AGIL - DasMagazin, Ausgabe November 2014
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Psychologie<br />
Das haben wir schon immer so gemacht<br />
von Elmar Egold<br />
Killerphrase wird eine solche Aussage genannt. Oder Totschlagargument.<br />
Und die Personen, die sich dahinter verbergen,<br />
sind Schnarchnasen, die ihre Zeit bis zur Rente<br />
möglichst schadlos überstehen wollen und damit allen Fortschritt<br />
blockieren. So will es zumindest das Klischee, das allzu gerne bedient<br />
wird.<br />
Also dann lieber jung, dynamisch, erfolgreich, auf jede neue Idee<br />
springen und das bewährte Alte über Bord werfen? Dass das auch<br />
nicht der wahre Jakob ist, liegt auf der Hand. Wie immer liegt die<br />
Wahrheit in der Mitte – und das nicht nur im Berufsleben.<br />
Auch im privaten Alltag kleben wir oft wie zäher Leim an Gewohntem<br />
und stehen uns damit selbst im Weg. Was könnten wir<br />
alles erleben, wenn wir uns bloß ein bisschen mehr trauen würden!<br />
Es lohnt sich deshalb, einmal genauer hinzuschauen.<br />
Da könnte ja jeder kommen<br />
Die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher wurde<br />
„Eiserne Lady“ genannt. Mit ihrem Verhalten hat sie sich nicht<br />
nur Freunde gemacht. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu<br />
hat ihre Durchsetzungskraft im TINA-Prinzip verewigt. Das Wort<br />
ist gebildet aus den Anfangsbuchstaben der Aussage „There Is No<br />
Alternative“. Leider hat TINA zahlreiche Schwestern. Weil die<br />
Akronyme unaussprechlich wären, folgen hier weitere Beispiele<br />
beliebter Totschlagargumente: „Das haben wir schon immer so<br />
gemacht!“, „Das haben wir noch nie gemacht!“, „Das geht nicht<br />
so einfach, wie ihr denkt!“, „Das hat doch keinen Sinn!“ oder „Da<br />
könnte ja jeder kommen!“. Und wenn wir mit uns selbst reden,<br />
hört es sich vielleicht so an: „Das liegt mir einfach nicht!“, „Da<br />
hätte ich ja viel zu tun!“, „Das muss ich mir nicht antun!“ oder<br />
„Was soll ich denn noch alles machen?“. So reagieren viele Menschen<br />
auf Neues und merken dabei gar nicht, wie sie sich selbst<br />
auf den Füßen stehen.<br />
Zaubersaft Dopamin<br />
Bevor wir jetzt alle Konservativen und Zögerer ungespitzt in den<br />
Boden rammen, naht kompetente Hilfe, und zwar von den Hirnforschern.<br />
Sie haben herausgefunden, warum der Homo sapiens<br />
dazu neigt, Neues abzulehnen und lieber den alten Stiefel weiterzumachen:<br />
Dopamin heißt der Zaubersaft. Das ist ein Neurotransmitter,<br />
der vom Belohnungssystem im Gehirn ausgeschüttet wird.<br />
Dummerweise belohnt Dopamin aber nicht die Entdeckerfreude,<br />
sondern fließt dann in Strömen, wenn das Gehirn etwas wiedererkennt,<br />
wenn vertraute Netzwerke aktiviert werden. Deshalb entsteht<br />
beim Altbekannten ein beruhigendes Gefühl, bei Neuem eher<br />
ein Störgefühl. Das kann man dem Gehirn nicht verübeln, denn<br />
es erledigt vor allem seinen Hauptjob: das Überleben sichern. Alle<br />
Erinnerungen an zurückliegende Ereignisse, auch an die weniger<br />
schönen, haben eins gemeinsam: Wir haben sie immerhin überlebt.<br />
Beim Neuen weiß man das noch nicht.<br />
Auch wenn es bei neuen Ideen in aller Regel nicht ums nackte<br />
Überleben geht, setzt das Gehirn lieber auf Nummer sicher. Zumindest<br />
in der ersten Reaktion. Beim zweiten Nachdenken kann<br />
26 | <strong>November</strong> <strong>2014</strong>