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Republik 2

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Schwerpunkt<br />

Gesundheit<br />

plattformen eingerichtet, mit dem Ziel,<br />

optimale Settings für regionale Strukturen<br />

zu erarbeiten und dann sogar zu einer<br />

gemeinsamen Finanzierung zu kommen.<br />

Ich habe es leider noch nicht erlebt, dass<br />

eine Landesplattform ein gemeinsames<br />

Budget für die Gesamtversorgung eines<br />

Bundeslandes gemacht hat.“<br />

Der Sektionsleiter im Gesundheitsministerium<br />

verweist allerdings auch auf die<br />

geringen Druckmittel des Bundes, derlei<br />

Dinge stärker einzufordern: „In der Verfassungswirklichkeit,<br />

in der der Gesetzgeber<br />

steht, kann immer nur von „Können“ die<br />

Rede sein. „Müssen“, das hat man dem<br />

Bundesgesetzgeber nie erlaubt.“<br />

Wie bitte? Hat der Gesetzgeber gar<br />

nicht ausreichende Möglichkeiten ins<br />

System korrigierend einzugreifen? Auer:<br />

„Der Gesundheitsminister hat in unserem<br />

System die Chance die Leute an einen<br />

Tisch zu bringen und mit ihnen gemeinsam<br />

Dinge zu vereinbaren. Erzwingen<br />

kann weder der Minister noch der Gesetzgeber<br />

etwas.“<br />

Der Generalsekretär im Hauptverband<br />

der Sozialversicherungsträger Josef<br />

Kandlhofer outet sich an dieser Stelle der<br />

Diskussion als „unbedingter Verfechter<br />

des Fiedlerschen Verfassungsentwurfs“,<br />

denn dort steht: Das Gesundheitswesen<br />

ist Bundessache in Gesetzgebung und<br />

Vollziehung. „Das würde die Komplexität<br />

radikal ändern, als gelernter Österreicher<br />

weiß ich aber, dass wir das nicht so schnell<br />

erleben werden.“ Er sieht jedoch eine<br />

große Chance aufgrund der Beitragseinnahmenentwicklung<br />

etwas zu bewegen.<br />

Die Zahlungen der Krankenversicherung<br />

an die Spitäler sind ja davon abhängig.<br />

„Wenn die Beitragseinnahmenentwicklung<br />

so anhält, werden die Landesfonds<br />

einige hundert Millionen Euro weniger<br />

bekommen, als sie noch vor kurzem<br />

erwartet haben. Das kann einen Sinneswandel<br />

bewirken.“<br />

Phantomschmerzen<br />

Bleibt die Frage, ob nicht weniger<br />

Föderalismus sofort einen unerwünschten<br />

Zentralismus nach sich zieht. Hubert<br />

Dressler teilt diese Bedenken zum Teil:<br />

„Die Gefahr ist, dass man damit einen riesigen<br />

Monopolisten schafft“, worauf Josef<br />

Kandlhofer markig antwortet: „In Österreich<br />

ist doch niemand zentralistischer als<br />

der Föderalismus auf seiner Ebene. Wenn<br />

man sich ansieht wie zentralistisch die<br />

Länder organisiert sind, dann darf man<br />

das schon in eine Gesamtbetrachtung mit<br />

einbeziehen. Dort wird doch verhindert,<br />

dass wir eine Verwaltungsebene herausnehmen!“<br />

Der Pharmig-Präsident relativiert,<br />

indem er erklärt, den alten Plan, vier<br />

Gesundheitsregionen zu etablieren, nach<br />

wie vor für richtig zu halten: „Ich will<br />

nicht, dass in Wien ein Beamter sitzt, der<br />

für das ganze Land die Entscheidungen<br />

trifft. Es muss einen Topf geben, aus dem<br />

ich für das ganze Land zuteile, aber in<br />

Regionen, in denen das geografisch einen<br />

Sinn macht. Eines ist klar, auch wenn wir<br />

behaupten, das System ist toll, auf Dauer<br />

gesehen ist es in der Finanzierungsstruktur<br />

und Organisationsform nicht zu halten.“<br />

„Das ist der entscheidende Punkt“,<br />

schaltet sich Martin Gleitsmann an dieser<br />

Stelle ein: „Es ändert sich nur etwas,<br />

wenn der Leidensdruck so hoch ist, dass<br />

man reagieren muss. Die Länder können<br />

bald nicht mehr am Thema vorbei.“ Der<br />

Abteilungsleiter in der Wirtschaftskammer<br />

würde ein Nachfragemodell bevorzugen,<br />

in dem die Sozialversicherung für<br />

ihre Versicherten die Leistungen am Markt<br />

einkauft, jeweils dort, wo es am sinnvollsten<br />

und hochwertigsten ist.“<br />

Mehr Transparenz<br />

Der Vizepräsident Günther Wawrowsky<br />

warnt an dieser Stelle erneut vor einer<br />

allzu ökonomischen und pragmatischen<br />

Betrachtung. „Ich warne davor, den Leidenden<br />

außer Acht zu lassen. Eine Vereinfachung<br />

des Systems heißt noch lange<br />

nicht, dass es damit besser ist. Ein komplexes<br />

System kommt auf die individuellen<br />

Ansprüche des Einzelnen viel besser<br />

hin, aber es ist natürlich mühsam, es zu<br />

entwirren.“<br />

Sektionsleiter Clemens Auer kontert:<br />

„Die Qualität hat sehr wohl etwas mit der<br />

Versorgungsstruktur zu tun! Wir kommen<br />

um die Organisationsfragen nicht herum.<br />

Ich bin überzeugt, dass Herr Wawrowski<br />

ein exzellenter Internist ist, aber er hat<br />

nur eine beschränkte Kapazität Patienten<br />

zu behandeln und das liegt nicht an seiner<br />

Fähigkeit, sondern an seiner Organisationsform.<br />

Deshalb rede ich schon seit<br />

langem, dass wir für den niedergelassenen<br />

Bereich bessere Organisationsformen<br />

brauchen, ambulante Organisationsformen,<br />

in der Hoheit des freien Berufsstandes<br />

der Ärzte und deren Partner.“<br />

Prävention<br />

Noch einmal wird ein bereits in Alpbach<br />

heftig diskutiertes Thema aufgegriffen.<br />

Dort haben der Yale-Professor David<br />

L. Katz wie auch Professor Kurt Widhalm<br />

von der Uni Wien sehr unerfreuliche Zahlen<br />

und Fakten zum Thema Adipositas<br />

vorgelegt. Generaldirektor Josef Kandlhofer<br />

bringt es auf den Punkt: „Wir rennen<br />

sehenden Auges in eine Katastrophe. Es<br />

sind bereits 900.000 Menschen in diesem<br />

Land adipös.“ Hubert Dressler stimmt zu,<br />

hat jedoch Zweifel, ob man dieses Ruder<br />

noch herumreißen kann: „Wenn wir alle<br />

Maßnahmen durchziehen, dann ist das<br />

einzige was wir schaffen könnten eine<br />

Stagnation der Fälle.“ Er fordert daher<br />

eine Art Bonus-Malus-System und zitiert<br />

das französische Modell der Besteuerung<br />

des Zuckergehalts von Getränken und die<br />

Fettgehaltbesteuerung als durchaus nachahmenswert.<br />

Martin Gleitsmann hingegen fordert<br />

verpflichtende Bewegung und Unterricht<br />

über gesunde Ernährung vom Kindergarten<br />

an: „Das sollte sich im Berufsleben<br />

fortsetzen, im Bereich der betrieblichen<br />

Gesundheitsförderung ist noch einiges zu<br />

tun und es gibt Modelle hier Anreize zu<br />

schaffen.“<br />

Könnte hier das Gesundheitsminissterium<br />

eingreifen? Clemens Auer: „Wir<br />

finanzieren das Thema Prävention nicht<br />

ordentlich, weil wir keine Finanzmechanismen<br />

dafür entwickelt haben. Es kommt<br />

darauf an, die Systeme besser zu organisieren<br />

und die Allokation von Mitteln ist<br />

immer das zentrale Thema. Das Präventionsthema<br />

hat etwas mit Lebensstil zu tun<br />

und da brauche ich Anreize, die die Ärzte<br />

nicht leisten können, sondern das ist eine<br />

gesellschaftliche Frage. Die Ärzte sollen<br />

da mitwirken, aber wir können ihnen diese<br />

Aufgabe nicht umhängen.“<br />

24 Oktober 09

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