Republik 2
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Thema<br />
Europäische Union<br />
Europäisches Parlament: Die Neoparlamentarier haben gerade ihre ersten Bewährungsproben zu bestehen.<br />
Papier“, so Leinen. Über die Beiträge der<br />
Mitgliedsstaaten erwarte er noch „viel<br />
Streit“.<br />
Einen anderen Schwerpunkt will<br />
Herbert Reul setzen, der Vorsitzende<br />
des Industrieausschusses: Lange genug<br />
habe man sich um Klimaschutzfragen<br />
gekümmert, findet der deutsche Politiker.<br />
Dort seien die wesentlichen Beschlüsse<br />
gefasst. Jetzt müsse der Industriestandort<br />
EU gestärkt werden. Es gehe um eine neue<br />
Grundausrichtung, welche die Stärken<br />
der EU-Betriebe festigt und die Schwächen<br />
beseitigt. Ganz entscheidend sei der<br />
Bereich Innovation und Forschung, wo<br />
2010 die mittelfristige Planung für das<br />
milliardenschwere 8. EU-Forschungsrahmenprogramm<br />
anläuft.<br />
Neo-Abgeordnete<br />
Dass die Hälfte der EU-Abgeordneten<br />
neu im Geschäft ist, empfindet Leinen als<br />
„Energieschub im Parlament“. Hoch motiviert<br />
seien meistens die Neuen. Freilich<br />
müssten sie sich noch einarbeiten, gibt<br />
Reul zu bedenken. Wie lange es dauert,<br />
die komplexen Abläufe zu durchblicken,<br />
hänge vom Einzelfall ab. Denn manche<br />
der Neo-Parlamentarier haben mit der EU<br />
bisher nur wenig unmittelbare Erfahrung.<br />
Andere sind ehemalige EU-Kommissare<br />
wie der Belgier Louis Michel und die<br />
Polin Danuta Hübner oder frühere Minister<br />
wie der ehemalige österreichische<br />
Innenminister Ernst Strasser.<br />
Einige haben bisher selbst auf Seiten<br />
der Interessenvertreter gearbeitet,<br />
wie die SPÖ-Abgeordnete Evelyn Regner,<br />
die auf eine langjährige Karriere im<br />
ÖGB mit ausführlicher Brüssel-Erfahrung<br />
zurückblickt. Sie verfolgt im Rechts- und<br />
Beschäftigungsausschuss jene Themen<br />
weiter, die bei ihr schon bisher ganz oben<br />
auf der Agenda gestanden sind: EU-weit<br />
einheitliche Höchstarbeitszeiten, Kampf<br />
gegen Lohndumping durch Arbeitnehmerentsendung,<br />
Nein zur Herunternivellierung<br />
von Verbraucherrechten.<br />
Die Besuche der Lobbyisten haben<br />
bei Regner schon begonnen: „Ich bin sehr<br />
interessiert an den Argumenten der anderen<br />
Seite“, erzählt sie. Daher rede sie lieber<br />
mit zu vielen Leuten als mit zu wenigen.<br />
Das Gespräch mit Interessenvertretern wie<br />
Regierungen, Verbraucherschützern und<br />
Gewerkschaften „gehört politisch dazu<br />
und ist in Brüssel relativ stark vertreten“,<br />
meint auch Reul.<br />
Wie einflussreich die Abgeordneten<br />
am Ende seien, hänge nicht unbedingt<br />
davon ab, wie lange sie schon dabei sind,<br />
sagt Christian Feustel, der für den Industriedachverband<br />
Businesseurope die<br />
Kontakte zum EU-Parlament organisiert:<br />
„Jene Abgeordneten, die ihre Dossiers am<br />
besten kennen und seriöse Arbeit machen,<br />
haben auch den meisten Einfluss.“<br />
Schließlich sei das Europaparlament ein<br />
klassisches Arbeitsparlament. Mehr als<br />
50.000 Abänderungsanträge wurden in<br />
der letzten Legislaturperiode gestellt.<br />
Denn während sich in den nationalen<br />
Parlamenten die Regierungsparteien mit<br />
ihrer Mehrheit stets durchsetzen, müssen<br />
in Brüssel und Straßburg jedes Mal neue<br />
Mehrheiten gesucht werden.<br />
H i n t e r g r u n d<br />
Österreichische<br />
Vertretung<br />
Bisher sitzen 17 Österreicher im neuen EU-<br />
Parlament. Nur zwölf davon sind auch in<br />
Fraktionen eingebettet, was für die Schlagkraft<br />
wichtig ist. Mit sechs Vertretern in der EVP<br />
ist die ÖVP die größte Delegation: Dort ist<br />
Ernst Strasser für Sicherheits- und Rechtsthemen<br />
ein Ansprechpartner, Othmar Karas bei<br />
Wirtschafts- und Verbraucherschutzfragen, Elisabeth<br />
Köstinger betreut die Landwirtschaft,<br />
Paul Rübig Industrie, Energie und Forschung,<br />
Hella Ranner Verkehr und Richard Seeber<br />
den Umweltausschuss sowie Regionalförderungen.<br />
Nur mehr vier Abgeordnete stellt seit Juni<br />
die SPÖ, die der Fraktion der Sozialisten und<br />
Demokraten (S&D) angehören. Delegationleiter<br />
Jörg Leichtfried zeichnet für Verkehr und<br />
internationalen Handel verantwortlich, Hannes<br />
Swoboda für Energie und Forschung und ist<br />
nebenbei S&D in den Ausschüssen für Umwelt<br />
und Regionales und Evelyn Regner macht<br />
Recht und Beschäftigung. Zwei Parlamentarier<br />
hat Österreich bei den Grünen sitzen: Ulrike<br />
Lunacek sitzt Strasser im Sicherheitsausschuss<br />
gegenüber, Eva Lichtenberger kümmert<br />
sich um Verkehr und Recht.<br />
Wohl nur bescheidenen Einfluss haben die<br />
überdurchschnittlich vielen fraktionslosen<br />
EU-Abgeordneten Österreichs. Dabei handelt<br />
es sich neben FPÖ-Mann Andreas Mölzer und<br />
seinem Kollegen Franz Obermayr um Hans-<br />
Peter Martin sowie seine Mitstreiter Martin<br />
Ehrenhauser und Angelika Werthmann.<br />
Durch das Inkrafttreten des Lissabonner<br />
Vertrags gewinnt das EU-Parlament erneut<br />
an Bedeutung. Volles Mitspracherecht wird<br />
ihm etwa in den Bereichen Landwirtschaft,<br />
Polizeizusammenarbeit und internationalem<br />
Handel zuteil. Die Anzahl der Abgeordneten<br />
wird von 736 auf 754 erhöht, Österreich erhält<br />
zwei zusätzliche – somit 19.<br />
Oktober 09 37