<br />
über lange Zeiträume h<strong>in</strong>weg nicht; der Salzstock<br />
Gorleben z. B. existiert über 200 Mio.<br />
Jahre.<br />
• In Salzstöcken lassen sich gut Hohlräume für<br />
den E<strong>in</strong>lagerungsbetrieb anlegen.<br />
• Das Innere von Salzlagerstätten steht nicht mit<br />
dem Grundwasser <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung. Damit kann<br />
Zeitbild Wissen<br />
18
Deckgebirge<br />
Sohle<br />
840 m<br />
Salzstock<br />
Schacht 1<br />
Schacht 2<br />
Sohle<br />
870 m<br />
e über<br />
Länge des Streckensystems: ca. 7 km<br />
Schacht- und Sohlensystem <strong>in</strong> Gorleben<br />
der<br />
E<strong>in</strong> Salzstock ist nach heutigen den nuklearen Abfall unwiederbr<strong>in</strong>glich<br />
umschließt.<br />
Kölner Doms.<br />
ke<strong>in</strong> Erkenntnissen radioaktives für Material die End-<strong>in</strong>lagerung besonders gut geeignet, die Wärme des nuklearen Abfalls<br />
Grundwasser<br />
870-m-Sohle gelangen.<br />
gert werden • Salz weil besitzt das Ste<strong>in</strong>salz e<strong>in</strong>e große u.a. Plastizität. Spalten gut ableitet. und<br />
Hohlräume schließen sich von selbst wieder.<br />
• Salz verfügt über e<strong>in</strong>e gute Wärmeleitfähigkeit,<br />
damit kann die Wärme, die radioaktive<br />
Abfälle erzeugen, gut abgeleitet werden.<br />
Aus diesen Gründen halten Fachleute nach heutigem<br />
Stand der Erkundung Gorleben als Endlager<br />
für hochradioaktive Abfälle für geeignet. Es gibt<br />
auch Fachleute, die bezweifeln, dass Salzlagerstätten<br />
ganz allgeme<strong>in</strong> und Gorleben im Besonderen<br />
für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen geeignet<br />
seien. Problematisch sei beispielsweise der<br />
mögliche, langsame Austritt von Schadstoffen aus<br />
dem Salzstock durch Grundwassere<strong>in</strong>brüche. Gegen<br />
Gorleben sprächen außerdem beispielsweise<br />
auch geologische Gründe wie e<strong>in</strong>e Bruchzone im<br />
Untergrund oder vermutete gasführende Schichten.<br />
Die Fachme<strong>in</strong>ungen dazu s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs<br />
höchst widersprüchlich.<br />
Erkundungsbergwerk Gorleben<br />
Die Suche geht weiter<br />
In die Erkundung von Gorleben wurden bisher<br />
1,6 Milliarden Euro <strong>in</strong>vestiert, die zu über 90 Prozent<br />
von den Energieversorgungsunternehmen getragen<br />
wurden. E<strong>in</strong>e abschließende Entscheidung,<br />
ob der Salzstock als mögliches Endlager geeignet<br />
ist oder nicht, liegt auch nach über 30 Jahren nicht<br />
vor. Hierfür würde es noch e<strong>in</strong>iger weiterer Jahre<br />
Erkundung und e<strong>in</strong>es Genehmigungsverfahrens<br />
bedürfen. Im November 2011 vere<strong>in</strong>barten das<br />
Bundesumweltm<strong>in</strong>isterium und die Bundesländer,<br />
dass bundesweit e<strong>in</strong>e neue, ergebnisoffene Suche<br />
nach e<strong>in</strong>em geeigneten Standort für e<strong>in</strong> Endlager<br />
durchgeführt werden soll. In die Suche sollen<br />
neben Salz auch weitere geologische Formationen,<br />
z. B. Ton, e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />
Was machen die anderen?<br />
In anderen Ländern mit Kernkraftwerken werden<br />
auch alternative Geste<strong>in</strong>sformationen erkundet,<br />
da u. a. ke<strong>in</strong>e geeigneten Salzvorkommen<br />
vorhanden s<strong>in</strong>d. In Frankreich und <strong>in</strong> der Schweiz<br />
Karte mit den Standorten Asse, Morsleben, Konrad sowie des Erkundungsbergwerks<br />
Gorleben. Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz.<br />
s<strong>in</strong>d es Tongeste<strong>in</strong>e, <strong>in</strong> den USA ist dies vulkanischer Tuffste<strong>in</strong>, <strong>in</strong><br />
F<strong>in</strong>nland und Schweden Granit. In F<strong>in</strong>nland und <strong>in</strong> Schweden, wo<br />
sich Geme<strong>in</strong>den um den Endlagerstandort beworben hatten, wurden<br />
bereits Standorte für e<strong>in</strong> Endlager hochradioaktiver Abfälle ausgewählt.<br />
Forschen für die Entsorgung<br />
Wegen der zum Teil sehr langen Halbwertzeit e<strong>in</strong>iger Radionuklide<br />
müssen hochradioaktive Abfälle über sehr lange Zeiträume sicher<br />
von der Biosphäre abgeschirmt werden. Mithilfe der sogenannten<br />
Transmutation werden durch Neutronenbeschuss langlebige<br />
Isotope umgewandelt (transmutiert) und es entstehen letztendlich<br />
radioaktive oder stabile Spaltprodukte. Auch <strong>in</strong> Deutschland wird<br />
auf diesem Gebiet geforscht. Solche Verfahren s<strong>in</strong>d aber heute re<strong>in</strong>e<br />
Forschungsprojekte. Ob sie jemals kommerziell e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />
können, ist offen, und sie können damit ke<strong>in</strong>e Grundlage für e<strong>in</strong>e<br />
verantwortungsvolle Entsorgungsplanung se<strong>in</strong>.<br />
19 Zeitbild Wissen
Rückbau von<br />
Kernkraftwerken<br />
Wie andere Industrieanlagen auch werden Kernkraftwerke am<br />
Ende ihrer Betriebszeit stillgelegt. Aber e<strong>in</strong> Kernkraftwerk kann<br />
u. a. wegen der radioaktiven Bestandteile nicht e<strong>in</strong>fach abgerissen<br />
werden, es muss kontrolliert zurückgebaut werden. Ziel des<br />
Rückbaus ist die vollständige Beseitigung der Anlage und die<br />
Wiederherstellung des ursprünglichen, natürlichen Zustands des<br />
Geländes – der Rückbau zur „Grünen Wiese“ oder alternativ<br />
auch für die Nachnutzung als Industrie- und Gewerbegebiet.<br />
Dies kann aufgrund der hohen sicherheitstechnischen Anforderungen<br />
und der notwendigen Genehmigungsverfahren mit<br />
Beteiligung der Öffentlichkeit unter Umständen viele Jahre<br />
dauern, beim direkten Rückbau bis zu 20 Jahre. Seit Beg<strong>in</strong>n<br />
der kommerziellen Nutzung der Kernenergie wurden <strong>in</strong><br />
Deutschland bereits mehrere Anlagen stillgelegt und wie<br />
z. B. das VAK Kahl zurückgebaut.<br />
Zeitbild Wissen<br />
Jede Menge Auflagen<br />
In Deutschland ist das Atomgesetz maßgebend<br />
für die Errichtung, den Betrieb und die Stilllegung<br />
von Kernkraftwerken. H<strong>in</strong>zu kommen noch zahlreiche<br />
weitere Verordnungen wie z. B. die Strahlenschutzverordnung,<br />
das Kreislaufwirtschaftsgesetz,<br />
die Gefahrstoffverordnung und das Bundesimmissionsschutzgesetz.<br />
Der Sicherheitsgedanke spielt<br />
<strong>in</strong> allen Phasen e<strong>in</strong>es Kernkraftwerks, von der Errichtung<br />
über den Betrieb bis h<strong>in</strong> zum Rückbau,<br />
e<strong>in</strong>e sehr große und wichtige Rolle. Sowohl die<br />
Umwelt als auch die beim Rückbau beteiligten<br />
Menschen müssen vor jeglicher Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />
durch radioaktive Strahlung geschützt werden.<br />
Sofort oder später – Rückbaukonzepte<br />
Es stehen im Pr<strong>in</strong>zip zwei Wege zur Auswahl,<br />
um e<strong>in</strong> Kernkraftwerk zurückzubauen: Der „direkte<br />
Rückbau“ und der „Rückbau nach sicherem<br />
E<strong>in</strong>schluss“. Beim „direkten Rückbau“, der<br />
häufigsten Form des Rückbaus <strong>in</strong> Deutschland,<br />
wird das Kraftwerk nach Ende des Regelbetriebs<br />
<strong>in</strong> mehreren Schritten nach Genehmigungen der<br />
zuständigen Behörden demontiert, die radioaktiv<br />
belasteten Bauteile werden aufwendig zerlegt, soweit<br />
wie möglich gere<strong>in</strong>igt – man spricht hier von<br />
dekontam<strong>in</strong>iert – und fachgerecht entsorgt. Nicht<br />
radioaktiv belastete Komponenten wie z. B. Turb<strong>in</strong>en<br />
können herkömmlich zurückgebaut werden.<br />
Bei der Methode „sicherer E<strong>in</strong>schluss“ wird<br />
der belastete Teil der Anlagen – bei Druckwasserreaktoren<br />
das Reaktorgebäude – zunächst für<br />
e<strong>in</strong>en festgelegten Zeitraum „sicher e<strong>in</strong>geschlossen“.<br />
Das bedeutet, dass dieser Bereich von der<br />
restlichen Anlage z. B. durch Abtrennen und<br />
Verschließen von Leitungen physisch getrennt<br />
und abgeschlossen wird. Der nicht oder nur leicht<br />
radioaktiv belastete Außenbereich kann auf herkömmliche<br />
Weise zurückgebaut werden. Nach<br />
Ablauf der Frist wird der Rest der Anlagen – unter<br />
entsprechenden, <strong>in</strong> der Regel vere<strong>in</strong>fachten,<br />
Sicherheitsvorkehrungen – demontiert. Ziel dieser<br />
Rückbauvariante ist es, durch e<strong>in</strong> Abkl<strong>in</strong>gen der<br />
Radioaktivität den späteren Abbau der Anlage aufgrund<br />
e<strong>in</strong>er niedrigen radioaktiven Belastung zu<br />
erleichtern und zwischenzeitliche technische Fortschritte<br />
zu nutzen.<br />
Beispiele für e<strong>in</strong>en direkten Rückbau s<strong>in</strong>d die<br />
Arbeiten am Kernkraftwerk Greifswald nahe Lubm<strong>in</strong>,<br />
es ist das weltweit größte Stilllegungsprojekt<br />
dieser Art. Der Rückbau der Anlage erfolgt seit<br />
1995, im Jahr 2014 soll das Gelände wieder nutzbar<br />
se<strong>in</strong>. Auch die Kernkraftwerke Gundremm<strong>in</strong>gen<br />
A, Mülheim-Kärlich, Obrigheim, Rhe<strong>in</strong>sberg,<br />
Stade und Würgassen werden gegenwärtig direkt<br />
20
ückgebaut. E<strong>in</strong> Beispiel für das Konzept des sicheren<br />
E<strong>in</strong>schlusses ist der ehemalige Hochtemperatur-Reaktor<br />
<strong>in</strong> Hamm-Uentrop. Er bef<strong>in</strong>det sich<br />
seit 1997 im sicheren E<strong>in</strong>schluss, ab 2027, nach<br />
Unterschreiten der relevanten Grenzwerte, kann<br />
dann endgültig mit dem Abriss begonnen werden,<br />
für den ca. 20 Jahre veranschlagt werden.<br />
Kritik am E<strong>in</strong>schlusskonzept<br />
Kernkraftgegner halten den „sicheren E<strong>in</strong>schluss“<br />
über e<strong>in</strong>en so langen Zeitraum für nicht<br />
sicher, da aufgrund e<strong>in</strong>er möglichen Beschädigung<br />
der Hülle oder e<strong>in</strong>er anderweitigen Freisetzung<br />
von Radioaktivität die Gefahr gegeben sei, dass<br />
Radioaktivität <strong>in</strong> die Umwelt gelangen könnte. Anders<br />
als beim direkten Rückbau würden die Kraftwerke<br />
nicht nach etwa 20 Jahren abgebaut se<strong>in</strong>,<br />
sondern erst nach 40 bis 45 Jahren. Problematisch<br />
an dieser Rückbauvariante ist die Tatsache, dass<br />
nach e<strong>in</strong>er so langen Zeit vermutlich nur noch<br />
wenige Experten für den Rückbau zur Verfügung<br />
stünden. Die ehemaligen Mitarbeiter wären dann<br />
sicherlich längst pensioniert.<br />
(1968-1976)<br />
Rückbau<br />
Rückbau<br />
(1969-2005)<br />
Rückbau<br />
Nutzung im Straßenbau<br />
E<strong>in</strong>e der größten Herausforderungen beim Abbau e<strong>in</strong>es Kernkraftwerkes ist<br />
die Bewältigung der Abbauabfälle (Abbaumassen). Rund 250.000 Tonnen Abfall<br />
müssen zum Beispiel am KKW Würgassen entsorgt werden, rund 80 Prozent der<br />
Gesamtmasse s<strong>in</strong>d Betonstrukturen. Alle Materialien werden während der Demontage<br />
sortiert, um gezielt wiederverwertet oder entsorgt werden zu können. Nur e<strong>in</strong><br />
kle<strong>in</strong>er Teil der Abbaumaterialien ist während des Betriebs des KKW überhaupt mit<br />
radioaktiven Stoffen <strong>in</strong> Berührung gekommen. Der größte Teil dieser Rückbauabfälle<br />
kann nach e<strong>in</strong>er sorgsamen und umfangreichen Re<strong>in</strong>igung (Dekontam<strong>in</strong>ation)<br />
dem normalen Abfallkreislauf zugeführt werden und zum Beispiel im Straßenbau<br />
wiederverwendet werden. Letztendlich s<strong>in</strong>d rund 3 Prozent der Abbaumassen sog. radioaktiver<br />
Abfall. Die wesentlichen Abfallverursacher s<strong>in</strong>d der Reaktordruckbehälter,<br />
der Biologische Schild und die Dampferzeuger. Diese Bauteile s<strong>in</strong>d durch ihre Nähe<br />
zur Kernspaltung selbst radioaktiv geworden (aktiviertes Material) und können nicht<br />
dekontam<strong>in</strong>iert werden. Sie werden vor Ort zerlegt, fachgerecht verpackt und für die<br />
spätere Endlagerung bereitgestellt.<br />
Rückbaustatus von Kernkraftwerken<br />
Anlagen <strong>in</strong> Deutschland<br />
im Rückbau<br />
Rückbau abgeschlossen, „Grüne Wiese“<br />
im „sicheren E<strong>in</strong>schluss“<br />
Quellen: BfS, AG Energiebilanzen, DAtF<br />
Zerlegen, Sandstrahlen, Zusammenstauchen<br />
(Dekontam<strong>in</strong>ation und Abfallm<strong>in</strong>imierung)<br />
Damit e<strong>in</strong> Bauteil wieder <strong>in</strong> den Wertstoffkreislauf zurückkommen kann, muss<br />
es e<strong>in</strong> mehrstufiges Verfahren durchlaufen: Nach der Demontage, Zerlegung und<br />
Zerkle<strong>in</strong>erung werden die Bauteile – falls radioaktive Kontam<strong>in</strong>ation festgestellt<br />
wird – mit Wasser (Hochdruckre<strong>in</strong>iger), Sandstrahlern oder Stahlkugelstrahlern gere<strong>in</strong>igt.<br />
Da die Re<strong>in</strong>igungsmaterialien die radioaktiven Partikel b<strong>in</strong>den, werden sie<br />
aufgefangen. Das Wasser beispielsweise wird anschließend verdampft und das übrigbleibende<br />
Konzentrat ist dann radioaktiver Abfall. Wird bei der anschließenden<br />
Überprüfung des Bauteils noch Kontam<strong>in</strong>ation festgestellt, wird erneut gere<strong>in</strong>igt.<br />
Aufgrund sorgfältiger Dekontam<strong>in</strong>ation braucht nur e<strong>in</strong> relativ ger<strong>in</strong>ger Umfang des<br />
Abbaumaterials als radioaktiver Abfall entsorgt werden. Dieser wird nach Möglichkeit<br />
<strong>in</strong> spezielle 180 l-Blechfässer gefüllt und mit e<strong>in</strong>er Hochdruckpresse extrem verdichtet.<br />
Bis zu acht Pressl<strong>in</strong>ge lassen sich dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em genormten 200 l-Abfallfass<br />
unterbr<strong>in</strong>gen. Ziel der Abfallbehandlung ist die Volumenreduzierung, da die Kosten<br />
für Aufbewahrung und Endlagerung an der Anzahl der Geb<strong>in</strong>de bemessen werden.<br />
21 Zeitbild Wissen
„Wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Ingenieurnation”<br />
Joachim Knebel ist seit Oktober 2010 Chief Science Officer im Karlsruher<br />
Institut für Technologie (KIT). Er studierte Masch<strong>in</strong>enbau und<br />
wurde 2002 zum Leiter des Programms »Nukleare Sicherheitsforschung«<br />
am KIT sowie Sprecher des gleichnamigen Programms <strong>in</strong> der<br />
Helmholtz-Geme<strong>in</strong>schaft berufen. Er ist Autor oder Koautor von mehr<br />
als 100 wissenschaftlichen Publikationen sowie Organisator zahlreicher<br />
Konferenzen und <strong>in</strong>ternationaler Forschungsprojekte im Bereich Kernenergie.<br />
Am KIT ist er für die Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik<br />
zuständig sowie für das KIT-Zentrum Mobilitätssysteme.<br />
Deutschland hat beschlossen, aus der<br />
Nutzung der Kernenergie auszusteigen.<br />
Wozu brauchen wir dann eigentlich<br />
noch Forschung auf diesem Gebiet?<br />
Auch wenn alle Kernkraftwerke <strong>in</strong><br />
zehn Jahren abgeschaltet se<strong>in</strong> werden,<br />
müssen wir uns weiter mit der Kerntechnik<br />
beschäftigen. Da ist zum e<strong>in</strong>en die<br />
Entsorgung der radioaktiven Abfälle und<br />
die Frage des Endlagers, die gelöst werden<br />
muss. Dann sollen die Kernkraftwerke<br />
zurückgebaut werden, dazu braucht es<br />
natürlich Spezialisten, die die Reaktoren<br />
kennen und bewerten können. Und auch<br />
der Strahlenschutz spielt beim Rückbau,<br />
der Endlagerung und <strong>in</strong> der Nuklearmediz<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Ich fürchte<br />
allerd<strong>in</strong>gs, dass es die breit angelegte, nationale<br />
Reaktorsicherheitsforschung <strong>in</strong> 10<br />
bis 15 Jahren <strong>in</strong> Deutschland wohl nicht<br />
mehr geben wird.<br />
Aber die wird doch auch nicht mehr<br />
benötigt...<br />
... was so nicht stimmt! Um uns herum<br />
<strong>in</strong> Europa, auch weltweit, geht die<br />
Entwicklung weiter. Deutschland wird<br />
auch <strong>in</strong> Zukunft als Mitglied <strong>in</strong>ternationaler<br />
Gremien oder <strong>in</strong> Kommissionen<br />
über Fragen der nuklearen Sicherheit<br />
mitentscheiden müssen. Die Bundesregierung,<br />
die M<strong>in</strong>isterien und die Genehmigungsbehörden<br />
benötigen dazu eigene<br />
Fachkräfte und fachliche Beratung. Das<br />
Berufsbild e<strong>in</strong>es re<strong>in</strong>en Kerntechnikers <strong>in</strong><br />
Deutschland wird der heute <strong>in</strong> der Ausbildung<br />
stehenden jungen Generation von<br />
Ingenieuren aber nur schwer zu vermitteln<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Was genau wird denn im Bereich der<br />
Kernenergie <strong>in</strong> Deutschland erforscht?<br />
Im Bereich der nuklearen Entsorgung,<br />
des Strahlenschutzes und der Strahlenmediz<strong>in</strong><br />
müssen wir <strong>in</strong> Deutschland<br />
Zeitbild Wissen<br />
auch langfristig forschen. Dazu kommt<br />
die Behandlung von radioaktiven Abfällen,<br />
zum Beispiel die Umwandlung langlebiger<br />
Nuklide mittels sogenannter P+T-<br />
Verfahren. E<strong>in</strong> anderes Beispiel ist das <strong>in</strong><br />
Deutschland entwickelte Entscheidungshilfesystem<br />
RODOS, e<strong>in</strong>e Software, die<br />
die Ausbreitung von Radioaktivität und<br />
notwendige Katastrophenschutzmaßnahmen<br />
berechnet. Dieses System wurde<br />
auf die Situation <strong>in</strong> Fukushima, Japan,<br />
umgeschrieben und half den Behörden<br />
bei wichtigen Entscheidungen, etwa über<br />
Evakuierungen.<br />
Dieses System fand aber auch bei der<br />
Berechnung der Ausbreitung der Aschewolke<br />
bei Vulkanausbrüchen Anwendung.<br />
Ursprünglich <strong>in</strong> der Kerntechnik<br />
entwickelte Expertise wird auf diese Weise<br />
umorientiert und kann im Zuge der Energiewende<br />
neu e<strong>in</strong>gesetzt werden. Beispiele<br />
s<strong>in</strong>d die Flüssigmetalltechnologie für Solarthermie,<br />
Wasserstoff-Sicherheitstechnologie<br />
etwa für Brennstoffzellen und<br />
Wasserstofftanks <strong>in</strong> der Mobilität oder die<br />
Forschung für Hochtemperatur-Energiematerialien.<br />
Was antworten Sie denn jungen Leuten<br />
auf die Frage, ob sie jetzt überhaupt<br />
noch e<strong>in</strong> Fach studieren sollten,<br />
das mit Kernenergie zu tun hat?<br />
Wer sich gezielt für Kernphysik oder<br />
Radiochemie <strong>in</strong>teressiert, der sollte diese<br />
Fächer auch studieren, denn die Betätigungsfelder<br />
im In- und Ausland s<strong>in</strong>d groß<br />
und im späteren Berufsleben ke<strong>in</strong>eswegs<br />
auf Kernenergie beschränkt. Die Nachfrage<br />
nach Energietechnik-Fachleuten<br />
wird weiter anhalten, im Bereich Reaktortechnik<br />
wird sie <strong>in</strong> Deutschland jedoch<br />
über kurz oder lang verschw<strong>in</strong>den. Wer <strong>in</strong><br />
diesem Bereich arbeiten will, wird das im<br />
Ausland tun. Deshalb <strong>in</strong>teressieren sich<br />
auch besonders viele ausländische Studierende<br />
für diese Ausbildung bei uns, denn<br />
deutsche Universitäten s<strong>in</strong>d auf diesem<br />
Gebiet heute weltweit führend.<br />
Was die Jobchancen betrifft – nun,<br />
Ingenieure werden <strong>in</strong> allen Bereichen<br />
händer<strong>in</strong>gend gesucht! Wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Ingenieurnation,<br />
und das wird auch so<br />
bleiben. E<strong>in</strong>e gute, breit angelegte Ausbildung,<br />
sei es zum Beispiel <strong>in</strong> der Elektrotechnik,<br />
<strong>in</strong> der Verfahrenstechnik oder<br />
im Masch<strong>in</strong>enbau, ist die beste Grundlage.<br />
Damit kann man sich später auf<br />
Erneuerbare Energien, konventionelle<br />
Kraftwerkstechnik oder Kerntechnik spezialisieren<br />
– und die Tätigkeitsbereiche<br />
im Berufsleben auch wechseln. Das gehört<br />
heute selbstverständlich dazu, ebenso wie<br />
e<strong>in</strong>e Berufstätigkeit im Ausland.<br />
Ausgewählte Universitäten<br />
und Hochschulen<br />
• RWTH Aachen (Prof. Allele<strong>in</strong>)<br />
• Universität Stuttgart<br />
(Prof. Starfl<strong>in</strong>ger)<br />
• Technische Universität München<br />
(Prof. Macian)<br />
• Ruhruniversität Bochum<br />
(Prof. Koch)<br />
• Technische Universität Dresden<br />
(Prof. Hurtado)<br />
Ausgewählte Forschungse<strong>in</strong>richtungen<br />
• Karlsruher Institut für Technologie<br />
(KIT)<br />
• Helmholtz-Zentrum Dresden-<br />
Rossendorf (HZDR)<br />
• Forschungszentrum Jülich (FZJ)<br />
22
H<strong>in</strong>weise für den E<strong>in</strong>satz<br />
im Unterricht<br />
Das vorliegende Bildungsmaterial kann ab der 9. Klasse<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden, eignet sich jedoch hauptsächlich für<br />
den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> der Sekundarstufe II. Es besteht aus zwei<br />
Teilen – dem Magaz<strong>in</strong>teil und den Arbeitsblättern.<br />
Sowohl der Magaz<strong>in</strong>teil als auch die Arbeitsblätter können<br />
von Ihren Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern genutzt werden.<br />
Der Magaz<strong>in</strong>teil geht auf hochaktuelle Themen<br />
im Zusammenhang mit der Nutzung der Kernenergie<br />
e<strong>in</strong>: der Unfall von Fukushima und se<strong>in</strong>e<br />
Folgen, der Umbau der Stromversorgung, das<br />
Energiekonzept der Bundesregierung, die Nutzung<br />
der Kernenergie weltweit und <strong>in</strong> Deutschland, der<br />
Aufbau und die Sicherheit von Kernkraftwerken,<br />
radioaktive Abfälle und ihre Endlagerung sowie<br />
der Rückbau von Kernkraftwerken. Der Magaz<strong>in</strong>teil<br />
ist <strong>in</strong>formativ gehalten und orientiert sich bei<br />
der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den verschiedenen<br />
Themen neben technischen auch an gesellschaftswissenschaftlichen<br />
Fragestellungen.<br />
Der Großteil der Arbeitsblätter greift die Themen<br />
aus e<strong>in</strong>er naturwissenschaftlich-technischen<br />
Perspektive auf. Beispiele s<strong>in</strong>d hier physikalische<br />
Grundlagen (Kernspaltung, Strahlung etc.) oder der<br />
Bau und die Funktionsweise von Kernkraftwerken.<br />
Arbeitsblätter zur Geschichte und zu Fragen der<br />
Endlagerung sollen zu e<strong>in</strong>er offenen Diskussion<br />
anregen. Grundsätzlich unterstützen die Arbeitsblätter<br />
die selbstständige Ause<strong>in</strong>andersetzung mit<br />
den Themen und können zur Lernkontrolle sowie<br />
für die Unterrichtsvorbereitung e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
Konzepte für den Unterricht<br />
Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler können sich im<br />
Rahmen arbeitsteiliger Gruppenarbeit mit je e<strong>in</strong>em<br />
Thema ause<strong>in</strong>andersetzen. Dazu erhält jede<br />
Arbeitsgruppe e<strong>in</strong> Arbeitsblatt mit dem jeweiligen<br />
Thema und arbeitet die Fragestellungen anhand<br />
der Informationen des Magaz<strong>in</strong>teils und der<br />
Arbeitsblätter selbstständig auf. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />
können Informationen <strong>in</strong> Schulbüchern, im Internet<br />
(siehe L<strong>in</strong>kh<strong>in</strong>weise) oder <strong>in</strong> der Zeitung<br />
recherchiert werden. Dies kann auch <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er<br />
Wochenhausaufgabe oder e<strong>in</strong>er Hausarbeit<br />
geschehen. Nach der Bearbeitung der Aufgaben<br />
präsentiert die Gruppe ihr Thema und die Ergebnisse<br />
der ganzen Klasse. Die moderierende Lehrkraft<br />
führt die Klasse am Ende aller Präsentationen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e offene Diskussion, <strong>in</strong> der die erarbeiteten<br />
Inhalte besprochen und ausgetauscht werden.<br />
Lehrplananb<strong>in</strong>dung<br />
Das Thema Kernenergie <strong>in</strong> der Energieversorgung<br />
ist e<strong>in</strong> guter Ausgangspunkt für den Projektunterricht<br />
bzw. für e<strong>in</strong>en fächerübergreifenden<br />
Unterricht. Naturwissenschaftliche und technische<br />
Fragestellungen können <strong>in</strong> den Fächern Physik,<br />
Technik, Chemie und Biologie angesprochen<br />
werden. Politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche<br />
und ethische Aspekte des Themas Kernenergienutzung<br />
bieten Anknüpfungspunkte für die<br />
Fächer Politik, Wirtschaft, Geme<strong>in</strong>schaftskunde,<br />
Geografie, Ethik und Religion.<br />
23 Zeitbild Wissen
Arbeitsblatt 1:<br />
Kernspaltung von Uran<br />
Für die Nutzung der Kernenergie ist das Uranisotop Uran-235 entscheidend. Da es im natürlichen<br />
Uran nur mit e<strong>in</strong>em Anteil von 0,7 Prozent enthalten ist –, der Hauptanteil ist mit 99,3 Prozent<br />
das Uran-238 – muss das Isotop Uran-235 deshalb vor dem E<strong>in</strong>satz als Brennstoff auf ca. 3 bis 4<br />
Prozent angereichert werden. Die besondere Bedeutung von U-235 besteht dar<strong>in</strong>, dass es sich unter<br />
Energiefreisetzung <strong>in</strong> zwei leichtere Atomkerne (Spaltprodukte) teilt, sobald ihm e<strong>in</strong> Neutron h<strong>in</strong>zugefügt<br />
wird. Außer den beiden Spaltprodukten entstehen noch zwei bis drei Neutronen, die dazu<br />
genutzt werden können, andere U-235-Kerne zu spalten und damit weitere Energie und Neutronen<br />
freizusetzen. Man spricht dann von e<strong>in</strong>er Kettenreaktion. Sie ist entscheidend für die Aufrechterhaltung<br />
des Spaltungsprozesses und damit für die Nutzung der Kernenergie.<br />
Möglich ist die Kettenreaktion nur, wenn die bei<br />
der Kernspaltung mit relativ hoher Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />
freigesetzten Neutronen so langsam geworden<br />
s<strong>in</strong>d, dass sie jeweils <strong>in</strong> die Urankerne e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen<br />
können. Zu diesem Zweck werden sie von e<strong>in</strong>em<br />
Moderator verlangsamt – <strong>in</strong> den deutschen Kernkraftwerken<br />
ist dies Wasser. Damit die Kettenreaktion<br />
nicht unkontrolliert abläuft, werden überzählige<br />
Neutronen mithilfe von Steuerstäben aus<br />
Cadmium- oder Borverb<strong>in</strong>dungen, die Neutronen<br />
absorbieren, e<strong>in</strong>gefangen.<br />
Energie wird deshalb gewonnen, weil bei der<br />
Kernspaltung Masse <strong>in</strong> Energie umgewandelt wird.<br />
Bei der Spaltung von 1 kg U-235 ist die Energieausbeute<br />
etwa 2,5 Millionen Mal höher als bei der Verbrennung<br />
von 1 kg Ste<strong>in</strong>kohle.<br />
Aufgaben<br />
1. Welche berühmte Formel aus der Physik beschreibt die Grundlagen<br />
der Umwandlung von Masse <strong>in</strong> Energie?<br />
2. Nennen Sie e<strong>in</strong>ige Isotope des Urans und beschreiben Sie ihre<br />
geme<strong>in</strong>samen und unterschiedlichen Eigenschaften.<br />
3. Erläutern Sie <strong>in</strong> Ihren eigenen Worten nachstehende Formel.<br />
Zeitbild Wissen<br />
24
Arbeitsblatt 2:<br />
Alpha- und Betastrahlung<br />
Alpha-Strahlung<br />
Beim Alphazerfall stößt e<strong>in</strong> großer Atomkern<br />
wie z. B. Radium-226 e<strong>in</strong>en Heliumkern aus,<br />
bestehend aus zwei positiv geladenen Protonen<br />
und zwei neutralen Neutronen, und es entsteht<br />
Radon-222. Die Strahlung besitzt <strong>in</strong> Luft nur e<strong>in</strong>e<br />
ger<strong>in</strong>ge Reichweite von wenigen Zentimetern und<br />
lässt sich durch e<strong>in</strong> Blatt Papier oder e<strong>in</strong>e dünne<br />
Alufolie abschirmen. Durch den Alphazerfall<br />
entsteht e<strong>in</strong> Atom mit völlig neuen physikalischen<br />
und chemischen Eigenschaften. Nuklide, die solche<br />
Teilchen aussenden, nennt man Alphastrahler.<br />
Typische <strong>in</strong> der Natur vorkommende Alphastrahler<br />
s<strong>in</strong>d Uran und Thorium sowie e<strong>in</strong>ige ihrer<br />
Zerfallsprodukte.<br />
Betastrahlung<br />
Beim Betazerfall werden negativ geladene<br />
Elektronen aus e<strong>in</strong>em Atomkern geschleudert.<br />
Diese Elektronen s<strong>in</strong>d die Betastrahlung, sie<br />
stammen aus dem Atomkern, wo sich e<strong>in</strong> Neutron<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Proton und e<strong>in</strong> Elektron umwandelt.<br />
Das Proton bleibt im Kern, das Elektron wird<br />
weggeschleudert. Die Reichweite von Betastrahlung<br />
kann <strong>in</strong> Luft e<strong>in</strong>ige Meter betragen, abschirmen<br />
lässt sie sich durch Alum<strong>in</strong>iumplatten von e<strong>in</strong>igen<br />
Millimetern Dicke. Den hier beschriebenen<br />
Vorgang nennt man Beta-M<strong>in</strong>us-Zerfall. Typische<br />
Betastrahler s<strong>in</strong>d Cobalt-60, Strontium-90 oder<br />
Cäsium-137.<br />
Es gibt auch e<strong>in</strong>en Beta-Plus-Zerfall. Dabei<br />
werden „Elektronen“ mit positiver elektrischer<br />
Ladung, sogenannte Positronen, aus dem Kern<br />
emittiert. Die Strahlung wird deshalb Beta + - oder<br />
Positronenstrahlung genannt.<br />
Aufgaben<br />
1. Woraus bestehen Alphateilchen?<br />
2. Wie entsteht das Elektron beim Betazerfall?<br />
25 Zeitbild Wissen
Arbeitsblatt 3:<br />
Gamma- und<br />
Neutronenstrahlung<br />
Gammastrahlung<br />
Gammastrahlung ist e<strong>in</strong>e elektromagnetische Strahlung, wie<br />
auch Radiowellen, Mikrowellen oder das sichtbare Licht. Sie ist<br />
jedoch wesentlich energiereicher. Gammastrahlung tritt oft auf,<br />
wenn beim Alpha- oder Betazerfall überschüssige Energie <strong>in</strong><br />
Form von Strahlung abgegeben werden muss. Sie ist praktisch mit<br />
Röntgenstrahlung identisch, entsteht aber im Kern und nicht wie<br />
die Röntgenstrahlung <strong>in</strong> der Atomhülle. Gammastrahlung wird<br />
mit für den jeweiligen Atomkern charakteristischen Energien<br />
abgegeben. Der Atomkern ist nach e<strong>in</strong>em Alpha- oder Betazerfall<br />
meist noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em angeregten Zustand. Diese Energie wird<br />
dann <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es oder mehrerer Gammaquanten abgegeben.<br />
Dadurch ändert sich zwar der Energiezustand des Kerns, nicht<br />
jedoch dessen Massenzahl oder Kernladungszahl. Beispielsweise<br />
kann der nach dem Betazerfall noch angeregte (metastabile - m)<br />
Kern des Barium-137m e<strong>in</strong> Gammaquant abgeben und dadurch<br />
e<strong>in</strong> niedrigeres Energieniveau erreichen. Gammastrahlung<br />
ist sehr durchdr<strong>in</strong>gend, um sie abzuschirmen, braucht es<br />
dicke Bleischilde von m<strong>in</strong>destens 20 cm oder Betonwände von<br />
m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>em Meter Dicke.<br />
Neutronenstrahlung<br />
4<br />
2 He<br />
+<br />
3<br />
4 Be<br />
12<br />
6 C<br />
13<br />
6 C<br />
Die Neutronenstrahlung spielt bei<br />
der Nutzung der Kernenergie e<strong>in</strong>e<br />
entscheidende Rolle. Um die Kettenreaktion<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Atomreaktor zu starten, braucht<br />
man freie Neutronen. Diese strahlt zum<br />
Beispiel Beryllium ab, wenn man es mit<br />
Alphateilchen (Heliumkernen) beschießt.<br />
Dr<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> Alphateilchen <strong>in</strong> den Beryllium-<br />
Kern e<strong>in</strong>, so entsteht e<strong>in</strong> <strong>in</strong>stabiles<br />
Kohlenstoff-Isotop mit 13 Kernbauste<strong>in</strong>en<br />
(6 Protonen und 7 Neutronen). E<strong>in</strong>en<br />
stabilen Zustand erreicht der Kern dadurch<br />
wieder, dass er e<strong>in</strong> Neutron abstößt. Am<br />
Ende steht Kohlenstoff-12.<br />
n<br />
1<br />
0<br />
Aufgabe<br />
1. Erläutern Sie <strong>in</strong> Ihren eigenen Worten<br />
die Entstehung der Gammastrahlung.<br />
Zeitbild Wissen<br />
26
Arbeitsblatt 4:<br />
Energiedosis, Organdosis<br />
und effektive Dosis<br />
In den Tagen nach der Reaktorkatastrophe <strong>in</strong> Japan war<br />
<strong>in</strong> den Nachrichten immer wieder von Millisievert (mSv)<br />
zu hören und zu lesen. Was hat es damit auf sich?<br />
Sievert<br />
Strahlung radioaktiver Stoffe ionisiert beim<br />
E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> den Körper Atome und Moleküle.<br />
Dabei gibt sie Energie ab. Die Energieabgabe je<br />
Massene<strong>in</strong>heit nennt man Energiedosis der Strahlung.<br />
Sie wird <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>heit 1 Joule/kg gemessen.<br />
Je mehr Energie die Strahlung an den Körper abgibt,<br />
desto größer kann die Wirkung se<strong>in</strong>. Zudem<br />
wurde festgestellt, dass die biologischen Wirkungen<br />
ionisierender Strahlung nicht nur von der<br />
Höhe der Energiedosis, sondern auch von der Art<br />
der Strahlung abhängen. Um das zu berücksichtigen,<br />
wurde die Organdosis e<strong>in</strong>geführt. Sie ist<br />
gleich der Energiedosis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Organ multipliziert<br />
mit e<strong>in</strong>em von der jeweiligen Strahlungsart<br />
abhängigen Faktor. Bei Beta-, Gamma- und Röntgenstrahlung<br />
ist der Faktor 1, bei Alphastrahlung<br />
20. Ihre E<strong>in</strong>heit ist ebenfalls 1 Joule/kg, sie wird<br />
mit dem speziellen E<strong>in</strong>heitennamen Sievert (Sv*)<br />
bezeichnet.<br />
Da 1 Sievert e<strong>in</strong>e sehr große Strahlendosis ist,<br />
werden die Werte üblicherweise <strong>in</strong> tausendstel<br />
Sievert (Millisievert, 1 mSv = 0,001 Sv) oder <strong>in</strong> millionstel<br />
Sievert (Mikrosievert, 1 μSv = 0,001 mSv =<br />
0,000001 Sv) angegeben.<br />
Strahlenexposition im Vergleich:<br />
• 7.000 mSv:<br />
Tödliche Dosis bei kurzzeitiger<br />
Ganzkörperbestrahlung<br />
• 1.000 mSv:<br />
Vorübergehende Strahlenkrankheit bei<br />
kurzzeitiger Ganzkörperbestrahlung.<br />
• 20 mSv:<br />
Jahres-Grenzwert für beruflich<br />
strahlenexponierte Personen.<br />
• 6-10 mSv:<br />
Computertomographie des Brustkorbs.<br />
• 4 mSv:<br />
Mittlere jährliche effektive Dosis durch<br />
natürliche und künstliche Strahlenquellen<br />
<strong>in</strong> Deutschland<br />
• 0,1 mSv:<br />
H<strong>in</strong>- und Rückflug Frankfurt – New York;<br />
Röntgenaufnahme des Brustkorbs.<br />
Die effektive Dosis berücksichtigt dazu noch die<br />
unterschiedliche Empf<strong>in</strong>dlichkeit der Organe durch<br />
e<strong>in</strong>en organspezifischen Wichtungsfaktor. Ihre E<strong>in</strong>heit<br />
ist ebenfalls 1 Sv. Die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Zeitspanne<br />
erhaltene Strahlendosis, dividiert durch die<br />
Länge dieser Zeitspanne, bezeichnet man als Dosisleistung.<br />
Die Angabe erfolgt üblicherweise <strong>in</strong> Millisievert<br />
oder Mikrosievert pro Stunde (mSv/h oder<br />
μSv/h).<br />
Die maximale erlaubte effektive Dosis im Jahr<br />
für beruflich strahlenexponierte Personen beträgt<br />
20 mSv/a, über e<strong>in</strong> Berufsleben dürfen jedoch nicht<br />
mehr als 400 mSv zusammenkommen.<br />
Aufgaben<br />
1. Wieso ist der Umrechnungsfaktor zur Ermittlung der Organdosis<br />
aus der Energiedosis bei der Alphastrahlung so viel höher als<br />
bei den anderen Strahlungsarten?<br />
* Rolf Sievert (1896-1966), schwedischer Physiker<br />
2. Wie hoch ist die empfangene Jahresdosis durch die natürliche<br />
kosmische Strahlung, wenn deren Dosisleistung auf Meereshöhe<br />
im Mittel 0,035 μSv/h beträgt?<br />
30 mSv/a 3 mSv/a 0,3 mSv/a<br />
27 Zeitbild Wissen
Arbeitsblatt 5:<br />
Strahlenexposition<br />
<strong>in</strong> Deutschland<br />
Natürliche Strahlenexposition<br />
Überall <strong>in</strong> unserer Umgebung ist ionisierende Strahlung als Teil der natürlichen Umwelt<br />
vorhanden. Man unterscheidet vier Komponenten der natürlichen Strahlenexposition:<br />
1. Die Strahlung des natürlich vorkommenden Edelgases Radon. Ihre Intensität hängt <strong>in</strong> Räumen<br />
vom Baumaterial, außerhalb von der Beschaffenheit des Geste<strong>in</strong>s im Untergrund ab.<br />
2. Radioaktive Nuklide im Boden bewirken die terrestrische Strahlung. Ihre Intensität ist<br />
von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. Besonders stark strahlen z. B. Urangeste<strong>in</strong> und Granit.<br />
3. Die körper<strong>in</strong>nere Strahlung kommt aus radioaktiven Nukliden (z. B. Kalium-40), die über<br />
die Nahrung <strong>in</strong> den menschlichen Körper gelangen und dort zerfallen. 4. E<strong>in</strong> Teil der sehr<br />
energiereichen kosmischen Strahlung aus dem Weltraum durchdr<strong>in</strong>gt die Atmosphäre. Diese<br />
Strahlung nimmt mit der Höhe zu und ist deshalb bei Bergtouren oder im Flugzeug verstärkt<br />
wirksam. In Deutschland ist die effektive Dosis durch die natürliche Strahlenexposition regional<br />
unterschiedlich und schwankt zwischen 1 mSv/a und 6 mSv/a. Im Mittel beträgt sie 2,1 mSv/a.<br />
Mittlere jährliche effektive Dosis e<strong>in</strong>es<br />
Menschen <strong>in</strong> Deutschland: ≈ 4,0 mSv<br />
Strahlenbelastung des<br />
Menschen <strong>in</strong> Deutschland<br />
Mediz<strong>in</strong><br />
48 %<br />
Radon<br />
28 %<br />
Nahrung<br />
7 %<br />
Bodenstrahlung<br />
10 %<br />
Kosmische Strahlung<br />
7 %<br />
Sonstiges<br />
< 1 %<br />
Zivilisatorische Strahlenexposition<br />
Auch Strahlenquellen, die der Mensch<br />
selbst geschaffen hat, tragen zur jährlichen<br />
Gesamtbelastung bei. Die effektive Dosis dadurch<br />
beträgt im Mittel 1,8 mSv pro Jahr. Vor allem<br />
die Belastung aus der Mediz<strong>in</strong>diagnostik –<br />
Röntgenaufnahmen und Computertomografien<br />
– spielen hierbei e<strong>in</strong>e Rolle. Dazu kommen<br />
die „Überreste“ der oberirdischen Atombombenexplosionen<br />
von 1945 bis 1980 (< 0,01 mSv<br />
pro Jahr) und vom Reaktorunfall <strong>in</strong> Tschernobyl<br />
(ca. 0,01 mSv pro Jahr) sowie durch kerntechnische<br />
Anlagen <strong>in</strong> Deutschland (< 0,01 mSv pro Jahr) und<br />
Forschung und Technik (0,01 mSv pro Jahr).<br />
Mittlere Werte:<br />
1,8 mSv - Mediz<strong>in</strong><br />
1,1 mSv - Radon<br />
0,3 mSv - Nahrung<br />
0,4 mSv - Bodenstrahlung<br />
0,3 mSv - Kosmische Strahlung<br />
0,04 mSv - Sonstiges:<br />
Atombomben, Tschernobyl, kerntechnische<br />
Anlagen, Forschung und Technik<br />
Aufgaben<br />
1. Berechnen Sie die gesamte bisher erworbene<br />
Strahlenexposition e<strong>in</strong>es 70-jährigen<br />
Menschen <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Quellen: Bericht der Bundesregierung<br />
„Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung“<br />
(Parlamentsbericht 2010); BfS<br />
2. Recherchieren Sie im Internet anhand von<br />
Karten zur externen Strahlenexposition <strong>in</strong><br />
Deutschland die Werte für Ihre Region.<br />
Was fällt Ihnen an der Karte auf?<br />
Tipp: Suchen Sie u. a. beim Bundesamt<br />
für Strahlenschutz.<br />
Zeitbild Wissen<br />
28
Arbeitsblatt 6:<br />
Strahlung und Mensch<br />
Die effektive Strahlendosis ermöglicht e<strong>in</strong>e<br />
Bewertung des schädlichen E<strong>in</strong>flusses von ionisierender<br />
Strahlung auf den menschlichen Körper.<br />
Neben der Art der Strahlung ist auch wichtig, wie<br />
man mit der Strahlung <strong>in</strong> Berührung gekommen<br />
ist. Strahlenschützer bezeichnen dies als Expositionspfad.<br />
Bei der externen Exposition wirkt ionisierende<br />
Strahlung von außen auf den Körper e<strong>in</strong>.<br />
Die Inkorporation, also die Aufnahme radioaktiver<br />
Stoffe <strong>in</strong> den Körper, führt dagegen zur <strong>in</strong>ternen<br />
Exposition des Organismus. Man unterscheidet bei<br />
der Inkorporation radioaktiver Stoffe zwischen der<br />
Aufnahme über die Atemwege (Inhalation), über<br />
die Nahrung (Ingestion) und über die Haut (perkutane<br />
Aufnahme).<br />
Ab wann kann Strahlung<br />
gefährlich werden?<br />
Viehtränke<br />
Gase · Staub · Aerosole<br />
Ablagerung<br />
auf Weiden<br />
Tr<strong>in</strong>kwasser<br />
nasse und trockene Ablagerung<br />
Bewässerung<br />
Ablagerungen<br />
auf dem Boden<br />
Fleisch und<br />
Fleischprodukte<br />
Ablagerungen auf und<br />
<strong>in</strong> Nahrungspflanzen<br />
äußere Bestrahlung<br />
Frischmilch<br />
Milchprodukte<br />
äußere<br />
Bestrahlung aus<br />
dem Wasser<br />
Inhalation<br />
und äußere<br />
Bestrahlung<br />
aus der Luft<br />
Abb. 7.02<br />
Typische Anreicherungsfaktoren von<br />
Sr-90 im Nahrungssystem e<strong>in</strong>es Süßwassersees<br />
Nahrungsaufnahme<br />
aus<br />
dem Wasser<br />
• Externe Exposition<br />
Wolkenstrahlung<br />
Bodenstrahlung<br />
• Interne Exposition<br />
Inhalation<br />
Ingestion<br />
50<br />
bestimmten Wert hält.<br />
Die Gefahren ionisierender Strahlung hängen<br />
Grundwasser<br />
von der Art, Intensität und Dauer der Bestrahlung<br />
sowie dem Expositionspfad ab. Alphastrahlung hat<br />
e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Reichweite, daher ist sie außerhalb<br />
Abb. 7.01<br />
des Körpers weitgehend ungefährlich. Expositionspfade für Innerhalb<br />
radioaktive Stoffe<br />
des Körpers kann sie jedoch das Gewebe schädigen.<br />
Betastrahlen haben dagegen <strong>in</strong> Luft e<strong>in</strong>e Reichweite<br />
von bis zu e<strong>in</strong>igen Metern. Gamma- und Neutronenstrahlung<br />
haben e<strong>in</strong>e höhere E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gtiefe<br />
7.3 Anreicherung von Radionukliden <strong>in</strong> Nahrungsketten<br />
und können auch durch äußere Expositionen zu Symptome der Strahlenkrankheit<br />
Schädigungen führen. Bei den meisten radioaktiven<br />
Zerfallsprozessen tritt e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation aus Ab e<strong>in</strong>er Dosis von 1 Sievert treten beim Men-<br />
In den Gliedern der Nahrungsketten können sich<br />
Radionuklide anreichern. Dies ist darauf zurückzuführen,<br />
dass e<strong>in</strong> Organismus nicht für alle Elementschen<br />
e<strong>in</strong>en erste Regelmechanismus Symptome der besitzt, Strahlenkrankheit um be-<br />
wie<br />
verschiedenen Strahlungsarten auf. Man unterscheidet<br />
weiterh<strong>in</strong> zwischen akuten Strahlenschäden<br />
und durch Strahlung bed<strong>in</strong>gten Spätschäden werten können beim Menschen Strahlenschäden<br />
stimmte Übelkeit Konzentrationen und Erbrechen e<strong>in</strong>zuhalten. auf. Bei höheren Dosis-<br />
Beim Menschen gehören z. B. die Elemente E<strong>in</strong>heiten angegeben.<br />
wie beispielsweise der Schädigung des Erbgutes. auftreten, die sich u. a. <strong>in</strong> verbrennungsähnlichen<br />
Kalium und Calcium zu den sogenannten geregelten<br />
Hautschäden, Elementen. Es bedeutet, Haarausfall dass e<strong>in</strong> und gesunder Blutarmut äußern.<br />
Nerz<br />
(Knochen)<br />
Organismus E<strong>in</strong>e akute bei Ganzkörperexposition ausreichendem Nahrungsan-vogebot führt se<strong>in</strong>e bei Konzentration etwa 50 Prozent im Körper der auf Betroffenen e<strong>in</strong>em 5 Sievert<br />
820<br />
Expositionspfade:<br />
<strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>es Monats zum Tode. Ab e<strong>in</strong>er kurzzeitigen<br />
Strahlenexposition von 20 Sievert treten Schäden<br />
am zentralen Nervensystem auf, die meist<br />
Im Standardmenschen s<strong>in</strong>d es für Calcium 1.100 g<br />
und für Kalium 140 g. Bei erhöhter Zufuhr dieser<br />
Elemente <strong>in</strong>nerhalb wird weniger der nicht benötigte Tage tödlich Anteil mit wirken. den<br />
Ausscheidungsprodukten vermehrt wieder abgegeben.<br />
Quelle: Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH<br />
Die Elemente Strontium und Cäsium zählen beim<br />
Menschen zu den nicht geregelten Elementen.<br />
Je größer das Angebot dieser Elemente <strong>in</strong> der<br />
Nahrung ist, desto mehr wird auch resorbiert<br />
und verbleibt e<strong>in</strong>e mehr oder m<strong>in</strong>der lange Zeit<br />
im Aufgabe Körper. Von e<strong>in</strong>em bestimmten Sättigungswert<br />
an bildet sich e<strong>in</strong> Gleichgewichtszustand<br />
zwischen Aufnahme und Ausscheidung.<br />
E<strong>in</strong>en Anreicherungsvorgang im Nahrungssy<br />
tem e<strong>in</strong>es Süßwassersees zeigt Abb. 7.02. D<br />
An reicherungsfaktoren geben das Verhältnis de<br />
Strontium-90-Konzentration im Organismus z<br />
der im Wasser an. Die Anreicherungsfaktoren s<strong>in</strong><br />
auf das Frischgewicht bezogen und <strong>in</strong> relative<br />
Bisamratte<br />
(Knochen)<br />
3.500<br />
Muscheln<br />
(Fleisch)<br />
730<br />
Barsch<br />
(Knochen)<br />
3.000<br />
Elritze<br />
950<br />
Informieren Sie sich über Strahlenschäden und<br />
Maßnahmen zum Schutz vor Strahlenschäden<br />
auf der Webseite des Bundesamtes für Strahlenschutz:<br />
www.bfs.de/de/ion/wirkungen<br />
Wasserpflanzen<br />
280<br />
Süßwasser<br />
1<br />
Bodensediment<br />
180<br />
Bieber<br />
(Knochen)<br />
1.300<br />
Plankton<br />
180<br />
29 Zeitbild Wissen
Arbeitsblatt 7:<br />
Aufbau e<strong>in</strong>es<br />
Kernkraftwerks<br />
Kernkraftwerke s<strong>in</strong>d Wärmekraftwerke. Sie erzeugen Wärme<br />
durch e<strong>in</strong>e kontrollierte Kettenreaktion. Urankerne des Isotops<br />
U-235 werden mit langsamen Neutronen gespalten, dabei werden<br />
zwei bis drei schnelle Neutronen freigesetzt. Diese können nach<br />
ihrer Moderierung (Abbremsung) weitere Kerne von Uran-235<br />
spalten und lösen so e<strong>in</strong>e kontrollierte Kettenreaktion aus.<br />
In e<strong>in</strong>em Druckgefäß e<strong>in</strong>es Druckwasserreaktors,<br />
circa 12 m hoch, aus 25 cm dickem Stahl,<br />
stehen ca. 200 Brennelemente, zusammengesetzt<br />
aus e<strong>in</strong>zelnen Brennstäben. Sie enthalten als<br />
Brennstoff <strong>in</strong>sgesamt ungefähr 100 t Uran, das bis<br />
zu vier Prozent mit dem spaltbaren Isotop U-235<br />
angereichert ist. Zwischen den Brennstäben bef<strong>in</strong>det<br />
sich Wasser. Das Wasser bremst die bei den<br />
Kernspaltungen entstehenden schnellen Neutronen<br />
ab; denn hauptsächlich langsame Neutronen<br />
können weitere Kernspaltungen <strong>in</strong> U-235-Kernen<br />
hervorrufen. Die Abbremsung der Neutronen ist<br />
wichtig, denn das zu 96 Prozent <strong>in</strong> den Brennstäben<br />
vorhandene, nicht spaltbare U-238 absorbiert<br />
besonders die schnellen Neutronen durch Neutronene<strong>in</strong>fang.<br />
Zwischen den Brennstäben bef<strong>in</strong>den sich Regelstäbe.<br />
Sie enthalten Bor oder Cadmium. Die<br />
Kerne beider Elemente können langsame Neutronen<br />
e<strong>in</strong>fangen und sie so dem Spaltungsprozess<br />
entziehen. Man regelt die Kettenreaktion, <strong>in</strong>dem<br />
man die Regelstäbe mehr oder weniger weit <strong>in</strong> den<br />
Reaktorkern e<strong>in</strong>fährt. Ist der Reaktor abgeschaltet,<br />
so bef<strong>in</strong>den sich die Regelstäbe vollständig im<br />
Kern. Zieht man sie langsam heraus, so nimmt die<br />
Zahl der Spaltungen pro Sekunde zu. Die Leistung<br />
des Reaktors lässt sich auf diese Weise regeln. Das<br />
Wasser dient außerdem im abgeschalteten Zustand<br />
als Kühlmittel. Bei Normalbetrieb zirkuliert es im<br />
Primärkreislauf und besorgt den Energietransport.<br />
Aufgaben<br />
1. Welche Funktion haben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Reaktor die<br />
Brennstäbe? Wozu benötigt man die Regelstäbe?<br />
2. Wasser spielt e<strong>in</strong>e zentrale Rolle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kernkraftwerk.<br />
Beschreiben Sie se<strong>in</strong>e Funktion im Kernreaktor.<br />
3. Welche Geme<strong>in</strong>samkeiten haben Kohle- und<br />
Kernkraftwerke?<br />
Im Druckwasserreaktor erreicht das Wasser e<strong>in</strong>e<br />
Temperatur von ca. 300 Grad Celsius. Trotzdem<br />
siedet es nicht, da es unter e<strong>in</strong>em Druck von 150<br />
bar steht. In e<strong>in</strong>em Wärmetauscher gibt das heiße<br />
Wasser se<strong>in</strong>e Energie an den Sekundärkreislauf<br />
ab, ohne dass e<strong>in</strong> Stoffaustausch stattf<strong>in</strong>det. Im Sekundärkreislauf<br />
entsteht so heißer, unter hohem<br />
Druck stehender Dampf. Er führt die Energie zu<br />
e<strong>in</strong>er Dampfturb<strong>in</strong>e, die e<strong>in</strong>en Generator antreibt.<br />
Im Kondensator kondensiert der Dampf mithilfe<br />
von Kühlwasser. Das Wasser wird wieder <strong>in</strong> den<br />
Wärmetauscher zurückgepumpt.<br />
Zeitbild Wissen<br />
30
Arbeitsblatt 8:<br />
Aufbau e<strong>in</strong>es Kernkraftwerks<br />
mit Druckwasserreaktor<br />
9<br />
10<br />
15<br />
Durch die Wärme, die der Primärkreislauf <strong>in</strong><br />
die Dampferzeuger e<strong>in</strong>speist, wird das Wasser<br />
des Sekundärkreislaufs verdampft. Dieser Damp<br />
treibt die Turb<strong>in</strong>e und den Generator an.<br />
In den Kondensatoren nach den Nie der -<br />
druckturb<strong>in</strong>en wird der Dampf kondensiert.<br />
Das Kondensat wird mit Kondensatpumpen<br />
über Niederdruck-Vorwärmanlagen <strong>in</strong> den Spei -<br />
sewasserbehälter geführt. Die Speise wasser -<br />
pumpen fördern das Wasser von dort über<br />
Hoch druck-Vorwärmanlagen <strong>in</strong> die Dampf -<br />
erzeuger zurück.<br />
14<br />
Aufgabe<br />
E<strong>in</strong> Druckwasserreaktor ist durch getrennte Wasserkreisläufe<br />
gekennzeichnet (Primär- und Sekundärkreislauf<br />
sowie Kühlkreislauf). Markieren Sie die Kreisläufe und<br />
erläutern Sie ihre Funktionsweise!<br />
1 Reaktordruckbehälter<br />
2 Hauptkühlmittelpumpe<br />
3 Dampferzeuger<br />
4 Sicherheitsbehälter<br />
5 Brennelementlagerbecken<br />
6 Turb<strong>in</strong>en-Hochdruckteil<br />
7 Wasserabscheider und<br />
Zwischenüberhitzer<br />
8 Turb<strong>in</strong>en-Niederdruckteil<br />
9 Generator<br />
10 Transformator<br />
11 Kondensator<br />
12 Vorwärmanlage<br />
13 Speisewasserpumpe<br />
14 Hauptkühlwasserpumpe<br />
15 Kühlturm<br />
31 Zeitbild Wissen
Arbeitsblatt 9:<br />
Die kontrollierte Kernspaltung<br />
im Kernkraftwerk<br />
Wasser spielt e<strong>in</strong>e zentrale Rolle bei der kontrollierten Kernspaltung<br />
im Reaktor. Bei der Kernspaltung von Uran-235<br />
werden Neutronen freigesetzt. Diese Neutronen haben aber<br />
e<strong>in</strong>e sehr hohe Geschw<strong>in</strong>digkeit und würden an weiteren<br />
Atomkernen e<strong>in</strong>fach abprallen. Um weitere Kerne spalten zu<br />
können, müssen die Neutronen durch e<strong>in</strong>en sogenannten<br />
Moderator – <strong>in</strong> deutschen Reaktoren ist dies Wasser, <strong>in</strong><br />
anderen Kraftwerkstypen auch Graphit – stark abgebremst<br />
und auf Spaltgeschw<strong>in</strong>digkeit verlangsamt werden.<br />
Wasser bremst die schnellen Neutronen – der Moderator<br />
Die Funktion der Steuerstäbe<br />
Funktion der Steuerstäbe:<br />
Die Regelung der Aktivität der Kettenreaktion<br />
erfolgt durch Regelstäbe (auch als Steuerstäbe<br />
bezeichnet) aus Borcarbid (B4C) oder Cadmium.<br />
Die Steuerstäbe haben die Aufgabe, die für weitere<br />
Spaltungen zur Verfügung stehenden Neutronen<br />
e<strong>in</strong>zufangen. Die Kerne von Bor oder Cadmium<br />
können langsame Neutronen e<strong>in</strong>fangen und sie so<br />
dem Spaltungsprozess entziehen. Man regelt die<br />
Kettenreaktion, <strong>in</strong>dem man die Regelstäbe mehr<br />
oder weniger weit <strong>in</strong> den Reaktorkern e<strong>in</strong>fährt.<br />
Ist der Reaktor abgeschaltet, bef<strong>in</strong>den sich die<br />
Regelstäbe vollständig im Kern. Zieht man sie<br />
langsam heraus, so nimmt die Zahl der Spaltungen<br />
pro Sekunde zu. Die Leistung des Reaktors lässt<br />
sich auf diese Weise regeln.<br />
Aufgabe<br />
Erklären Sie, was man unter e<strong>in</strong>er kontrollierten Kettenreaktion versteht.<br />
Zeitbild Wissen<br />
32
Arbeitsblatt 10:<br />
M<strong>in</strong>dmap Endlagerung<br />
Sicherheit<br />
Abfallarten<br />
oberirdisch<br />
Endlagerprojekte<br />
ENDLAGERUNG<br />
Art des Standorts<br />
Asse<br />
dezentral<br />
Rückholbarkeit<br />
Bevölkerung<br />
Geologie<br />
Klüfte u. Risse<br />
Geste<strong>in</strong>e<br />
geol. Umfeld<br />
Salz<br />
Verwerfung<br />
Stabilität, unterirdisch, Gorleben, Arbeitsplätze, Morsleben, Ton, Granit, zentral, technische<br />
Maßnahmen, Proteste, organisatorische Maßnahmen, Grundwasser, Schacht Konrad,<br />
Erdbeben, unterirdirsch, hochradioaktive Gorleben, Arbeitsplätze, Abfälle, Morsleben, schwach- Ton, und Granit, mittelradioaktive zentral, technische Abfälle Maßnahmen, Proteste,<br />
organisatorische Maßnahmen, Grundwasser, Schacht Konrad, hochradioaktive Abfälle, schwach- und mittelradioaktive Abfälle<br />
Aufgaben<br />
1. Recherchieren Sie mithilfe des Internets<br />
Informationen rund um das Thema Endlagerung.<br />
www.bfs.de/de/endlager<br />
www.endlagerung.de<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Endlager_(Kerntechnik)<br />
http://endlagerung.oeko.<strong>in</strong>fo/<br />
2. Vervollständigen Sie die vorliegende M<strong>in</strong>dmap und<br />
setzen Sie die Begriffe an die richtige Stelle.<br />
3. Führen Sie <strong>in</strong> der Klasse e<strong>in</strong>e offene Diskussion zu den Fragestellungen<br />
rund um das Thema Endlagerung von radioaktiven Abfällen durch.<br />
33 Zeitbild Wissen
Arbeitsblatt 11:<br />
Geschichte der Kernenergie<br />
1896:<br />
Anto<strong>in</strong>e Henri Becquerel entdeckt die Radioaktivität.<br />
1942:<br />
Enrico Fermi baut <strong>in</strong> Chicago den ersten Kernreaktor.<br />
Am 2. Dezember 1942 gel<strong>in</strong>gt zum ersten Mal e<strong>in</strong>e<br />
sich selbst erhaltende kontrollierte Kettenreaktion.<br />
1955:<br />
Start der kerntechnischen Forschung <strong>in</strong> der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Das Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />
für Atomfragen wird gegründet. Der erste deutsche<br />
„Atomm<strong>in</strong>ister“ Franz Josef Strauß hält die friedliche<br />
Nutzung der Atom-Energie für so bedeutend „wie die<br />
Erf<strong>in</strong>dung des Feuers“.<br />
1957:<br />
In Deutschland geht der erste Forschungsreaktor<br />
(„Atomei“) <strong>in</strong> München-Garch<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Betrieb.<br />
1959:<br />
Der Bundestag verabschiedet das Atomgesetz. Ziel: „…<br />
die Erforschung, die Entwicklung und die Nutzung der<br />
Kernenergie zu friedlichen Zwecken zu fördern ...“.<br />
1961:<br />
Das Versuchsatomkraftwerk <strong>in</strong> Kahl am Ma<strong>in</strong> erzeugt<br />
Strom aus Kernenergie. In den Jahren danach werden<br />
<strong>in</strong> beiden deutschen Staaten zahlreiche Kernkraftwerke<br />
errichtet.<br />
1970er-/1980er-Jahre:<br />
Die Anti-Atomkraft-Bewegung gegen Bau von Kernkraftwerken<br />
bekommt immer größeren Zulauf. Große<br />
Protestaktionen <strong>in</strong> Wyhl, Brokdorf, Grohnde, Gorleben,<br />
später <strong>in</strong> Wackersdorf (geplante Wiederaufarbeitungsanlage).<br />
1979<br />
Schwerer Unfall mit teilweiser Kernschmelze am 28.<br />
März 1979 im KKW Three Mile Island bei Harrisburg,<br />
USA. Es gel<strong>in</strong>gt den Reaktor zu stabilisieren.<br />
1986:<br />
Am 26. April ereignet sich im Kernkraftwerk Tschernobyl<br />
<strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e (damals Sowjetunion) der bisher<br />
schwerste Unfall <strong>in</strong> der Geschichte der Kernenergie.<br />
E<strong>in</strong>e radioaktive Wolke zieht über Europa. Große Unruhe<br />
und Ängste <strong>in</strong> der Bevölkerung vor e<strong>in</strong>er Gefahr<br />
durch Radioaktivität.<br />
1990:<br />
Wiedervere<strong>in</strong>igung Deutschlands. Die Reaktoren der<br />
ehemaligen DDR werden abgeschaltet, die Anlagen<br />
stillgelegt.<br />
2002:<br />
Änderung des Atomgesetzes mit dem Ziel, „die Nutzung<br />
der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung<br />
von Elektrizität geordnet zu beenden“. Die letzten Reaktoren<br />
würden ca. 2021 abgeschaltet werden.<br />
2010:<br />
Der Gesetzgeber verlängert die Laufzeiten der bestehenden<br />
Reaktoren im Rahmen des Energiekonzepts<br />
2050 um durchschnittlich 12 Jahre; die Laufzeit der<br />
letzten Reaktoren würde ca. 2040 enden.<br />
2011:<br />
Am 11. März beschädigt e<strong>in</strong> Seebeben und der darauf<br />
folgende Tsunami das japanische KKW Fukushima<br />
schwer. Die Folge ist e<strong>in</strong> katastrophaler Unfall der<br />
höchsten Kategorie mit Wasserstoffexplosionen und<br />
Kernschmelzen <strong>in</strong> drei Reaktorblöcken. Die Bundesregierung<br />
lässt kurz danach die acht ältesten deutschen<br />
Reaktoren abschalten. Alle verbleibenden Anlagen<br />
müssen nunmehr zeitlich gestaffelt bis 2022 vom<br />
Netz gehen.<br />
Aufgabe<br />
Recherchieren Sie <strong>in</strong> Ihrer Familie, ob und wie sich die<br />
E<strong>in</strong>stellung zur Nutzung der Kernkraft im Laufe der letzten<br />
40 Jahre verändert hat.<br />
Zeitbild Wissen<br />
34
Lösungsh<strong>in</strong>weise<br />
Arbeitsblatt 1<br />
Aufgabe 1: E = mc 2 , Albert E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>s berühmte Formel.<br />
(E= Energie, m= Masse, c= Lichtgeschw<strong>in</strong>digkeit)<br />
Aufgabe 2: Uran ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Natur vorkommendes<br />
radioaktives Schwermetall. Insgesamt existieren über<br />
25 Uranisotope. Natürlich vorkommende Uranisotope<br />
s<strong>in</strong>d Uran-238 (99,27 %-Anteil), Uran-235 (0,72 %-Anteil)<br />
und Uran-234 (0,0054 %-Anteil). Die übrigen Uranisotope<br />
werden künstlich erzeugt. Uranisotope unterscheiden<br />
sich durch ihre Halbwertszeit. Das Uranisotop<br />
Uran-235 wird im Rahmen der Kernspaltung e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Aufgabe 3: Der Kern von Uran-235 zerplatzt durch<br />
Aufnahme e<strong>in</strong>es langsamen Neutrons <strong>in</strong> zwei Bruchstücke<br />
und e<strong>in</strong>ige Neutronen. Als radioaktive Spaltprodukte<br />
entstehen e<strong>in</strong> Kryptonkern, e<strong>in</strong> Bariumkern und<br />
drei Neutronen. Es wird mehr Energie freigesetzt als das<br />
Neutron mitgebracht hat.<br />
Arbeitsblatt 2<br />
Aufgabe 1: E<strong>in</strong> Alphateilchen besteht aus zwei Neutronen<br />
und zwei Protonen – also e<strong>in</strong>em Heliumatomkern.<br />
Aufgabe 2: Im Kern des Cäsiums wandelt sich e<strong>in</strong><br />
Neutron <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Proton um und sendet dabei e<strong>in</strong> schnelles<br />
Elektron aus. Das Elektron führt Energie mit sich.<br />
Zurück bleibt e<strong>in</strong> Kern e<strong>in</strong>es anderen Elements (Barium),<br />
dessen Kernladungszahl um 1 größer ist.<br />
Arbeitsblatt 3<br />
Aufgabe 1: Gammastrahlung tritt auf, wenn beim Alpha-<br />
oder Betazerfall überschüssige Energie <strong>in</strong> Form von<br />
elektromagnetischer Strahlung abgegeben wird.<br />
Arbeitsblatt 4<br />
Aufgabe 1: E<strong>in</strong> Alphateilchen überträgt wegen se<strong>in</strong>er<br />
hohen Ionisierungsdichte (Zahl der Ionen pro Wegstrecke)<br />
besonders viel Energie an e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zelne Körperzelle.<br />
Deshalb ist der Schaden viel größer als bei anderen<br />
Strahlungsarten mit gleicher Energiedosis.<br />
Aufgabe 2: Die empfangene Jahresdosis durch die<br />
natürliche kosmische Strahlung beträgt 0,3 mSv (bei<br />
e<strong>in</strong>er Dosisleistung auf Meereshöhe von 0,035 μSv pro<br />
Stunde).<br />
Arbeitsblatt 5<br />
Aufgabe 1: Bei e<strong>in</strong>er mittleren jährlichen Dosis von<br />
4,0 mSv/a, beträgt die erworbene Strahlendosis e<strong>in</strong>es<br />
70-jährigen Menschen <strong>in</strong> Deutschland 280 mSv.<br />
Aufgabe 2: Geologisch bed<strong>in</strong>gt ist die mittlere externe<br />
Strahlenexposition <strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong> Bodennähe im<br />
Bayerischen Wald, im Fichtelgebirge, im Schwarzwald,<br />
im thür<strong>in</strong>gische und sächsische Erzgebirge, im Thür<strong>in</strong>ger<br />
Wald, im südlichen Hunsrück sowie lokal im Rhe<strong>in</strong>ischen<br />
Schiefergebirge, erhöht.<br />
Arbeitsblatt 7<br />
Aufgabe 1: Die Brennstäbe enthalten den Brennstoff<br />
(Uranoxid). Mehrere Brennstäbe werden zu e<strong>in</strong>em<br />
Brennelement zusammengefasst. Die Regelstäbe<br />
dienen zur Regelung der Neutronenmultiplikationsrate<br />
e<strong>in</strong>es Kernreaktors. E<strong>in</strong> Regelstab besteht aus neutronenabsorbierendem<br />
Material (Cadmium, Bor usw.).<br />
Aufgabe 2: Wasser bremst die schnellen Neutronen<br />
ab und br<strong>in</strong>gt sie damit auf Spaltgeschw<strong>in</strong>digkeit.<br />
Wasser dient auch als Kühlmittel und<br />
besorgt den Energietransport (Wasserdampf).<br />
Aufgabe 3: Kernkraftwerke und Kohlekraftwerke<br />
s<strong>in</strong>d Wärmekraftwerke. E<strong>in</strong> Stoff erzeugt Wärme, der<br />
wiederum Dampf erzeugt, mit dessen Hilfe über e<strong>in</strong>e<br />
Turb<strong>in</strong>e e<strong>in</strong> Generator angetrieben wird, der dann<br />
Strom erzeugt.<br />
Arbeitsblatt 8<br />
Der Primärkreislauf nimmt die Wärme des Reaktors<br />
auf und gibt sie an den Sekundärkreislauf ab. Dadurch<br />
verdampft dar<strong>in</strong> das Wasser; der Dampf treibt die Turb<strong>in</strong>e<br />
an. Der Kühlkreislauf kühlt den Dampf im Sekundärkreislauf<br />
im Kondensator wieder zu Wasser.<br />
Arbeitsblatt 9<br />
Aufgabe 1: Unter e<strong>in</strong>er kontrollierten Kettenreaktion<br />
versteht man das Steuern des Spaltungsprozesses. Gesteuert<br />
wird über die Regelstäbe.<br />
Bildnachweis:<br />
Titelbild: Reaktorbereich des KKW Unterweser während e<strong>in</strong>er Abschaltung<br />
DAtF: 8, 9, 15, 19 (2x), 24, 25, 26, 29, 30, 32 (2x)<br />
EnBW Kernkraft GmbH: 11<br />
E.ON Kernkraft GmbH: 1, 3, 10, 12, 17, 31<br />
Fice: 19<br />
Hundertmark: 11, 21, 27<br />
KIT/M. Priske: 22<br />
RWE Power AG: 3<br />
TEPCO: 5<br />
Thomas Köhler/photothek.net: 18<br />
Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH: 2 (2x), 7, 13, 14, 16<br />
Zeitbild: 4, 6, 28<br />
35 Zeitbild Wissen
Informationen zur Strom- und Energieversorgung<br />
sowie zur Energiewende<br />
Bundesm<strong>in</strong>isterium für Wirtschaft und<br />
Technologie (BMWi)<br />
www.bmwi.de<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Energiebilanzen<br />
www.ag-energiebilanzen.de<br />
Energiekonzept der Bundesregierung<br />
www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/<br />
Themen/Energiekonzept/_node.html<br />
Radioaktivität und Strahlenschutz<br />
Bundesm<strong>in</strong>isterium für Umwelt, Naturschutz<br />
und Reaktorsicherheit (BMU)<br />
www.bmu.de<br />
Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)<br />
www.bfs.de<br />
Strahlenschutzkommission der Bundesregierung (SSK)<br />
www.ssk.de<br />
Endlagerung<br />
Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe<br />
(BGR)<br />
www.bgr.de<br />
Bundesamt für Strahlenschutz<br />
www.bfs.de<br />
Lesetipps<br />
Basiswissen Kernenergie<br />
Informationskreis Kernenergie, Berl<strong>in</strong>, 2007<br />
Ausführliche Informationen zu physikalischen Grundlagen<br />
der Kernenergie sowie zur Funktionsweise und<br />
zur Sicherheit von Kernkraftwerken.<br />
Radioaktivität und Strahlenschutz<br />
DAtF – Deutsches Atomforum e. V., Berl<strong>in</strong>, 2012<br />
Ausführliche Informationen zu Strahlungsarten, Strahlungsexposition<br />
und Strahlungsschutzmaßnahmen<br />
L<strong>in</strong>ktipps<br />
Umfangreiche Informationen und<br />
H<strong>in</strong>tergründe zur Kernenergie<br />
DAtF – Deutsches Atomforum e.V.<br />
www.kernenergie.de<br />
Wissensportal Kernenergie<br />
www.kernfragen.de<br />
Reaktor-Sicherheitskommission der<br />
Bundesregierung (RSK)<br />
www.rskonl<strong>in</strong>e.de<br />
Gesellschaft für Anlagen- und<br />
Reaktorsicherheit (GRS) mbH<br />
www.grs.de<br />
Bundesanstalt für Materialforschung- und Prüfung<br />
www.bam.de<br />
Entsorgungskommission der Bundesregierung (ESK)<br />
www.entsorgungskommission.de<br />
GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH<br />
www.endlagerung.de<br />
Debatten zur Kernenergie<br />
Öko-Institut e.V.<br />
www.streitpunkt-kernenergie.de<br />
Greenpeace<br />
www.greenpeace.org/<strong>in</strong>ternational/en/campaigns/<br />
nuclear<br />
Impressum<br />
Zeitbild Wissen „Kernenergie. Die Situation <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Ausstieg, Sicherheit, Rückbau, Endlagerung“ herausgegeben von<br />
der Zeitbild Verlag und Agentur für Kommunikation GmbH, Kaiserdamm 20,<br />
14057 Berl<strong>in</strong>, <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit dem Deutschen Atomforum e.V.<br />
Dezember 2012<br />
Gesamtherstellung:<br />
Zeitbild Verlag, Berl<strong>in</strong>, www.zeitbild.de. 1. Auflage, Dezember 2012.<br />
Verantwortlich: Frank J. Richter<br />
Gestaltung: C100 Studio, München<br />
Illustration: C100 Studio, München; junge meister*, Berl<strong>in</strong><br />
Druck: DCM Druck Center Meckenheim GmbH, Meckenheim<br />
Pr<strong>in</strong>ted <strong>in</strong> Germany.<br />
Beratung: Peter Klatte<br />
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