Mitteilungen 01/11 [PDF 9 MB] - Tiroler Fischereiverband
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DIE RENKE<br />
RVon Kurt de Swaaf<br />
enken bleiben lieber unter sich<br />
Entgegen allen Erwartungen kommen in<br />
österreichischen Seen noch heimische Renken<br />
vor, die sich nicht mit importierten Fischen<br />
kreuzten. Sie sind noch zu retten, sagen<br />
Zoologen.<br />
Zu sehen bekommt man sie nur selten.<br />
Meistens verstecken sich die silberglänzenden<br />
Geschöpfe in der Tiefe,<br />
weit weg vom Ufer, im offenen Wasser<br />
kalter, klarer Seen. Dort kreuzen sie in<br />
Schwärmen umher und suchen Futter.<br />
Ihre Leibspeise: Kleinkrebse und Insektenlarven.<br />
Die Rede ist von Renken,<br />
Angehörigen der zoologischen Gattung<br />
Coregonus. Am weitesten verbreitet<br />
sind sie heutzutage in Skandinavien<br />
und Nordrussland. In Österreich<br />
findet man sie in diversen größeren<br />
Seen. Die Vorfahren dieser Alpen-Coregonen<br />
müssen ursprünglich als Wanderfische<br />
vom Norden durch den Ur-<br />
Rhein in den Süden gelangt sein, sagte<br />
Steven Weiss vom Zoologischen Institut<br />
der Universität Graz im Gespräch<br />
mit dem STANDARD. Über zeitweilige<br />
Wasserverbindungen konnten die Renken<br />
sogar ins Donausystem vordringen,<br />
sagt Weiss. Vom Aussehen her<br />
wirken die Tiere nicht spektakulär, dafür<br />
schmecken sie umso besser. Für die<br />
Berufssfischer an Mondsee, Wörthersee<br />
und Co ist der Renkenfang einer<br />
der wichtigsten Einnahmequellen.<br />
Auch die berühmten Bodensee-Blaufelchen<br />
gehören zu den Coregonen.<br />
Unter Wissenschaftern sind Renken<br />
und ihre Verwandten allerdings eher<br />
berüchtigt. Die Fische lassen sich bis<br />
heute nicht eindeutig klassifizieren.<br />
Zu vielfältig sind ihre Erscheinungsformen,<br />
je nachdem, welchen Lebensraum<br />
sie bewohnen. Da gibt es die Großen<br />
Bodenrenken und die Kleinen<br />
Schweberenken, die Felchen und die<br />
Maränen. Nicht selten findet man<br />
gleich mehrere Formen in ein und<br />
demselben See. Weiss hat, zusammen<br />
mit Josef Wanzenböck vom Limnologischen<br />
Institut Mondsee und weitere<br />
Kollegen, die genetische Vielfalt der<br />
österreichischen Coregonen genauer<br />
analysiert. Die Forschungsarbeiten<br />
wurden vom Wissenschaftsfonds FWF<br />
finanziell unterstützt. Der Hintergrund<br />
des Projekts: In vielen Seen haben Fischer<br />
und Fischereibehörden immer<br />
wieder Besatzmaßnahmen mit ortsfremden<br />
Tieren durchgeführt. Es handelte<br />
sich dabei um sogenannte Maränen<br />
- Zuchtfische, die allesamt von<br />
einer polnischen Coregonus-Population<br />
abstammen. Schon seit dem 19.<br />
Jahrhundert nutzen Teichwirte fast<br />
ausschließlich diesen Stamm. Fachleute<br />
gingen bislang davon aus, dass<br />
die ursprünglichen Renken in Österreich<br />
praktisch ausgestorben seien. Sie<br />
hätten sich längst mit den Maränen<br />
vermischt, die Populationen bestünden<br />
dementsprechend nur noch aus<br />
Hybriden. Ein Irrtum. Mancherorts ist<br />
anscheinend tatsächlich eine fast<br />
durchgängige Hybridisierung eingetreten,<br />
aber gleichzeitig konnte Steven<br />
Weiss' Team in mehreren Gewässern<br />
wie z. B. dem Wolfgangsee eine deutliche<br />
genetische Trennung zwischen alteingesessenen<br />
Renken und importierten<br />
Maränen nachweisen (vgl. Molecular<br />
Ecology, Bd. 20, S. 456). Die beiden<br />
Formen leben dort fast nebeneinander<br />
her, Kreuzungen sind eher selten.<br />
Verschiedene Paarungszeiten<br />
Die Ursache für diesen eingeschränkten<br />
Genfluss liegt wahrscheinlich im<br />
unterschiedlichen Fortpflanzungsverhalten.<br />
Im Mondsee laichen die heimischen<br />
Coregonen im Januar. Die<br />
eingesetzten Maränen dagegen gehen<br />
bereits im Dezember zur Paarung und<br />
Eiablage über. Noch anders machen es<br />
die Renken aus dem Hallstätter See:<br />
Sie wandern zum Laichen in einen<br />
Zufluss, die Koppentraun, und bleiben<br />
so unter sich.<br />
Eine kleine wissenschaftliche Sensation<br />
brachte die Untersuchung für den<br />
Klopeinersee in Kärnten ans Licht.<br />
Hier leben Coregonen, deren genetischer<br />
Fingerabdruck sich sehr stark<br />
von allen anderen in Österreich lebenden<br />
Renken unterscheidet. Besatzmaßnahmen<br />
wurden am Klopeinersee<br />
offenbar nie durchgeführt. Die Fische<br />
müssen also einheimisch sein - und<br />
das, obwohl Forscher bisher glaubten,<br />
das natürliche Verbreitungsgebiet der<br />
Gattung Coregonus sei auf die Alpennordseite<br />
begrenzt. Diese und weitere<br />
ursprüngliche Populationen sind<br />
noch zu retten, betont Steven Weiss.<br />
Man muss sie aber dringend von den<br />
Maränen abschirmen, denn je länger<br />
beide Formen gemeinsam ein Gewässer<br />
bewohnen, desto größer die Gefahr<br />
der Hybridisierung. (Kurt de<br />
Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe,<br />
23.02.2<strong>01</strong>1)<br />
Abstract<br />
Molecular Ecology: Hybridization<br />
and restricted gene flow between native<br />
and introduced stocks of Alpine<br />
whitefish (Coregonus sp.) across<br />
multiple environments<br />
20<br />
TFV-<strong>Mitteilungen</strong> Nr. 1/2<strong>01</strong>1