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Referat Ingo Rosenthal & Simone Sommerfeld<br />

Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

Ablauf<br />

Rollenspiel<br />

Sammlung der Beobachtungen<br />

Ein kleines bisschen Theorie<br />

Pause<br />

Plenum<br />

Plenum<br />

Plenum<br />

nach Belieben<br />

Reframing - theoretisch Plenum<br />

- praktisch Einzelarbeit<br />

- Vorstellung Plenum<br />

weitere Methoden<br />

Übungen<br />

Auswertung<br />

Plenum<br />

Kleingruppen<br />

Plenum<br />

Literaturempfehlungen:<br />

J.Hargens, Systemische Therapie...und gut, Ein Lehrstück mit Hägar, Dortmund<br />

2003<br />

J. O´Connor, IMC Dermott, Die Lösung lauert überall,, Systemisches Denken verstehen<br />

und nutzen, Freiburg 1998<br />

W. Palmowski, Der Anstsoss des Steines, Systemische Beratung im schulischen<br />

Kontext, Dortmund 1995<br />

A. v. Schlippe, J. Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung,<br />

Göttingen 1996<br />

Interview mit Rosie<br />

Die folgenden (fingierten) Gesprächsprotokolle sollen systemische Gesprächstechniken<br />

verdeutlichen. Das erste Gespräch stellt das Gespräch eines Studenten mit<br />

Kenntnissen in der Partnerzentrierten Gesprächsführung dar. Im zweiten Gespräch<br />

fließen systemische Methoden in das Gespräch mit ein.<br />

Infos zum Fall:<br />

Name:<br />

Rosie<br />

Alter: 23<br />

Familienstand: ledig<br />

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Referat Ingo Rosenthal & Simone Sommerfeld<br />

Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

Haushalt: Rosie (im 5. Monat schwanger) und vier Kinder, zwei Jungen, 8<br />

Und 6 Jahre, sowie zwei Mädchen, 3 und 2 Jahre<br />

Einkommen: Hartz IV<br />

1. Gespräch:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

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Rosie:<br />

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Rosie:<br />

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Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Wie fühlst du dich, wieder schwanger zu sein?<br />

Nicht gut – ich fühle mich die ganze Zeit krank und ich hab´ keine Energie.<br />

Ich will einfach eine Abtreibung, aber ich hab´ das einfach nicht<br />

schnell genug gemerkt, dass ich schwanger war, um einen Schein zu<br />

kriegen, und jetzt, im fünften Monat – find´ ich keinen Arzt, der das<br />

macht und so hänge ich wieder mit einem Kind da.<br />

Das hört sich so an, als ob du gar nicht wieder schwanger werden wolltest.<br />

Hast du irgendwas mit Verhütung gemacht?<br />

Nein, nee. Das kostet nur Geld und das hab´ ich einfach nicht.<br />

Hat der Vater des Kindes ein Kondom benutzt?<br />

Also, hör´ zu, ich verdiene mir´n bisschen was damit, dass ich Männer<br />

zu Besuch habe. Wenn ich jeden bitten würde, ´n Gummi zu benutzen,<br />

dann wär´ ich nicht mehr im Geschäft ... Ja, ich weiß, ich sollte das<br />

nicht tun – gerade auch, weil ich kleine Kinder habe, aber Hartz IV<br />

reicht nicht weit bei vier Kindern und das bisschen Extrageld der Männer<br />

hilft und überhaupt, ich brauche auch´n paar Sachen.<br />

Was können wir heute für dich tun?<br />

Ich dreh durch mit all´ dem, was ich für die Kinder machen muss. Ich<br />

bin immer müde, und ich fürchte, dass meine beiden Jungs wieder ins<br />

Heim kommen, weil ich es nicht immer schaffe, sie zur Schule zu kriegen.<br />

Wie geht es dir mit der Vorstellung, dass dir die Kinder weggenommen<br />

werden?<br />

Furchtbar! Schrecklich! Ich weine viel.<br />

Wie sah deine eigene Kindheit aus?<br />

Furchtbar! Ich war die Älteste von uns sechs. Ich hatte zwei jüngere<br />

Brüder, die immer zuhause `rumhingen und die versuchten, die älteren<br />

Jungs dazu zu bewegen, Drogen zu liefern, weil das Geld brachte ... Ich<br />

sage meinen Jungs, sie sollen da nicht ´reinrutschen, weil es ihnen<br />

nichts bringt.<br />

Aber du prostituierst dich selber für Geld.<br />

Das ist ´was anderes.<br />

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Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

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Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Wie ist das anders?<br />

(blickt finster drein) Eben anders!<br />

Erzähl´ mir noch etwas mehr über die Schwierigkeit, deine Kinder zur<br />

Schule zu kriegen.<br />

Sie wollen morgens nicht aufstehen und ihr Frühstück machen. Ich versuche<br />

das, aber mir geht´s mit dieser Schwangerschaft nicht gut. Wenn<br />

ich vor ihnen auf bin und ihnen Frühstück mache, dann geht´s besser ...<br />

aber meist wollen sie einfach liegen bleiben und fernsehen. Sie sagen,<br />

die Schule bringt ihnen sowieso nichts und bei ihrem Onkel können sie<br />

mehr Geld verdienen – Waren ausliefern.<br />

Weißt du, dass die meisten Schulen Sozialarbeiter haben, die bei häufiger<br />

Abwesenheit von Schülern ins Haus kommen und deine Kinder abholen,<br />

wenn sie nicht kommen? Das würde vielleicht helfen. Du hättest<br />

einen anderen Erwachsenen, der dir hilft, sie loszuschicken.<br />

Vielleicht.<br />

Rosie, wie motiviert bist du, dir zu helfen?<br />

Ich bin motiviert, aber ich weiß nicht so genau, wie du mir helfen willst.<br />

Hast du jemals daran gedacht, dein Kind zur Adoption frei zu geben?<br />

Nein. Wenn ich es zur Welt bringe, dann behalte ich es auch. Ich werde<br />

es niemals zu Fremden geben.<br />

Adoption ist wirklich nicht so ... Wärst du interessiert, mehr darüber zu<br />

erfahren, wie Adoption heutzutage abläuft – zu deinem Wohlbefinden<br />

und zum Wohl deines Kindes?<br />

Nein.<br />

Wie sieht deine Ausbildung aus?<br />

Ich bin aus der achten Klasse ´raus, als ich das erste Mal schwanger<br />

war.<br />

Wie ging es dir und wie fühltest du dich als du raus musstest?<br />

OK – ich mochte Schule sowieso nicht besonders.<br />

Würdest du gerne einen Schulabschluss machen?<br />

Na ja, hm, klar, aber wer kümmert sich dann um meine Kinder und wie<br />

komme ich dahin?<br />

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Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Student:<br />

Rosie:<br />

Es gibt Programme, die bieten Kinderbetreuung an. Und du könntest<br />

den Bus nehmen. Gibt es bei dir irgendwelche Leute, die dir helfen<br />

könnten – Nachbarn oder Eltern?<br />

Meinen Nachbarn geht´s so wie mir; meinen Vater kenn´ ich nicht; meine<br />

Mutter ist krank, und sie sorgt sich um ihre anderen Kinder.<br />

Erzähl´ mir etwas über deine Beziehung zu deiner Mutter.<br />

Die ist jetzt OK – besser als damals, als ich noch ein Kind war. Meine<br />

Mama schrie uns ständig an und schlug uns oft. Es gab dauernd Streit.<br />

Ich musste immer auf meine kleinen Geschwister aufpassen. Sie wurde<br />

wirklich wütend auf mich, als ich schwanger wurde und schmiss mich<br />

´raus.<br />

Das muss für dich echt traurig gewesen sein.<br />

Ja, das Leben läuft manchmal scheiße. Aber jetzt weiß ich, wie schwer<br />

es ist, sich um Kinder zu kümmern und warum sie uns so behandelt hat,<br />

wie sie es tat.<br />

Denkst du, du machst oft dieselben Fehler wie deine Mutter?<br />

Tja, ich brülle und manchmal schlage ich sie.<br />

Wie geht es dir, wenn du deine Kinder so behandelst?<br />

Nicht gut, klar. Aber ich bin müde und kann nichts dagegen tun.<br />

Hast du jemals daran gedacht, Elternkurse zu besuchen?<br />

Nun ja, das ist wahrscheinlich ´ne gute Idee, aber das scheint jetzt<br />

ziemlich viel Arbeit.<br />

2. Gespräch:<br />

Systemiker: Wie kann ich Sie unterstützen?<br />

Rosie:<br />

Naa, ich habe einige große Probleme. Zuerst – ich bin wieder schwanger.<br />

Ich hab´ schon zwei Babys, zwei kleine Mädchen, die sind drei und<br />

zwei Jahre alt und ich habe auch zwei Jungen., die gehen zur Schule.<br />

Ich werd´ noch verrückt, was ich da alles tun muss. Und ich hab´ Angst,<br />

dass meine beiden Jungs wieder in ´ne Pflegefamilie kommen, weil ich<br />

Schwierigkeiten hab´, sie morgens zur Schule zu kriegen. Sie wollen<br />

einfach morgens nicht hoch. Sie bleiben einfach liegen und gucken fern.<br />

Sie sagen, Schule wär´ nichts für sie und sie können mehr verdienen,<br />

wenn sie für ihre Onkels Waren ausfahren.<br />

Systemiker: „Waren ausfahren?“<br />

Rosie:<br />

Ja, ich glaub´ Drogen. Ich sag´ ihnen, das ist nicht gut und sie kriegen<br />

Ärger, aber sie hören ja nicht auf mich. Mir geht´s besser, wenn sie in<br />

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Referat Ingo Rosenthal & Simone Sommerfeld<br />

Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

der Schule sind, weil sie dann wenigstens nicht mit Lamar und Brian<br />

(den beiden Onkels) zusammen sein können. Aber sie stehen einfach<br />

nicht auf und ich bin selber so kaputt, weil ich wieder schwanger bin.<br />

Systemiker: (mitfühlend) Oh ja, das sehe ich, Sie haben wirklich alle Hände voll zu<br />

tun. Vier Kinder allein erziehen, das ist wirklich harte Arbeit, und dann<br />

auch noch schwanger dabei ...<br />

Rosie:<br />

Ja, das stimmt, und ich will nicht, dass mir meine Jungs weggenommen<br />

werden. Aber sie kämpfen mit mir immer wegen der Schule und ich<br />

hab´ das alles so satt, ich hab´ keine Lust zu dem, was ich alles machen<br />

muss und ich bin schwanger.<br />

Rosie berichtet über weitere Einzelheiten ihres „Problems“ und zwar über ihre Prostitution,<br />

um das Familieneinkommen aufzubessern und über ihre Schwangerschaft,<br />

die vermutlich die Folge ungeschützten Verkehrs mit einem „Klienten“ ist. Der<br />

Systemiker spricht dann einen anderen Bereich an:<br />

Systemiker: Ja, sie haben einige große Probleme – ihre Jungen in die Schule zu<br />

kriegen, genug Geld zu kriegen, schwanger zu sein, sehr erschöpft zu<br />

sein. Ich möchte Sie etwas ganz anderes darüber fragen, man nennt es<br />

die „Wunder-Frage“. (Pause) Angenommen, Sie gehen heute Abend<br />

wie gewöhnlich zu Bett und – während Sie schlafen – geschieht ein<br />

Wunder. Das Wunder besteht darin, dass die Probleme, von denen Sie<br />

mir erzählt haben, gelöst sind! Nur, sie haben geschlafen und so wissen<br />

Sie nicht gleich, dass sie gelöst sind. Was, denken Sie, würden Sie<br />

morgen früh bemerken, was anders wäre - was Ihnen sagen würde: Oh<br />

ja, die Dinge stehen wirklich besser!<br />

Rosie:<br />

(lächelnd) Das ist einfach – ich hätte im Lotto gewonnen – drei Millionen.<br />

Systemiker: Das wäre schon toll. Was würden Sie noch bemerken?<br />

Rosie:<br />

Ein netter Mann, der viel Geld hätte und viel Geduld mit Kindern, würde<br />

kommen und wir würden heiraten. Oder ich hätte nicht so viele Kinder<br />

und ich würde die Schule abschließen und hätte einen guten Job.<br />

Systemiker: Klar, das klingt wie ein großes Wunder. Was stellen Sie sich vor, was<br />

wäre das erste, was Sie bemerken würden, was Ihnen sagen würde,<br />

dass dieser Tag anders ist, besser, dass ein Wunder geschehen sein<br />

muss?<br />

Rosie: Na ja, ich würde vor meinen Kindern aufstehen, ich würde ihnen Frühstück<br />

machen und mich hinsetzen, wenn wir alle essen.<br />

Systemiker: Wenn Sie beschließen würden, genau das zu tun – vor ihnen aufstehen<br />

und ihnen Frühstück zu machen – was würden ihre Kinder tun?<br />

Rosie:<br />

Ich glaube, vielleicht würden sie kommen und sich an den Tisch setzen<br />

und nicht gleich zum Fernseher gehen und ihn anmachen.<br />

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Systemiker: Und wie wäre das für sie?<br />

Referat Ingo Rosenthal & Simone Sommerfeld<br />

Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

Rosie:<br />

Ich wäre besser drauf, denn wir könnten über ´was Schöneres reden<br />

und würden uns nicht über den Fernseher streiten. Und die Babys würden<br />

nicht bei dieser ganzen Streiterei wegen des Fernsehers anfangen<br />

zu weinen.<br />

Systemiker: Was noch? Was wird noch anders sein, wenn das Wunder eintritt?<br />

Rosie und der Systemiker untersuchten und entwickelten Rosies „Wunder-Bild“ noch<br />

eingehender. Dann fragte der Systemiker nach einem damit zusammenhängenden<br />

Thema:<br />

Systemiker: Rosie, ich bin sehr beeindruckt. Sie haben so ein klare Bild davon wie<br />

die Dinge bei Ihnen anders sein werden, wenn die Dinger besser sind.<br />

Gibt es schon Zeiten, zum Beispiel in den beiden letzten Wochen, die<br />

so ähnlich sind wie das „Wunder“, das Sie gerade beschrieben haben,<br />

vielleicht nur ein kleines bisschen so?<br />

Rosie:<br />

Na ja, ich bin nicht sicher ... tja, vor ungefähr vier Tagen, da war es besser.<br />

Systemiker: Erzählen Sie mir von vor ungefähr vier Tagen, was war anders?<br />

Rosie:<br />

Hm, ich ging am Abend vorher gegen zehn zu Bett und schlief gut. Ich<br />

hatte den Wecker auf halb sieben gestellt und stand auf, als er klingelte.<br />

Ich machte Frühstück und rief die Kinder. Die Jungs aßen und machten<br />

sich für die Schule fertig und gingen rechtzeitig los. (Sich erinnernd) Einer<br />

holte sogar sein Heft aus seinem Rucksack und machte – wirklich<br />

ruckzuck – seine Hausaufgaben, ehe er losging.<br />

Systemiker: (beeindruckt) Rosie, das hört sich an wie ein großes Stück vom Wunder.<br />

Ich bin erstaunt. Wie geschah das alles?<br />

Rosie:<br />

Ich weiß nicht genau. Ich denk´ mal, eine Sache war, dass ich ´was<br />

zum Essen im Haus hatte und rechtzeitig hochkam.<br />

Systemiker: Ja, wie haben Sie das gemacht?<br />

Rosie:<br />

Hm ...ich hatte beschlossen, abends keine „Klienten“ zu sehen und ich<br />

habe meinen Kindern eine Stunde vorgelesen.<br />

Systemiker: Wir haben Sie das gemacht, vier Kindern vorzulesen? Das scheint eine<br />

ziemlich schwere Sache zu sein.<br />

Rosie:<br />

Nein, das geht auch nicht – vier Kindern gleichzeitig vorlesen. Mein Ältester<br />

musste dem einen Baby ´was vorlesen, weil das die einzige Möglichkeit<br />

ist, wie ich ihn dazu kriegen kann, lesen zu üben; und ich lese<br />

dem anderen Jungen und dem anderen Baby ´was vor.<br />

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Referat Ingo Rosenthal & Simone Sommerfeld<br />

Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

Systemiker: Rosie, das ist ein tolle Idee – ihn dem Baby vorlesen zu lassen. Das hilft<br />

Ihnen und es hilft ihm beim Lesen. Wie haben Sie ihn dazu gebracht,<br />

das zu tun?<br />

Rosie:<br />

Oh, er durfte ein halbe Stunde länger aufbleiben als die andere, weil er<br />

mir hilft. Das macht er gerne.<br />

Der Systemiker untersucht – die Einzelheiten – weiter, was an dem Tag, der Rosies<br />

„Wunder“ ähnelte, anders war und wie die Dinge passierten – insbesondere was Rosie<br />

tat, damit sie eintraten. Dann stellt er ihr eine Aufgabe:<br />

Systemiker: Ich würde gerne für mich einige Sachen auf eine Skala legen, auf eine<br />

Skala von 0 bis 10. Also, zuerst, auf einer Skala von 0 bis 10, wo 0 bedeutet,<br />

Ihre Probleme sind am schlimmsten und 10 bedeutet, die Probleme,<br />

über die wir gesprochen haben, sind gelöst - wo sind Sie heute<br />

auf dieser Skala.<br />

Rosie:<br />

Wenn Sie mich gefragt hätten, bevor wir heute angefangen haben, hätte<br />

ich so etwa 2 gesagt, Aber jetzt glaube ich, ist es eher eine 5.<br />

Systemiker: Toll! Nun möchte ich Sie gerne fragen, wie groß Ihr Zutrauen ist, dass<br />

Sie in der nächsten Woche noch so einen Tag haben können wie den<br />

vor ungefähr vier Tagen – der, der so wie Ihr Wunder-Bild war. Auf einer<br />

Skala von 0 bis 10, wo 0 bedeutet, kein Zutrauen und 10 bedeutet,<br />

Sie haben jedes nur denkbare Zutrauen – wie ist Ihr Zutrauen, dass Sie<br />

das noch einmal machen können?<br />

Rosie: Oh ... etwa eine 5.<br />

Systemiker: Angenommen, Sie wären bei 6, was wäre dann anders?<br />

Rosie:<br />

Ich müsste sicher sein, dass ich immer ´was zum Essen, zum Frühstück<br />

für die Kinder, im Haus ´hab.<br />

Der Systemiker untersuchte gemeinsam mit Rosie weiter, was sie noch machen<br />

könnte, um die Wahrscheinlichkeit, dass ihr „Wunder“ in der Zukunft wieder auftritt,<br />

zu erhöhen. Er beendet dieses Erstgespräch mit einem Abschlusskommentar, in<br />

dem er Rosie darauf hinwies, was sie schon tat, um ihr „Wunder“ eintreten zu lassen<br />

und schlug vor, dass sie mehr von den Dingen macht, von denen sie annahm, dass<br />

sie in der nächsten Woche das Eintreten eines Wunder-Tages wahrscheinlicher machen.<br />

Prinzipien des systemischen Denkens und Handelns<br />

1. Systemisch denken heißt, in Systemen und Relationen zu denken, statt in Eigenschaften<br />

und Kausalitäten.<br />

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Referat Ingo Rosenthal & Simone Sommerfeld<br />

Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

2. Die Struktur von Systemen wird in der Form von Sprache konstruiert. Sie ist weitgehend<br />

unsere eigene Erfindung/Realität.<br />

3. Alles ist weitgehend definiert durch den Standort, Standpunkt, die „Wirklichkeit“<br />

des Ratsuchenden bzw. des Beobachters.<br />

4. Das Symptom (Problem) hat eine positive Funktion, es trägt zur Stabilisierung<br />

und damit zum überleben des Systems bei.<br />

5. Es gibt keine direkte Veränderung durch systemische Interventionen. Die systemischen<br />

Methoden stellen nur mögliche Wirklichkeitskonstruktionen zur Verfügung,<br />

über deren Nützlichkeit in der Anwendung der Ratsuchende, entscheidet.<br />

Die Grundlagen des systemischen Denken und Handelns setzt sich aus vier<br />

Komponenten zusammen:<br />

1. Systemorientierung- Denken in Regelkreisen, in übergreifenden Beziehungsmustern,<br />

in Vernetztheiten...<br />

2. Sinnorientierung- Frage nach dem Sinn, der möglichen subjektiven Bedeutung<br />

von Verhaltensweisen. Das Verhalten als Bewältigungsstrategie einer nicht zu<br />

überwindenden Problematik verstanden. Jedes Verhalten wird als eine aktive<br />

Entscheidung für etwas gesehen.<br />

3. Ressourcenorientierung- statt auf Defizite wird auf Ressourcen, auf Fähigkeiten<br />

geschaut. (Wann tritt das beklagte Verhalten nicht auf?)<br />

4. Veränderungsorientierung (Lösungsorientiert)- alles ist Veränderung und<br />

Werden. Eine kleine Veränderung kann große nach sich ziehen. Jede/jeder kann<br />

in jeder Situation eine positive Veränderung anstoßen.<br />

Von der Problemebene zur Lösungsebene<br />

1. Die Ausrichtung auf einen positiven Fokus erleichtert die Formulierung und Befolgung<br />

von Zielen. Es ist sogar möglich, ohne Kenntnis des Problems Lösungen zu<br />

konstruieren.<br />

2. Ausnahmen von Problemen sind die Tür zu möglichen Lösungen.<br />

3. Änderung tritt immer auf, nichts ist immer gleich.<br />

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Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

4. Kleine Änderungen sind vorteilhaft, weil sie häufig zu größeren Änderungen führen.<br />

5. Kooperation erleichtert Veränderungen. Menschen geben selbst Hinweise, wie sie<br />

Veränderungen für möglich halten.<br />

6. Menschen haben alle Ressourcen, um ihre Probleme zu lösen, bzw. die für sie<br />

passenden Lösungen zu konstruieren.<br />

7. Bedeutung und Erfahrung werden über Interaktion vermittelt und konstruiert.<br />

8. Handlungen und Beschreibungen sind zirkulär, sie wirken auf die Beteiligten zurück.<br />

9. Die Bedeutung einer Botschaft liegt in der Antwort, die du bekommst.<br />

10. Im lösungsorientierten Prozess ist der Mensch immer selbst der eigene Experte.<br />

11. Der lösungsorientierte Ansatz hat zum Ziel, erstarrte Strukturen in Bewegung zu<br />

bringen.<br />

Systemische Fragetechniken- Methoden und Ziele<br />

• Systemisches Fragen fragt nach Ressourcen und nicht nach Schuldigen<br />

• Angemessen ungewöhnlich fragen, um eine neue Information zu bekommen,<br />

neue Denkprozesse in Gang zu setzten<br />

• Ziel der Fragen soll sein, Unterschiede zu erzeugen/hervorzurufen d.h. entweder<br />

reale Veränderung in Gang zu setzten oder eine Veränderung der Bedeutung die<br />

einer Gegebenheit beigemessen wird zu ermöglichen<br />

• Für die Berater gilt der Ausspruch den Braisa 1993 gemacht hat: „Sie haben begriffen,<br />

warum sie zwei Ohren und nur eine Zunge haben; damit sie zweimal mehr<br />

zuhören können und einmal weniger sprechen."<br />

1. Methode: Reframing<br />

Reframing bedeutet, einem Geschehen einem neuen/anderen Rahmen/Sinn zu geben,<br />

indem man es in einen neuen Rahmen stellt, der die Bedeutung des Geschehens<br />

verändert.<br />

Die wichtigste Funktion des Reframing ist die Verstörung der bisherigen Sicht der<br />

Dinge.<br />

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Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

Weitere Prämissen liegen dem Reframing zu Grunde:<br />

• Jedes Verhalten macht Sinn, wenn man den Kontext kennt.<br />

• Es gibt keine vom Kontext losgelösten Eigenschaften einer Person<br />

• Jedes Verhalten hat eine sinnvolle Bedeutung für den Zusammenhang des Gesamtsystems.<br />

• Es gibt nur Fähigkeiten. Probleme ergeben sich manchmal daraus, dass Kontext<br />

und Fähigkeit nicht optimal zueinander passen.<br />

• Jeder scheinbare Nachteil in einem Teil des Systems zeigt sich an anderer Stelle<br />

als möglicher Vorteil.<br />

Übung: in „Problemen“ positive Fähigkeiten erkennen!!<br />

Beispiel: Brüllen ist die Fähigkeit sein Stimmvolumen auszuschöpfen!<br />

Übungen zum Reframing<br />

Bitte in 5 min ausfüllen!!!<br />

Zu spät kommen ist die Fähigkeit...<br />

Dazwischen reden ist die Fähigkeit...<br />

Ignoranz ist die Fähigkeit...<br />

Abblocken ist die Fähigkeit...<br />

Unkonzentriertheit ist die Fähigkeit...<br />

Rauchen ist die Fähigkeit...<br />

Jähzorn ist die Fähigkeit...<br />

Mobben ist die Fähigkeit...<br />

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Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

Schweigen ist die Fähigkeit...<br />

Ausweichen ist die Fähigkeit....<br />

Überheblichkeit ist die Fähigkeit...<br />

Alles besser als andere zu wissen, ist die Fähigkeit...<br />

Zappeln ist die Fähigkeit ...<br />

Inkonsequenz ist die Fähigkeit...<br />

2. Methode: Wunderfrage<br />

Diese Frage ist zukunfts- und lösungsorientiert, sie konstruiert eine angenommene,<br />

erwünschte und problemfreie Zukunftsperspektive. Durch immer konkretere Nachfragen<br />

können sich erste Lösungsschritte herauskristallisieren.<br />

Die Wunderfrage lautet wie folgt:<br />

„Eines Nachts, während sie schlafen, geschieht ein Wunder und das Problem...ist<br />

gelöst. Da sie schlafen, merken sie nicht, dass ein Wunder geschehen ist und ihr<br />

Problem verschwunden ist. Woran merken sie am nächsten Morgen, das etwas anders<br />

ist?“<br />

Weitere präzisierende Nachfragen können dann die Vorstellungen von Lösungsmöglichkeiten<br />

erweitern, z.B. „Was hätte sich noch verändert“, „Was würden andere<br />

Menschen zuerst bemerken“...<br />

3. Methode: Skalierungsfragen<br />

Skalierungsfragen dienen dazu, den Ratsuchenden dazu zu bringen, Probleme genau<br />

einzustufen. Um genau zu überlegen wo bestimmte Problematiken angesiedelt<br />

sind, sollen die Ratsuchenden sie zwischen 1-10 oder 1-100 einordnen. Dann kann<br />

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Referat Ingo Rosenthal & Simone Sommerfeld<br />

Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

gemeinsam erarbeitet werden, wo sich feine Unterschiede und Abstufungen ergeben<br />

könnten bzw. möglich sind.<br />

4. Methode/Fragetechnik: Verflüssigen<br />

Auch beim Verflüssigen geht es darum, eine Veränderung von Sichtweisen und Verhalten<br />

zu erzielen. Statische und anscheinend unverrückbare Überzeugungen und<br />

Zuschreibungen umzuformulieren und zu verflüssigen. Feste, polarisierende Positionen<br />

sollen aufgeweicht werden.<br />

Durch bestimmte Fragen sollen festgefahrene Zuschreibungen relativierende und<br />

dynamische Komponenten erhalten. Probleme erscheinen dadurch veränderbar und<br />

man kann auf sie Einfluss nehmen. Die folgenden Möglichkeiten des Verflüssigens<br />

zeigen, in welche Richtungen die Fragen führen können.<br />

Problem: Stephan stört immer die Jugendversammlungen im Jugendhaus!<br />

• Die zeitliche Perspektive<br />

War das schon immer so?<br />

Wie lange glaubst du, wird das noch so sein?<br />

...<br />

• Die räumliche Perspektive<br />

Ist das auch beim Spielen so?<br />

Wie war das während der Freizeit?<br />

...<br />

• Die Beziehungsperspektive<br />

Wenn Stephan nicht da wäre, wer wäre dann...?<br />

Mit wem kommt Stephan am besten zurecht?<br />

...<br />

• Die skalierende Perspektive<br />

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Referat Ingo Rosenthal & Simone Sommerfeld<br />

Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

Wenn du Stephans Fähigkeit auf einer Skala von 1-10 eintragen solltest, wo würdest<br />

du sie zurzeit ansiedeln?<br />

Wenn er sich um einen Punkt verbessern würde, woran genau würdest du das erkennen?<br />

...<br />

• Die Wunder-Perspektive<br />

Wenn das Problem nicht mehr da wäre, was wäre dann anders? Was noch? Woran<br />

genau würdest du das merken?<br />

Nehmen wir an, es würde besser, was würde dann schlechter?<br />

...<br />

• Die positive Perspektive (Frage nach Ressourcen)<br />

Was kann Stephan gut?<br />

Was wünscht du dir, solle sich bei Stephan nicht ändern?<br />

5. Fragetechnik: Lösungsorientierte Fragen (Verbesserungsfragen)<br />

Jede Beratung dreht sich um ein „Problem“, aber je länger man sich auf das Problem<br />

konzentriert umso mehr gerät das aus dem Blickfeld was gut funktioniert. Deshalb<br />

lohnt es sich, auf die Suche nach Erfahrungen und Ideen zu machen, die neue Möglichkeiten<br />

jenseits des Problems eröffnen.<br />

Fragen z.B. „Wie oft (wie lange, wann) ist das Problem nicht aufgetreten?“ „Was haben<br />

sie in diesen Zeiten anders gemacht?“<br />

6. Fragetechnik: Problemorientierte Fragen (Verschlimmerungsfragen)<br />

z.B. „Was müssten sie tun, damit ihr Problem noch schlimmer wird?“ „Wie können sie<br />

sich so richtig unglücklich machen?“ „Wie kann man sie dabei unterstützen/was<br />

müsste man tun?“<br />

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Systemisches „Methodenfeuerwerk“<br />

7. Fragetechnik: Frage nach Ressourcen<br />

Wenn Ratsuchende „alles“ als schrecklich erleben, kann es nützlich sein, sich nach<br />

Lebensbereichen zu erkundigen die als zufrieden stellend erlebt werden. Z.B. „Was<br />

sollte in ihrem Leben so bleiben wie es zurzeit ist?“ „Was gefällt ihnen an sich<br />

selbst?“<br />

8. Fragetechnik: Frage nach Ausnahmen<br />

Wenn man Problem-Zeiten mit Nicht-Problem-Zeiten vergleicht, werden die Bedingungen<br />

dieser Unterschiede deutlich. Fragen kann man danach, „Wie oft (wie lange,<br />

wann, wo) ist das Problem nicht aufgetreten?“ „Was haben sie in diesen Zeiten anders<br />

gemacht?“<br />

9. Fragetechnik: Zirkuläres Fragen<br />

Die zirkulierenden Fragen spielen eine große Rolle in der systemischen Therapie, da<br />

ja grundsätzlich von einer „Kreisförmigkeit“ ausgegangen wird. Zirkuläres Denken<br />

versucht das Verhalten aller Beteiligten deutlich zu machen. Ihre Aktionen haben<br />

Einfluss und sind Teil des gesamten Kreislaufs/Systems.<br />

Die grundlegende Überlegung dieser Methode ist, dass in einem sozialen System<br />

alle gezeigten Verhalten auch eine Funktion in den jeweiligen wechselseitigen Beziehungen<br />

haben. Daher kann es interessanter sein, diese Bedeutungen sichtbar zu<br />

machen, als den Ratsuchenden ausführlich nach seinen eigenen Empfindungen zu<br />

befragen.<br />

Wir fragen also nicht direkt nach den eigenen Gefühlen des Ratsuchenden, sondern<br />

z.B. „“Was denkst du, wie deine Schwester sich fühlt?“. Mit dieser Fragetechnik entstehen<br />

neue Informationen im System. So werden neue Sichtweisen und Denkprozesse<br />

angeregt. Diese Art von Informationssammlung fragt nach Mustern und nicht<br />

nach Dingen.<br />

Wie bei allen systemische Fragetechniken geht es darum, Unterschiede zu verdeutlichen.<br />

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