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5 Euro Oktober 2009 Das unabhängige Magazin für Führungskräfte im öffentlichen Bereich<br />

Chance auf<br />

Heilung?<br />

Welche Therapie das Gesundheitssystem<br />

jetzt braucht<br />

Über Mythen und Reformen: Alois Stöger im Interview<br />

Fotograf: Hans Ringhofer<br />

EU-Parlament auf Betriebstemperatur<br />

Was auf die Neo-Abgeordneten zukommt<br />

Schluss mit Aktenordnern<br />

Effizientes E-Government für Gemeinden<br />

P. b. b. Verlagspostamt 1050 Wien, Zul.-Nr. 09Z038082M Postnummer 2 www.wirtschaftsverlag.at


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Editorial<br />

Stefan Grampelhuber,<br />

Chefredakteur<br />

Jürg Christandl<br />

Hat der Österreicher einen Husten, geht er keinesfalls<br />

zum Arzt. Nein, er geht ins Konzert. – Wie so oft haben<br />

schlechte Witze mit Bart einen wahren Kern. Zum Schrecken<br />

vieler Musiker. Eine Wahrheit, die auf nackten Zahlen<br />

beruht, ist eine andere: Herr und Frau Österreicher<br />

sind häufiger im Krankenhaus anzutreffen, als dies in<br />

vergleichbaren Ländern der Fall ist. Und sie nutzen die<br />

überdurchschnittlich gute medizinische Betreuung nur<br />

allzu gerne. Schließlich können wir auf eines der besten<br />

Gesundheitssysteme der Welt zurückgreifen. Der Nachteil<br />

daran? Unser Gesundheitswesen zählt leider auch zu den<br />

kostenintensivsten.<br />

Welche Rezepte können nun helfen, um unser Gesundheitssystem<br />

endlich von der chronischen Erkrankung<br />

„Finanzierungsmangel“ zu kurieren? Welche Therapien<br />

müssen greifen, damit dringende Strukturänderungen bei<br />

gleichbleibend guter Versorgung durchgeführt werden<br />

können? Und was muss passieren, damit die Vision von<br />

einem besseren, weil finanzierbaren Gesundheitswesen<br />

nicht zum Placebo mutiert, sondern in eine Reform gegossen<br />

wird, bei der alle Akteure mitspielen?<br />

REPUBLIK beleuchtet in der vorliegenden Ausgabe<br />

das umfassende Thema „Gesundheitsreform“ aus verschiedenen<br />

Blickwinkeln: Von Präventionsmaßnahmen<br />

zur Reduktion von Krankenhausaufenthalten bis hin zu<br />

zukunftsträchtigen IT-Lösungen, die eine effizientere Verwaltung<br />

in Aussicht stellen, beziehen Führungskräfte der<br />

öffentlichen Verwaltung und weitere Experten Position<br />

und zeigen eine Reihe von Lösungsansätzen auf.<br />

Aber das war noch nicht alles. Denn auch in der zweiten<br />

Ausgabe von REPUBLIK sollen weitere Themen und<br />

vor allem Erfolgsbeispiele, die den öffentlichen Bereich<br />

bewegen, nicht zu kurz kommen. Egal ob es sich um<br />

E-Government-Angebote für Gemeinden oder die Herausforderungen<br />

des frisch besetzten EU-Parlaments, die<br />

anstehende Weltklimakonferenz in Kopenhagen oder<br />

kreative Ideen der Bundesforste zur Krisenbewältigung<br />

handelt. Für jeden ist etwas dabei.<br />

Stefan Grampelhuber<br />

Chefredakteur<br />

s.grampelhuber@republik-online.at<br />

Oktober 09


Inhalt<br />

persönlich<br />

Wer bewegt was 6<br />

schwerpunkt<br />

Chance auf Heilung? 10<br />

Welche Therapie unser Gesundheitswesen<br />

jetzt braucht<br />

Den Großglockner von mehreren Seiten besteigen 18<br />

Gesundheitsminister Alois Stöger im Interview<br />

Es ist alles sehr kompliziert 22<br />

Roundtable mit Gesundheitsexperten<br />

Das österreichische Gesundheitswesen 25<br />

Analyse und Grafik<br />

Die IT als Hebel 28<br />

Effiziente Verwaltung durch zentrale Steuerung<br />

Heute vorgesorgt, morgen gespart 30<br />

Wie sich Prävention auf das<br />

Gesundheitssystem auswirkt<br />

REPUBLIK bittet Alois Stöger zum Gespräch …..... S. 18<br />

Hans Ringhofer<br />

projekte<br />

Mehr X-Chromosome für die Verwaltung 31<br />

Frauenförderung im öffentlichen Sektor<br />

Schluss mit Aktenordnern 34<br />

Zukunftsträchtiges E-Government für Gemeinden<br />

Wiener Polizei rekrutiert Migranten 38<br />

Wie die Exekutive ihren Migrantenanteil<br />

steigern will<br />

Gesundheitswesen: Chance auf Heilung ................... S. 10<br />

Photos.com<br />

thema<br />

EU-Parlament erreicht Betriebstemperatur 36<br />

Erste Bewährungsproben für Neo-Abgeordnete<br />

Zwischen Kyoto und Kopenhagen 40<br />

Wie wir eine nachhaltige Energieversorgung<br />

erreichen<br />

Nachhaltige Energiegewinnung …………...........… S. 40<br />

Photos.com<br />

Oktober 09


Inhalt<br />

serie<br />

Ausgegliedert in die Zukunft<br />

Bundesforste: Hüter der österreichischen Identität 32<br />

Konstruktives Troubleshooting und kreative<br />

Ideen für die Forstwirtschaft<br />

karrieren<br />

Wer macht was 44<br />

service<br />

Krisenmanagement im Wald ……………......……… S. 32<br />

H. Köppel<br />

Ausbildung, Staatspreis, Seminar 46<br />

Vorsicht, Korruptionsgefahr 47<br />

Ideen für eine innovative Verwaltung 48<br />

Präsentationstipps: Blick, Haltung und Gestik 49<br />

privat<br />

„Bei Schokolade muss ich diszipliniert sein“ 50<br />

Lebensminister Nikolaus Berlakovich im Interview<br />

Privates Interview mit Lebensminister Berlakovich…S. 50<br />

BMLFUW<br />

IMPRESSUM<br />

Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: Österreichischer Wirtschaftsverlag GmbH<br />

Wiedner Hauptstraße 120-124, 1051 Wien T (0 1) 546 64 – 0, F (+43 1) 546 64-528<br />

Geschäftsführer: Thomas Zembacher<br />

DVR-Nr.: 0368491<br />

Objektleiter: Stefan Böck<br />

T (01) 546 64- 380<br />

E s.boeck@wirtschaftsverlag.at<br />

Chefredakteur: Stefan Grampelhuber<br />

T (01) 546 64 – 389<br />

E s.grampelhuber@republik-online.at<br />

Chef vom Dienst: Stephan Strzyzowski<br />

T (01) 546 64 – 381<br />

E s.strzyzowski@wirtschaftsverlag.at<br />

Idee und Projektberatung: Feri Thierry<br />

Redaktion: Gertraud Eibl, Georg Günsberg, Ursula Horvath, Harriett Keber, Andrea Krieger, Christian Schneider, Wolfgang Tucek, Lukas Wiesböck<br />

Anzeigenleitung: Alfred Vrej Minassian T (01) 546 64 – 280 E a.minassian@wirtschaftsverlag.at<br />

Anzeigenverkauf: Erhard Witty T (01) 546 64 – 283 E e.witty@wirtschaftsverlag.at<br />

Grafisches Konzept: Alois Schwaighofer<br />

Grafik Design: Antonia Stanek<br />

Hersteller: agensketterl Druckerei GmbH 3001 Mauerbach, Kreuzbrunn 19 www.diedrucker.biz<br />

Aboservice: Aboservice Österr. Wirtschaftsverlag, T (01) 740 40 – 7812, F (01) 740 40 – 7813, E aboservice@wirtschaftsverlag.at<br />

Aus Gründen der Textökonomie verzichten wir auf geschlechtsspezifische Ausformulierung und den Verweis auf (nicht-)akademische Titel.<br />

Oktober 09


Thema<br />

Persönlich<br />

Text<br />

Andrea Krieger (Österreich) / Wolfgang Tucek (EU)<br />

NPO-Chefin mit Mammut-Vorhaben<br />

Eva Fuchswans managt Heimumsiedlung.<br />

„Große geriatrische<br />

Institutionen sind<br />

heute nicht mehr<br />

zeitgemäß.“<br />

Eva Fuchswans hat eine wirklich<br />

außergewöhnliche Managementaufgabe.<br />

Sie ist Frontfrau einer Einrichtung, die<br />

es in dieser Form aufzulösen gilt: Das<br />

Geriatriezentrum Wienerwald in Wien-<br />

Lainz soll nämlich bis 2015 geschlossen<br />

und die Abteilungen auf sechs moderne<br />

Wiener Bauten aufgeteilt werden. „Die<br />

Idee dahinter ist, kleinere, in ganz Wien<br />

verteilte Einheiten zu schaffen, sodass die<br />

Patienten und Bewohner in ihrem sozialen<br />

Umfeld bleiben können“, sagt die akademisch<br />

geprüfte Health Care Managerin.<br />

Sie hält diesen Plan für sehr vernünftig.<br />

„Große geriatrische Institutionen haben<br />

etwas ghettohaftes und sind heutzutage<br />

nicht mehr zeitgemäß.“ Diesen Herbst<br />

geht das Umsiedlungsprojekt in die heiße<br />

Phase. „Bald wird uns deshalb eine<br />

auf Veränderungsprozesse spezialisierte<br />

Beratungsfirma unterstützen.“ Ihre wichtigste<br />

Aufgabe beschreibt Fuchswans so:<br />

„Ich muss dafür sorgen, dass die Motivation<br />

bei den Mitarbeitern in der Übergangszeit<br />

aufrechterhalten bleibt. Schließlich<br />

müssen die Patienten und Bewohner hier<br />

bis zum Schluss optimal versorgt werden.<br />

Das bedeutet Change- und Krisenmanagement<br />

gleichzeitig.“<br />

Bei ihrem Job kommt der ehemaligen<br />

Primarärztin zugute, dass sie „sehr gut<br />

mit Menschen sprechen kann. Muss ich<br />

jemandem etwas Unangenehmes mitteilen,<br />

versuche ich das auszugleichen. Etwa<br />

indem ich eine Fortbildung genehmige,<br />

die diese Person schon länger machen<br />

möchte. Das ist auch eine gute Burnout-<br />

Prophylaxe.“<br />

Demokratie als Projekt<br />

Gottfried Marckhgott macht die Wähler von morgen neugierig.<br />

„Ausländische<br />

Besucher sind sehr<br />

beeindruckt.“<br />

Gottfried Marckhgott hat mit der<br />

Demokratiewerkstatt einen veritablen<br />

Publikums-Hit gelandet. „Bereits 17.000<br />

Kinder haben daran teilgenommen“<br />

betont der Leiter des Dienstes Information<br />

und Öffentlichkeit im Parlament. Das<br />

Programm, das Workshops, Führungen<br />

und eine eigene Parlamentswebsite beinhaltet,<br />

kommt nicht nur bei Schülern gut<br />

an. „Auch ausländische Besucher zeigten<br />

sich beeindruckt von der Art und Weise,<br />

wie wir hier 8- bis 14-Jährigen vermitteln,<br />

dass Politik ein wichtiger Teil des Lebens<br />

ist.“ Dabei sei der Start des Projekts im<br />

Herbst 2007 ein „Sprung ins kalte Wasser“<br />

gewesen. „Es wusste wirklich niemand,<br />

ob es auch gut ankommen würde.“<br />

Nicht zuletzt die technischen Anforderungen<br />

seien hoch gewesen. „Die Kinder<br />

müssen schließlich am Ende eines Workshops<br />

einen TV- bzw. Radiobeitrag oder<br />

eine Zeitung herstellen können.“ Dennoch<br />

war das Projekt, bei dem ihm Nationalratspräsidentin<br />

Prammer völlig freie<br />

Hand ließ, pünktlich zum vorbestimmten<br />

Zeitpunkt fertig. „Das hat eigentlich<br />

alle gewundert“ lacht der Mann mit den<br />

zwei Gott im Namen. Mit dem Start des<br />

Projekts ist die Arbeit für Marckhgott und<br />

sein Demokratiewerkstatt-Entwicklungsteam<br />

noch nicht getan: Das Programm<br />

wird laufend evaluiert und weiterentwickelt.<br />

So wird in den Workshops neben den<br />

Themenbereichen Medien, Gesetzgebung,<br />

Parlamentarier, Partizipation und Zeitreise<br />

seit kurzem auch die EU behandelt.<br />

Und die Zielgruppe der Demokratiewerkstatt<br />

wurde um die Lehrlinge erweitert.<br />

ist das unabhängige<br />

Magazin für<br />

Führungskräfte im<br />

öffentlichen Bereich


Schlaue Mäuse am PC<br />

Promotion<br />

Microsoft Österreich unterstützt die Sprachförderung von Kindern - mit einer<br />

Bildungsinitiative, die auf neuesten Technologien aufbaut. Das pädagogische<br />

Konzept mit dem Titel „Schlaumäuse – Kinder entdecken Sprache“ richtet sich an<br />

Kindertageseinrichtungen und spricht Kids zwischen dem vierten und sechsten<br />

Lebensjahr an.<br />

Ob zu Hause, im Kindergarten oder in den ersten Klassen<br />

der Volkschule: Das Programmziel der Initiative<br />

„Schlaumäuse – Kinder entdecken Sprache“ ist die individuelle<br />

Sprachförderung in heterogenen Lerngruppen,<br />

sowie auch deren lernförderlicher Einsatz zu Hause. Die<br />

Schlaumäuse-Initiative will damit Kindern Spaß an der<br />

Entwicklung der Sprache vermitteln und Erzieherinnen<br />

dazu ermutigen, die Neugier und das natürliche Interesse<br />

von Vorschulkindern an Schrift, am Lesen und Schreiben<br />

im Kindergartenalltag aufzugreifen. Für die Kinder<br />

soll zudem ein schriftkulturelles und sprechanregendes<br />

Umfeld geschaffen werden.<br />

Intelligente Software<br />

Die eigens für das Projekt entwickelte Schlaumäuse-<br />

Software steht als multimediales Angebot im Zentrum<br />

des Förderprogramms. Das ansprechende und leicht zu<br />

bedienende Interface macht Lust auf Lernen. Das Lernen<br />

selbst läuft unbewusst. Kinder erhalten dabei die Möglichkeit,<br />

selbstbestimmt in spielerischer und interaktiver<br />

Form Sprache zu untersuchen, Schrift auszuprobieren,<br />

deren Funktionsweise zu entdecken und den Sinn des<br />

Schreibens für sich zu erfahren. Ein positiver Nebeneffekt<br />

des Lernens per Mausklick ist die Ausbildung der Medienkompetenz.<br />

Da für die Bewältigung bestimmter Aufgaben<br />

innerhalb des Projekts der Computer unerlässlich ist,<br />

wird sowohl die technische Handhabung als auch die<br />

sinnstiftende Nutzung geübt.<br />

Pädagogisches Konzept<br />

Dem Schlaumäuse-Projekt liegt das Konzept des Entfaltenden<br />

Lernens zugrunde, das in der ComputerLernWerkstatt<br />

an der TU Berlin entwickelt wurde. Dabei werden<br />

Kinder als (Sprach-)Lerner ernst genommen, ermutigt<br />

selbst Entscheidungen zu treffen, angehalten Fehler<br />

selbstständig zu verstehen und zu korrigieren und durch<br />

den Spaß an dem Konzept in eine „Ich-will“-Lernsituation<br />

gebracht. Pädagoginnen und Pädagogen sind dabei wertvolle<br />

Begleiter, deren Ziel darin bestehen muss, alles zu<br />

tun, um das Selbstvertrauen des Kindes in seine eigene<br />

Leistungsfähigkeit zu stärken.<br />

Schlaumäuse Kompetenzzentrum<br />

Microsoft Österreich setzt mit der Initiative „Schlaumäuse<br />

- Kinder entdecken Sprache“ auf ein langfristiges Engagement:<br />

Linz und Wien waren die ersten großen Etappen<br />

der österreichweiten Bildungsinitiative. Das Projekt wird<br />

begleitet von Fachleuten von der Universität Linz um eine<br />

wissenschaftlich fundierte Betreuung zu gewährleisten.<br />

Außerdem wurde an der Johannes-Kepler Universität<br />

Linz ein eigenes Schlaumäuse-Kompetenzzentrum eingerichtet,<br />

welches die Schulung der PädagogInnen durchführt<br />

und als Anlaufstelle für pädagogische Fragestellungen<br />

dient.<br />

Weitere Informationen zur Schlaumäuse-Initiative<br />

http://www.microsoft.com/austria/education/<br />

schlau.mspx<br />

oder<br />

http://www.idv.uni-linz.ac.at/schlau/<br />

Oktober 09


Thema<br />

Persönlich<br />

Bäuerliche Landwirtschaft erhalten<br />

Andrä Rupprechter zieht die Fäden in der EU-Agrarpolitik.<br />

Toni Silberberger<br />

„Österreichische<br />

und europäische<br />

Interessen sind<br />

kein Gegensatz.“<br />

Als Direktor im Rat der Europäischen<br />

Union ist Andrä Rupprechter einer der<br />

einflussreichsten EU-Beamten Österreichs.<br />

Ihm gehe es darum, „einen Beitrag<br />

für den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft<br />

zu leisten“, sagt er. Ein besonderes<br />

Augenmerk gelte benachteiligten Berggebieten.<br />

Bereits lange vor seinem Wechsel nach<br />

Brüssel war der 48-jährige Agraringenieur<br />

österreichischer Sprecher im Sonderausschuss<br />

Landwirtschaft, der die regelmäßigen<br />

Treffen der 27 Minister inhaltlich vorbereitete.<br />

Am EU-Job reizte ihn die Chance,<br />

in einem internationalen Umfeld zu<br />

arbeiten. Nur Gutes weiß der Tiroler über<br />

seine Mitarbeiter zu berichten, an denen<br />

er ihre hohe Fachkompetenz schätzt. Wie<br />

er ist sein gesamtes Team zu absoluter<br />

Neutralität verpflichtet, wenn es um den<br />

Interessenausgleich zwischen den EU-<br />

Staaten geht. Doch österreichische und<br />

europäische Interessen seien eben kein<br />

Gegensatz, sagt er. Daher müsse etwa in<br />

den Verhandlungen ums nächste EU-Rahmenbudget<br />

für 2014 bis 2020 gewährleistet<br />

werden, dass in Zukunft der Stellenwert<br />

der gemeinsamen EU-Agrarpolitik<br />

(GAP) erhalten bleibe. Es bestehe nämlich<br />

die Gefahr, dass „alle möglichen Politiker<br />

große Begehrlichkeiten entwickeln, in<br />

den Topf der GAP hineinzugreifen und<br />

deren Bedeutung zurückdrängen.“ Mit<br />

gut 40 Milliarden Euro pro Jahr ist Landwirtschaft<br />

der größte Haushaltsposten im<br />

EU-Budget.<br />

Wirtschaftsfreundlichere EU-Gesetzgebung<br />

Patrick Voller kämpft für KMU.<br />

„Ich stehe für eine<br />

wirtschaftsfreundliche<br />

EU-Gesetzgebung.“<br />

SME-Union<br />

Sein Auftrag sei es, „die EU-Gesetzgebung<br />

wirtschaftsfreundlicher zu machen“,<br />

sagt Patrick Voller, Generalsekretär des<br />

europäischen Wirtschaftsbundes. Im<br />

Fokus stehen dabei vor allem Klein- und<br />

Mittelbetriebe (KMU). Denn große Firmen<br />

betreiben vielfach ohnehin eigene<br />

Büros in Brüssel. Eine Spezialität des<br />

Verbandes ist die Einbettung in die Europäische<br />

Volkspartei (EVP), die im Europaparlament<br />

die größte Fraktion stellt. Mit<br />

rund 70 Abgeordneten des so genannten<br />

SME-Circle gebe es direkten Einfluss auf<br />

politischer Ebene. Nach fünfjährigem<br />

Netzwerkaufbau verfügt Voller auch über<br />

ausgezeichnete Beziehungen zu EU-Industriekommissar<br />

Günter Verheugen und dessen<br />

KMU-Beauftragten Françoise Le Bail.<br />

Der Zeitaufwand für Lobbying in Brüssel<br />

sei freilich beträchtlich, erzählt der 35-<br />

jährige Jurist. Vom Arbeitsfrühstück bis<br />

zum Abendempfang ist er häufig unterwegs.<br />

Ganz oben auf der Liste stehen Bürokratieabbau<br />

und der Small Business Act,<br />

der EU-Gesetze auch für Kleinstbetriebe<br />

umsetzbar machen soll. In die Reihe der<br />

Erfolge fällt die Verdopplung der De-Minimis-Grenze<br />

für Staatsbeihilfen auf 200.000<br />

Euro und vorübergehend während der<br />

Wirtschaftskrise sogar auf 500.000 Euro.<br />

Bis zu diesem Betrag müssen die Subventionen<br />

für KMU nicht extra in Brüssel<br />

angemeldet werden.<br />

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aboservice@wirtschaftsverlag.at


Thema<br />

Persönlich<br />

Einsatz für schulische Fairness<br />

Birgid Reimer lässt Schulprojekte auszeichnen.<br />

„Nach Jahren mit vielen komplexen<br />

Agenden kann ich mich nun auf das konzentrieren,<br />

was mir wichtig ist: unter anderem<br />

das Projekt Faire Schule“, sagt Birgid<br />

Reimer, seit Juni Expertin für allgemeine<br />

pädagogische Angelegenheiten im Unterrichtsministerium.<br />

Mit der Entwicklung<br />

des Fairness-Award ist sie sehr zufrieden.<br />

Der Preis wir einmal jährlich an Projekte<br />

vergeben, die Respekt und Fairness in den<br />

Schulen besonders fördern. Teilnehmen<br />

können alle Schulpartner. „Wir rechnen<br />

damit, dass 2010 bereits jede zehnte Schule<br />

einmal mitgemacht hat“, so Reimer.<br />

Was die Arbeit daran so spannend<br />

macht? „Erstens kommen laufend neue<br />

Kategorien dazu – so winkt neuerdings<br />

ein Preis für Verhaltensvereinbarungen in<br />

den Schulen. Zweitens staune ich immer<br />

wieder über die brillanten Einreichungen,<br />

etwa ein Kulturcafé in einer multikulturellen<br />

Schule.“ Derzeit hat Reimer alle<br />

Hände voll mit den Vorbereitungsarbeiten<br />

für die Preisverleihung zu tun, gleichzeitig<br />

ist das nächste Projektjahr zu planen.<br />

Aber dass der Herbst eine arbeitsintensive<br />

Zeit ist, weiß sie ohnehin noch aus ihrer<br />

20-jährigen Praxis als Lehrerin.<br />

„Ich staune immer<br />

wieder über die Einfälle<br />

der Schulen.“<br />

Angebot für Gehörlose erweitert<br />

Eva Munkenbeck ist die erste Anlaufstelle für Wiener Gehörlose.<br />

Eva Munkenbeck hat Grund zum<br />

Feiern: Die von ihr aufgebaute einzige<br />

Gehörlosenambulanz Ostösterreichs feiert<br />

diesen Monat ihr 10-jähriges Jubiläum.<br />

Rechtzeitig zum Jubiläumsjahr kann die<br />

Allgemeinmedizinerin im Krankenhaus<br />

der Barmherzigen Brüder in Wien auch<br />

mit einer Novität aufwarten: „Ganz im<br />

Sinne der Barrierefreiheit stehen wichtige<br />

Informationen auf der Homepage mittlerweile<br />

auch als Gebärdensprachvideos<br />

zur Verfügung.“ Auch Munkenbeck selbst<br />

beherrscht die Gebärdensprache längst<br />

wie geschmiert. „Sie zu erlernen war aber<br />

nicht leicht, obwohl ich sonst sprachbegabt<br />

bin,“ erzählt die Ärztin, die sich<br />

als Gesundheitsmanagerin ihrer Klientel<br />

sieht. „Wir sind hier die erste Anlaufstelle<br />

für Gehörlose, auch wenn es um soziale<br />

und psychische Probleme geht. Deshalb<br />

beschäftige ich auch einen Sozialarbeiter.“<br />

Ihre Patienten findet sie „herausfordernd,<br />

weil sie oft nur wenig über ihren Körper<br />

wissen. Andererseits bekommt man sehr<br />

viel zurück. Außerdem befolgen sie ärztliche<br />

Ratschläge besser als Hörende.“<br />

Barmherzige Brüder<br />

„Herausfordernde<br />

Klientel, von der<br />

man aber auch viel<br />

zurückbekommt.“<br />

WdF-Wien-Chef lockt Lehrer<br />

Viktor Wagner lässt Pädagogen in Betrieben schnuppern.<br />

„Lehrer in die Wirtschaft“ heißt das<br />

neueste Projekt des Wirtschaftsforums der<br />

Führungskräfte (WdF). Dahinter steckt,<br />

WdF-Wien-Chef Viktor Wagner. Die Aktion<br />

bietet interessierten Lehrern allgemeinbildender<br />

Schulen die Möglichkeit,<br />

jeweils für fünf Tage einen Wirtschaftsbetrieb<br />

kennenzulernen. „Dadurch möchten<br />

wir den Unterrichtenden das Wirtschaftsleben<br />

schmackhafter machen,“ erklärt<br />

Wagner. „Denn, wollen wir Schüler mit<br />

besseren Wirtschaftskenntnissen, müssen<br />

zuerst die Lehrer mehr Bezug dazu<br />

bekommen.“<br />

Elf Pädagogen haben bereits an der<br />

Aktion teilgenommen und wurden dabei<br />

intensiv betreut. „Wenn die Aktion gut<br />

ankommt, kann man sie jederzeit wiederholen,“<br />

betont der WdF-Wien-Leiter, der<br />

bereits auf ein erfolgreiches Pilotprojekt<br />

verweisen kann. „Ich will nicht zu denen<br />

gehören, die sich beschweren und selbst<br />

nichts tun,“ begründet er sein ehrenamtliches<br />

Engagement beim WdF. Deshalb hat<br />

Wagners eigene Firma, die Reiwag Facility<br />

Management, bereits fünf Lehrer betreut.<br />

WdF<br />

„Ich möchte Lehrern<br />

das Wirtschaftsleben<br />

schmackhafter<br />

machen.“<br />

Oktober 09


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

Text<br />

Gertrud Eibl<br />

Fotos<br />

Photos.com<br />

Chance<br />

auf Heilung?<br />

Das österreichische Gesundheitssystem ist im internationalen<br />

Vergleich ein Erfolgsmodell. Trotzdem ist seine Krankengeschichte lang.<br />

Chronische Mängel gibt es in der Finanzierung: Die Zersplitterung<br />

der Kompetenzen auf Krankenkassen und Länder erschwert<br />

Reformbemühungen. REPUBLIK berichtet über potenzielle<br />

Lösungsansätze, die neben einer exzellenten Versorgung auch<br />

ein überlebensfähiges System gewährleisten.<br />

10 Oktober 09


Thema<br />

Gesundheit<br />

Kurze Wartezeiten für geplante<br />

Behandlungen, sehr gute Ergebnisse bei<br />

medizinischen Leistungen und Platz eins<br />

bei der Langzeitüberlebensrate bei Krebs<br />

– im European Health Consumer Index<br />

2009 belegt Österreich den zweiten Platz<br />

der besten Gesundheitssysteme Europas.<br />

Wozu also eine Gesundheitsreform? Freilich<br />

geben Rankings wie das des privaten<br />

schwedischen Anbieters „Health Consumer<br />

Powerhouse“ wenig Auskunft über<br />

den politischen und ökonomischen Kontext.<br />

Und hier brodelt es durchaus: Mit<br />

einem Schuldenstand von 2,1 Milliarden<br />

Euro (Ende 2008) sind die Krankenkassen<br />

in einer prekären Lage. Etwa 28 Milliarden<br />

Euro werden in Österreich jährlich<br />

für das Gesundheitswesen ausgegeben,<br />

15,5 Milliarden davon kommen aus den<br />

Kranken- und Unfallversicherungen. Die<br />

Krankenversicherungsbeiträge decken in<br />

erster Linie den niedergelassenen Bereich<br />

ab, während die Finanzierung der Krankenanstalten<br />

den Ländern und privaten<br />

Eigentümern obliegt. 45 Prozent der Spitalskosten<br />

finanziert die Sozialversicherung<br />

– sie hat aber kein Mitspracherecht<br />

bei der Verwendung der Gelder. Die föderalistische<br />

Struktur unseres Landes hat<br />

eine Fragmentierung des Gesundheitssystems<br />

mit etwa 400 verschiedenen Finanzströmen<br />

hervorgebracht. Das schlägt sich<br />

in vielen verschiedenen Zuständigkeiten<br />

und Verantwortlichkeiten nieder und<br />

erschwert sowohl Planung als auch Steuerung.<br />

Der BIP-Anteil des Gesundheitswesens<br />

liegt in Österreich bei 10,1 Prozent,<br />

in den EU-15-Staaten beträgt er 9,3 Prozent<br />

(RH 2007), international belegen<br />

wir Platz sechs (OECD 2008). Dass unser<br />

Gesundheitssystem einer Strukturreform<br />

bedarf, ist keine Neuigkeit, sondern eine<br />

Notwendigkeit.<br />

Gesundheits- oder Kassenreform?<br />

Ein interessantes Phänomen ist, dass<br />

in Österreich von einer Gesundheitsreform<br />

gesprochen wird, zuerst aber die<br />

Kassen saniert werden müssen – mit einer<br />

450-Millionen-Euro-Finanzspritze der<br />

Bundesregierung. 45 Millionen Euro wurden<br />

an Soforthilfe bereits zur Verfügung<br />

gestellt. Außerdem soll ein Gesundheitsfonds<br />

eingerichtet werden, der ab 2010<br />

jährlich 100 Millionen Euro in die Krankenkassen<br />

speist. Bevor das Geld fließe,<br />

müsse Einsparungspotenzial bekundet<br />

werden, so der Finanzminister. Deshalb<br />

haben die Sozialversicherung und die<br />

Ärztekammer ein Kassensanierungspa-<br />

Oktober 09 11


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

„Nach externen<br />

Studien belegen wir<br />

Top-Plätze. Außerdem<br />

fliegen die<br />

Österreicher mit<br />

Rückholversicherungen<br />

reihenweise<br />

nach Hause.“<br />

Johannes Steinhart, Wiener Ärztekammer,<br />

über die Qualität des österreichischen<br />

Gesundheitssystems<br />

pier ausgearbeitet und zeigen darin Wege<br />

zu einer ausgeglichenen Gebarung bis<br />

zum Jahr 2013 auf. Josef Probst, stellvertretender<br />

Generaldirektor im Hauptverband,<br />

lobt das Papier als einen politischen<br />

Erfolg, weil es gemeinsam mit den maßgeblichen<br />

Systempartnern erstellt wurde.<br />

„Wir sind in der Umsetzung und strengen<br />

uns an, die Ziele zu erreichen“, so Probst.<br />

Finanzierung aus einer Hand<br />

„Es gibt nichts Schwierigeres, als eine<br />

Gesundheitsreform durchzuführen“ sagt<br />

Christian Köck, Gesundheitsökonom und<br />

Vorstand der Health Care Company in<br />

Wien. Auch er lobt das „bisweilen zufriedenstellende<br />

Ergebnis“ des Sanierungskonzeptes.<br />

Eine Effizienzsteigerung und<br />

Sanierung des Gesundheitswesens bräuchte<br />

aber eine tiefgreifende Strukturreform,<br />

nämlich die Finanzierung aus einer Hand,<br />

so Köck. Ginge es nach dem Experten, wäre<br />

unser Gesundheitssystem steuerfinanziert,<br />

die Krankenversicherungsbeiträge<br />

würden abgeschafft und dem Hauptverband<br />

die Funktion einer Steuerungs- und<br />

Finanzierungskörperschaft zugeordnet<br />

werden. Ernest Pichlbauer, freischaffender<br />

Gesundheitsökonom, ist als Anhänger<br />

eines steuerfinanzierten Systems bekannt.<br />

Die Krankenkassen würde er am liebsten<br />

abschaffen: „Ich schlage vor, sich für die<br />

Entwicklung fünf Jahre Zeit zu nehmen,<br />

anstatt das gegenwärtige System zu flicken.“<br />

Inwieweit sich diese Option durchführen<br />

ließe, steht allerdings auf einem<br />

anderen Blatt.<br />

Systemkompatibler wäre vermutlich<br />

eine zentrale Steuerung über Gesundheitsplattformen,<br />

die schon von der ehemaligen<br />

Gesundheitsministerin Maria Rauch-<br />

Kallat ins Spiel gebracht worden waren.<br />

Dafür müssten Verträge zwischen Plattformen<br />

und Leistungserbringern gestaltet<br />

werden. Einig sind sich die beiden Experten<br />

auch in folgendem Punkt: Nicht das<br />

fragmentierte Gesundheitssystem verdiene<br />

die Lorbeeren, sondern die exzellente<br />

Versorgung durch engagiertes Personal.<br />

Denn System und Versorgung seien zwei<br />

paar Schuhe. Johannes Steinhart, Vizepräsident<br />

der Wiener Ärztekammer und<br />

niedergelassener Urologe, sieht das differenzierter:<br />

„Nach externen Studien belegen<br />

wir Top-Plätze. Außerdem fliegen die<br />

Österreicher mit Rückholversicherungen<br />

reihenweise nach Hause. Aus der Erfahrung<br />

ist da viel Vertrauen.“<br />

In guter Gesellschaft<br />

Künftig werden sich – gemäß Kassensanierungspapier<br />

– auch Ärzte in Form<br />

Ko m m e n ta r F e ri T h i e rr y<br />

Markus Tordik<br />

Feri Thierry<br />

So einfach<br />

und so schwierig<br />

Gesundheitspolitik ist schon seit vielen Jahren<br />

untrennbar mit dem Begriff „Reform“ verbunden.<br />

In der Statusbeschreibung sind sich alle einig:<br />

Das Gesundheitssystem wird aus demografischen<br />

und medizinischen Gründen immer<br />

teurer – und gehört dringend und umfassend<br />

reformiert. Unabhängige Expertinnen und Experten<br />

sind sich einig, dass enorme Einsparungspotenziale<br />

im Gesundheitssystem liegen, ohne<br />

dabei die Qualität der medizinischen Versorgung<br />

zu verringern, z.B. in der Verwaltung, bei der Zahl<br />

wertvoller medizintechnischer Geräte oder bei<br />

Doppel- und Dreifachuntersuchungen. Manchmal<br />

kann weniger mehr sein: Wenn von drei Spitälern<br />

mit jeweils einer Fachabteilung für Pulmologie<br />

eines auf ihre verzichtet, erhöht sich die Fallzahl<br />

in den beiden anderen, damit die Routine bei<br />

der Behandlung – und in Folge die Qualität der<br />

medizinischen Versorgung.<br />

Gesundheitspolitik ist wie die Bildungspolitik<br />

eines der zentralen politischen Felder unserer<br />

Gesellschaft heute und vor allem zukünftig.<br />

In kaum einem Bereich ist die faktische und<br />

emotionale Betroffenheit in der Bevölkerung so<br />

hoch wie in diesen beiden. Und kaum ein Bereich<br />

unterliegt so starken politischen Einflüssen, so<br />

umfassender Regulierung. Einen freien Markt<br />

(oder zumindest Ansätze davon) gibt es in beiden<br />

Bereichen kaum. Das macht Reformen umso<br />

schwieriger, Entscheidungen fallen weitgehend<br />

am grünen Tisch. Dabei werden von allen beteiligten<br />

Seiten (Patienten, Ärzte, Pharmaindustrie,<br />

Apotheker uvm.) Meinungen und Anliegen in<br />

den politischen Diskussionsprozess eingebracht.<br />

Interessenvertretung, die per se völlig legitim ist.<br />

Die gesellschaftliche Bedeutung des Themas<br />

und die politischen Zentrifugalkräfte machen<br />

es politischen Entscheidungsträgern zweifellos<br />

nicht leicht. Papiere mit einzelnen Interessenvertretungen<br />

auszuarbeiten, in denen Sparmaßnahmen<br />

vorgeschlagen werden, die ausschließlich<br />

andere Interessenvertretungen betreffen, ist aber<br />

sicher nicht der Weg zum Reformerfolg. Barack<br />

Obama versucht es anders: Der US-Präsident<br />

hat seine Arbeit an der Gesundheitsreform<br />

mit einem großen Konvent aller Stakeholder<br />

eröffnet, um die Betroffenen in den Diskussionsprozess<br />

einzubinden. Auch wenn eine solche<br />

Vorgangsweise nicht immer gleich zum Ziel<br />

führt, ist sie doch alternativenlos.<br />

Die im Gesundheitsbereich besondere Aufgabe<br />

der Interessengruppen ist es, Verantwortung zu<br />

zeigen. Die vertretenen Anliegen müssen sachlich<br />

fundiert sein und auch das Ganze im Auge<br />

haben. Die Politik soll zuhören, Betroffene einbinden<br />

– und schließlich Entscheidungen treffen, die<br />

für das gesamte System richtig und notwendig<br />

sind. So einfach und so schwierig ist das.<br />

Feri Thierry ist Geschäftsführer von Thierry Politikberatung<br />

sowie Lehrgangsleiter des Masterstudiums<br />

„Lobbying/Public Affairs“ an der Akademie<br />

für integrierte Kommunikation (BFI Wien) und<br />

Vortragender an verschiedenen Bildungsinstitutionen.<br />

12 Oktober 09


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

von GesmbHs zusammenschließen können.<br />

Dies brächte den Vorteil, in größeren<br />

Einheiten auch Randzonen versorgen und<br />

längere Öffnungszeiten anbieten zu können.<br />

Steinhart begrüßt dieses Modell, weil<br />

Ärzte durch Kapitalkonzentrationen bessere<br />

Qualität anbieten könnten. Wenig Positives<br />

gewinnt Julian Hadschieff der neuen<br />

Gesellschaftsform ab. Der WKO-Obmann<br />

der Fachgruppe und des Fachverbandes<br />

der privaten Krankenanstalten und Kurbetriebe<br />

bezeichnet Ärzte-GmbHs als „unnotwendige<br />

neue Organisationsform“. Sollten<br />

diese aus politischen Gründen notwendig<br />

sein, müsse sichergestellt werden, dass die<br />

neuen Ärzte-Gesellschaften jene Auflagen<br />

berücksichtigen, die auch für Ambulatorien<br />

gelten: Bedarfsprüfung, Aufsichtsräte,<br />

Qualitätssicherung und das Vertragsrecht.<br />

Keine Frage des sozialen Status<br />

Ist das hiesige Gesundheitswesen tatsächlich<br />

zu einrichtungsorientiert und zu<br />

wenig patientenorientiert? „Ich glaube,<br />

dass man Einrichtungen und Patienten<br />

nicht gegeneinander ausspielen kann“,<br />

meint Barbara Maier, Oberärztin an der<br />

Universitätsklinik für Frauenheilkunde<br />

und Geburtshilfe in Salzburg. Als Medizinethikerin<br />

ist sie interdisziplinär tätig und<br />

hat einen psychosomatischen Zugang,<br />

der – einrichtungsorientiert hin oder her<br />

– ihre Patientinnen in den Mittelpunkt<br />

stellt. „Für den Patienten ist es wichtig, zu<br />

wissen, wer der betreuende Arzt ist. Da ist<br />

nicht nur die Begegnung relevant, sondern<br />

auch die Beziehung, die Gesprächsmöglichkeiten<br />

und die Informationen“, sagt<br />

Maier. Ihr ist wichtig, dass die fachliche<br />

mit der menschlichen Kompetenz und mit<br />

ethischem Bewusstsein gepaart ist, „weil<br />

wir so ein menschliches, soziales und<br />

solidaritätsorientiertes Gesundheitswesen<br />

zustande bringen“. Barbara Maier schätzt<br />

am österreichischen Gesundheitssystem<br />

ganz besonders die soziale Komponente:<br />

Der Zugang zu medizinischen Leistungen<br />

ist allen Teilen der Bevölkerung gleichermaßen<br />

gegeben.<br />

Fortschritt durch E-Health<br />

Geht es um Optimierung, so stehen für<br />

Josef Probst Wirksamkeit, Effizienz, Qualität<br />

und Transparenz an vorderster Stelle.<br />

Er fordert eine einheitliche Strategie beginnend<br />

mit der Formulierung bundesweiter<br />

Gesundheitsziele. Österreich sei eines der<br />

wenigen westlichen Länder, das keine<br />

definiert hat. „Wenn ich keine Ziele habe,<br />

reicht am Ende des Jahres nachgewiesene<br />

Betriebsamkeit“, sagt Probst. Auch die<br />

Beteiligungsmöglichkeiten der Patienten<br />

könnten sich wesentlich verbessern.<br />

Hier wird Elga, der dezentrale elektronische<br />

Gesundheitsakt, bald wesentliche<br />

Fortschritte bringen. Er macht das<br />

System nicht nur effizienter, sondern<br />

auch patientenfreundlicher. Patientenanwalt<br />

Gerald Bachinger begrüßt den Ausbau<br />

des elektronischen Gesundheitsakts.<br />

„Ich erlebe immer wieder, dass Patienten<br />

mit falschen Informationen aus dem Internet<br />

zu uns kommen. Mit einem seriösen<br />

Gesundheitsportal können wir aufklären<br />

und informieren“, ist der Patientenanwalt<br />

überzeugt. 80 bis 90 Prozent der Fehler im<br />

Gesundheitswesen seien darauf zurückzuführen,<br />

dass Informationen nicht zur<br />

richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Elga<br />

soll hier Abhilfe schaffen und in verschiedenen<br />

Ausbaustufen weiterentwickelt<br />

werden. Wesentliche Vorteile wird es im<br />

Bereich der E-Medikation geben – so etwa<br />

können Fehlmedikationen vermieden<br />

werden. Auch Befunde und Arztbriefe<br />

werden elektronisch gespeichert. Darüber<br />

hinaus soll der elektronische Gesundheitsakt<br />

in Form einer Suchmaschine dem<br />

Patienten viele Informationen zu Krankheiten,<br />

Operationen etc. bieten und ihn<br />

„mündiger“ machen.<br />

Ergebnis- vor Strukturqualität<br />

Ausbaufähig ist das österreichische<br />

Gesundheitssystem vor allem im Bereich<br />

der Qualitätskontrolle. Tatsächlich wird<br />

hier zu Lande ein starkes Gewicht auf die<br />

Strukturqualität gelegt, während die Prozess-<br />

und Ergebnisqualität vernachlässigt<br />

wird. Um Ergebnisse auch tatsächlich<br />

festzuhalten, bräuchte es entsprechende<br />

Qualitätsmessungen. Realisiert wird die<br />

Ergebnisorientierung bereits in Krankenanstalten<br />

privater gemeinnütziger Träger.<br />

So etwa ließ sich die Vinzenz Gruppe als<br />

erste Spitalsgruppe umfassend nach KTQ<br />

(Kooperation für Transparenz und Qualität<br />

im Gesundheitswesen)/ proCom Cert<br />

zertifizieren, was mit einer externen Prüfung<br />

im Dreijahres-Rhythmus einhergeht.<br />

Julian Hadschieff, WK-Fachverband<br />

der privaten Krankenanstalten und<br />

Kurbetriebe, über die neue Rechtsform<br />

„Ärzte-GmbHs sind<br />

eine unnotwendige<br />

neue Organisationsform.“<br />

Oktober 09 13


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

„Ich erlebe immer<br />

wieder, dass Patienten<br />

mit falschen<br />

Informationen aus<br />

dem Internet zu uns<br />

kommen.“<br />

Gerald Bachinger, Patientenanwaltschaft<br />

(NÖ), über Chancen von Elga<br />

„Man macht sich<br />

dadurch nach innen<br />

als auch nach außen<br />

total transparent,<br />

aber es lohnt sich.“<br />

Michael Heinisch, Vinzenz Gruppe,<br />

über Qualitätskontrolle im eigenen<br />

Haus<br />

„Man macht sich dadurch nach innen als<br />

auch nach außen total transparent, aber es<br />

lohnt sich, weil man sich kontinuierlich<br />

verbessert“, ist Michael Heinisch, Vorsitzender<br />

der Vinzenz Gruppe, überzeugt.<br />

Auch ein Risk Management System in<br />

Form einer EDV-Plattform hat man eingeführt:<br />

Hier halten Mitarbeiter so genannte<br />

Beinahefehler fest, um Kollegen auf Risiken<br />

aufmerksam zu machen. Das Schnittstellenproblem<br />

zwischen intra- und extramuralem<br />

Bereich umgeht die Vinzenz<br />

Gruppe, indem niedergelassene Ärzte in<br />

Pilotversuchen elektronisch Zugang zu<br />

Befunden haben. Ein Pilotprojekt in Oberösterreich<br />

spannt die Vernetzung weiter:<br />

Neben dem Krankenhaus Ried im Innkreis<br />

wurde kürzlich ein Ambulanzzentrum für<br />

niedergelassene Ärzte errichtet.<br />

Im niedergelassenen Bereich ist die<br />

Qualitätskontrolle derzeit noch in der<br />

Hand der ÖQMed, einer Tochtergesellschaft<br />

der Österreichischen Ärztekammer.<br />

Dementsprechend hagelt es Kritik: „Das<br />

wäre so, als würde die Pilotengewerkschaft<br />

die Piloten testen oder als würde<br />

die Fleischhauerinnung das Bundeslebensmittelamt<br />

ersetzen“, kritisiert Christian<br />

Köck. Johannes Steinhart verärgern<br />

Vorwürfe wie diese, denn: „Wir sind die<br />

einzige Kammer, die ihre Mitglieder mit<br />

einer Qualitätssicherung verpflichtet“.<br />

Dieser Streitpunkt soll – laut Kassensanierungspapier<br />

– bald ein Ende haben. Denn<br />

es ist die Ärztekammer selbst, die nun<br />

auch ein Qualitätsmanagementsystem<br />

nach KTQ entwickelt.<br />

Vorsorgen statt versorgen<br />

Dass die Prävention in Österreich Ausbaubedarf<br />

hat, bestätigen die Zahlen (1,9<br />

%), die unter dem EU-Durchschnitt (2,6<br />

%) liegen (Rechnungshof 2007). Eine Studie<br />

der WHO (2006) zeigt auf, dass Österreich<br />

ein Drittel mehr Betten und 50 Prozent<br />

mehr Spitalsaufenthalte verzeichnet<br />

als der EU-Durchschnitt – ein plakatives<br />

Beispiel der Angebotsinduktion. Dabei<br />

beginnt Gesundheitspolitik nicht im Krankenhaus,<br />

sondern bei der Prävention. Ein<br />

brauchbares Modell liefert Finnland, das<br />

nach dem Motto „Health in all Policies“<br />

gesundheitspolitisch relevante Themen<br />

in weitere Politikbereiche integriert. Und<br />

zwar auf allen politischen Ebenen, von der<br />

Bundesebene bis hin in die lokale. Dafür<br />

arbeiten in Finnland speziell ausgebildete<br />

Mitarbeiter aus der Gesundheitspolitik<br />

in den anderen Politikressorts mit. Dort<br />

bringen sie relevante Themen ein und<br />

überprüfen, ob diese von den Teams der<br />

Ressorts umgesetzt werden. Das Konzept<br />

legt durch seinen integrativen Charakter<br />

außerdem Wert auf Gesundheitsvorsorge<br />

– so etwa stammt das europaweite Diabetespräventionsprojekt<br />

DE-Plan aus Finnland.<br />

„Eine gesamtheitliche Gesundheitspolitik<br />

setzt bei der Prävention an, denn<br />

Medizin ist nur eine, und vermutlich<br />

nicht die effizienteste Form, Menschen<br />

gesund zu machen“, sagt Gesundheitsökonom<br />

Köck. „Zurzeit geht es zu stark um<br />

das Krankheitswesen“, klagt Ärztin Maier.<br />

Sie plädiert für eine Gesundheitsvorsorge,<br />

die schon im frühen Kindesalter beginnt<br />

und sich bis ins hohe Alter erstreckt. Vorbildwirkung<br />

in Form gesunder Ernährung<br />

und Bewegung ist ihr ebenso wichtig wie<br />

die Motivation älterer Menschen, geistig<br />

und körperlich aktiv zu bleiben.<br />

Optimales Schnittstellenmanagement<br />

Einen zentralen Stellenwert nimmt<br />

das Konzept der integrierten Versorgung<br />

ein. Es schafft eine Verbindung zwischen<br />

extra- und intramuralem Bereich, baut<br />

Doppelgleisigkeiten ab und stellt den<br />

Patienten und nicht die Einrichtung in<br />

den Vordergrund. „Integrierte Versorgung<br />

heißt, die gesamte Behandlungskette über<br />

Fachdisziplinen und Sektoren hinweg<br />

aufeinander abzustimmen“, erklärt Karin<br />

Eger, Leiterin der Abteilung Gesundheitspolitik<br />

und Prävention der Wiener<br />

Gebietskrankenkasse. Die integrierte Versorgung<br />

ist in einigen Bundesländern mit<br />

Reformpoolprojekten ins Rollen gekommen,<br />

eines der ersten Projekte war das<br />

Disease Management Programm Therapie<br />

Aktiv – Diabetes im Griff.<br />

Das primäre Problem dieser Projekte<br />

ist, dass sie vor allem dem intramuralen<br />

Bereich Einsparungen bringen, während<br />

im extramuralen Bereich zusätzliche<br />

Kosten anfallen. „Das Land hat Einsparungen,<br />

die Sozialversicherung hat die<br />

zusätzlichen Ausgaben – da spießt sich´s“,<br />

erläutert Karin Eger, die für eine volkswirtschaftliche<br />

Betrachtung des Gesundheitswesens<br />

plädiert und sich wünscht, dass<br />

14 Oktober 09


5 Jahre Pfizer Kids<br />

Hoffnung für morgen<br />

Armut macht krank und grenzt aus! Gerade bei Kindern kann sie aber auch massive seelische<br />

Belastungen verursachen. Hier setzt die Initiative „Hoffnung für morgen … dem Leben wieder<br />

Zukunft geben“ an. Seit 2004 ermöglicht diese gemeinsame Initiative von Caritas und Pfi zer<br />

Psycho therapie für Kinder und Jugendliche, die von Armut und Wohnungslosigkeit betroffen<br />

sind. Die Caritas der Erzdiözese Wien und Pfi zer Austria füllen eine Lücke im sozialen Beratungsund<br />

Betreuungsangebot, damit sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche wieder Vertrauen<br />

in die eigene Zukunft schöpfen können.<br />

www.pfizer.at


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

„Das Land hat<br />

Einsparungen, die<br />

Sozialversicherung<br />

hat die zusätzlichen<br />

Ausgaben – da<br />

spießt sich´s.“<br />

Karin Eger, Wiener Gebietskrankenkasse,<br />

über das primäre<br />

Problem der integrierten Versorgung<br />

gute Projekte nicht immer an der Finanzierungsfrage<br />

hängen bleiben. Ein Projekt,<br />

das ihr besonders am Herzen liegt und derzeit<br />

in der Entwicklungsphase ist, ist die<br />

Brustkrebsvorsorge. Hier will man nach<br />

EU-Standards Qualitätsrichtlinien für die<br />

Brustkrebsfrüherkennung erarbeiten und<br />

in Form eines nationalen Programms die<br />

Versorgung betroffener Frauen sicherstellen.<br />

Das soll medizinische, psychologische<br />

und soziale Komponenten für Frauen<br />

und deren Familien umfassen.<br />

Best Practice<br />

Das österreichische Gesundheitswesen<br />

belegt in internationalen Rankings Spitzenplätze,<br />

und doch lohnt es sich, über<br />

den Tellerrand zu blicken. Im Bereich der<br />

integrierten Versorgung sind die steuerfinanzierten<br />

skandinavischen Gesundheitssysteme<br />

vorbildlich. Das dänische Modell<br />

etwa bringt hochgradige Dezentralisierung,<br />

hat aber spitzenmedizinische Leistungszentren.<br />

Auch das finnische Modell<br />

ist ein dezentrales; auf zentraler Ebene<br />

wird die Gesundheitspolitik modellhaft<br />

mit weiteren Politikfeldern koordiniert.<br />

In den skandinavischen Ländern wird<br />

dem Allgemeinmediziner große Bedeutung<br />

beigemessen. Er ist erste Anlaufstelle<br />

für den Patienten, überweist bei Bedarf<br />

und fungiert als Informationsschnittstelle.<br />

Das Modell der integrierten Versorgung<br />

hat sich in den letzten 15 Jahren auch in<br />

der Schweiz etabliert. Das Krankenversicherungsgesetz<br />

in der Schweiz lässt ein<br />

Experimentierfeld im Sinne alternativer<br />

Versicherungsmodelle offen. Ein solches<br />

Versicherungsmodell ist etwa die Versorgung<br />

durch Ärztenetze. Hier verpflichtet<br />

sich der Versicherte, zuerst den Hausarzt<br />

aufzusuchen, der bei Bedarf an einen<br />

Facharzt aus dem eigenen Netzwerk oder<br />

an ein Spital überweist. „Etwa 50 Prozent<br />

der Ärzte sind in Ärztenetzen engagiert<br />

und bis zu 35 Prozent der Versicherten<br />

werden in Ärztenetzen betreut“, erklärt<br />

Peter Berchtold, Internist und Leiter des<br />

College-M in Bern. Dieses Instrument des<br />

Gatekeepings wurde übrigens von Ärzten<br />

und Versicherten zusammen entwickelt<br />

– und es funktioniert, wie die Nettoeffizienzsteigerung<br />

von zehn Prozent beweist.<br />

Allerdings lassen sich die Schweizer ihr<br />

System einiges kosten. Teils über Steuern,<br />

teils über Kopfprämien finanziert, geben<br />

unsere Nachbarn mit 11,1 Prozent des BIP<br />

viel für ihr Gesundheitswesen aus. „Das<br />

entspricht dem wettbewerblichen Verständnis<br />

unserer gesellschaftlichen Werte“,<br />

erklärt Berchtold.<br />

Das steuerfinanzierte britische System<br />

muss mit vielen Vorurteilen kämpfen,<br />

und dennoch hat es seine Vorteile, so zum<br />

Beispiel die Ergebnisorientierung statt<br />

der österreichischen Strukturorientierung<br />

und viel Transparenz durch Qualitätsmessung.<br />

Außerdem ist das britische Modell<br />

„der maximale Versuch, Parteipolitik und<br />

Populismus vom System fernzuhalten“,<br />

sagt Ernest Pichlbauer. „Wer glaubt, morgen<br />

eine Kompetenzänderung in der Bundesverfassung<br />

umsetzen zu können, der<br />

irrt“: Mit diesen Worten holt Josef Probst<br />

Visionäre auf den Boden der Realität<br />

zurück. Gesundheitspolitik ist ein heikles<br />

und Gesundheitsreform ein komplexes<br />

Thema. Letztlich ist es eine gesellschaftliche<br />

Entscheidung, welchen Anteil der<br />

Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen,<br />

wir ins Gesundheitswesen investieren.<br />

Und wie viel Ineffizienz, Intransparenz<br />

und Fragmentierung wir uns weiter leisten<br />

können.<br />

16 Oktober 09


Promotion<br />

Gesund in die Zukunft<br />

Die Gesundheitsversorgung der meisten Industrienationen<br />

leidet unter ähnlichen, existenzbedrohenden<br />

Problemen:<br />

• Schwindendes Vertrauen und Ängste der Bevölkerung<br />

in den bedarfsgerechten Zugang zu medizinischen<br />

Leistungen<br />

• Eklatante, strukturelle Defizite bei der Finanzierung auf<br />

Leistungsanbieter- als auch auf Versicherungsseite<br />

• Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen<br />

unter Beachtung von Wirtschaftlichkeit<br />

und Qualität<br />

Ohne grundlegende Reformen werden die meisten nationalen<br />

Systeme die nächsten Jahre nicht überdauern.<br />

Ganz besonders trifft dies auf die Gesundheitsversorgung<br />

zu: Bleiben die Produktivität, die finanzielle Basis und die<br />

Leistung auf dem derzeitigen Stand, so wird das Angebot<br />

von heute die Nachfrage von morgen nicht mehr decken<br />

können.<br />

Seit 1997 steigt in den OECD-Ländern der Anteil des Bruttoinlandsproduktes<br />

(BIP), der für Gesundheit verwendet<br />

wird, kontinuierlich an. 2002 gaben die 24 OECD-Länder<br />

insgesamt 2,7 Billionen US-$ für Gesundheit aus. Schätzungen<br />

zufolge werden sich die Gesundheitsaufwendungen<br />

der OECD-Länder im Jahr 2020 mehr als verdreifachen<br />

und bei etwa 10 Billionen US-$ jährlich liegen.<br />

Regierungen und Gesundheitseinrichtungen rund um<br />

den Globus suchen nach Lösungen, wie sie die steigenden<br />

Kosten kontrollieren und gleichzeitig den Zugang<br />

zu sicherer und hochwertiger medizinischer Versorgung<br />

gewährleisten können.<br />

Neue Versorgungskonzepte überschreiten die tradierten<br />

sektoralen Grenzen und die fortschreitende Globalisierung<br />

eröffnet den Raum für innovative, international<br />

geprägte Versorgungsmodelle.<br />

Unser Lösungsansatz besteht in einer konsequenten<br />

Zusammenführung sektoraler Gesundheitsbestandteile<br />

(Integration) sowie einem klaren Fokus auf bestandssichernde<br />

Elemente wie z.B. Qualität, Finanzierbarkeit und<br />

Zugang zu den Gesundheitssystemen (Nachhaltigkeit).<br />

Das Gesundheitssystem der Zukunft weist für uns<br />

folgende signifikante Merkmale auf:<br />

• Integrative Basis: Aufhebung der sektoralen Trennung<br />

bei Einbeziehung aller Akteure des Gesundheitswesens<br />

auf Grundlage eines bedarfsgerechten Zuganges zu medizinischer<br />

Leistung und Transparenz<br />

• Digitale Infrastruktur: Konsequenter und kompatibler<br />

Einsatz moderner Informationstechnologien in<br />

Verbindung mit intra- und interinstitutioneller<br />

Vernetzung<br />

• Anreizorientiertes Nachfragemanagement: Aufbau<br />

von Marktstrukturen als Steuerungsinstrumentarium<br />

• Qualität und Sicherheit<br />

• Strategische Ressourcenallokation<br />

• Innovationsorientierung und Fortschritt<br />

• Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Patientenzentrierte<br />

Informationsorientierung („Nicht der Patient<br />

muss bewegt werden, sondern die Informationen über<br />

den Patienten.“)<br />

Die Experten von PwC PricewaterhouseCoopers unterstützen<br />

Sie bei Ihren Herausforderungen mit den richtigen<br />

Rezepten und schaffen perfekte Rahmenbedingungen für<br />

eine erfolgreiche Umsetzung.<br />

Ihre Ansprechpartnerin:<br />

Dr. Andrea Kdolsky<br />

Leitung des Bereichs „Healthcare“<br />

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www.pwc.at<br />

Oktober 09 17


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

Interview<br />

Gertraud Eibl<br />

Fotos<br />

Hans Ringhofer<br />

„Ich warne davor,<br />

eine Vereinfachung<br />

im Gesundheitswesen<br />

vorzunehmen.“<br />

18 Oktober 09


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

Den Großglockner von<br />

mehreren Seiten besteigen<br />

Dem österreichischen Gesundheitssystem werden gute Noten ausgestellt.<br />

Und doch verlangt es nach Reformen. Alois Stöger, Bundesminister<br />

für Gesundheit, sprach mit REPUBLIK über gemeinsame Verantwortung<br />

und Qualitätsmanagement – und gab eine Warnung vor Vereinfachungen<br />

im Gesundheitswesen ab.<br />

Das Kassensanierungspapier von<br />

Ärztekammer und Hauptverband konnte<br />

den Koalitionspartner lange nicht überzeugen.<br />

Wie soll es nun weitergehen?<br />

Wir führen die Verhandlungen fort,<br />

denn wir wollen sicherstellen, dass die<br />

Leistungen den Patienten erreichen. Das<br />

Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und<br />

Patient muss auch auf der politischen<br />

Ebene wiederzufinden sein. Dazu braucht<br />

es ein Signal, dass die gesamte Bundesregierung<br />

bei allem Willen zum Sparen auch<br />

bereit ist, das System zu unterstützen. Die<br />

entscheidenden Partner im Gesundheitssystem<br />

– Ärztekammer, Krankenversicherungsträger<br />

und Hauptverband – haben<br />

gemeinsam Einsparungspotenziale definiert.<br />

Diese Leistungen verdienen Anerkennung<br />

und Unterstützung.<br />

Sie loben das österreichische Gesundheitssystem.<br />

Was macht seine Qualität<br />

aus?<br />

In Österreich steht den Bürgern ein<br />

sehr, sehr gutes Leistungsangebot zur Verfügung.<br />

Durch unser solidarisches System<br />

gelingt es, dieses Angebot relativ günstig<br />

zustande zu bringen. Wir geben im Vergleich<br />

zu anderen Ländern relativ wenig<br />

dafür aus.<br />

Und dennoch braucht unser fragmentiertes<br />

System eine Reform. Warum ist die<br />

Umsetzung so schwierig?<br />

Weil es keinen gesellschaftlichen Konsens<br />

darüber gibt und weil wir durch die<br />

Stärke der Bundesländer im Bereich der<br />

Krankenanstalten keine Veränderungsbereitschaft<br />

auf Länderebene spüren.<br />

Auch der Österreichkonvent hat dazu<br />

keine Ergebnisse gebracht. Für mich als<br />

Gesundheitsminister ist es wichtig – ausgehend<br />

von den derzeitigen Bedingungen<br />

– die Prozesse zu optimieren. Das geht<br />

aber nur dann, wenn Planung, Steuerung<br />

und Finanzierung in gemeinsame Verantwortung<br />

gelegt werden.<br />

Heißt das, Sie lehnen eine Finanzierung<br />

aus einer Hand ab?<br />

Ich warne eher davor, eine Vereinfachung<br />

im Gesundheitswesen vorzunehmen.<br />

Es ist notwendig, ein differenziertes<br />

System zu haben, in dem einer die Grenzen<br />

des anderen mitdenkt und zugleich<br />

Gesamtverantwortung übernimmt.<br />

Welche Rolle spielen dabei die Länder?<br />

In der Gesundheitspolitik ist es notwendig,<br />

sich auf die Region zu beziehen<br />

und auch dort Planung vorzunehmen. Ob<br />

wir tatsächlich zehn Krankenanstaltengesetze<br />

statt einer Rahmengesetzgebung<br />

brauchen, das ist eine andere Frage. Bei<br />

der Diskussion darüber würde ich mir<br />

wünschen, dass nicht jeder die Kosten<br />

auf andere abschiebt. Problematisch ist<br />

auch, dass wir über sehr viele Mythen im<br />

Gesundheitssystem reden. Diese halten<br />

einer kritischen Überprüfung aber nicht<br />

stand.<br />

Ein Mythos wäre zum Beispiel?<br />

Es gibt viele Pauschalierungen. Diese<br />

betrachte ich immer sehr, sehr vorsichtig.<br />

Ein Behandlungsprozess in der Region<br />

Rohrbach ist anders als einer in Fürstenfeld,<br />

weil andere Strukturen zur Verfügung<br />

stehen. Ich bin nicht dafür, dass die<br />

Versorgungsplanung irgendwo am Ende<br />

der Welt stattfindet – da muss man schon<br />

die konkrete Struktur vor Ort kennen. Ich<br />

bekenne mich dazu, dass wir dezentrale<br />

Gebietskörperschaften haben. Wichtig ist<br />

aber, dass die Schnittstellen besser koordiniert<br />

werden.<br />

Wie könnte so eine Schnittstellenkoordination<br />

aussehen?<br />

Es gibt klare Zielsetzungen: Wir müssen<br />

bis zum Jahr 2013 eine neue 15a-<br />

Vereinbarung über die Finanzierung des<br />

Gesundheitswesens zustande bringen.<br />

Die ersten Vorbereitungsarbeiten haben<br />

schon stattgefunden. Die Regelungen für<br />

die Darstellung der Kosten von Krankenanstalten<br />

sind schon beschlossen.<br />

Nach der Sicherung der Finanzierung der<br />

Gesundheitsversorgung für Arbeiter und<br />

Angestellte geht es an die Diskussion mit<br />

den Krankenanstalten.<br />

Was tut sich derzeit in der Weiterentwicklung<br />

des elektronischen Gesundheitsaktes<br />

Elga?<br />

2009 wurden wichtige Projekte zur<br />

Errichtung der Elga-Basisstrukturen und<br />

das Projekt E-Medikation gestartet. Bei<br />

dieser ersten konkreten Anwendung im<br />

Elga-System sollen die Informationen zu<br />

verschriebenen oder abgegebenen Medikamenten<br />

zwischen niedergelassenen<br />

Ärzten, Krankenhäusern und Apotheken<br />

ausgetauscht werden. Ziel ist die Vermeidung<br />

von unerwünschten Nebenwirkungen<br />

durch gleichzeitige Einnahme von<br />

Oktober 09 19


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

Minister Alois Stöger im<br />

Gespräch mit REPUBLIK-<br />

Redakteurin Gertraud Eibl.<br />

welche Maßnahmen gelingt das? Wie<br />

muss ich die Prozesskette aufbauen?<br />

nicht zusammenpassenden Medikamenten<br />

und die Vermeidung von Doppelverschreibungen.<br />

Internationalen Studien zufolge liegt<br />

hier Einsparungspotenzial in Millionenhöhe.<br />

Außerdem ist das eine wichtige<br />

Maßnahme zur Verbesserung der Patientensicherheit.<br />

Das System soll noch 2010<br />

realisiert werden. Insofern werden wir<br />

noch heuer eine Gesellschaft zur Errichtung<br />

und Weiterentwicklung von Elga<br />

gründen.<br />

Das Kassenpapier sieht auch die Einrichtung<br />

so genannter Ärzte-GesmbHs<br />

vor. Welche Vorteile haben solche Einrichtungen?<br />

Das ist insofern eine Chance, weil Ärzte<br />

auch moderne Formen der Betriebsführung<br />

anwenden können. Wir müssen aber<br />

auf der anderen Seite sicherstellen, dass<br />

der Bedarf und die Kosten den Bedürfnissen<br />

der Bevölkerung entsprechen.<br />

Wie stehen Sie zur Einrichtung spitzenmedizinischer<br />

Leistungszentren?<br />

Für mich stellt sich die Frage: Sollen<br />

alle Spitzenleistungen im neunten Wiener<br />

Gemeindebezirk stattfinden oder wollen<br />

wir dieses Leistungsangebot in Österreich<br />

verteilt haben? Da muss man mehrere<br />

Aspekte der Versorgung berücksichtigen.<br />

Wenn ich meinen Urlaub in einem Tiroler<br />

Tal verbringe und einen Schlaganfall<br />

erleide, möchte ich auch dort optimal<br />

behandelt werden.<br />

Womit ich nicht meine, dass jedes einzelne<br />

Krankenhaus alle Leistungen anbieten<br />

soll. Ich würde mich am Herz ja auch<br />

nicht in jedem Krankenhaus operieren<br />

lassen.<br />

Im Bereich der Qualitätskontrolle<br />

hinkt Österreich im europäischen Vergleich<br />

nach. Wo müsste man hier ansetzen?<br />

Qualität ist nicht nur Kontrolle, sondern<br />

Qualität heißt, Prozesse zu verbessern,<br />

aus Fehlern zu lernen und eine Fehlerkultur<br />

zu entwickeln.<br />

Die Fehler muss man aber auch erkennen,<br />

messen und dokumentieren.<br />

Erstens das und zweitens muss erlaubt<br />

werden, dass Medizin auch Fehler machen<br />

darf. Das setzt die Bereitschaft voraus, aus<br />

Fehlern zu lernen. Wir haben derzeit in<br />

vielen Krankenanstalten eine Kultur, die<br />

Fehler nicht zulässt, weil viele meinen, in<br />

der Medizin darf es keine Fehler geben.<br />

Wird bei uns weniger gemessen als in<br />

anderen Ländern, weil man sich vor Fehlern<br />

fürchtet?<br />

Ich glaube, dass es in anderen Ländern<br />

nicht anders ist. Ich bin immer vorsichtig<br />

mit Vergleichen. Wir wollen jedenfalls,<br />

dass die Ärzte im niedergelassenen<br />

Bereich ein Fehlermanagementsystem<br />

entwickeln. Das beinhaltet die Dokumentation<br />

und die Erarbeitung von Qualitätsrichtlinien.<br />

Richtlinien bieten Sicherheit<br />

und Orientierung in Prozessen. Eine wichtige<br />

Rolle wird hier das Bundesinstitut für<br />

Qualität im Gesundheitswesen (BIQG)<br />

spielen. Für mich ist Qualität: Was kommt<br />

beim Patienten an? Was sind die entscheidenden<br />

Gesundheitsziele? Wie sind wir in<br />

der Lage, diese Gesundheitsziele messbar<br />

zu erreichen? Ich stelle mir zum Beispiel<br />

vor, die Anzahl der Rollstuhlfahrer nach<br />

einem Schlaganfall zu reduzieren. Und da<br />

muss man sich die Frage stellen: Durch<br />

Wie groß ist die Chance, dass einige<br />

der Reformpoolprojekte (Anmerk. der<br />

Redaktion: Projekte zur Leistungsverschiebung<br />

zwischen intra- und extramuralem<br />

Bereich), zum Beispiel im Bereich<br />

der Diabetesschulung, in den Regelbetrieb<br />

übergeleitet werden?<br />

Wenn ich mir die Einschreiberate in<br />

die Diabetes-Programme ansehe, dann<br />

sind wir nicht erfolgreich. Da ist noch<br />

Handlungsbedarf. Vielleicht müssen wir<br />

die Bereitschaft haben, unterschiedliche<br />

Wege zu gehen, um zum selben Ziel zu<br />

kommen. Man kann den Großglockner<br />

von mehreren Seiten besteigen. Grundsätzlich<br />

gehe ich aber davon aus, dass die<br />

Verantwortlichen in den Landesgesundheitsfonds<br />

Entscheidungen treffen werden.<br />

Es gibt viele Reformpoolprojekte, die<br />

es verdienen, umgesetzt zu werden.<br />

Ist das System derzeit zu institutionenorientiert<br />

und zu wenig patientenorientiert?<br />

Es ist sicher notwendig, es patientenorientierter<br />

zu machen. Eine nachhaltige<br />

Gesundheitsversorgung braucht aber auch<br />

gute Institutionen. Ich würde nicht alles<br />

verteufeln, weil eine Institution Nachhaltigkeit<br />

sichert. Und diese brauchen wir im<br />

Gesundheitssystem.<br />

Was sind Ihre persönlichen Erfolge,<br />

auf die Sie seit Antritt Ihrer Amtszeit<br />

zurückblicken?<br />

Dass es gelungen ist, die Menschen im<br />

Gesundheitswesen auch von Seiten des<br />

Ministeriums wieder wertzuschätzen. Ich<br />

bin sehr zufrieden, dass wir in der Frage<br />

der Finanzierung der Gebietskrankenkassen<br />

die Trendumkehr geschafft haben.<br />

Bisher war es ja so, dass man den Kassen<br />

Geld entzogen hat. Jetzt steht erstmals seit<br />

Bestehen des ASVG ein Beitrag direkt aus<br />

dem Budget für die Krankenkassen zur<br />

Verfügung.<br />

Das ist ein Signal in die Richtung, dass<br />

nicht alles aus Arbeitseinkommen bezahlt<br />

werden muss, was im Gesundheitsbereich<br />

an Ausgaben vorhanden ist. Wir haben<br />

viele kleine Details zustande gebracht, die<br />

Verbesserungen sind.<br />

20 Oktober 09


Fragen zum modernen Gesundheitswesen.<br />

Was bedeutet<br />

es eigentlich,<br />

dass wir immer<br />

älter werden?<br />

FRAGEN SIE EINMAL IHRE ENKELKINDER...<br />

Wir werden immer älter – und es wird unserer Meinung nach viel zu selten gesagt, wieviel Glück das bedeuten<br />

kann. Für die Kinder, die von ihrer Oma Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen bekommen und von ihrem Großvater<br />

noch das Angeln lernen (von den Eltern ganz zu schweigen, die sich endlich einen Abend frei nehmen können).<br />

Medikamente tragen dazu einen wichtigen Teil bei – entwickelt von engagierten Mitarbeitern in der<br />

Pharma-Industrie, die weltweit in Forschung und Entwicklung tätig ist.<br />

Der Preis dafür lohnt sich – denn das Ergebnis, ein langes Leben in<br />

Würde, ist un bezahlbar. Weitere klare Antworten über die Rolle der<br />

Pharma-Industrie in Ihrem Leben geben wir gerne unter www.pharmig.at<br />

Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs<br />

PH_180x260_alter werden.indd 1<br />

08.10.2009 9:46:07 Uhr


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

Text<br />

Stefan Böck<br />

Fotos<br />

Richard Tanzer<br />

Es ist alles sehr kompliziert<br />

Das Gesundheitssystem ließe sich verbessern, darüber sind sich die<br />

meisten Experten einig. Über das Wie lässt sich allerdings trefflich streiten.<br />

REPUBLIK lud zum Round-Table: Martin Rümmele diskutierte mit Clemens<br />

Auer (Sektionsleiter im Gesundheitsministerium), Hubert Dressler (Präsident<br />

der Pharmig), Josef Kandlhofer (Hauptverband), Günther Wawrowsky<br />

(Vizepräsident der Ärztekammer) und Martin Gleitsmann (WKO). (v.l.n.r.)<br />

Verführerisch sei die Frage, mit der<br />

Moderator Martin Rümmele die Runde<br />

eröffnet, meinte zumindest der Sektionsleiter<br />

im Ministerium Clemens Auer:<br />

„Gibt es überhaupt Probleme im Gesundheitswesen?“<br />

Rümmele hat sich möglicherweise<br />

vom Auftritt des Gesundheitsministers<br />

Alois Stöger bei den Gesundheitsgesprächen<br />

in Alpbach inspirieren<br />

lassen. Stögers Sektionsleiter Auer antwortet<br />

diplomatisch: „Es haben wohl alle<br />

hier in dieser Runde Bilder von einem<br />

noch besseren System im Kopf. Keiner<br />

von uns kann jedoch einen solchen Bauplan<br />

völlig alleine durchsetzen, weil wir<br />

im Gesundheitssystem mit einer heterogenen<br />

Zuständigkeit konfrontiert sind. Das<br />

macht es nicht einfacher ein System, das<br />

gut arbeitet, noch zu verbessern.“<br />

Tatsächlich regt sich im Vergleich<br />

etwa mit dem Bildungssystem von Seite<br />

der Steuerzahler kaum Protest. Für Sektionsleiter<br />

Auer ist das ein Hinweis darauf,<br />

dass die Leistungen des Systems o.k. sind:<br />

„Wir haben mit wenigen Ausnahmen hervorragende<br />

Ärzte, guten Zugang zu Arzneimitteln<br />

und ein Versicherungssystem,<br />

um das uns der Rest der Welt beneidet. So<br />

gesehen haben wir keine große Krise. Die<br />

entsteht, wenn es um die Finanzierungsfragen<br />

geht. Auch hier wissen alle, wie es<br />

besser ginge, aber keiner ist in der Lage<br />

das alleine durchzusetzen.“<br />

Die Föderalismusfalle<br />

Als Vertreter der Pharmaindustrie<br />

versucht Hubert Dressler diese Aussage<br />

zu relativieren: „Nur in den wenigsten<br />

Fällen ist der Zahler auch der Nutznießer<br />

des Systems. Brauchen tun es die<br />

Menschen über 60, zahlen tun jedoch<br />

die un-ter 60-Jährigen.“ Der Pharmig-<br />

Präsident sieht die Grundproblematik<br />

in der föderalistischen Struktur des Systems.<br />

„Ich halte Föderalismus prinzipiell<br />

für gut, aber nicht im Gesundheitssystem,<br />

weil uns das daran hindert die notwendigen<br />

und richtigen Aufgaben und<br />

Verantwortlichkeiten umzuschichten. Ich<br />

halte nichts davon, alles für alle in jedem<br />

kleinen Provinzort anzubieten.“<br />

Josef Kandlhofer stimmt teilweise zu,<br />

jedoch nicht ohne vorher zu betonen, dass<br />

„nicht alle Kassen Probleme haben“. Der<br />

Generaldirektor im Hauptverband der<br />

Sozialversicherungsträger sieht die Komplexität<br />

der Kompetenzregelungen als ein<br />

22 Oktober 09


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

wesentliches Problem. Er erinnert sich<br />

ebenfalls gut an die Alpbacher Gespräche<br />

von Anfang September, wenn er, freilich<br />

ohne den Namen Wolfgang Sobotka (Landeshauptmann-Stellvertreter<br />

in Niederösterreich;<br />

Anm. d. Red.) auszusprechen,<br />

kritisiert, dass „von so manchem Ländervertreter<br />

der volkswirtschaftliche Aspekt<br />

der Spitalspolitik ins Spiel gebracht wird.<br />

Das wird für uns durchaus gefährlich,<br />

denn als Versicherer haben wir alles zu<br />

tun, nur nicht diese Interessen zu vertreten.“<br />

Sobotka hat in Alpbach die kühne<br />

These formuliert, wonach es schließlich<br />

die Bundesländer gewesen wären, die<br />

den Bund gegründet hätten und, so der<br />

Subtext, wohl klar sein müsse, wer die<br />

Macht hat. Aus Sicht des Hauptverbandes<br />

ist genau das ein eher wenig konstruktiver<br />

Beitrag zur Dauerdebatte um die Gesundheitsreform.<br />

Kandlhofer: „Wir müssen<br />

stets Über-, Unter- und Fehlversorgungen<br />

hinterfragen, weil das System insgesamt<br />

unflexibel ist und da spielt der Föderalismus<br />

eine gewisse Rolle. In Alpbach wurde<br />

von einem prominenten Ländervertreter<br />

von der vielzitierten Finanzierung aus<br />

einer Hand gesprochen. Diese Position<br />

vertreten wir auch, allerdings meinen wir<br />

wohl unterschiedliche Hände.“ Insgesamt<br />

hält Kandlhofer die Probleme für lösbar,<br />

„vor allem dann, wenn es gelingt die Komplexität<br />

des Systems zu entflechten“.<br />

Der Patient im Mittelpunkt?<br />

Der Vizepräsident der Ärztekammer<br />

Günther Wawrowsky bringt erstmals die<br />

Patientenperspektive ein, die leider viel<br />

zu oft bei solch systemischen Debatten die<br />

Froschperspektive darstellt. Der niedergelassene<br />

Internist kennt die Bedürfnisse<br />

der Menschen aus seiner Praxis: „Wir<br />

müssen die Patienten optimal versorgen,<br />

nach allen Möglichkeiten der medizinischen<br />

Kunst und nicht nach der Finanzlage<br />

der Kassen. Zwar kann ich als Arzt dem<br />

System ein Stück weit entgegenkommen,<br />

das wird im Spitalsbereich aber bereits<br />

beim Thema Arbeitszeit eine echte Gratwanderung.“<br />

Der Internist spricht damit<br />

die Tatsache an, dass in vielen Krankenhäusern<br />

jenseits des gesetzlich Erlaubten<br />

gearbeitet wird. Im niedergelassenen<br />

Bereich sieht er zunehmende Tendenzen<br />

in Richtung einer Zwei-Klassen-<br />

Medizin, „weil die Sozialversicherungen<br />

mit den Bedürfnissen nicht mehr Schritt<br />

halten können und die Patienten in Richtung<br />

Wahlarzt und Privatkrankenanstalten<br />

ausweichen. Wawrowsky ortet im<br />

Umgang der Politik mit den Sozialversicherungen<br />

„die eigentlich einen Großteil<br />

der Bedürfnisse decken könnten“ das<br />

Hauptproblem: „Das ist eine politische<br />

Frage, keine gesundheitliche, und das<br />

macht mir Sorgen.“<br />

Ineffizienz ist unethisch<br />

Der Leiter der Abteilung für Sozialpolitik<br />

und Gesundheit in der Wirtschaftskammer,<br />

Martin Gleitsmann, schlägt in<br />

dieselbe Kerbe: „Die verschiedenen Versorgungsebenen<br />

agieren teilweise völlig<br />

voneinander getrennt. Das macht für viele<br />

Patienten den Weg zum Ziel sehr kompliziert.<br />

Wenn wir erreichen könnten, dass<br />

jeder, der ein gesundheitliches Problem<br />

hat, den direkten Weg findet, hätten wir<br />

mit einem Schlag sehr viele Probleme<br />

gelöst.“ Wobei er einräumt, dass niemand<br />

die genaue Dimension des Problems<br />

kennt. Das System kritisiert der WKO-<br />

Mann als in höchstem Maße intransparent<br />

und unkoordiniert.<br />

Zur Überwindung der unterschiedlichen<br />

Kompetenzverteilung hält Gleitsmann<br />

technologische Mittel, wie eHealth<br />

für ein taugliches Mittel, stellt aber erneut<br />

den Menschen in den Mittelpunkt, wenn<br />

er sagt: „Ineffizienz ist unethisch, denn<br />

das Geld, dass dadurch verloren geht, an<br />

anderen Stellen fehlt, wo man es dringend<br />

brauchen würde.“<br />

Martin Gleitsmann legt eine weitere<br />

bittere Wahrheit auf den Tisch: „Wir haben<br />

es nicht einmal in einer Phase der Höchstkonjunktur<br />

geschafft, die Krankenversicherungen<br />

stabil zu halten und Rücklagen<br />

zu bilden. Sogar in dieser Zeit wurde ein<br />

Minus aufgebaut! Dass sich das jetzt in der<br />

Krise durch Wegfälle auf der Beitragsseite<br />

noch verschlimmert ist klar. Die Krankenbehandlung,<br />

heißt es im gesetzlichen Auftrag,<br />

muss ausreichend und zweckmäßig<br />

sein und darf das Maß des Notwendigen<br />

nicht überschreiten. Wenn wir nur das<br />

sicherstellen könnten, hätten wir keine<br />

Probleme zu diskutieren.“<br />

Finanzierung aus einer Hand<br />

Immer wieder taucht bei Reformdiskussionen<br />

im Gesundheitssektor das<br />

Schlagwort von der Finanzierung aus<br />

einer Hand auf. Ist das wirklich das Allheilmittel?<br />

Wie müsste diese Organisation<br />

aussehen und vor allem: Wer verhindert<br />

das?<br />

Clemens Auer verweist auf das Jahr<br />

2005: „Wir haben damals die Landes-<br />

Oktober 09 23


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

plattformen eingerichtet, mit dem Ziel,<br />

optimale Settings für regionale Strukturen<br />

zu erarbeiten und dann sogar zu einer<br />

gemeinsamen Finanzierung zu kommen.<br />

Ich habe es leider noch nicht erlebt, dass<br />

eine Landesplattform ein gemeinsames<br />

Budget für die Gesamtversorgung eines<br />

Bundeslandes gemacht hat.“<br />

Der Sektionsleiter im Gesundheitsministerium<br />

verweist allerdings auch auf die<br />

geringen Druckmittel des Bundes, derlei<br />

Dinge stärker einzufordern: „In der Verfassungswirklichkeit,<br />

in der der Gesetzgeber<br />

steht, kann immer nur von „Können“ die<br />

Rede sein. „Müssen“, das hat man dem<br />

Bundesgesetzgeber nie erlaubt.“<br />

Wie bitte? Hat der Gesetzgeber gar<br />

nicht ausreichende Möglichkeiten ins<br />

System korrigierend einzugreifen? Auer:<br />

„Der Gesundheitsminister hat in unserem<br />

System die Chance die Leute an einen<br />

Tisch zu bringen und mit ihnen gemeinsam<br />

Dinge zu vereinbaren. Erzwingen<br />

kann weder der Minister noch der Gesetzgeber<br />

etwas.“<br />

Der Generalsekretär im Hauptverband<br />

der Sozialversicherungsträger Josef<br />

Kandlhofer outet sich an dieser Stelle der<br />

Diskussion als „unbedingter Verfechter<br />

des Fiedlerschen Verfassungsentwurfs“,<br />

denn dort steht: Das Gesundheitswesen<br />

ist Bundessache in Gesetzgebung und<br />

Vollziehung. „Das würde die Komplexität<br />

radikal ändern, als gelernter Österreicher<br />

weiß ich aber, dass wir das nicht so schnell<br />

erleben werden.“ Er sieht jedoch eine<br />

große Chance aufgrund der Beitragseinnahmenentwicklung<br />

etwas zu bewegen.<br />

Die Zahlungen der Krankenversicherung<br />

an die Spitäler sind ja davon abhängig.<br />

„Wenn die Beitragseinnahmenentwicklung<br />

so anhält, werden die Landesfonds<br />

einige hundert Millionen Euro weniger<br />

bekommen, als sie noch vor kurzem<br />

erwartet haben. Das kann einen Sinneswandel<br />

bewirken.“<br />

Phantomschmerzen<br />

Bleibt die Frage, ob nicht weniger<br />

Föderalismus sofort einen unerwünschten<br />

Zentralismus nach sich zieht. Hubert<br />

Dressler teilt diese Bedenken zum Teil:<br />

„Die Gefahr ist, dass man damit einen riesigen<br />

Monopolisten schafft“, worauf Josef<br />

Kandlhofer markig antwortet: „In Österreich<br />

ist doch niemand zentralistischer als<br />

der Föderalismus auf seiner Ebene. Wenn<br />

man sich ansieht wie zentralistisch die<br />

Länder organisiert sind, dann darf man<br />

das schon in eine Gesamtbetrachtung mit<br />

einbeziehen. Dort wird doch verhindert,<br />

dass wir eine Verwaltungsebene herausnehmen!“<br />

Der Pharmig-Präsident relativiert,<br />

indem er erklärt, den alten Plan, vier<br />

Gesundheitsregionen zu etablieren, nach<br />

wie vor für richtig zu halten: „Ich will<br />

nicht, dass in Wien ein Beamter sitzt, der<br />

für das ganze Land die Entscheidungen<br />

trifft. Es muss einen Topf geben, aus dem<br />

ich für das ganze Land zuteile, aber in<br />

Regionen, in denen das geografisch einen<br />

Sinn macht. Eines ist klar, auch wenn wir<br />

behaupten, das System ist toll, auf Dauer<br />

gesehen ist es in der Finanzierungsstruktur<br />

und Organisationsform nicht zu halten.“<br />

„Das ist der entscheidende Punkt“,<br />

schaltet sich Martin Gleitsmann an dieser<br />

Stelle ein: „Es ändert sich nur etwas,<br />

wenn der Leidensdruck so hoch ist, dass<br />

man reagieren muss. Die Länder können<br />

bald nicht mehr am Thema vorbei.“ Der<br />

Abteilungsleiter in der Wirtschaftskammer<br />

würde ein Nachfragemodell bevorzugen,<br />

in dem die Sozialversicherung für<br />

ihre Versicherten die Leistungen am Markt<br />

einkauft, jeweils dort, wo es am sinnvollsten<br />

und hochwertigsten ist.“<br />

Mehr Transparenz<br />

Der Vizepräsident Günther Wawrowsky<br />

warnt an dieser Stelle erneut vor einer<br />

allzu ökonomischen und pragmatischen<br />

Betrachtung. „Ich warne davor, den Leidenden<br />

außer Acht zu lassen. Eine Vereinfachung<br />

des Systems heißt noch lange<br />

nicht, dass es damit besser ist. Ein komplexes<br />

System kommt auf die individuellen<br />

Ansprüche des Einzelnen viel besser<br />

hin, aber es ist natürlich mühsam, es zu<br />

entwirren.“<br />

Sektionsleiter Clemens Auer kontert:<br />

„Die Qualität hat sehr wohl etwas mit der<br />

Versorgungsstruktur zu tun! Wir kommen<br />

um die Organisationsfragen nicht herum.<br />

Ich bin überzeugt, dass Herr Wawrowski<br />

ein exzellenter Internist ist, aber er hat<br />

nur eine beschränkte Kapazität Patienten<br />

zu behandeln und das liegt nicht an seiner<br />

Fähigkeit, sondern an seiner Organisationsform.<br />

Deshalb rede ich schon seit<br />

langem, dass wir für den niedergelassenen<br />

Bereich bessere Organisationsformen<br />

brauchen, ambulante Organisationsformen,<br />

in der Hoheit des freien Berufsstandes<br />

der Ärzte und deren Partner.“<br />

Prävention<br />

Noch einmal wird ein bereits in Alpbach<br />

heftig diskutiertes Thema aufgegriffen.<br />

Dort haben der Yale-Professor David<br />

L. Katz wie auch Professor Kurt Widhalm<br />

von der Uni Wien sehr unerfreuliche Zahlen<br />

und Fakten zum Thema Adipositas<br />

vorgelegt. Generaldirektor Josef Kandlhofer<br />

bringt es auf den Punkt: „Wir rennen<br />

sehenden Auges in eine Katastrophe. Es<br />

sind bereits 900.000 Menschen in diesem<br />

Land adipös.“ Hubert Dressler stimmt zu,<br />

hat jedoch Zweifel, ob man dieses Ruder<br />

noch herumreißen kann: „Wenn wir alle<br />

Maßnahmen durchziehen, dann ist das<br />

einzige was wir schaffen könnten eine<br />

Stagnation der Fälle.“ Er fordert daher<br />

eine Art Bonus-Malus-System und zitiert<br />

das französische Modell der Besteuerung<br />

des Zuckergehalts von Getränken und die<br />

Fettgehaltbesteuerung als durchaus nachahmenswert.<br />

Martin Gleitsmann hingegen fordert<br />

verpflichtende Bewegung und Unterricht<br />

über gesunde Ernährung vom Kindergarten<br />

an: „Das sollte sich im Berufsleben<br />

fortsetzen, im Bereich der betrieblichen<br />

Gesundheitsförderung ist noch einiges zu<br />

tun und es gibt Modelle hier Anreize zu<br />

schaffen.“<br />

Könnte hier das Gesundheitsminissterium<br />

eingreifen? Clemens Auer: „Wir<br />

finanzieren das Thema Prävention nicht<br />

ordentlich, weil wir keine Finanzmechanismen<br />

dafür entwickelt haben. Es kommt<br />

darauf an, die Systeme besser zu organisieren<br />

und die Allokation von Mitteln ist<br />

immer das zentrale Thema. Das Präventionsthema<br />

hat etwas mit Lebensstil zu tun<br />

und da brauche ich Anreize, die die Ärzte<br />

nicht leisten können, sondern das ist eine<br />

gesellschaftliche Frage. Die Ärzte sollen<br />

da mitwirken, aber wir können ihnen diese<br />

Aufgabe nicht umhängen.“<br />

24 Oktober 09


Text<br />

Stephan Strzyzowski<br />

Schwerpunkt<br />

Gesundheitsnetzwerk<br />

Das österreichische<br />

Gesundheitswesens<br />

Gute Kontakte sind auch im heimischen Gesundheitswesen<br />

von zentraler Bedeutung. Wer nun mit wem wie stark vernetzt ist,<br />

zeigt eine vom Wiener Forschungs- und Beratungsunternehmen<br />

FAS.research erstellte Landkarte des Gesundheitsnetzwerks.<br />

Netzwerke sind die Infrastruktur,<br />

durch die sich Personen und Unternehmen<br />

Zugang zu Ressourcen unterschiedlichster<br />

Art verschaffen – sei es Geld, Wissen<br />

und Informationen, Bekanntheit und Prestige,<br />

oder Kontakte. Wie gut der Zugang<br />

zu diesen Ressourcen ist, hängt jeweils<br />

von der Position ab, die man im Netzwerk<br />

einnimmt. Deshalb ist es wichtig, über<br />

die Struktur der Netzwerke Bescheid zu<br />

wissen, in denen man sich bewegt und in<br />

denen man seine Kunden hat. Überblick<br />

und Orientierung über die Netzwerke in<br />

allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen<br />

bietet FAS.research auf Basis einer<br />

firmeneigenen Netzwerkdatenbank mit<br />

ihren Maps. Das Rüstzeug dafür bezieht<br />

das Forschungsunternehmen aus den<br />

langjährigen Erfahrungen mit Beziehungsaufbau<br />

und Netzwerkmanagement,<br />

die sie in Form von Beratungs-, Workshops-<br />

und Visualisierungstools ihren<br />

Kunden zur Verfügung stellt. Für REPU-<br />

BLIK hat FAS.research eine Analyse des<br />

Gesundheitswesens vorgenommen. Die<br />

Abbildung auf den Seiten 26-27 zeigt die<br />

wichtigsten Institutionen des österreichischen<br />

Gesundheitswesens sowie die<br />

Organisationen, mit denen sie verbunden<br />

sind. Diese Verbindungen werden durch<br />

Personen hergestellt, die in ihnen Führungsfunktionen<br />

bekleiden oder Mitgliedschaften<br />

innehaben. Kreise symbolisieren<br />

die Institutionen, Linien die Verbindungen.<br />

Die Farben beziehen sich auf gesellschaftliche<br />

Bereiche. Je größer ein Kreis,<br />

mit desto mehr anderen Institutionen ist<br />

die jeweilige Organisation verflochten.<br />

Die Dicke der Linien bezieht sich auf die<br />

Anzahl der verbindenden Personen.<br />

Starke Cluster<br />

Die Ergebnisse: Es zeichnen sich<br />

deutlich mehrere Cluster ab. In der rechten<br />

oberen Bildhälfte befindet sich der<br />

Politikcluster mit dem Hauptverband im<br />

Zentrum, der mit den Institutionen der<br />

Sozialpartnerschaft, dem Parlament und<br />

den Parteien verbunden ist. In der linken<br />

Bildhälfte wird der Banken- und Industriesektor<br />

sichtbar, der eng mit der Industriellenvereinigung,<br />

dem Roten Kreuz,<br />

mit verschiedenen Wirtschaftsforschungseinrichtungen<br />

sowie diversen Clubs und<br />

Vereinen verbunden ist. Oberösterreich<br />

und Wien stellen ebenfalls eigene Bereiche<br />

dar. Links unten wird ein Cluster<br />

sichtbar, der sich aus Ärztegesellschaften<br />

zusammensetzt. Rechts unten schließlich<br />

befindet sich der Bereich der Pharmazeutik<br />

– die Pharmaproduzenten und –händler<br />

mit ihren Interessenverbänden.<br />

Besondere Bedeutung haben die Institutionen,<br />

die zwischen den verschiedenen<br />

Clustern „brokern“. Niederösterreich<br />

verbindet mit verschiedenen Institutionen<br />

Wirtschaft und Politik (NÖGKK, Club<br />

Niederösterreich, Niederösterreichischer<br />

Landesjagdverband sind wichtige Beispiele).<br />

Die Rotary Clubs spielen eine zentrale<br />

Rolle für die Verbindung zwischen<br />

Wirtschaft, Ärzten und Politik. Die Wiener<br />

Gesundheitsplattform überbrückt die<br />

Medizin und die Politik. Und der Cartellverband<br />

schließlich stellt – wie an seiner<br />

zentralen Position im Netzwerk deutlich<br />

wird – Verbindungen zwischen allen<br />

genannten Clustern her.<br />

F a c t b o x<br />

FAS.research<br />

FAS.research ist ein international tätiges<br />

Forschungs- und Beratungsunternehmen in<br />

den Bereichen soziale Netzwerkanalyse und<br />

Komplexitätsforschung, das mit Firmensitzen<br />

in Wien und in New York vertreten ist. Neben<br />

einer differenzierten Palette an Dienstleistungen<br />

im Zusammenhang mit Netzwerk-Evaluationen<br />

und Netzwerk-SWOT-Analysen für<br />

das Wissens- und Innovationsmanagement<br />

entwickelt FAS.research Software- und<br />

Beratungstools für die Bereiche Key Account<br />

Management, Public Affairs, sowie Sales &<br />

Lobbying. Dabei geht es insbesondere darum,<br />

jene Schlüsselspieler, Schlüsselressourcen und<br />

Schlüsselfaktoren in sozialen Netzwerken zu<br />

identifizieren, die für den Erfolg von Unternehmen,<br />

Organisationen, Projekten und Prozessen<br />

kritisch sind.<br />

Seit 2001 mit dem Produkt „Netzwerkanalyse“<br />

am Markt, liegen die besonderen Kompetenzen<br />

der FAS.research in den in über 250<br />

Projekten dokumentierten industrie- und<br />

branchenübergreifenden Erfahrungen, den fortgeschrittenen<br />

Visualisierungstechniken sowie<br />

einer kontinuierlichen, intensiven Forschungsund<br />

Entwicklungsarbeit, die den Ruf von FAS.<br />

research als einem international führenden<br />

Unternehmen im Bereich der anwendungsorientierten<br />

Netzwerkanalyse begründen.<br />

Oktober 09 25


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

Text<br />

Lukas Wiesböck<br />

Illustration<br />

Photos.com<br />

Die IT als Hebel<br />

Um für die Zukunft gerüstet zu sein, muss unser Gesundheitssystem<br />

effizienter verwaltet werden. Beim Hauptverband der<br />

Sozialversicherungsträger setzt man dafür auf ein modernes und<br />

zentral gesteuertes IT-Netzwerk.<br />

„Sparen in der<br />

IT und sparen<br />

mit der IT.“<br />

Volker Schörghofer, Hauptverband<br />

der Sozialversicherungsträger<br />

Auf das Gesundheitssystem kommen<br />

in den nächsten Jahren große Herausforderungen<br />

zu. Was auf den ersten Blick wie<br />

eine ebenso vage wie abgedroschene Prophezeihung<br />

aussieht, wird langsam aber<br />

sicher Realität: Immer weniger Erwerbstätige<br />

müssen immer mehr und immer<br />

länger lebende Pensionisten finanzieren.<br />

Sinkende Beitragszahlungen stehen somit<br />

einem steigenden Bedarf von Gesundheitsleistungen<br />

gegenüber. Verantwortlich<br />

dafür sind gesellschaftliche und demografische<br />

Veränderungen sowie eine höhere<br />

Lebenserwartung. Es scheint also nur eine<br />

Frage der Zeit zu sein, bis bei der Finanzierung<br />

zusehends Engpässe auftreten,<br />

die aus dem allgemeinen Steueraufkommen<br />

gedeckt werden müssen.<br />

Beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger<br />

ist man bemüht, diesen<br />

Entwicklungen frühzeitig entgegenzutreten<br />

und das Wachstum der Kosten zu<br />

verlangsamen, ohne die Leistungen zu<br />

kürzen. Einen wichtigen Beitrag soll die<br />

Verwaltung leisten. Sie konsumiert derzeit<br />

2,2 Prozent der Einnahmen der Sozialversicherungsträger<br />

– das entspricht rund<br />

einer Milliarde Euro. Bis 2013 will man<br />

pro Jahr 35 Millionen Euro – insgesamt 15<br />

Prozent des Budgets – einsparen.<br />

Kürzungspotenzial erwartet man sich<br />

vor allem in der IT. Das Konzept dahinter<br />

ist schnell umrissen: „Sparen in der IT und<br />

sparen mit der IT”, sagt Volker Schörghofer,<br />

stellvertretender Generaldirektor des<br />

Hauptverbands – zuständig für IT, Organisation<br />

und Wirtschaftswesen. Durch Vereinheitlichung<br />

und Modernisierung der<br />

EDV-Systeme sowie einer Reorganisation<br />

des Kundenservice sollen die internen<br />

Kosten nach einer anfänglichen Investitionsphase<br />

deutlich gesenkt werden. Durch<br />

eine Bündelung der Kräfte solle die IT<br />

dann in Zukunft zu „einem Hebel für eine<br />

effiziente Administration” der Sozialversicherung<br />

werden und helfen, unnötige<br />

Kosten wie Mehrfachverordnungen zu<br />

vermeiden, so Schörghofer.<br />

Gemeinsam mit dem ausgegliederten<br />

Rechtsträger IT-SV, der die IT-Aktivitäten<br />

der SV-Träger koordiniert und steuert, sollen<br />

nun konkrete Schritte realisiert werden.<br />

Weniger ist mehr<br />

Im vergangenen Juli wurde die Übertragung<br />

der Rechenzentren der Wiener sowie<br />

der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse<br />

an das System der IT-SV fixiert. „Die<br />

Konsolidierung der Rechenzentren eröffnet<br />

neue Spielräume für einen koordinierten<br />

und kostenbewussten Ausbau der IT-<br />

Produkte in der Sozialversicherung”, sagt<br />

Hubert Wackerle, technischer Geschäfts-<br />

28 Oktober 09


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

führer der IT-SV. Die Nutzung von Synergiepotenzialen<br />

komme dabei nicht nur<br />

den Versicherungsträgern zu Gute. Die IT-<br />

SV hatte schon 2007 begonnen, ihre Infrastruktur<br />

aufzustocken und die passende<br />

Software zu entwickeln, um die enormen<br />

Datenmengen der beiden Kassen aufnehmen<br />

zu können. Damit wurde der Standard<br />

gelegt, die Konsolidierung weiterer<br />

Rechenzentren ist vorgesehen. So haben<br />

auch die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen<br />

und Bergbau, die Versicherungsanstalt<br />

öffentlich Bediensteter und die<br />

Pensionsversicherungsanstalt begonnen,<br />

Teile ihrer Systeme zu übertragen.<br />

„Das längerfristige Ziel ist, zwei hochsichere<br />

RZ-Standorte zu haben, von denen<br />

zentral die EDV-Leistung erbracht wird”,<br />

sagt Schörghofer. Hand in Hand geht mit<br />

dieser Maßnahme eine Modernisierung<br />

der Infrastruktur. Laut Wackerle müsse<br />

eine harmonisierte und konsolidierte<br />

IT sowie der konsequente Ausbau von<br />

Transparenz und Effizienz in der Sozialversicherung<br />

realisiert werden. „Eine<br />

leistungsstarke EDV bietet auch den Versicherten<br />

besseren Service”, so Wackerle.<br />

Zusätzlich wurde das ehemals ausgelagerte<br />

Service-Center für Fragen rund um<br />

die Sozialversicherung von der E-Card bis<br />

zur Auftraggeberhaftung wieder in den<br />

Betrieb der IT-SV eingegliedert. Alle Mitarbeiter<br />

wurden angestellt, wodurch man<br />

die hohe Fluktuationsrate der Belegschaft<br />

senken konnte. „Das hat uns erlaubt, das<br />

Know-how der Mitarbeiter besser zu entwickeln<br />

und die Qualität der Beratung zu<br />

vergrößern”, sagt Schörghofer. So könne<br />

nun eine breite Themenpalette von Experten<br />

vor Ort rasch geklärt werden.<br />

Werkzeug statt Allheilmittel<br />

Die geplanten Einsparungen sind aber<br />

nur der Anfang. Denn selbst wenn alle<br />

Verwaltungsausgaben wegfielen, wäre<br />

die Lücke zwischen vorhandenen Finanzmitteln<br />

und Leistungsbedarf noch nicht<br />

geschlossen, so Schörghofer weiter. „Das<br />

Problem liegt an den stetig steigenden<br />

Leistungsanforderungen. Das bedeutet<br />

mehr Arztbesuche, mehr Medikamentenverordnungen<br />

und höhere Folgekosten.”<br />

Viele dieser Leistungen werden aber aufgrund<br />

mangelnder Kommunikation gleich<br />

mehrfach erbracht. Die IT könne abhängig<br />

vom Digitalisierungsgrad der Verwaltung<br />

ein nützliches Werkzeug sein, um solche<br />

Kosten zu vermeiden und damit der Sozialversicherung<br />

Geld zu sparen.<br />

Für Clemens Martin Auer, Leiter der<br />

Sektion I (Gesundheitsstrukturangelegenheiten)<br />

im Gesundheitsministerium,<br />

führt der Weg dorthin aber nur über die<br />

Optimierung von Prozessen. Aufgrund<br />

der heterogenen Versorgungslandschaft<br />

und der zunehmenden Spezialisierung<br />

des Gesundheitswesens sei es eine wichtige<br />

Aufgabe der IT, integrierte Informationen<br />

zur Verfügung zu stellen, so Auer.<br />

„Dadurch kann es vor allem in den Bereichen<br />

Diagnose, Therapie und Pflege zu<br />

Prozessoptimierungen kommen, die in<br />

der Folge gleichzeitig die Kosten senken<br />

und die Behandlungsqualität erhöhen.”<br />

Auer verweist auf das Projekt der Elektronischen<br />

Gesundheitsakte, dessen Lenkungsausschuss<br />

er leitet. Dadurch sollen<br />

sowohl Diagnostiker als auch Patienten<br />

selbst von der zeit- und ortsunabhängigen<br />

Verfügbarmachung von Patientendaten<br />

profitieren.<br />

„Eine leistungsstarke<br />

EDV bietet auch den<br />

Versicherten besseren<br />

Service.“<br />

Hubert Wackerle, IT-SV<br />

Oktober 09 29


Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

Text<br />

Ursula Horvath<br />

Heute vorgesorgt,<br />

morgen gespart<br />

Der Gesundheitsmarkt boomt. Das wirkt sich auch positiv im<br />

Gesundheitssystem aus. Denn Vorsorge und Prävention wirken –<br />

zumindest langfristig.<br />

„Wenn wir immer<br />

nur Krankheiten<br />

heilen, hinken wir<br />

ewig hinterher.“<br />

W e b t i p p s<br />

www.bummbumm.at<br />

Info-Website des FGÖ zu den Themen Ernährung,<br />

Bewegung und seelische Gesundheit.<br />

Im Jahr 2009 (wie auch 2008) steht die Herz-<br />

Kreislaufgesundheit im Mittelpunkt.<br />

www.rauchfreidurchstarten.at<br />

Webportal von Pfizer Pharma mit Handlunganleitungen<br />

für alle Raucher, die ein tabakfreies<br />

Leben führen wollen<br />

www.auva.at/babaundfallnet/<br />

Website zur Präventionskampagne „baba<br />

und fall net!“ der AUVA zur Vermeidung von<br />

Sturzunfällen<br />

Foto Wilke<br />

Christoph Hörhan, FGÖ<br />

Wir essen lieber Schnitzel als Gemüse.<br />

Wir warten eher auf den Aufzug, als die<br />

Treppe zu nehmen. Und Bierkrugstemmen<br />

ist die einzige sportliche Aktivität, zu der<br />

sich die Österreicher aufraffen können.<br />

Vorurteile, die so nicht ganz stimmen.<br />

Denn der Otto-Normal-Österreicher lebt<br />

durchaus gesundheitsbewusst: Immerhin<br />

hat er im Jahr 2008 im Durchschnitt 1.600<br />

Euro für Prävention und Vorsorge ausgegeben<br />

– so zu lesen in der aufschlussreichen<br />

Broschüre „Zukunftsmarkt Gesundheit“<br />

der Wirtschaftskammer Österreich.<br />

Unter den großen Themenkomplex „Prävention“<br />

fallen unter anderem freiwillige<br />

Zusatzversicherungen und frei verkäufliche<br />

Arzneimittel genauso wie gesundheitsfördernde<br />

Lebensmittel, aber auch<br />

diverse Wellness-Angebote.<br />

Eine kluge Entscheidung. Denn: „Das<br />

System der Reparaturmedizin ist zwar<br />

eine gute Antwort auf Krankheit, wird<br />

aber immer teurer“, sagt Christoph Hörhan,<br />

Geschäftsführer des Fonds Gesundes<br />

Östererreich (FGÖ). „Es ist höchste Zeit,<br />

sich darüber Gedanken zu machen, wie<br />

wir Zivilisationskrankheiten wie Diabetes<br />

oder Herz-Kreislauf-Problemen vorbeugen<br />

können. Diese hängen schließlich<br />

zu einem großen Teil vom persönlichen<br />

Lebensstil ab.“ Die Risikofaktoren kennt<br />

jeder: Nikotin, Alkohol, Übergewicht,<br />

Bewegungsmangel, Stress.<br />

Kampagnen informieren<br />

Mit der aktuellen Awareness-Kampagne<br />

„Mein Herz und ich. Gemeinsam<br />

gesund“ will der FGÖ Menschen aus<br />

allen Altersgruppen und unterschiedlichen<br />

sozialen Schichten zu einem gesunden<br />

Lebensstil motivieren. Partner dieses<br />

Schwerpunktprogrammes sind eine Reihe<br />

von privatwirtschaftlichen Unternehmen,<br />

was aufzeigt, wie fruchtbar eine Zusammenarbeit<br />

von öffentlichen Institutionen<br />

und der Privatwirtschaft sein kann. Pro<br />

Jahr gibt der FGÖ 7,25 Millionen Euro<br />

für Gesundheitsförderungs- und Präventionsmaßnahmen<br />

aus. „Seit 1998 haben<br />

wir rund 700 Projekte unterschiedlicher<br />

Größe gefördert“, sagt Hörhan.<br />

Auch die Pharmaindustrie ist im<br />

Vorsorgebereich aktiv. Arzneimittel-Hersteller<br />

Pfizer will nicht nur mit seinen<br />

Medikamenten bei der Tabakentwöhnung<br />

helfen. „Auf einigen unseren Web-Plattformen<br />

können sich Patienten registrieren<br />

und so laufend Motivation erhalten“,<br />

sagt Claudia Handl von Pfizer Österreich,<br />

„weiß man zum Beispiel, dass man immer<br />

nach dem Frühstück anfällig für eine<br />

Zigarette ist, kann man um neun Uhr eine<br />

Motivations-SMS bestellen. Diese hilft,<br />

eine schwierige Phase zu überstehen.“<br />

Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt,<br />

AUVA hat wiederum einen eigenen<br />

Ansatz, um Bürgern präventive Maßnahmen<br />

schmackhaft zu machen. Denn<br />

die Verhütung von Unfällen und die Vorbeugung<br />

von Berufskrankheiten senken<br />

Kosten. Nach der Präventionskampagne<br />

„baba und fall net!“ ging die Zahl der Sturzunfälle<br />

allein bei den Erwerbstätigen um<br />

4,2 Prozent zurück. Die finanziellen Einsparungen<br />

waren damit dreimal höher als<br />

die Kosten der Kampagne.<br />

Prävention wirkt<br />

„Wenn wir immer nur Krankheiten<br />

heilen, hinken wir ewig hinterher. Wir<br />

müssen bei der Prävention ansetzen,<br />

sonst werden die Kosten für Arbeitgeber<br />

und Sozialversicherungen irgendwann<br />

explodieren“, so Hörhan. „Derzeit sind<br />

Gesundheitsförderung und Prävention<br />

nur ein kleiner Teil im Budget. Das wird<br />

sich ändern müssen. Die Maßnahmen wirken<br />

natürlich nicht von heute auf morgen.<br />

Aber langfristig macht Prävention das<br />

System billiger.“<br />

30 Oktober 09


Text<br />

Christian Schneider<br />

Foto<br />

Photos.com<br />

Thema<br />

Gleichstellung<br />

Mehr X-Chromosome<br />

für die Verwaltung<br />

Beim Anteil von im öffentlichen Sektor beschäftigten Frauen gelten<br />

skandinavische Länder als Vorbilder. Doch was im Norden Tradition hat,<br />

muss hierzulande hart erarbeitet werden. Verpflichtende Frauenquoten<br />

haben selbst unter weiblichen Fachleuten wenige Anhängerinnen.<br />

Experten empfehlen Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung und freiwillige<br />

Selbstverpflichtungen.<br />

Eine Erfolgsmeldung kommt nun von<br />

Gabriele Heinisch-Hosek, in deren Person<br />

die Verantwortlichkeit für das Frauenressort<br />

wie auch jene für den öffentlichen<br />

Dienst vereint sind. So wurde erstmals<br />

präzise erhoben, wie sich der Frauenanteil<br />

im Verantwortungsbereich des Bundes in<br />

den vergangenen zwei Jahren entwickelt<br />

hat. Seit jeher bekannt ist die Tatsache,<br />

dass der Frauenanteil mit Zunahme der<br />

Verantwortung und der Gehaltsstufe fällt.<br />

Das Phänomen wird seit den achtziger<br />

Jahren als „Gläserne Decke“ bezeichnet.<br />

Aufwärtstrend<br />

Umso erfreulicher ist das Ergebnis der<br />

Erhebung. Der Anteil der weiblichen Führungskräfte<br />

des Bundes – in der höchsten<br />

Qualifikationsgruppe und Besoldungsstufe<br />

– stieg in 30 Monaten durchschnittlich<br />

von 15,8 auf 20,6 Prozent. Ein Trend, der<br />

sich auch in allen anderen Qualifikationsgruppen<br />

und Besoldungsstufen bestätigt.<br />

Verantwortlich für diese positive<br />

Entwicklung sind laut Heinisch-Hoseks<br />

Ressort vor allem die Frauenförderpläne,<br />

die unter anderem durch maßgeschneiderte<br />

Aus- und Weiterbildungsangebote,<br />

etwa durch die Verwaltungsakademie des<br />

Bundes (VAB), strukturelle Ursachen und<br />

Defizite sowie institutionelle Gewohnheiten<br />

kompensieren. Das Programm<br />

namens „Frauen Empowerment der VAB“<br />

beinhaltet Workshops zu den Themen<br />

Laufbahnentwicklung, Powertalking oder<br />

Wiedereinstieg nach einer Karenz, die zur<br />

Stärkung der verschiedensten Kompetenzen<br />

dienen. Überdies trägt die stetig ausgebaute<br />

Transparenz bei der Stellenvergabe<br />

– beispielsweise mithilfe des Ausschreibungsgesetzes<br />

– zu einer verbesserten<br />

Ausgangsposition für Frauen bei.<br />

Ambitionierte Ziele<br />

Die Erhebung exakter Zahlen durch<br />

das Frauenressort dient nun als Grundlage<br />

für einen vielversprechenden Ansatz.<br />

So wurden für den Stellenplan 2009 bis<br />

2013 erstmals Ziele festgeschrieben, in<br />

welchem Ausmaß der Anteil von Frauen<br />

in Führungspositionen innerhalb der<br />

Legislaturperiode gesteigert werden soll.<br />

Das Besondere dabei ist, dass die Zielvereinbarungen<br />

von den jeweiligen Stellen<br />

selbst kommen.<br />

„Ministerin Schmied hat beispielsweise<br />

im Frühjahr 2009 einen neuen ambitionierten<br />

Frauenförderplan erlassen. Dieser<br />

hat Vorbildwirkung für andere Ministerien“,<br />

sagt Gabriele Trattner, die die Arbeitsgruppe<br />

für Gleichbehandlungsfragen des<br />

Unterrichtsministeriums leitet. Durch<br />

spezielle Schulungprogramme werden<br />

Kolleginnen bei ihrer Karriereplanung<br />

unterstützt.<br />

Mit dieser und weiteren Maßnahmen<br />

sei es dem Ressort gelungen, die<br />

Frauenquote auf Abteilungsleiterebene<br />

um 14 Prozent zu steigern, so Trattner<br />

weiter. Vom Bundeskanzleramt über<br />

die Präsidentschaftskanzlei bis hin zum<br />

Verfassungsgerichtshof haben sich alle<br />

Teile der Bundesverwaltung selbst<br />

mehr oder weniger ambitionierte Ziele<br />

gesetzt, die es einzuhalten gilt. Immerhin<br />

sind diese Ziele Teil des offiziellen Stellenplans<br />

und somit auch Teil des Budgetplans.<br />

Besonders zuversichtlich dabei zeigen<br />

sich der REPUBLIK vorliegende Budgetplan<br />

des Rechnungshof und der Ressorts<br />

Justiz, Gesundheit, Wirtschaft und Verkehr.<br />

Doch bei allen Stellen ist der Trend<br />

ganz klar: Mehr X-Chromosome. Und das<br />

ist gut so.<br />

Oktober 09 31


Serie<br />

Ausgegliedert in die Zukunft<br />

Text<br />

Christian Schneider<br />

Foto<br />

H. Köppel<br />

Au s g e g l i e d e r t<br />

i n d i e Z u k u n f t<br />

Beginnend mit dieser Ausgabe<br />

widmet REPUBLIK den aus<br />

Bund, Ländern und Gemeinden<br />

ausgegliederten Unternehmen<br />

eine eigene Serie. Sie will einen<br />

Einblick in Geschäftsgebaren,<br />

Erfolg und nicht zuletzt dem<br />

Umgang mit der Wirtschaftskrise<br />

gewähren.<br />

Bundesforste: Hüter der<br />

österreichischen Identität<br />

Betrifft die aktuelle Wirtschaftskrise auch die<br />

Österreichischen Bundesforste? Ja. Kann ein Unternehmen<br />

aus der Forstwirtschaft von der Krise<br />

profitieren? Ja. REPUBLIK berichtet aber nicht nur<br />

über konstruktives Troubleshooting, sondern zeigt<br />

auf, wie kreative Ideen die Forstwirtschaft ankurbeln.<br />

Eine im Jubiläumsjahr 2005 vorgestellte<br />

Integral-Studie untersuchte, was Herr<br />

und Frau Österreicher mit ihrem Land<br />

verbinden. Das Ergebnis ist eindeutig. Die<br />

beiden am ehesten Identität stiftenden<br />

Faktoren sind bei einer Zustimmung von<br />

98 bzw. 97 Prozent Berge und Wälder; auf<br />

Rang 5 folgen die österreichischen Seen<br />

mit 93 Prozent. Auch die Österreich Werbung<br />

kommuniziert mit großem Erfolg<br />

das Image der naturverbundenen Alpenrepublik.<br />

Die Österreichischen Bundesforste<br />

(ÖBf) bewirtschaften im Auftrag der<br />

<strong>Republik</strong> mit etwa 855.000 Hektar rund<br />

ein Zehntel der Fläche. Davon sind fast<br />

515.000 Hektar Waldfläche. Das macht<br />

die Bundesforste mit Abstand zum größten<br />

Forstbetrieb des Landes. Mit Fug und<br />

Recht haben sich die ÖBf nach Erscheinen<br />

besagter Studie zum „Hüter der österreichischen<br />

Identität“ proklamiert und<br />

zugleich bewusst zur damit verbundenen<br />

Verantwortung bekannt.<br />

Das im Jahr 1925 aus den ehemaligen<br />

Besitzungen der Monarchie gegründete<br />

Unternehmen wurde 1997 aus dem Bundesbudget<br />

ausgegliedert und in eine AG<br />

umgewandelt. Die rechtliche Grundlage<br />

dafür bildet das Bundesforstegesetz. Dieses<br />

Gesetz im Verfassungsrang bestimmt<br />

auch den engen Rahmen, in dem die<br />

Geschäftsführung agiert. So bestehen<br />

32 Oktober 09


Serie<br />

Ausgegliedert in die Zukunft<br />

nach dem Willen des Gesetzgebers zahlreiche<br />

Einschränkungen und Vorgaben<br />

die Veräußerungen oder den Naturschutz<br />

betreffend. Eigentümerin ist nach wie vor<br />

zu 100 Prozent die <strong>Republik</strong>, vertreten<br />

durch das Lebensministerium.<br />

Knapp 1.230 Mitarbeiter bemühen<br />

sich somit um Bewirtschaftung und Erhalt<br />

dieses Naturschatzes. 1.200 Jagd- und 425<br />

Fischereireviere gehören ebenso dazu wie<br />

4.200 Gebäude und mehr als 100 Seen.<br />

Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das<br />

ausgegliederte Unternehmen dabei einen<br />

Umsatz von rund 272 Mio. Euro und ein<br />

EGT (Jahresgewinn vor Steuer- und Rücklagebewegungen)<br />

von 23,4 Mio. Euro,<br />

wovon die Hälfte als so genannter Fruchtgenuss<br />

an die Eigentümerin abgeführt<br />

wird. So steht es jedenfalls im Bundesforstegesetz.<br />

Die Krisen<br />

Ja, die Bundesforste sind von der aktuellen<br />

Wirtschaftskrise betroffen. Diese war<br />

in der Forstwirtschaft relativ frühzeitig zu<br />

erkennen. Jene Mitbewerber, die ihr Holz<br />

in die USA exportieren, haben die Krise<br />

am amerikanischen Immobiliensektor<br />

auch früh zu spüren bekommen. Allerdings<br />

ist die aktuelle, viel beschworene<br />

Wirtschaftskrise nicht die einzige Krise,<br />

mit der sich die ÖBf auseinanderzusetzen<br />

haben. Einzigartige Naturereignisse<br />

wie die drei Stürme Kyrill (2007), Emma<br />

(2008) und Paula (2008) haben große Zerstörung<br />

mit sich gebracht. Um den angerichteten<br />

Schaden zu beseitigen, musste<br />

wesentlich mehr Holz geerntet werden als<br />

geplant, denn die Bundesforste sind dem<br />

Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet.<br />

Das heißt, dass nicht mehr Holz geerntet<br />

werden darf als nachwächst. Natürlich<br />

hatten die Windwürfe auch negative Auswirkungen<br />

auf die Wirtschaftlichkeit.<br />

Um diese Krisen zu bewältigen, haben<br />

sich die Bundesforste einiges einfallen<br />

lassen. So wird seit kurzem massiv in<br />

den Ausbau von so genannten Nasslagern<br />

investiert, die das Unternehmen durch<br />

moderne Holzlagerkapazitäten mit konservierendem<br />

Charakter unempfindlicher<br />

gegenüber Schwankungen sowohl bei der<br />

Holzernte als auch auf dem Holzmarkt<br />

machen. Außerdem profitieren die Bundesforste<br />

im Vergleich zu nicht im Staatsbesitz<br />

befindlichen Mitbewerbern von<br />

einem Vertrauensvorschuss auf dem Holzmarkt.<br />

Ein Kunde kann bei Unternehmen<br />

in der Bonitätsklasse AAA davon ausgehen,<br />

dass es wirtschaftlich auf soliden<br />

Beinen steht. Somit handelt es sich bei<br />

den Bundesforsten wegen seiner Eigentümerstruktur<br />

um ein besonders sicheres<br />

und aufgrund der Nasslagerkapazitäten<br />

um ein besonders flexibles Unternehmen.<br />

Letzteres ist ein Attribut, das nur sehr selten<br />

im Zusammenhang mit Unternehmen<br />

im Besitz der <strong>Republik</strong> genannt wird.<br />

Proaktiv aus der Krise<br />

Die Verunsicherung unter wohlhabenden<br />

Privatpersonen, Stiftungen und<br />

Investorengruppen hat in der Krise stark<br />

zugenommen. Das Vertrauen in die Ratschläge<br />

von Bankern hat stark gelitten. Im<br />

Gegensatz dazu steigt kontinuierlich das<br />

Interesse dieser Zielgruppe, in solides,<br />

wertstabiles Eigentum wie Grund und<br />

Boden zu investieren. Die Bundesforste<br />

bieten dieser kleinen, feinen Zielgruppe<br />

eine umfassende Kaufberatung an. Die<br />

Bewertung von Wäldern ist schließlich<br />

ein komplexes Unterfangen und kann<br />

unkundige Personen leicht überfordern.<br />

Im Gegenzug verpflichten sich die Käufer,<br />

die Bewirtschaftung der erworbenen<br />

Waldflächen für einige Jahre den Bundesforsten<br />

zu übertragen. Eine Win-win-<br />

Situation für alle Beteiligten. Das große<br />

Geschäft ist dieses Krisenprodukt zwar<br />

nicht, aber mit über 100 bisher erfolgten<br />

Transaktionen wurde eine kritische Größe<br />

erreicht.<br />

Besonders kreativ – und nicht ganz<br />

unumstritten – ist die Idee der ÖBf, ihren<br />

Bestand zu vermarkten. Mit der Submarke<br />

Wild Media richten sich die Bundesforste<br />

nun an die Kreativwirtschaft. Die Film-,<br />

Event- und Werbewirtschaft soll zukünftig<br />

einen Obolus entrichten, wenn Grundbesitz<br />

der Bundesforste zur Kulisse von<br />

professionellen Foto- und Filmaufnahmen<br />

werden soll. Nach einem Aufschrei<br />

von Seiten der Landespolitik und der Tourismuswirtschaft<br />

wurde nun präzisiert,<br />

dass es Ausnahmen für die Tourismuswerbung<br />

und aktuelle Berichterstattung<br />

geben solle. Private nicht-kommerzielle<br />

Aufnahmen seien sowieso nicht betroffen.<br />

Zudem verursachten Kamerateams oft<br />

genug Schäden, die bisher auf ÖBf-Kosten<br />

gingen. Wild Media bietet darüber hinaus<br />

wertvolles Know-how bei der Locationsuche<br />

an.<br />

Die Forstwirtschaft wurde von der Krise<br />

zwar besonders rasch erfasst, sie spürt<br />

dafür aber auch besonders frühzeitig den<br />

Aufschwung. Die Geschäftsführung zeigt<br />

sich daher heute vorsichtig optimistisch.<br />

Ein gutes Zeichen.<br />

„Man darf der Krise<br />

nicht nur defensiv<br />

begegnen, also ausschließlich<br />

mit<br />

Einsparungen oder<br />

Kürzungen. Die<br />

Krise ist immer auch<br />

eine Chance: Es gilt<br />

neue Bedürfnisse<br />

zu identifizieren<br />

und für sie das<br />

passende Angebot<br />

zu schaffen.“<br />

Georg Erlacher, Vorstandssprecher<br />

ÖBf Archiv/Thomas Topf<br />

Oktober 09 33


Projekte<br />

E-Government<br />

Text<br />

Lukas Wiesböck<br />

Foto<br />

Photos.com, Privat<br />

Schluss mit Aktenordnern<br />

In den Kellern vieler Gemeinden stapeln sich die Papierberge.<br />

Nicht so im niederösterreichischen Gföhl. REPUBLIK berichtet<br />

über eine zukunftsträchtige E-Government-Lösung zur effizienten<br />

Gemeindeverwaltung.<br />

„Anträge und<br />

Bestätigungen<br />

sollen immer<br />

gleich zur richtigen<br />

Stelle gelangen.”<br />

Anton Deimel, Stadtamtsdirektor<br />

der Stadtgemeinde Gföhl<br />

Aktenordner gehören in der Stadtgemeinde<br />

Gföhl schon lange der Vergangenheit<br />

an. Die gesamte Gemeindeverwaltung<br />

vom Bauplan bis zur Aktennotiz läuft dort<br />

elektronisch. Auskünfte zu laufenden<br />

Verfahren können die Mitarbeiter bereits<br />

in wenigen Sekunden erteilen. Möglich<br />

macht dies ein Projekt, das Stadtamtsdirektor<br />

Anton Deimel vor vier Jahren initiierte<br />

und das seither als Modell für effiziente<br />

Gemeindeverwaltung gilt.<br />

Begonnen hat alles beim Heurigen,<br />

genauer gesagt bei der Heurigenanmeldung:<br />

Jede Gastwirtschaft muss zwei<br />

Wochen vor Öffnung des Betriebs bei der<br />

Gemeinde eine Anmeldung durchführen.<br />

Deimel, damals Projektleiter eines<br />

E-Government-Arbeitskreises im Bundeskanzleramt,<br />

wollte diesen Vorgang<br />

automatisieren. Seine dabei gesammelten<br />

Erfahrungen bei der Analyse von dahinterliegenden<br />

Arbeitsschritten erwiesen<br />

sich als wertvoll: Als Deimel 2004 von<br />

der Gemeinde Gföhl mit der Umsetzung<br />

eines elektronischen Verwaltungssystems<br />

beauftragt wurde, wandte er zunächst dieselbe<br />

Methode an.<br />

Rasch wurde deutlich, dass es für die<br />

Schaffung einer umfassenden Lösung<br />

notwendig ist, über den Tellerrand der<br />

eigenen Gemeinde zu schauen. Gemeinsam<br />

mit dem technischen Projektpartner<br />

Unisys wurde daher 2005 begonnen,<br />

im ganzen Land die Arbeitsverläufe von<br />

Gemeinden zu untersuchen und elektronisch<br />

zu dokumentieren. „Obwohl sich<br />

die Verfahrensabläufe in vielen Bereichen<br />

von der teils unterschiedlichen Landesgesetzgebung<br />

ableiten, haben wir festgestellt,<br />

dass 95 Prozent der Arbeits- und<br />

Prüfungsschritte identisch sind”, sagt<br />

Christian Schieb von Unisys.<br />

Auf der Alm<br />

Darauf aufbauend konstruierte das<br />

Team eine ganzheitliche Verwaltungslösung<br />

für elektronische Akten (Elak). Das<br />

System, genannt Government Office (Go),<br />

wird aktuell von 15 Gemeinden genutzt.<br />

Offene Schnittstellen zu den E-Government-Systemen<br />

von Bund und Ländern<br />

stellen die Kommunikationsfähigkeit mit<br />

anderen Verwaltungsebenen sicher. „Wir<br />

haben darauf geachtet, dass die thematische<br />

Zuordnung der Dokumente deckungsgleich<br />

verläuft, damit Anträge und<br />

Bestätigungen immer gleich zur richtigen<br />

Stelle gelangen”, sagt Deimler. Zusätzlich<br />

laufen alle Prozesse webbasiert ab.<br />

Das macht es den Mitarbeitern möglich,<br />

dringliche Anliegen auch außerhalb des<br />

Amts zu beantworten. Deimel selbst hat<br />

dies ausgiebig getestet: „Als ich im Urlaub<br />

meine Tochter in der Schweiz besucht<br />

habe, konnte ich sogar auf der Alm mit<br />

Elak arbeiten.”<br />

Getragen wird das Projekt vom Verein<br />

Government Verbund. Dort kann jede<br />

Gemeinde Mitglied werden. Ab Oktober<br />

2009 ist dies ohne die Anschaffung zusätzlicher<br />

Hardware möglich. Dann ist das<br />

Projekt auch über ein Netzwerk verfügbar<br />

und kann von einem Rechenzentrum aus<br />

in das EDV-System einer Gemeinde integriert<br />

werden. Das sei für kleinere Gemeinden,<br />

bei denen sich die Investition in neue<br />

Anlagen nicht rechnet, ein großer Vorteil,<br />

so Schieb, der nun auf einen Schneeball-<br />

Effekt hofft. Das sei nicht unrealistisch,<br />

fügt Deimel an, zumal mehr als 70 Prozent<br />

der Gemeinden weniger als 3.000 Einwohner<br />

zählen. Die einzige Auflage für eine<br />

Mitgliedschaft beim Government Verbund<br />

ist für neue Mitglieder lediglich die Ver-<br />

34 Oktober 09<br />

34_Elak.indd 34<br />

15.10.2009 10:53:52 Uhr


Geschäftsreiseabrechnung 2.0<br />

Reisekosten zu managen bedeutet eine Menge Arbeit. American Express<br />

Corporate-Lösungen bieten sich an, um bei diesen Prozessen die Effizienz<br />

zu steigern und gleichzeitig die Kosten zu senken. Die TU Wien macht vor,<br />

wie es geht. Sie hat bereits mit 1. April 2009 umgestellt und damit eine<br />

Vorreiterrolle im öffentlichen Dienst eingenommen.<br />

Promotion<br />

Photos.com<br />

Interne Prozesskosten verteuern Geschäftsreisen in vielen<br />

Fällen deutlich. Doch es geht auch anders. Die TU Wien<br />

zeigt wie: Bei der Abrechnung der Reisekosten wird ein<br />

SAP ESS System gekoppelt mit Corporate Cards von<br />

American Express verwendet. Mit dieser Methode können<br />

Mitarbeiter ihre Abrechnungen durchführen – zeitoptimal<br />

und ortsunabhängig. Mit dem Einsparungspotenzial von<br />

ca. neun Prozent ist dieses System nicht nur kosten- sondern<br />

auch mitarbeiterfreundlich, wie Prof. Dr. Alexander<br />

Redlein von der TU Wien erklärt: „Früher waren Reiseabrechnungen<br />

ungemein aufwändig. Zettel wurden hin und<br />

her geschickt, Budgetfreigaben mussten doppelt erledigt<br />

werden, Mitarbeiter haben oft lange auf Bewilligungen<br />

und Geld gewartet. Das ist nun Vergangenheit“.<br />

Weniger Aufwand<br />

Der bürokratische Aufwand wurde im ersten Schritt mit<br />

einer Web-Lösung minimiert. Mit dem ESS System steht<br />

nun eine Oberfläche zur Verfügung, die exakt auf die<br />

Bedürfnisse der TU zugeschnitten ist. Mitarbeiter können<br />

hier Daten und Anträge eingegeben und auch bearbeiten.<br />

American Express ergänzt hier perfekt: Der längere<br />

Abrechnungszeitraum von einem Monat gibt einen Zeitpuffer,<br />

der es möglich macht, den per Karte bezahlten<br />

Betrag schon vor der Abbuchung zu erstatten.<br />

Ein weiterer Vorteil: Sämtliche Auswertungen und Berichte<br />

sind durch das System zeitnah vorhanden.<br />

Optimierung<br />

Prof. Dr. Alexander Redlein<br />

plant bereits das System weiter<br />

zu optimieren: „Im nächsten<br />

Schritt werden wir auswerten,<br />

bei wem wir wie viel Umsatz<br />

machen. Diese Daten können<br />

wir dann dazu nutzen, bessere<br />

Konditionen zu bekommen,<br />

und damit weitere Kosten einzusparen.<br />

Außerdem arbeiten<br />

wir an einer Schnittstelle, um<br />

auch Reisebelege schneller administrieren zu können.<br />

Aktuell müssen diese nämlich noch manuell eingegeben<br />

werden. In Zukunft wird hier nur noch eine Oberfläche<br />

erscheinen, auf der die Mitarbeiter markieren, welche<br />

Belege sie genau in der Abrechnung haben möchten.“<br />

Ausgehend von der TU wird dieses effiziente System<br />

auch weiteren universitären Einrichtungen vorgestellt.<br />

FACTBOX<br />

Die Vorteile im Überblick<br />

Ein professionelles Reisekostenmanagement-<br />

Programm bringt:<br />

• Konsolidierung und elektronische Aufbereitung der<br />

Rechnungsdaten als Grundlage für Auswertungen und<br />

für Verhandlungen mit Reisepartnern (Hotels, Flüge,…)<br />

• Bis zu 9% Einsparungspotential im Bereich Geschäftsreisen<br />

durch eine professionelle Umsetzung<br />

einer Corporate Card Lösung<br />

• Elektronische Integration in bestehende Systeme<br />

mittels Schnittstellen<br />

• Bereitstellung von Ressourcen- und Know-How, um<br />

die Prozesse beim Management der Geschäftsreiseausgaben<br />

zu analysieren und zu verbessern<br />

Oktober 09 35


Thema<br />

Europäische Union<br />

Text<br />

Wolfgang Tucek<br />

Fotos<br />

Photos.com, Beigestellt<br />

EU-Parlament erreicht<br />

Betriebstemperatur<br />

Fast alle EU-Gesetze werden vom Europäischen Parlament mitgestaltet,<br />

das gerade in die Alltagsarbeit zurückfindet. Den Löwenanteil der<br />

Vorarbeit leistet eine Handvoll von Fachausschüssen. Diese befinden<br />

sich im Fokus der Interessenvertreter. Erste Bewährungsprobe der<br />

frischen Parlamentsmannschaft ist Regulierung von Hedgefonds.<br />

„Die EU-Klimaschutzziele<br />

gibt es bisher nur<br />

auf dem Papier. Über<br />

die Umsetzung wird es<br />

noch viel Streit geben.“<br />

Jo Leinen, Vorsitzender<br />

des Umweltausschusses<br />

„Lange genug haben<br />

wir uns um den<br />

Klimaschutz gekümmert.<br />

Jetzt müssen<br />

wir den Industriestandort<br />

EU stärken.“<br />

Herbert Reul, Vorsitzender<br />

des Industrieausschusses<br />

Einige Monate sind die EU-Wahlen im<br />

Juni bereits her. Seit September läuft die<br />

Gesetzgebungsmaschine EU-Parlament<br />

zunehmend auf Betriebstemperatur. Kaum<br />

einer, der nicht ständig mit ihm zu tun hat<br />

oder dort arbeitet, kann verstehen, wie das<br />

funktionieren soll: 736 Abgeordnete aus<br />

27 Ländern müssen tragfähige Mehrheiten<br />

für EU-Gesetze produzieren, die rund 80<br />

Prozent der rechtlichen Vorgaben in den<br />

Mitgliedsstaaten bestimmen. Rund die<br />

Hälfte der Parlamentarier ist zudem neu<br />

und kennt den Betrieb erst seit kurzem.<br />

Ausschussarbeit<br />

Zentral für das Gelingen sind die<br />

Fachausschüsse, in denen die Vorentscheidungen<br />

getroffen werden. Es gibt<br />

davon zwar nicht weniger als 20. Die<br />

Anzahl jener, die das tägliche Leben der<br />

Unternehmen und Bürger am meisten prägen,<br />

ist jedoch überschaubar. Es sind die<br />

Ausschüsse für Binnenmarkt, Umwelt,<br />

Industrie, Wirtschaft, Beschäftigung und<br />

Recht. Für Österreich hat auch noch der<br />

Verkehrsausschuss Bedeutung, wo unter<br />

dem Schlagwort Eurovignette um die EU-<br />

Erlaubnis gerungen wird, den Transitverkehr<br />

höher bemauten zu dürfen.<br />

In der anlaufenden Legislaturperiode<br />

„wird sich entscheiden, ob die EU<br />

zu einem Global-Player werden kann“,<br />

erklärt der langjährige Europaabgeordnete<br />

Othmar Karas, Vizepräsident der größten<br />

Parlamentsfraktion, der Europäischen<br />

Volkspartei (EVP). Neben der Führungsrolle<br />

in der Klimaschutzpolitik sei vor<br />

allem jene im Kampf gegen die Finanzund<br />

Wirtschaftskrise entscheidend. So<br />

brauche die EU eine integrierte Finanzmarktaufsicht;<br />

Vorschläge zur Regulierung<br />

von Hedgefonds und Privat Equity<br />

werden bereits im Wirtschaftsausschuss<br />

verhandelt. Berichterstatter ist der französische<br />

Konservative Jean-Paul Gauzes, der<br />

davor die neuen EU-Regeln zur Aufsicht<br />

und Registrierung von Ratingagenturen in<br />

Rekordzeit durchgebracht hat.<br />

Die Berichterstatter sind auf technischer<br />

Ebene die ersten Ansprechpartner<br />

für Interessenvertreter, die auf EU-Gesetzesvorhaben<br />

Einfluss nehmen wollen.<br />

Je politischer es wird, desto wichtiger<br />

werden die Ausschussvorsitzenden und<br />

deren Stellvertreter sowie am Ende auch<br />

die Führungsgremien der großen Fraktionen.<br />

Für Mitgliedsstaaten, Wirtschaftsverbände,<br />

Unternehmen, Umwelt- und Konsumentenschutzgruppen<br />

sowie spezialisierte<br />

Berater ist das EU-Parlament daher<br />

wenig überraschend eine entscheidende<br />

Spielwiese.<br />

Schwerpunkte<br />

„Ich habe schon die ganze Bandbreite<br />

der Industrie im Büro gehabt“, erzählt der<br />

erfahrene deutsche Europaabgeordnete Jo<br />

Leinen, Vorsitzender des einflussreichen<br />

Umweltausschusses. Gut die Hälfte der<br />

rund 500 Gesetzesprojekte pro Legislaturperiode<br />

gehen durch die Hände seiner<br />

Mitglieder. Zuständig sind sie für Umwelt,<br />

Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit.<br />

„Jedes Thema für sich ist riesengroß“,<br />

sagt Leinen. Als absolutes Highlight<br />

bezeichnet er die Verhandlungen<br />

für ein Weltklimaschutzabkommen, das<br />

in Kopenhagen im Dezember abgeschlossen<br />

werden soll. Darüber hinaus stehe die<br />

Umsetzung der EU-Klimaschutzziele an:<br />

20 Prozent weniger Emissionen, 20 Prozent<br />

Energie aus erneuerbaren Quellen<br />

und 20 Prozent weniger Energieverbrauch<br />

bis 2020 hat sich die EU vorgenommen.<br />

„Doch das gibt es bisher nur auf dem<br />

36 Oktober 09


Thema<br />

Europäische Union<br />

Europäisches Parlament: Die Neoparlamentarier haben gerade ihre ersten Bewährungsproben zu bestehen.<br />

Papier“, so Leinen. Über die Beiträge der<br />

Mitgliedsstaaten erwarte er noch „viel<br />

Streit“.<br />

Einen anderen Schwerpunkt will<br />

Herbert Reul setzen, der Vorsitzende<br />

des Industrieausschusses: Lange genug<br />

habe man sich um Klimaschutzfragen<br />

gekümmert, findet der deutsche Politiker.<br />

Dort seien die wesentlichen Beschlüsse<br />

gefasst. Jetzt müsse der Industriestandort<br />

EU gestärkt werden. Es gehe um eine neue<br />

Grundausrichtung, welche die Stärken<br />

der EU-Betriebe festigt und die Schwächen<br />

beseitigt. Ganz entscheidend sei der<br />

Bereich Innovation und Forschung, wo<br />

2010 die mittelfristige Planung für das<br />

milliardenschwere 8. EU-Forschungsrahmenprogramm<br />

anläuft.<br />

Neo-Abgeordnete<br />

Dass die Hälfte der EU-Abgeordneten<br />

neu im Geschäft ist, empfindet Leinen als<br />

„Energieschub im Parlament“. Hoch motiviert<br />

seien meistens die Neuen. Freilich<br />

müssten sie sich noch einarbeiten, gibt<br />

Reul zu bedenken. Wie lange es dauert,<br />

die komplexen Abläufe zu durchblicken,<br />

hänge vom Einzelfall ab. Denn manche<br />

der Neo-Parlamentarier haben mit der EU<br />

bisher nur wenig unmittelbare Erfahrung.<br />

Andere sind ehemalige EU-Kommissare<br />

wie der Belgier Louis Michel und die<br />

Polin Danuta Hübner oder frühere Minister<br />

wie der ehemalige österreichische<br />

Innenminister Ernst Strasser.<br />

Einige haben bisher selbst auf Seiten<br />

der Interessenvertreter gearbeitet,<br />

wie die SPÖ-Abgeordnete Evelyn Regner,<br />

die auf eine langjährige Karriere im<br />

ÖGB mit ausführlicher Brüssel-Erfahrung<br />

zurückblickt. Sie verfolgt im Rechts- und<br />

Beschäftigungsausschuss jene Themen<br />

weiter, die bei ihr schon bisher ganz oben<br />

auf der Agenda gestanden sind: EU-weit<br />

einheitliche Höchstarbeitszeiten, Kampf<br />

gegen Lohndumping durch Arbeitnehmerentsendung,<br />

Nein zur Herunternivellierung<br />

von Verbraucherrechten.<br />

Die Besuche der Lobbyisten haben<br />

bei Regner schon begonnen: „Ich bin sehr<br />

interessiert an den Argumenten der anderen<br />

Seite“, erzählt sie. Daher rede sie lieber<br />

mit zu vielen Leuten als mit zu wenigen.<br />

Das Gespräch mit Interessenvertretern wie<br />

Regierungen, Verbraucherschützern und<br />

Gewerkschaften „gehört politisch dazu<br />

und ist in Brüssel relativ stark vertreten“,<br />

meint auch Reul.<br />

Wie einflussreich die Abgeordneten<br />

am Ende seien, hänge nicht unbedingt<br />

davon ab, wie lange sie schon dabei sind,<br />

sagt Christian Feustel, der für den Industriedachverband<br />

Businesseurope die<br />

Kontakte zum EU-Parlament organisiert:<br />

„Jene Abgeordneten, die ihre Dossiers am<br />

besten kennen und seriöse Arbeit machen,<br />

haben auch den meisten Einfluss.“<br />

Schließlich sei das Europaparlament ein<br />

klassisches Arbeitsparlament. Mehr als<br />

50.000 Abänderungsanträge wurden in<br />

der letzten Legislaturperiode gestellt.<br />

Denn während sich in den nationalen<br />

Parlamenten die Regierungsparteien mit<br />

ihrer Mehrheit stets durchsetzen, müssen<br />

in Brüssel und Straßburg jedes Mal neue<br />

Mehrheiten gesucht werden.<br />

H i n t e r g r u n d<br />

Österreichische<br />

Vertretung<br />

Bisher sitzen 17 Österreicher im neuen EU-<br />

Parlament. Nur zwölf davon sind auch in<br />

Fraktionen eingebettet, was für die Schlagkraft<br />

wichtig ist. Mit sechs Vertretern in der EVP<br />

ist die ÖVP die größte Delegation: Dort ist<br />

Ernst Strasser für Sicherheits- und Rechtsthemen<br />

ein Ansprechpartner, Othmar Karas bei<br />

Wirtschafts- und Verbraucherschutzfragen, Elisabeth<br />

Köstinger betreut die Landwirtschaft,<br />

Paul Rübig Industrie, Energie und Forschung,<br />

Hella Ranner Verkehr und Richard Seeber<br />

den Umweltausschuss sowie Regionalförderungen.<br />

Nur mehr vier Abgeordnete stellt seit Juni<br />

die SPÖ, die der Fraktion der Sozialisten und<br />

Demokraten (S&D) angehören. Delegationleiter<br />

Jörg Leichtfried zeichnet für Verkehr und<br />

internationalen Handel verantwortlich, Hannes<br />

Swoboda für Energie und Forschung und ist<br />

nebenbei S&D in den Ausschüssen für Umwelt<br />

und Regionales und Evelyn Regner macht<br />

Recht und Beschäftigung. Zwei Parlamentarier<br />

hat Österreich bei den Grünen sitzen: Ulrike<br />

Lunacek sitzt Strasser im Sicherheitsausschuss<br />

gegenüber, Eva Lichtenberger kümmert<br />

sich um Verkehr und Recht.<br />

Wohl nur bescheidenen Einfluss haben die<br />

überdurchschnittlich vielen fraktionslosen<br />

EU-Abgeordneten Österreichs. Dabei handelt<br />

es sich neben FPÖ-Mann Andreas Mölzer und<br />

seinem Kollegen Franz Obermayr um Hans-<br />

Peter Martin sowie seine Mitstreiter Martin<br />

Ehrenhauser und Angelika Werthmann.<br />

Durch das Inkrafttreten des Lissabonner<br />

Vertrags gewinnt das EU-Parlament erneut<br />

an Bedeutung. Volles Mitspracherecht wird<br />

ihm etwa in den Bereichen Landwirtschaft,<br />

Polizeizusammenarbeit und internationalem<br />

Handel zuteil. Die Anzahl der Abgeordneten<br />

wird von 736 auf 754 erhöht, Österreich erhält<br />

zwei zusätzliche – somit 19.<br />

Oktober 09 37


Projekte<br />

Migranten<br />

Text<br />

Harriett Keber<br />

Foto<br />

Landespolizeikommando Wien<br />

Wiener Polizei<br />

rekrutiert Migranten<br />

Vor rund zwei Jahren startete die Wiener Polizei mit einer Rekrutierungsinitiative<br />

durch. Grund: Der Anteil von Personen mit unterschiedlichen<br />

ethnischen Wurzeln in der Wiener Polizei soll gesteigert werden. REPUBLIK<br />

bringt einen Status-quo-Bericht.<br />

Vorbildwirkung<br />

Frauenberger verweist auf die Vorbildwirkung<br />

der Stadt Wien im Bereich<br />

Diversitätsmanagement und ergänzt, dass<br />

Informationen über Rechte und Pflichten<br />

nicht zuletzt durch Polizisten mit Migrationshintergrund<br />

und den entsprechenden<br />

Sprachkenntnissen „besser und gezielter<br />

vermittelt“ werden können. Rund zwei<br />

Jahren nach Start der Offensive habe<br />

bereits jeder fünfte Bewerber einen Migrationshintergrund,<br />

so Martin Schlosser<br />

von der Wiener Polizei. Somit haben 20<br />

Prozent der 450 derzeitigen Polizeischüler<br />

zwar die österreichische Staatsbürgerschaft,<br />

jedoch nicht-österreichische Wurzeln.<br />

Der Frauen- und Männeranteil unter<br />

diesen Bewerbern sei übrigens in etwa<br />

gleich, ergänzt Schlosser.<br />

I n K ü r z e<br />

Die Wiener Polizei versucht sich<br />

im Diversity Management.<br />

Die Initiative „Wien braucht dich!“ läuft seit<br />

November 2007. Ziel: Mehr Personen mit<br />

Migrationshintergrund sollen in den Wiener<br />

Polizeidienst integriert werden. Bis zum Jahr<br />

2012 soll in allen Polizeistellen Wiens zumindest<br />

eine Person mit anderen ethnischen Wurzeln<br />

tätig sein. Jeder fünfte Bewerber für die<br />

Ausbildung hat bereits nicht-österreichische<br />

Wurzeln. Der Frauen- und Männeranteil dieser<br />

Bewerbergruppe ist ausgeglichen.<br />

Unter dem Titel „Wien braucht dich!“<br />

wurde im November 2007 eine Recruitinginitiative<br />

der Polizei, der Stadt Wien und<br />

der MA17 (Integrations- und Diversitätsangelegenheiten)<br />

ins Leben gerufen. Der<br />

ausschlaggebende Grund für die Initiative<br />

war und ist es, 18- bis 30-jährige Wiener<br />

mit Migrationshintergrund für den Polizeiberuf<br />

zu gewinnen. Denn: Ein Drittel<br />

der Wiener Bevölkerung habe Migrationshintergrund<br />

und „diese Vielfalt“ solle sich<br />

„auch in der Polizei widerspiegeln“, so<br />

die Wiener Integrationsstadträtin Sandra<br />

Frauenberger. Bis zum Jahr 2012 sollen<br />

in allen 100 Wiener Polizeiinspektionen<br />

mindestens ein Polizist bzw. eine Polizistin<br />

mit Migrationshintergrund beschäftigt<br />

werden.<br />

Breites Interesse<br />

Die Initiative wurde nicht nur von<br />

potenziellen neuen Polizeischülern mit<br />

Migrationshintergrund wahrgenommen,<br />

heißt es aus dem Büro der Stadträtin.<br />

Bereits kurz nach dem Kick-off im<br />

Jahr 2007 haben 40 Institutionen – von<br />

Zuwandervereinen bis hin zu Religionsgemeinschaften<br />

– ihr Interesse an den<br />

Recruitingveranstaltungen angemeldet.<br />

Bei diesen Veranstaltungen, die auch in<br />

Schulen oder Volkshochschulen abgehalten<br />

werden, sind jeweils ein Polizist mit<br />

Migrationshintergrund und ein Vertreter<br />

der MA17 anwesend. Sie präsentieren das<br />

Jobprofil und die Karriereperspektiven<br />

bei der Polizei.<br />

Innerhalb der Wiener Polizei, so<br />

Oberstleutnant Schlosser, werde die<br />

Initiative als wichtig erachtet, unter Kollegen<br />

hätten sich jedoch keine Änderungen<br />

ergeben, denn: „Für uns ist das eine ähnlich<br />

normale Angelegenheit wie damals,<br />

als die ersten Polizistinnen ausgebildet<br />

wurden. Alle Auszubildenden, aber auch<br />

alle Polizistinnen und Polizisten müssen<br />

die gleichen Anforderungen und Pflichten<br />

erfüllen, wir behandeln alle gleich.“<br />

38 Oktober 09<br />

36_Migranten.indd 38<br />

15.10.2009 10:53:36 Uhr


Promotion<br />

Fernwärme schafft<br />

gutes Klima<br />

Einzigartig flexible und hoch effiziente Produktion eröffnet die<br />

Chance, ebenso einfach wie günstig CO 2<br />

-Emissionen einzusparen.<br />

Derzeit benützen rund 19 % der österreichischen<br />

Haushalte Fernwärme zum Heizen oder zur Warmwasserbereitung.<br />

Dazu kommen Betriebe und<br />

Großbauten wie etwa das Wiener Allgemeine Krankenhaus.<br />

Eine Steigerung dieses Anteils würde einen<br />

Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten.<br />

Fernwärme wird schon heute zu über 70 % in so<br />

genannten KWK-Anlagen erzeugt. Gegenüber der früher<br />

üblichen, getrennten Erzeugung von Strom und<br />

Wärme ermöglicht die Kraft-Wärme-Kopplung eine<br />

Nutzung der Abwärme, die in ein Fernwärmenetz<br />

eingespeist werden kann. Moderne KWK-Werke erreichen<br />

Wirkungsgrade von 80-90 %, der Brennstoff wird<br />

besser genutzt. Bis zu einem Drittel an Energie kann<br />

so gespart werden, was zur dramatischen Reduktion<br />

von CO 2<br />

-Emissionen und Rohstoffeinsatz führt. Weitere<br />

Treibhausgase werden durch die zentrale Produktion<br />

(mit modernsten Filteranlagen) gegenüber vielen<br />

Einzelöfen eingespart.<br />

Viele Wege führen zum (Klima-) Ziel<br />

Fernwärme punktet auch mit Flexibilität: Als Wärmeerzeuger<br />

kann auch die Abwärme von Industriebetrieben<br />

verwendet werden, die sonst per Schlot<br />

an die Umwelt abgegeben würde. Thermische<br />

Abfallbehandlung wird (wie in Wien und demnächst<br />

in Linz) ebenso in die Produktion eingebunden wie<br />

erneuerbare Energiespender von Biomasse über<br />

Solarthermie bis zu Erdwärme. Die Verbrennung des<br />

Abfalls erzeugt dreimal so viel Energie, wie dafür<br />

an Primärenergie nötig ist – abgesehen davon, dass<br />

der Müll damit auch entsorgt wird. Wien allein spart<br />

durch Kraft-Wärme-Kopplung und Abfallbehandlung<br />

rund 2,6 Millionen Tonnen CO 2<br />

pro Jahr ein.<br />

„Durch den Einsatz moderner<br />

KWK-Anlagen kann der Energieeinsatz<br />

um ein Drittel reduziert<br />

werden.“<br />

Schließlich müssen etwa Pellets mit Schiffen, LKW<br />

oder Zügen transportiert und dann mit zahlreichen<br />

Privatautos von den Händlern zu den Wohnungen<br />

gebracht werden. Auch hier entstehen mehr Emissionen<br />

als bei der Fernwärme-Lieferung in geschlossenen<br />

Netzsystemen.<br />

Investieren oder Strafe zahlen?<br />

Wenn Österreich seine Klimavorgaben (Kyoto, EU)<br />

nicht einhält, werden Strafzahlungen fällig, die für<br />

Österreichs Wirtschaft im Gegensatz zur Investition in<br />

klimafreundliche Technologien nutzlos sind. Doch um<br />

welchen Preis können diese Zahlungen vermieden<br />

werden? Laut E-Control liegen die CO 2<br />

-Reduktionskosten<br />

mittels Windkraft bei 53 € pro Tonne CO 2<br />

, durch<br />

feste Biomasse bei 164 € und durch Fotovoltaik bei<br />

1.780 €. Die Einsparung einer Tonne CO 2<br />

durch Fernwärme<br />

kostet nach Berechnungen des Fachverbands<br />

Gas Wärme samt einer 30-prozentigen Förderung nur<br />

25 € pro Tonne CO 2<br />

. Fernwärme- und KWK-Förderungen<br />

drängen sich also für jeden Maßnahmen-Mix<br />

zum Klimaschutz auf.<br />

Oktober 09 39


Thema<br />

Energie<br />

Text<br />

Georg Günsberg<br />

Foto<br />

Photos.com<br />

40 Oktober 09<br />

Erneuerbaren Energieträgern wie der Windkraft gehört die Zukunft auf dem Weg zur Erreichung der Klimaschutz- und Energieziele der EU.


Thema<br />

Energie<br />

Zwischen Kyoto<br />

und Kopenhagen<br />

Bei der UN-Konferenz im Dezember gehen die internationalen Verhandlungen<br />

um neue verpflichtende Klimaschutzziele in die nächste Runde.<br />

REPUBLIK berichtet über aktuelle Entwicklungen in Österreich und<br />

ambitionierte Initiativen in der nachhaltigen Energieversorgung.<br />

Wenige Wochen vor der entscheidenden<br />

Klimakonferenz in Kopenhagen laufen<br />

die diplomatischen Bemühungen für eine<br />

internationale Einigung auf Hochtouren.<br />

Für viele gehört die 15. Vertragsstaatenkonferenz<br />

zur UN-Klimarahmenkonvention<br />

von 7. bis 18. Dezember 2009 zu den<br />

wichtigsten umweltpolitischen Anlässen<br />

der Geschichte. Nach der Verabschiedung<br />

des Kyoto-Protokolls im Jahr 1997 soll<br />

diese Zusammenkunft den nächsten Meilenstein<br />

darstellen. Das Kyoto-Protokoll<br />

läuft 2012 aus. In Kopenhagen stehen nun<br />

Verhandlungen zu einer globalen Vereinbarung<br />

für den anschließenden Zeitraum<br />

am Programm. Dabei geht es sowohl um<br />

die Höhe der Ziele als auch um die Art,<br />

wie diese zu erreichen sind. Ein aktueller<br />

Streitpunkt der Verhandlungen sind die<br />

potenziellen Anstrengungen der Schwellenländer<br />

wie China, Indien oder Brasilien,<br />

um den Anstieg ihrer Emissionen zu<br />

reduzieren. Auch die Frage, wie die Industrieländer<br />

dabei unterstützend wirken<br />

können, muss geklärt werden.<br />

Österreich ist auf Grundlage des Kyoto-Protokolls<br />

und der EU-internen Lastenaufteilung<br />

verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen<br />

in der Zeit von 2008 bis<br />

2012 um 13 Prozent gegenüber 1990 zu<br />

reduzieren. Laut Klimaschutzbericht des<br />

Umweltbundesamts 2009 betrugen die<br />

österreichischen Treibhausgasemissionen<br />

im Jahr 2007 88 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente.<br />

Die Emissionen<br />

lagen damit rechnerisch um 19,2 Millionen<br />

Tonnen CO 2<br />

-Äquivalente über dem<br />

jährlichen Durchschnittswert des festgelegten<br />

Kyoto-Ziels – also über 24 Prozent<br />

über dem Zielwert. Rezessionsbedingt<br />

werden die Emissionen zwar für 2008 und<br />

2009 sinken, dennoch liegt Österreich insgesamt<br />

nicht gerade auf Kyoto-Kurs.<br />

Neue Ziele für Österreich<br />

Ein Jahr vor der UN-Konferenz in<br />

Kopenhagen hat die EU federführend<br />

neue Reduktionsziele festgelegt. Laut EU-<br />

Klima- und Energiepaket, das 2008 verabschiedet<br />

wurde, soll bis 2020 der Ausstoß<br />

von Treibhausgasen wie Kohlendioxid<br />

um 20 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken.<br />

Gleichzeitig soll der Anteil von Ökostrom<br />

(Sonne, Biomasse, Wind etc.) am<br />

Verbrauch auf durchschnittlich 20 Prozent<br />

steigen. Zurzeit liegt dieser Anteil<br />

EU-weit bei 6,4 Prozent.<br />

Österreich ist dazu verpflichtet, den<br />

Anteil erneuerbarer Energieträger am Brutto-Endenergieverbrauch<br />

bis 2020 auf 34<br />

Prozent zu erhöhen und gleichzeitig seine<br />

Treibhausgasemissionen in Sektoren, die<br />

nicht dem Emissionshandel unterliegen,<br />

um mindestens 16 Prozent auf Basis des<br />

Jahres 2005 zu reduzieren. Zur Erreichung<br />

des 34-Prozent-Ziels haben Wirtschaftsminister<br />

Mitterlehner und Umweltminister<br />

Berlakovich die „Energiestrategie<br />

Österreich“ in Auftrag gegeben.<br />

Im vorigen April präsentierten sie die<br />

Vorgangsweise: Koordiniert wird der Prozess<br />

vom Beratungsunternehmen Brainbows.<br />

Inhaltlich basiert die Energiestrategie<br />

auf drei Säulen: Versorgungssicherheit,<br />

Energieeffizienz und erneuerbare Energie.<br />

Es wird ein konkreter Maßnahmen- und<br />

Zeitplan zur Erreichung der EU-Energieziele<br />

und zur Umsetzung der Richtlinie<br />

„Die Energieautonomie<br />

für Vorarlberg<br />

ist möglich.“<br />

Adolf Groß, Landesenergiebeauftragter<br />

Vorarlberg<br />

zur Nutzung von erneuerbarer Energie<br />

erarbeitet. Die Energiestrategie soll durch<br />

eine Vielzahl von Organisationen aus dem<br />

öffentlichen und privaten Sektor getragen<br />

werden. Derzeit liegen jede Menge Grundlagen<br />

und Vorschläge auf dem Tisch. Bis<br />

Jahresende soll ein beschlussfähiges<br />

Ergebnis zustande kommen.<br />

Wandel in der Energieversorgung<br />

Nicht nur die notwendigen Maßnahmen<br />

zur Reduktion der Treibhausgas-<br />

Emissionen, sondern auch die Entwicklung<br />

des Öl- und Gaspreises erhöhen den<br />

Druck Richtung Nachhaltigkeit. Denn der<br />

Rohölpreis von über 150 Dollar im Jahr<br />

2008 hat die globale Abhängigkeit von<br />

dieser Energiequelle offenbart. Michael<br />

Cerveny, Energieexperte der Österreichischen<br />

Gesellschaft für Umwelt und Tech-<br />

Energieinstitut Vorarlberg<br />

Oktober 09 41


Thema<br />

Energie<br />

„Die Energiepreise<br />

werden rasch<br />

steigen, wenn<br />

die Weltwirtschaft<br />

wieder in<br />

Schwung kommt.“<br />

Michael Cerveny,<br />

Österreichische Gesellschaft<br />

für Umwelt und Technik<br />

Ögut<br />

nik, weist darauf hin, dass „aufgrund der<br />

weltweiten Rezession und damit geringeren<br />

Nachfrage nach Energie die Preise<br />

zwar kurzfristig gesunken sind. Jedoch<br />

wird sich das radikal ändern, wenn<br />

die Weltwirtschaft wieder in Schwung<br />

kommt.“ Erste Anzeichen seien deutlich<br />

erkennbar.<br />

Analysten gehen davon aus, dass<br />

Ölpreise von 100 bis 150 US-Dollar und<br />

in weiterer Folge noch mehr wieder<br />

möglich seien und damit erst recht zum<br />

Wachstumshemmer werden. Auch der<br />

„World Energy Outlook 2008“ der Internationalen<br />

Energie Agentur spricht von<br />

der Wichtigkeit eines Wandels. So heißt<br />

es zu Beginn: „Das Welt-Energiesystem ist<br />

an einem Wendepunkt angelangt. Es wird<br />

immer offensichtlicher, dass die aktuellen<br />

Wachstumstrends nicht nachhaltig sind<br />

– weder ökologisch, noch ökonomisch,<br />

noch sozial.“ Und weiter: „Notwendig<br />

ist nicht weniger als eine Energierevolution.“<br />

Mehr Energieautarkie<br />

Österreich ist in hohem Maße von<br />

Energieimporten abhängig. Der öster-<br />

reichische Engerieimportanteil liegt derzeit<br />

bei 70 Prozent. Mehrere Regionen,<br />

aber auch ganze Bundesländer streben<br />

mittlerweile die Energieunabhängigkeit<br />

an – und zwar auf Basis erneuerbarer<br />

Energiequellen. So hat die burgenländische<br />

Landesregierung 2006 beschlossen,<br />

dass der gesamte Strombedarf ab 2013 aus<br />

erneuerbarer Energie gewonnen werden<br />

soll. Insbesondere mit den bestehenden<br />

Windkraft- so wie auf Biomasse basierten<br />

Kraft- und Wärmekopplungsanlagen können<br />

bereits über 60 Prozent des Stromverbrauchs<br />

in diesem Bundesland aus diesen<br />

Energieträgern gedeckt werden. Ob das<br />

Ziel der kompletten Unabhängigkeit bis<br />

2013 erreichbar ist, hängt von den bundesweiten<br />

Rahmenbedingungen wie den<br />

Einspeisetarifen für Ökostromanlagen ab.<br />

Vorarlberg will ebenfalls langfristig<br />

energieautonom werden. „Die Energieautonomie<br />

für Vorarlberg ist möglich. Dennoch<br />

erfordert der Weg dahin einige Veränderungen<br />

im Umgang mit der Ressource<br />

Energie“, erläutert Adolf Groß, Geschäftsführer<br />

des Energieinstituts Vorarlberg<br />

und Landesenergiebeauftragter. Im Rahmen<br />

des energiepolitischen Programms<br />

„Energiezukunft Vorarlberg“ wird auf<br />

Energieeffizienz, den Ausbau der erneuerbaren<br />

Energieträger und neue Wege in<br />

der Mobilität, beispielsweise Elektroautos,<br />

gesetzt. Handlungsempfehlungen an<br />

diverse Akteure des Landes und in Zahlen<br />

ausgedrückte Ziele sollen den Weg in die<br />

Energieautonomie konkretisieren.<br />

Effizienz als Schlüssel<br />

Diese Handlungsempfehlungen, die<br />

im Rahmen der „Energiezukunft“ vorgeschlagen<br />

wurden, reichen von Passivhausqualität<br />

im Neubau und für Sanierungen<br />

über Abwärmenutzung in Industrie und<br />

Gewerbe bis hin zur laufenden Umstellung<br />

auf stromsparende Geräte in Haushalten,<br />

der Gastronomie und anderen Dienstleistungsbereichen.<br />

Eine begleitende Studie<br />

im Auftrag des Landes Vorarlberg zeigte<br />

für die Industrie und für produzierende<br />

Gewerbebetriebe wirtschaftlich sinnvolle<br />

Einsparungspotenziale von 59 Prozent bei<br />

Wärme und 22 Prozent bei Strom. Adolf<br />

Groß: „Der Fokus liegt also eindeutig in<br />

einer signifikanten Effizienzsteigerung<br />

und das bei zumindest gleichbleibendem<br />

Komfortniveau.“ Natürlich ist auch der<br />

Ausbau erneuerbarer Energieträger wie die<br />

Nutzung der heimischen Wasserkraft, von<br />

Biomasse, Biogas und der Sonnenenergie<br />

ein zentrales Element einer Zukunftsstrategie.<br />

Vorreiter<br />

Die Gemeinden und Städte spielen<br />

eine essenzielle Rolle bei der Umsetzung.<br />

Mehrere Initiativen unterstützen dabei:<br />

Mithilfe des e5-Programms wird z.B. versucht,<br />

die Energieeffizienz voranzutreiben.<br />

Teilnehmende Gemeinden erhalten<br />

Unterstützung, um Energie- und Klimaschutzziele<br />

festzulegen und zu erreichen.<br />

Wesentliche Elemente des e5-Programms<br />

sind u.a. die Berücksichtigung aller energierelevanten<br />

Handlungsfelder (Energieversorgung,<br />

Entsorgung, Planung, Mobilität,<br />

Gebäude etc.), der Aufbau von Strukturen<br />

und die Vernetzung von Akteuren<br />

innerhalb der Gemeinde und die Qualifizierung<br />

und Unterstützung kommunaler<br />

Akteure bei Planung und Umsetzung von<br />

Maßnahmen durch das e5-Beraternetzwerk.<br />

klima:aktiv ist eine im Jahr 2004 gestartete<br />

Initiative des Lebensministeriums.<br />

Ziel ist die rasche und breite Markteinführung<br />

klimafreundlicher Technologien und<br />

Dienstleistungen. Dabei ist klima:aktiv<br />

kein ordnungs- und steuerpolitisches<br />

Instrument, sondern versucht Akteure<br />

zu unterstützen, sei es im Aus- und Weiterbildungsbereich,<br />

bei der Festlegung<br />

von Standards oder der Entwicklung und<br />

Umsetzung von Programmen im Bereich<br />

Energieeffizienz, erneuerbare Energie und<br />

Mobilität.<br />

Die österreichischen Erfolge können<br />

sich also sehen lassen. Auch die Technologien<br />

für einen echten Wandel in der<br />

Klimaschutz- und Energiepolitik sind<br />

vorhanden, genauso wie es an entsprechenden<br />

Zielsetzungen in Zukunft nicht<br />

mangeln wird.<br />

42 Oktober 09


Erdgas: Sauber,<br />

sicher und verlässlich<br />

Promotion<br />

Erdgas: Sauber, sicher und verlässlich<br />

Heimische Betriebe profitieren von den ökologischen und ökonomischen<br />

Heimische Betriebe profitieren von den ökologischen und ökonomischen<br />

Vorteilen von Erdgas – saubere und kostengünstige Energielösungen sind für<br />

Vorteilen Österreichs von Erdgas Wirtschaft – saubere und und eine kostengünstige intakte Umwelt Energielösungen unerlässlich. sind für<br />

Österreichs Wirtschaft und eine intakte Umwelt unerlässlich.<br />

<br />

Umweltschutz<br />

<br />

geht alle an. Die Vorteile von<br />

Erdgas sind unumstritten: Erdgas ist ein <br />

ökologisch verträglicher Brennstoff, der mit<br />

minimaler Feinstaub- und Rußbelastung <br />

sowie niedrigem Schwefelanteil punktet. <br />

Zudem ist <br />

Erdgas eine der effizientesten<br />

Energieformen, die es gibt.<br />

„Grüne Argumente“ für Unternehmen<br />

<br />

„Grüne Argumente“<br />

<br />

für Unternehmen<br />

<br />

Effizienter Energieeinsatz ist für Umwelt und<br />

Unternehmen besonders wichtig, weil sich <br />

jedes Prozent <br />

Wirkungsgradverbesserung<br />

unmittelbar <br />

finanziell bemerkbar macht.<br />

Erdgas ist <br />

im industriellen Einsatz kostengünstiger<br />

als vergleichbare Energieträger,<br />

<br />

<br />

ist eine der effizientesten Energien und stößt<br />

<br />

bei der Verbrennung kaum Schadstoffe aus.<br />

<br />

Diese Eigenschaften spielen für Unternehmen mit hohem Umweltfreundlicher Transport<br />

<br />

Energieeinsatz <br />

besonders seit Erlass des Emissionszertifikategesetzes<br />

<br />

eine wesentliche Rolle. Durch das <br />

Gesetz, nen darf sich Erdgas mit dem <br />

Etikett „umweltfreundlich“<br />

<br />

Doch nicht nur wegen der geringeren Feinstaubemissio-<br />

<br />

das für Großemittenten wie Kraftwerke, Stadtwerke <br />

und rühmen. Der Energieträger <br />

wird nämlich mehr oder<br />

Industrie Abgaben für deren Emissionen vorsieht, wird weniger „fix und fertig“ geliefert, und das von niemand <br />

verstärkter <br />

Erdgaseinsatz zu einem wirtschaftlich <br />

wirksamen<br />

Faktor. Erdgas schont somit nicht nur die Umwelt, <br />

nigungsprozess kommt die <br />

gasförmige Energie ganz<br />

Geringerem als der Natur. Nach einem einfachen Rei-<br />

<br />

sondern<br />

Ohne<br />

hilft auch<br />

Staub<br />

sparen.<br />

geht’s auch<br />

<br />

umweltfreundlich via Pipelines<br />

<br />

direkt<br />

<br />

zum Verbraucher.<br />

<br />

<br />

<br />

„Erdgas überzeugt mit seiner Ökobilanz“, unterstreicht<br />

Umweltfreundlicher Transport<br />

<br />

Ohne Staub geht’s auch<br />

Jesco von Kistowski, Geschäftsführer von EconGas,<br />

<br />

Weniger<br />

<br />

bekannt und daher noch mit großem Potenzial<br />

<br />

Österreichs<br />

<br />

größtem<br />

<br />

Erdgasversorger<br />

<br />

für Weiterverteiler<br />

<br />

versehen <br />

ist die Nutzung von Erdgas zur Verringerung und Businesskunden, die Umweltverträglichkeit <br />

von<br />

von Feinstaubemissionen. <br />

Im Gegensatz zu anderen Erdgas. Zusätzlich ist der optimale <br />

Energieeinsatz, gerade<br />

Brennstoffen <br />

sind Erdgasemissionen nahezu feinstaubfrei.<br />

So stößt <br />

ein Erdgasauto so gut wie keinen Feinstaub <br />

Kosten zu schonen. EconGas betreut dabei ihre Kunden<br />

<br />

<br />

im B2B-Bereich, ein wichtiger Faktor, um Umwelt und <br />

aus, nämlich rund 98 Prozent weniger als ein Dieselaggregat.<br />

Großes Reduktionspotenzial findet sich <br />

auch lichen Erdgaslieferung. Umfassende <br />

technische Unter-<br />

von den ersten Sondierungsgesprächen bis zur tatsäch- <br />

<br />

beim Heizen. Erdgas verbrennt im Gegensatz zu anderen stützung wird von der Konzeption bis hin zur Umsetzung<br />

<br />

Energieträgern fast rückstandsfrei. Laut österreichischem von Energieprojekten angeboten. Das EconGas Engineering<br />

Team plant Neuerrichtungen ebenso wie es den<br />

<br />

Umweltbundesamt sind mit Holz und Kohle betriebene<br />

Heizöfen beim Hausbrand die Hauptverursacher für Umstieg von anderen Energieträgern auf Erdgas in die<br />

Feinstaubemissionen. Holzheizungen erzeugen laut Hand nimmt. Die Experten helfen auch, wenn es um die<br />

Schweizer Bundesamt für Umwelt sogar hundert Mal Optimierung des Energieeinsatzes geht, mit dem Ziel,<br />

mehr Feinstaub als eine Erdgasheizung. Auch bei industriellen<br />

Erdgas-Feuerungsanlagen sieht es ähnlich aus: effiziente und umweltschonende Energienutzung erkostengünstige<br />

Gesamtlösungen zu schaffen, die eine<br />

Deren Abgase weisen nur einen Bruchteil der Stickoxid- möglichen.<br />

und Staubemissionen auf, die bei Verwendung anderer Weitere Informationen zu EconGas und den Vorteilen von<br />

Brennstoffe anfallen.<br />

Erdgas erhalten Sie unter www.econgas.com.<br />

MEV<br />

Oktober 09 43


Karrieren<br />

Text<br />

Ursula Horvath<br />

Bundeskanzleramt<br />

HBF 2009<br />

Büroleiterin wird Sektionsleiterin<br />

Angelika Flatz ist nun an forderster Front der Sektion Öffentlicher Dienst und Verwaltungsreform im<br />

Bundeskanzleramt tätig. Zuletzt leitete die Wienerin das Büro der Bundesministerin für Frauen und<br />

Öffentlichen Dienst im Bundeskanzleramt. „Doing more with less” lautet ihre Devise. „Unser Fokus liegt<br />

neben der Flexibilisierung und Weiterentwicklung des Dienstrechts auch auf den Bereichen der Aus- und<br />

Weiterbildung sowie der Personalentwicklung“, sagt Flatz. „Hier arbeiten wir gerade drei konkrete Effizienzprojekte<br />

aus.“<br />

Ihre Laufbahn begann die Juristin als Assistentin am Institut für Rechtswissenschaften an der TU Wien,<br />

war im Anschluss u.a. als Referentin für Grundsatzangelegenheiten der Frauenpolitik im ehemaligen<br />

Bundesministerium für Generation und soziale Sicherheit (1998 bis 2000) und als stellvertretende<br />

Leiterin der Abteilung Informationslogistik und Verwaltungsvereinfachung im Präsidium des Finanzministeriums<br />

(2002 bis 2004) tätig. Vor ihrem Eintritt in das Bundeskanzleramt leitete Flatz das Büro der<br />

Präsidentin des Nationalrates.<br />

Wissenschaftsministerium<br />

BMWF<br />

Sektionschef wird Generalsekretär<br />

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMWF) hat einen Generalsekretär. Sektionschef<br />

Friedrich Faulhammer übernimmt diese Koordinierungsfunktion zusätzlich zu seinen bisherigen<br />

Agenden. Der studierte Jurist begann seine Karriere an der Universität Wien, seit 2005 leitet Faulhammer<br />

die Hochschulsektion im Wissenschaftsministerium und ist damit maßgeblich für die Ausgestaltung<br />

der Autonomie der Universitäten und die Leistungsvereinbarungen zwischen den Hochschulen und dem<br />

Bund verantwortlich.<br />

Dieser Schritt stellt lt. BMWF eine wichtige Vorbereitung für die kommenden Arbeiten im Hochschulbereich<br />

dar, die ab diesem Herbst auf der Agenda des Ministeriums stehen. Durch die Schaffung eines<br />

koordinierenden Generalsekretärs sollen nun die beiden Aufgabenfelder Wissenschaft und Forschung<br />

enger verschränkt werden. Der 47-jährige Generalsekretär gilt als einer der profundesten Fachleute des<br />

Bundesministeriums, in dem er bereits seit 1990 in verschiedenen Führungspositionen tätig ist.<br />

Landesregierung Tirol<br />

Verstärkung für die Öffentlichkeitsarbeit<br />

Christa Entstrasser-Müller ist seit 1. September 2009 als stellvertretende Leiterin der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit<br />

beim Land Tirol für den Fachbereich Medienservice und damit für die Pressearbeit der<br />

Regierungsmitglieder zuständig. „Als eine der größten Service-Einrichtungen dieser Art in Tirol soll die<br />

Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Amtes der Landesregierung in Sachen Professionalität, Kundenorientierung<br />

und Technologie Vorreiter sein“, sagt Entstrasser-Müller.<br />

Die Fotografen<br />

Europäische Kommission<br />

Generaldirektor bekommt Verstärkung<br />

Die Europäische Kommission hat Wolfgang Burtscher zum stellvertretenden Generaldirektor der Generaldirektion<br />

Forschung ernannt. Zu seinen Aufgaben gehören die Verwaltung von Personal- und Haushaltsmitteln,<br />

der interne Kontrollrahmen und die Koordinierung der Innenrevision. Außerdem ist er für<br />

die externe Auditpolitik und für die strategische Planung der Tätigkeiten der Generaldirektion zuständig.<br />

Der 49-jährige Österreicher ist derzeit als Direktor für Audit der Agrarausgaben in der Generaldirektion<br />

Landwirtschaft tätig.<br />

Staatsanwaltschaft Wien<br />

Frau an der Spitze<br />

Maria-Luise Nittel hat mit 1. August die Leitung der größten Anklagebehörde Österreichs übernommen.<br />

Als Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien folgt sie Otto Schneider nach, der in den Ruhestand tritt. Nittel<br />

war zuletzt Vize-Chefin der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Ihre juristische Karriere begann die Wienerin<br />

1983 als Richteramtsanwärterin. Bereits 1987 wurde Nittel Richterin am Wiener Strafbezirksgericht. Ein<br />

Jahr später wechselte sie zur Staatsanwaltschaft Wien. Ab 1998 war Nittel bei der Oberstaatsanwaltschaft<br />

beschäftigt, wo sie vor allem für Justizverwaltungsangelegenheiten zuständig war.<br />

44 Oktober 09


Karrieren<br />

Karriereinfos senden Sie bitte an<br />

karrieren@republik-online.at<br />

Vereinte Nationen<br />

Presseattaché im Sicherheitsrat<br />

Verena Nowotny ist Presseattaché Österreichs bei der ständigen Vertretung der Vereinten Nationen.<br />

Sie wurde für die beiden Jahre (2009/10) der österreichischen Mitgliedschaft in den VN-Sicherheitsrat<br />

nach New York entsandt. „Für Österreich ist diese Mitgliedschaft im Sicherheitsrat sehr bedeutend“,<br />

sagt Nowotny. „Sie ermöglicht uns, unser internationales Netzwerk weiter auszubauen und zu intensivieren,<br />

aber auch Österreich als Drehscheibe für Dialog und multilaterale Zusammenarbeit verstärkt zu<br />

positionieren.”<br />

Zuvor war Nowotny u.a. Journalistin bei den österreichischen Magazinen Profil, Cash Flow und News<br />

(1988 bis 1996), Pressesprecherin von Ex-Wirtschaftsminister Hannes Farnleiter (1996 bis 1998),<br />

außenpolitische Pressesprecherin von Altkanzler Wolfgang Schüssel (2001 bis 2006) und baute das<br />

China-Büro des Austria Wirtschaftsservice in Shanghai auf (2007 bis 2008). Im Jahr 2008 wurde die<br />

Kommunikationsexpertin außerdem mit dem Silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um die <strong>Republik</strong><br />

Österreich ausgezeichnet.<br />

Bundesforste<br />

Neue Chefin für den Biosphärenpark Wienerwald<br />

Die 35-jährige Forstwirtin Alexandra Wieshaider übernahm mit 1. Oktober 2009 die Leitung des Biosphärenpark<br />

Wienerwald. Die gebürtige Niederösterreicherin begann im Jahr 1999 und damit nach<br />

Abschluss ihres Boku-Studiums ihre Karriere bei den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf). Sie war u.a.<br />

für die Abwicklung zahlreicher Forschungskooperationen und Studien verantwortlich. Zusätzlich initiierte<br />

Wieshaider ein ÖBf-internes Projekt für Chancengleichheit, um den Frauenanteil (derzeit 15 Prozent) im<br />

Unternehmen zu steigern. Der Biosphärenpark Wienerwald umfasst etwa 105.000 Hektar, davon entfallen<br />

32 Prozent auf Flächen der Bundesforste. Die vielfältige Kulturlandschaft zählt zu einem wichtigen<br />

Lebensraum für heimische Tier- und Pf lanzenarten.<br />

Gerald Oitzinger, Wieshaiders Vorgänger im Biosphärenpark, leitet nun den Bundesforstebetrieb im<br />

Nationalpark Donau Auen. Er folgt damit Gottfried Pausch, der aus Altersgründen aus dem Unternehmen<br />

ausscheidet.<br />

Finanzministerium<br />

Kommunikationsexperte wird Sektionsleiter<br />

Mit 1. September 2009 wurde Gerhard Popp zum neuen Leiter der Sektion V – IT, Kommunikation<br />

und Öffentlichkeitsarbeit – im Bundesministerium für Finanzen ernannt. Zuletzt war der promovierte<br />

Jurist Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit sowie stellvertretender Leiter der Präsidialsektion im<br />

Lebensministerium. „Die Sektion V ist die IT-Servicestelle der <strong>Republik</strong> und seit Neuestem auch für die<br />

Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des Ressorts zuständig – eine spannende Kombination“, freut<br />

sich Popp auf seine neue Aufgabe.<br />

ÖBf Archiv, Thomas Haring<br />

Ingrid Sontacchi<br />

Europäische Union<br />

Bildungsattaché in Brüssel<br />

Martin Pletersek ist Bildungsattaché an der Ständigen Vertretung Österreichs bei der Europäischen<br />

Union. Von Brüssel aus wird er das Unterrichtsministerium (BMUKK) unterstützen, die bildungspolitischen<br />

Interessen Österreichs bei den Verhandlungen auf EU-Ebene durchzusetzen. Der Bildungsattaché<br />

betreut österreichische Delegationen aus dem Bildungsbereich und ist Ansprechperson für<br />

Anfragen zu EU-Bildungsthemen. Pletersek studierte in Graz, Schottland und Frankreich. Seine Tätigkeit<br />

für das BMUKK begann 2006, während der österreichischen EU-Präsidentschaft.<br />

heikey productions<br />

Unterrichtsministerium<br />

Petra Spiola<br />

Büroleiter wird Generalsekretär<br />

Hanspeter Huber ist nun Generalsekretär des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur. Er<br />

wird weiterhin seine Funktion als Büroleiter der Bundesministerin, die er seit Jänner 2007 innehat, ausüben.<br />

Seine Position als Abteilungsleiter wird er für die Dauer seiner Tätigkeit als Generalsekretär ruhend<br />

stellen. Huber ist seit 1994 im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (bzw. den Vorläufer-<br />

Ressorts) in verschiedenen Funktionen im Bereich der internationalen Bildungs- und Kulturkooperationen<br />

tätig.<br />

Oktober 09 45


Service<br />

Finanzkontrolle im öffentlichen Bereich<br />

Ausbildung<br />

Die WU Executive Academy bietet in<br />

diesem Semester erneut den Einstieg in<br />

den Lehrgang „Public Auditing“ an, der<br />

sich dem Thema Finanz- und Wirtschaftlichkeitskontrolle<br />

im öffentlichen Bereich<br />

in seiner vollen Bandbreite widmet. Der<br />

Lehrgang wurde 2005 gemeinsam mit<br />

dem Rechnungshof erstmals ins Leben<br />

gerufen, um eine praxisorientierte Ausbildung<br />

auf universitärem Niveau für Prüfer<br />

in Rechnungshöfen, Kontrollämtern und<br />

Revisionseinrichtungen zu bieten.<br />

Mit dieser Weiterbildung sollen die<br />

Qualität, Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit<br />

der Kontrolle erhöht werden – Punkte,<br />

die erforderlich sind, um öffentliche<br />

Mittel sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig<br />

einzusetzen. Zudem wird auf eine<br />

Auseinandersetzung mit internationalen<br />

Prüfungs- und Rechnungslegungsstandards<br />

(z.B. INTOSAI, IIA, Europäische<br />

Union) Wert gelegt.<br />

Insgesamt dauert die Ausbildung 18<br />

Monate. Die Teilnahmegebühr beträgt<br />

25.000 Euro (zahlbar in vier Teilbeträgen),<br />

ist jedoch steuerlich voll absetzbar, was<br />

einer Kostenersparnis von 50 Prozent entspricht.<br />

Der Jahrgang 2009 startete bereits<br />

Mitte Oktober 2009, Interessenten haben<br />

aber noch bis 31.10. die Chance einzusteigen.<br />

i n f o<br />

Professional MBA „Public Auditing“<br />

Veranstalter: WU Executive Academy<br />

(in Kooperation mit dem Rechnungshof)<br />

www.executiveacademy.at/pmba_pa<br />

Einstieg bis 31.10.2009 möglich<br />

Nachhaltige Architektur<br />

Bernd Vogl/BMFLUW<br />

Staatspreis<br />

Um sowohl architektonisch wertvolle<br />

als auch energieeffiziente Bauprojekte<br />

öffentlichkeitswirksam vor den Vorhang<br />

Das Gemeindezentrum Ludesch<br />

gehörte zu den Staatspreisträgern 2006.<br />

zu stellen, schreibt das Lebensministerium<br />

zum zweiten Mal den Staatspreis für<br />

„Architektur und Nachhaltigkeit“ aus.<br />

Dieses Wettrennen soll Bauschaffende in<br />

den kommenden Jahren zu weiteren Innovationen<br />

anspornen. In den drei Kategorien<br />

„Neubau“, „Sanierung“ und „Export:<br />

realisierte Projekte im Ausland“ werden<br />

zeitgemäße architektonische Leistungen,<br />

die über das geforderte Mindestmaß hinausgehen,<br />

honoriert. Objekte, die von<br />

2004 bis zum Herbst 2009 errichtet oder<br />

saniert wurden, können eingereicht werden.<br />

Zulässig sind alle Gebäudetypen und<br />

Nutzungsarten. Die Einreichfrist endet am<br />

4. Dezember 2009.<br />

Preisträger des ersten Staatspreises<br />

für „Architektur und Nachhaltigkeit“ im<br />

Jahr 2006 war u.a. das Gemeindezentrum<br />

Ludesch in Vorarlberg, das nicht nur den<br />

Passivhaus-Standard erreicht, sondern<br />

auch alle Qualitätskriterien eines klimaaktiven<br />

Hauses erfüllt.<br />

i n f o<br />

Staatspreis 2010 für Architektur<br />

und Nachhaltigkeit<br />

Einreichstelle: Österreichische Gesellschaft für<br />

Umwelt und Technik – ÖGUT<br />

www.staatspreis.klimaaktiv.at<br />

Einreichungen bis 2.12.2009 möglich<br />

Zurechtfinden im EU-Dschungel<br />

Seminar<br />

Innerhalb der Europäischen Union<br />

gibt es mittlerweile eine enorme Masse<br />

an Datenbanken und gerade für Städte<br />

wichtigen Netzwerken, bei der man leicht<br />

den Überblick verlieren kann. Damit dies<br />

nicht passiert, bietet das KDZ – Zentrum<br />

für Verwaltungsforschung am 11. und 12.<br />

November 2009 das Seminar „Europa findet<br />

Stadt“ in Salzburg an.<br />

Die Teilnehmer erhalten darüber hinaus<br />

praktische Tipps für die Antragstellung<br />

für EU-Projekte. Das Seminar richtet<br />

sich an Bürgermeister, Amtsleiter, Leiter<br />

der Finanzverwaltungen, EU-Verantwortliche<br />

aus mittleren bis großen Städten und<br />

Mitarbeiter der Bezirksverwaltungsbehörden.<br />

Als Vortragende wurden u.a. Bernhard<br />

Kühr, Datenbankexperte der Europäischen<br />

Kommission, und Christian Salletmaier,<br />

Leiter der Abteilung für Regionalentwicklung<br />

und EU-Regionalpolitik des Landes<br />

Salzburg, verpflichtet.<br />

i n f o<br />

Weitere KDZ-Seminare:<br />

„Verwaltungskosten senken –<br />

Ansätze für die Praxis“<br />

24.11.2009 / Linz<br />

„Wenn die Mitarbeiter in die Jahre kommen –<br />

Neue Aufgaben und Herausforderungen<br />

für die Führung“<br />

24. + 25.11.2009 / St. Pölten<br />

„Wissensstädte und Wissensregionen – Was sie<br />

ausmacht und wie sie effizient umgesetzt werden“<br />

26. + 27.11.2009 / Wien<br />

www.kdz.or.at<br />

46 Oktober 09


Foto<br />

Photos.com<br />

Service<br />

Recht<br />

Vorsicht, Korruptionsgefahr!<br />

Am 1. September 2009 trat in Österreich eine Novelle des<br />

Antikorruptionsstrafrechts in Kraft. REPUBLIK fasst die wichtigsten<br />

Änderungen zusammen.<br />

Amtsträger und Abgeordnete<br />

Amtsträger sind lt. § 74 (Abs. 1) Personen,<br />

die für „den Bund, ein Bundesland,<br />

einen Gemeindeverband, eine Gemeinde,<br />

für einen Sozialversicherungsträger oder<br />

deren Hauptverband, für einen anderen<br />

Staat oder für eine internationale Organisation“<br />

Aufgaben wahrnehmen. Darunter<br />

fallen also vom Polizisten über den Magistratsbeamten<br />

bis hin zum Minister und<br />

EU-Beamten alle in der Verwaltung tätigen<br />

Personen. Neu ist, dass auch Abgeordnete<br />

zu so genannten verfassungsmäßigen<br />

Vertretungskörpern – also Nationalrat,<br />

Bundesrat, Landtag, Gemeinderat – vom<br />

Gesetz erfasst werden. Sie werden zwar<br />

nicht unter dem Begriff Amtsträger subsumiert,<br />

machen sich aber dann strafbar,<br />

wenn sie ihre festgelegten Pflichten lt.<br />

Geschäftsordnung für Vorteile verletzten.<br />

Dies wäre beispielsweise dann der Fall,<br />

wenn Abgeordnete gegen Bezahlung vertrauliche<br />

Informationen aus einem Untersuchungsausschuss<br />

an Dritte weitergeben.<br />

Staatsnahe Unternehmen<br />

Für Mitarbeiter staatsnaher Unternehmen<br />

wurden die Bestimmungen gelockert.<br />

Sie sind nur noch dann betroffen, wenn<br />

die jeweilige Firma überwiegend Leistungen<br />

für den Betrieb des Staates erbringt.<br />

Zu diesen zählen nach gängiger Meinung<br />

jene, die reine Infrastrukturleistungen an<br />

den Staat erbringen, wie zum Beispiel die<br />

Bundesimmobiliengesellschaft oder die<br />

Bundesbeschaffungsagentur. Ausgenommen<br />

sind hingegen Unternehmen, die<br />

überwiegend am freien Markt agieren, wie<br />

beispielsweise ÖBB, Asfinag und Post.<br />

Hier kommen die deutlich sanfteren Antikorruptionsregeln<br />

der Privatwirtschaft<br />

zur Anwendung.<br />

Vorteilsannahme<br />

Amtsträger können belangt werden,<br />

wenn sie für die Anbahnung eines pflichtwidrigen,<br />

künftigen Amtsgeschäftes einen<br />

Vorteil fordern oder annehmen. Strafbar<br />

ist weiterhin auch die Annahme von Vorteilen<br />

für eine pflichtgemäße Amtshandlung.<br />

Allerdings gilt hier nun das Dienstrecht<br />

des jeweiligen Amtsträgers als Messlatte<br />

für den Strafrichter. Verbietet daher<br />

zum Beispiel ein Dienstrecht jegliche<br />

Annahme eines Vorteils für ein Amtsgeschäft<br />

im Nachhinein, so ist es auch strafrechtlich<br />

verboten, einen Blumenstrauß<br />

anzunehmen. Das Dienstrecht der Richter<br />

besagt beispielsweise, dass diese gar<br />

keine Geschenke annehmen dürfen. Der<br />

Amtsträger darf einen Vorteil in diesem<br />

Zusammenhang allerdings fordern, wenn<br />

ihm dies eine derartige Vorschrift oder<br />

eine dienstrechtliche Genehmigung ausdrücklich<br />

erlaubt.<br />

Anfüttern<br />

Diese Passage wurde entschärft: Als<br />

Anfüttern gilt gemeinhin die Gewährung<br />

von Geschenken, um Beamte oder Politiker<br />

bei guter Laune zu halten. Dies war bisher<br />

immer dann strafbar, wenn die Vorteile<br />

dem jeweiligen Amtsträger „in Hinblick<br />

auf seine Amtsführung“ gewährt wurden.<br />

Seit 1.9.2009 ist das Anfüttern nur noch<br />

dann strafbar, wenn von vornherein klar<br />

ist, dass als Gegenleistung ein pflichtwidriges<br />

Amtsgeschäft verlangt wird. Leistet<br />

etwa ein Bauunternehmer Zuwendungen<br />

jeglicher Art an eine Gemeinde oder an<br />

einen bestimmten Politiker, ohne dass<br />

eine unerlaubte Anbahnung eines Amtsgeschäftes<br />

im Raum steht, so bleibt diese<br />

Handlung straffrei.<br />

Oktober 09 47


Service<br />

Networking<br />

Ideen für eine<br />

innovative Verwaltung<br />

Seit 10 Jahren besteht das „Führungsforum innovative Verwaltung“<br />

(FIV), das sich als Impulsgeber zur Lösung aktueller Verwaltungsprobleme<br />

versteht. Präsidentin Heidrun Strohmeyer zieht im<br />

REPUBLIK-Interview Bilanz.<br />

Heidrun Strohmeyer, FIV<br />

„Der Austausch<br />

mit anderen Führungskräften<br />

trägt<br />

zur Qualitätsentwicklung<br />

in der<br />

Verwaltung bei.“<br />

Willibald Haslinger<br />

Was macht das Führungsforum?<br />

Es handelt sich um ein starkes, unabhängiges<br />

und überparteiliches Netzwerk<br />

von Führungskräften aus der Bundes- und<br />

Landesverwaltung. Wir wollen Innovationen<br />

in der Verwaltung vorantreiben, wichtige<br />

Impulse zur Lösung aktueller Probleme<br />

der Verwaltung geben. Das FIV versteht<br />

sich als Wissenscenter und Plattform für<br />

Erfahrungs- und Informationsaustausch<br />

und betont die gemeinsamen Anliegen<br />

von Führungskräften im öffentlichen Sektor.<br />

Wir beziehen Position, beteiligen uns<br />

aktiv und sachbezogen am öffentlichen<br />

Diskurs zur Verwaltungsreform. Unsere<br />

Stärke besteht in gebündelten Kompetenzen<br />

und der Vernetzung über die Grenzen<br />

der Gebietskörperschaften hinaus.<br />

Worin liegen die Schwerpunkte des<br />

FIV?<br />

In unseren Themenforen werden aktuelle<br />

Fragen, wie z.B. die Auswirkung der<br />

Finanzkrise auf die öffentlichen Haushalte,<br />

aufgegriffen und diskutiert. Die Auseinandersetzung<br />

und der Austausch mit<br />

anderen Spitzenführungskräften tragen<br />

zur Qualitätsentwicklung in der Verwaltung<br />

bei. Oft wird bei unseren Treffen der<br />

Grundstein für gemeinsame Initiativen<br />

gelegt. Wichtig ist es uns auch, die Leistungen<br />

und das Image der Verwaltung in<br />

der Öffentlichkeit positiv zu kommunizieren.<br />

Das FIV feiert 2009 sein zehnjähriges<br />

Bestehen. Welche Vision haben Sie für<br />

das Jahr 2019?<br />

Ich wünsche mir, dass das FIV durch<br />

seine Kompetenz und sein Engagement<br />

etwas in der österreichischen Verwaltung<br />

bewegt, zum Beispiel, dass unsere<br />

Projekte als Best-practice-Modelle breite<br />

Wirkung erzielen und die Verwaltung mit<br />

ihrer Expertise zur erfolgreichen Umsetzung<br />

großer Reformvorhaben beiträgt.<br />

Durch ihre Leistungen ist die österreichische<br />

Verwaltung zum internationalen<br />

Vorbild geworden. Zudem sollen die Bürgerinnen<br />

und Bürger im Jahr 2019 nicht<br />

nur zufriedene Kunden, sondern im Sinne<br />

von Good Governance auch aktiv an der<br />

Entwicklung des Gemeinwesens beteiligt<br />

sein.<br />

Welche Aktivitäten stehen heuer noch<br />

am Programm?<br />

Am 28. Oktober veranstalten wir mit<br />

der für den öffentlichen Dienst zuständigen<br />

Bundesministerin Gabriele Heinisch-<br />

Hosek ein Themenforum. Im Dezember ist<br />

eine Veranstaltung zum aktuellen Thema<br />

Reform der Schulverwaltung eingeplant<br />

und im Jänner 2010 erwarten wir internationale<br />

Gäste von der OECD, die über die<br />

aktuellen verwaltungsrelevanten Benchmarks<br />

sprechen werden.<br />

Im Herbst wird auch wieder eine Ausgabe<br />

unserer Zeitschrift VerwaltungInnovativ<br />

erscheinen. In Kooperation mit der<br />

Wiener Zeitung halten wir so vierteljährlich<br />

ein interessiertes Fachpublikum über<br />

innovative Projekte und aktuelle Entwicklung<br />

auf dem Laufenden.<br />

Wer ist eingeladen, Mitglied im FIV<br />

zu werden?<br />

Als Mitglieder sind Führungskräfte<br />

der Bundes- und Landesverwaltung<br />

eingeladen. Das heißt unsere Mitglieder<br />

gehören in der Regel der Sektionsleiter-,<br />

Gruppenleiter- und Abteilungsleiterebene<br />

an oder üben vergleichbare Funktionen<br />

aus. Für Partner aus der Wirtschaft besteht<br />

die Möglichkeit der fördernden Mitgliedschaft.<br />

Junge, engagierte Führungskräfte<br />

in spe können auf Empfehlung ebenfalls<br />

an den Themenforen teilnehmen.<br />

48 Oktober 09


Text<br />

Regina Preloznik<br />

Illustration<br />

Antonia Stanek<br />

Service<br />

Präsentationstipps<br />

Blick, Haltung und Gestik<br />

Warum kommt der eine bei der Presse oder auf der Bühne fantastisch<br />

an, aber der andere nicht? Wer hat sich diese Frage noch nicht gestellt?<br />

REPUBLIK gibt Tipps und Tricks zum Sprechen vor Publikum, die sich<br />

sofort in der Praxis anwenden lassen.<br />

Der Blick<br />

Der Blick sollte niemals zur Decke<br />

gehen oder auf den Boden gerichtet sein.<br />

Ersteres wirkt flehend und hilfesuchend,<br />

Letzteres wird vom Publikum gerne mit<br />

Verlegenheit verbunden. Der Blick sollte<br />

zudem nicht hektisch über das Publikum<br />

schweifen, sondern sekundenlange Stationen<br />

bei einzelnen Personen machen.<br />

Vorteil: Durch echten Blickkontakt hat<br />

man die Chance, in den Gesichtern der<br />

Zuhörer zu lesen. So hat man die Möglichkeit,<br />

rechtzeitig Zustimmung, Zweifel<br />

oder gar Ablehnung zu erkennen, und<br />

kann gegebenenfalls eine Kurskorrektur<br />

durchführen.<br />

So funktioniert es in der Praxis: Zuerst<br />

fixiert man eine Person und spricht zwei<br />

Sätze in deren Richtung. Die Dauer beträgt<br />

ca. fünf Sekunden. Danach sucht man sich<br />

den nächsten Gesprächspartner. Eine Hilfestellung<br />

bietet die „M-T-Methode“: Man<br />

projiziert ein „M“ über das Publikum und<br />

sucht sich die 5 Eckpunkte des M für die<br />

ersten 5 Personen, dann folgen die Eckpunkte<br />

eines großen T. So deckt man optimal<br />

den ganzen Saal mit Blicken ab und<br />

wird nicht zum gefürchteten „Nur-links-“<br />

oder „Nur-rechts-Redner“.<br />

Die Haltung<br />

Eine zu lockere Haltung im Sitzen ist<br />

zu vermeiden. Besser ist eine aufrechte,<br />

vorgeneigte Haltung. Das signalisiert Interesse<br />

und Achtung des Gegenübers. Außerdem<br />

sollte man nicht im Sessel versinken<br />

oder die Arme verschränken, sondern die<br />

Hände auf die Tischfläche legen. Nicht<br />

sichtbare Hände erregen Misstrauen. Stifte,<br />

die nur zum Herumspielen dienen oder<br />

stark glänzen, lenken ab. Sind die Beine<br />

zu sehen, sollte weiteren Fettnäpfchen<br />

vorgebeugt werden: Weiße Socken, ungeputzte<br />

Schuhe oder nervöses Wackeln der<br />

Beine kommen beim Publikum nämlich<br />

meist nicht gut an.<br />

Perfekt: Mit einer aufrechten Haltung signalisiert man<br />

Interesse und Achtung.<br />

Im Stehen ist es wichtig, einen festen<br />

Standpunkt einzunehmen: Beide Beine<br />

sind gleich belastet und stehen hüftbreit<br />

auseinander. Das Gewicht liegt auf der<br />

vollen Sohle – nicht nur auf der Ferse<br />

oder nur auf den Zehen. Die Arme lässt<br />

man seitlich frei hängen oder locker ineinander<br />

liegen – allerdings unbedingt oberhalb<br />

des Gürtels, da sonst eine so genannte<br />

„Fußballerhaltung“ (man schützt, was<br />

man in dieser Situation nicht zu schützen<br />

braucht) oder „Sträflingshaltung“ (Arme<br />

sind am Rücken verschränkt) eingenommen<br />

wird.<br />

Gestik<br />

Eine ungewollte Gestik fasziniert das<br />

Publikum deutlich mehr, als das gesprochene<br />

Wort: Nur wer sich selbst bewegt,<br />

kann auch andere bewegen. Das kann sich<br />

sowohl positiv als auch negativ auswirken.<br />

Zum Beispiel der Typ „Oberlehrer“:<br />

Mit erhobenem Zeigefinger bedroht er von<br />

oben herab. Oder das „Brille-rauf-Brillerunter-Spiel“:<br />

Nach dem dritten, vierten<br />

Mal macht das Mitzählen der Bewegung<br />

viel mehr Spaß, als einfach nur zuzuhören.<br />

Weiters der „Falte-die-Hände-vorder-Brust“-Typ:<br />

So kommt man instinktiv<br />

dem frommen Wunsch nach, den argusäugigen<br />

Betrachter gnädig zu stimmen.<br />

So nicht: Mit erhobenem Zeigefinger das Publikum<br />

bedrohen, kommt nicht gut an.<br />

Fa c t b ox<br />

Sympathisch und interessant<br />

präsentieren<br />

Ein Tag mit vielen Tipps für den persönlichen<br />

Stil, die schnelle Vorbereitung und die einfache<br />

Struktur.<br />

Termin: 25. November 2009, 9-16 Uhr, Wunschtermine<br />

möglich.<br />

Teilnahmegebühr für <strong>Republik</strong>leser: 390 Euro<br />

zzgl. 20% MwSt.<br />

Anmeldung unter info@media-trainer.at<br />

Regina Preloznik<br />

Media-Trainer GmbH<br />

Einzel- und Gruppentrainings für<br />

Präsentation und Medienauftritte.<br />

Wasagasse 24/26, 1090 Wien<br />

T (0664) 210 73 39<br />

www.media-trainer.at<br />

Oktober 09 49


Privat<br />

Text<br />

Stefan Grampelhuber<br />

Foto<br />

BMLFUW<br />

„Bei Schokolade muss<br />

ich diszipliniert sein“<br />

REPUBLIK bittet die politischen Top-Entscheidungsträger des Landes<br />

zum etwas anderen Wordrap. Dieses Mal spricht Lebensminister Nikolaus<br />

Berlakovich über dynamische Prozesse in der Bundespolitik, Schokolade<br />

als Beruhigungsmittel und das neue Buch von Wolfgang Schüssel.<br />

Gibt es etwas, wovon Sie nie genug<br />

bekommen können?<br />

Schokolade in jeder Form. Ich muss<br />

sehr diszipliniert sein, damit der Wunsch<br />

danach nicht überhand nimmt. Aber sie<br />

beruhigt mich ungemein.<br />

S t e c k b r i e f<br />

Nikolaus Berlakovich<br />

Nikolaus Berlakovich wurde am 4. Juni<br />

1961 in Eisenstadt geboren. Mit 24 Jahren<br />

schloss er sein Studium an der Universität<br />

für Bodenkultur in Wien (Fachrichtung<br />

Landwirtschaft, Pf lanzenproduktion) mit dem<br />

akademischen Titel Diplomingenieur ab.<br />

Seine politische Karriere startete<br />

Berlakovich 1987 als Gemeinderat und<br />

Vizebürgermeister in Großwarasdorf<br />

(Bgld.). Von 1991 bis 2005 war er<br />

Abgeordneter zum Burgenländischen<br />

Landtag, im VP-Landtagsklub fungierte<br />

er von 2002 bis 2005 als Klubobmann.<br />

2005 übernahm der heute 48-Jährige<br />

nach Rücktritt von Langzeit-Agrarlandesrat<br />

Paul Rittsteuer dessen Ressort.<br />

Seit 2. Dezember 2008 ist der<br />

Burgenland-Kroate, der innerhalb<br />

des VP-Bündnissystems dem<br />

Bauernbund zuzurechnen ist, Mitglied<br />

der Bundesregierung unter Kanzler<br />

Werner Faymann und hat als direkter<br />

Nachfolger des jetzigen Vizekanzlers<br />

Josef Pröll dessen früheres Ressort<br />

(Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und<br />

Wasserwirtschaft) übernommen.<br />

Berlakovich ist mit einer Ärztin verheiratet,<br />

hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie<br />

im burgenländischen Nebersdorf.<br />

Auf welches Ereignis freuen Sie sich<br />

gerade?<br />

Auf die Welt-Klimakonferenz in<br />

Kopenhagen im Dezember, obwohl das<br />

noch ein steiniger Weg bis dorthin ist. Ab<br />

darin sehe ich eine wichtige Herausforderung<br />

für die Weltgemeinschaft, einen Konsens<br />

zu finden und sich in der existenziellen<br />

Frage des Klimaschutzes zu Zielen<br />

und Vorgehensweisen zu bekennen.<br />

Wie haben Sie den Umstieg von der<br />

Landes- auf die Bundespolitik empfunden?<br />

In der Bundespolitik ist man mit einem<br />

x-fach dynamischeren Tempo als auf Landesebene<br />

konfrontiert. Diese Arbeit hat<br />

eine faszinierende Seite, weil man viel<br />

Verantwortung hat, aber auch viel möglich<br />

machen kann.<br />

Was empfinden Sie als den größten<br />

Luxus in Ihrem Leben?<br />

Zeitungen in ihrer vollen Bandbreite<br />

zu lesen. Derzeit kann ich mich aus<br />

Zeitgründen nur auf den politischen Teil<br />

konzentrieren, andere Bereiche wie Sport<br />

oder Kultur gehen sich leider oft nicht<br />

aus.<br />

Zu welchen Anlässen sind Sie telefonisch<br />

nicht erreichbar?<br />

Beim Sport. Ich spiele leidenschaftlich<br />

gerne Fußball und bin Fan des SV Mattersburg,<br />

fahre außerdem Rad und laufe Ski.<br />

Die unkomplizierte Variante, Sport zu<br />

betreiben, ist für mich momentan, laufen<br />

zu gehen. Für weitere sportliche Aktivitäten<br />

bleibt mir leider wenig Zeit.<br />

Welches Buch liegt auf Ihrem Nachtkästchen?<br />

Das neue Buch von Wolfgang Schüssel,<br />

Offengelegt, möchte ich sobald als<br />

möglich lesen.<br />

Gibt es eine Entscheidung, die Sie gerne<br />

ungeschehen machen würden?<br />

Nein. Ich bin Optimist und lebe nach<br />

dem Motto: Jeder Tag ist eine neue Chance.<br />

Was ist Ihrer Meinung nach die tollste<br />

Erfindung der Menschheit?<br />

Die Fähigkeit, über den eigenen Schatten<br />

zu springen, aufeinander zuzugehen<br />

und Kompromisse zu schließen. Egoismus<br />

hat die Menschheit schließlich noch<br />

nie weitergebracht.<br />

Was ist der größte Irrtum der meisten<br />

Österreicher?<br />

Viele Österreicher stellen ihr Licht<br />

unter den Scheffel und sehen sich selbst<br />

kleiner als sie tatsächlich sind. Diese Einstellung<br />

ist bei der Fülle an Ideen und Leistungen,<br />

die unser Land tagtäglich hervorbringt,<br />

eigentlich genau der falsche Weg.<br />

50 Oktober 09


Gesagt heißt nicht immer richtig gehört,<br />

Konrad Lorenz<br />

gehört heißt nicht immer richtig verstanden.<br />

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