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38<br />
Von PeTRa himmel<br />
Ende Dezember 2009. Alles ist wie<br />
immer: Die Fachjournalisten haben<br />
Tiger Woods wieder einmal zum<br />
Golfer des Jahres gekürt. Der 34-Jährige<br />
führt noch immer mit riesigem Vorsprung<br />
die Weltrangliste an, hat 2009 nach seiner<br />
Knieverletzung ein großartiges Comeback<br />
gefeiert und sechs Turniere auf der US PGA<br />
Tour gewonnen. Nein, es gibt noch immer<br />
keinen anderen Golfer, der an seine Leistungsstärke<br />
heranreicht, weshalb die Golfwelt<br />
eigentlich in lähmender Langeweile<br />
versinken müsste.<br />
Wäre da nicht diese Geschichte mit<br />
Woods und den Frauen, der Ehekrieg mit<br />
Ein<br />
hoher<br />
Preis<br />
Der Golfsport ist mit<br />
Tiger Woods sehr viel lukrativer<br />
geworden. Jetzt leidet er an den<br />
Affären seiner Galionsfigur.<br />
Elin und vor allem seine Ankündigung, dem<br />
Profizirkus auf unbestimmte Zeit fernzubleiben.<br />
Aus der Sportlergeschichte Tiger<br />
Woods wurde ab Mitte Dezember innerhalb<br />
kürzester Zeit die Klatschgeschichte Woods,<br />
die sich länger auf den Titelseiten der US-<br />
Zeitungen hielt als jede andere Schlagzeile<br />
im vergangenen Jahr.<br />
Der Modellathlet mit dem blitzsauberen<br />
Image, der sogar im Rahmen der Amtseinführung<br />
von Barack Obama eine Rede hielt,<br />
eine Stiftung für Kinder ins Leben gerufen<br />
hat und als der bestbezahlte Sportler aller<br />
Zeiten gilt, ist plötzlich allerorten unten<br />
durch. Hauptsponsoren ließen zur Jahreswende<br />
die Arbeit mit ihm ruhen oder kündigten<br />
wie im Falle von Accenture gar ihre<br />
Verträge. Nike, seit dem<br />
Karrierestart Woods‘ Ausrüstungsausstatter,<br />
führte<br />
Ende Januar zum ersten<br />
Mal Schläger auf dem<br />
Markt ein, ohne die Werbeikone<br />
dabei namentlich<br />
oder bildlich zu nutzen.<br />
Die Golfwelt ist innerhalb<br />
kürzester Zeit<br />
eine andere geworden.<br />
Die Affäre Woods ist<br />
viel mehr als nur eine<br />
Klatschgeschichte über<br />
einen einzelnen Profi. Genau genommen<br />
nämlich lässt sich die gesamte Golfszene, so<br />
wie sie sich 2009 darstellte, nur als Einheit<br />
mit Tiger Woods verstehen. Denn seit seinem<br />
Wechsel ins Profilager 1996 und seinem<br />
ersten Masters-Sieg 1997 veränderte<br />
der junge Mann den Golfsport in einem<br />
Ausmaß, wie es vor ihm nur Arnold Palmer<br />
und Jack Nicklaus gelungen war.<br />
Mit Palmer wurde Golf in den sechziger<br />
Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA<br />
zu einem Sport, der nicht nur im reichen<br />
Country Club von Interesse war, sondern<br />
plötzlich auch den Mann auf der Straße interessierte.<br />
Nicklaus schließlich machte den<br />
Sport kurz danach athletisch, dynamisch,<br />
fesselnd, interessant für das Fernsehen.<br />
Der sog des superstars<br />
Mit Tiger Woods schließlich wurde Golf<br />
zu einer globalen Sportart, die für ihre<br />
Protagonisten inzwischen extrem lukrativ<br />
ist. Nicht nur, dass Woods schon bei seinem<br />
Wechsel ins Profilager Sponsorenverträge<br />
über 60 Millionen Dollar abschloss und<br />
in den Folgejahren diese Summen noch<br />
erhöhte, auch der ganz normale Durchschnittsprofi<br />
profitierte von dem Sog des<br />
Superstars. Allein auf der US PGA Tour<br />
stiegen die Preisgelder zwischen 1996 und<br />
2009 von 70 auf 278 Millionen Dollar.<br />
„Wir müssen uns da gar keine Illusionen<br />
machen“, hat der Ire Graeme McDowell<br />
kürzlich festgestellt, als bekannt wurde, dass<br />
man eine Weile ohne Woods auskommen<br />
müsse. „Wir alle sind nur deshalb wohlhabendere<br />
Golfer, weil Tiger Woods zu unserer<br />
Zeit spielt.“<br />
Ein potenzieller Nachfolger für Woods,<br />
der kurzfristig in dessen Fußstapfen treten<br />
könnte, ist nicht in Sicht. Selbst hoch<br />
gehandelten Jungstars wie Rory McIlroy,<br />
Martin Kaymer, Anthony Kim oder Ricky<br />
Fowler traut niemand eine Major-Serie zu,<br />
wie Woods sie von Beginn seiner Karriere<br />
an hinlegte. Im Gegenteil: Die Major-Siege<br />
im vergangenen Jahr gingen eher an relativ<br />
unscheinbare Vertreter des Profigolfs, deren<br />
Werbewirksamkeit gerade auf den wichtigen<br />
Märkten Asien und USA nur sehr<br />
begrenzt ist. „Wir bräuchten ihn schon<br />
noch so vier oder fünf Jahre auf der Tour“,<br />
schlussfolgert McDowell denn auch im<br />
Hinblick auf Woods ganz richtig.<br />
Ein Bild aus harmonischeren Tagen.<br />
Derzeit hat Tiger Woods nicht nur<br />
Ärger mit seiner Frau Erin. Auch sein<br />
Sponsor Nike zieht Konsequenzen.<br />
Die Konsequenzen eines Rückzugs<br />
des Superstars lassen sich am leichtesten<br />
an den TV-Einschaltquoten ablesen. Die<br />
fallen seit Jahren deutlich höher aus, wenn<br />
Tiger Woods im Feld ist. Auf den durchschnittlichen<br />
Einschaltquoten basieren die<br />
Summen, die Fernsehgesellschaften an die<br />
Tour für die Übertragungsrechte zahlen.<br />
Die Logik ist deshalb sehr einfach: Kein<br />
Woods bedeutet weniger Geld. Und das<br />
betrifft den Milliardär selbst am allerwenigsten.<br />
„Wir brauchen ihn hier draußen<br />
ganz dringend wegen der Sponsoren und<br />
generell wegen der Aufmerksamkeit, die<br />
unsere Tour erzeugt“, erklärte vor Kurzem<br />
der Top-Ten-Spieler Steve Stricker auf der<br />
Website pgatour.com.<br />
hoffnung auf die Rückkehr<br />
Dass unabhängig von den finanziellen<br />
Nachteilen der Imageschaden für den<br />
Golfsport durch die Affäre Woods enorm<br />
ist, steht außer Frage. Dabei ist es nichts<br />
Neues, dass auch Golfprofis wie andere<br />
Promis ihre Groupies haben – und auch<br />
mal schwach werden. Kein anderer Spieler<br />
aber stand derartig im Licht der Öffentlichkeit<br />
und pflegte sein sauberes Familienimage<br />
so extrem wie Tiger Woods. Kein<br />
Wunder also, dass laut Meinungsumfragen<br />
von Zeta Interactive die Sympathiewerte<br />
für Tiger Woods im Internet von 91 Prozent<br />
vor seinem Autounfall am 27. November<br />
auf unter 40 Prozent gefallen sind.<br />
Weil der Golfsport seit Jahren untrennbar<br />
mit der Person Tiger Woods verbunden ist,<br />
gerät er nun mit in den Strudel.<br />
Die einzige Hoffnung der Szene besteht<br />
nun in der Rückkehr des Superstars. Fest<br />
steht nämlich schon eines: Der Medienrummel<br />
um das Comeback des Weltranglistenersten,<br />
das wahrscheinlich im Frühjahr<br />
über die Bühne gehen dürfte, wird alles<br />
bisher Erlebte in den Schatten stellen. Dem<br />
Golfsport ist reichlich Berichterstattung in<br />
Fernsehen und Printmedien gewiss. Dank<br />
Tiger Woods.<br />
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