Leseleistung und Rezeptionsstrategien bei ... - Linguistik online
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<strong>Linguistik</strong> <strong>online</strong> 26, 1/06<br />
1.1 Leseverstehenstheoretische Gr<strong>und</strong>lagen<br />
Theoretische Gr<strong>und</strong>lage für die ausgewählten Strategien zur Rezeption von Sachtexten bildet<br />
das Situationsmodell von Kintsch/van Dijk (1983). Textverstehen wird als Prozess<br />
interaktiven Konstruierens von Bedeutung verstanden, <strong>bei</strong> dem Hypothesen aufgestellt <strong>und</strong><br />
überprüft sowie aufgr<strong>und</strong> des Vor- <strong>und</strong> Weltwissens Inferenzen gezogen werden. Zwei<br />
Komponenten wirken <strong>bei</strong>m Rezipieren zusammen: der Aufbau einer propositionalen<br />
Textbasis auf der Gr<strong>und</strong>lage des Textes (Bottom-up-Prozesse) <strong>und</strong> der Aufbau eines<br />
Situationsmodells aufgr<strong>und</strong> leserseitiger Dispositionen (Top-down-Prozesse). Zu den das<br />
Situationsmodell generierenden Faktoren, die der Leser/die Leserin als kognitive,<br />
motivationale <strong>und</strong> emotionale Voraussetzungen mitbringt, gehören Vorwissen (textbezogene<br />
Ereignisse, Handlungen), Weltwissen, Sprachwissen, Leseziele <strong>und</strong> ebenso die pragmatische,<br />
interaktive <strong>und</strong> situative Einbettung des Textes. Aufgr<strong>und</strong> des Zusammenspiels mehrerer<br />
Komponenten des Textverstehens legt das Modell eine kognitive Flexibilität der<br />
Rezipierenden nahe. 2 Von der kognitiven Flexibilität des Rezipierenden hängt auch der von<br />
uns verwendete Strategiebegriff ab. "Strategie" suggeriert zunächst ein bewusstes Anwenden<br />
einer bestimmten Methode (Paris et al. 1986). Man geht in der neueren Leseforschung<br />
allerdings davon aus, dass eine kompetente Leserin bzw. Leser eine Vielzahl von Dekodier<strong>und</strong><br />
Verstehensverfahren automatisiert hat (Pressley et al. 1985; Kintsch 1996) <strong>und</strong> nur im<br />
Falle eines Verstehenshindernisses - aufgr<strong>und</strong> metakognitiver Kompetenz - bewusst<br />
Strategien einsetzt (Artelt, 2004: 61f). Strategien zum Textverstehen werden hier mit Artelt<br />
verstanden als "zielgerichtete, potenziell bewusste <strong>und</strong> kontrollierbare Prozesse" (ebd.: 62).<br />
1.2 Forschungsdesign<br />
Um der Frage nachzugehen, welche <strong>Rezeptionsstrategien</strong> am ehesten geeignet sind, Sachtexte<br />
zu verstehen <strong>und</strong> ihnen Informationen zu entnehmen, flossen obige Überlegungen zur Theorie<br />
des Leseverstehens ein. Es sollte zudem eine typische schulische Rezeptionssituation<br />
reflektiert <strong>und</strong> in das Forschungsdesign integriert werden. Nach Auskunft der Lehrkräfte<br />
werden im Unterricht in der Regel zwei Rezeptionsdurchgänge durchgeführt: Der erste muss<br />
für die Textbegegnung geeignet sein, der zweite soll dem vertieften Rezipieren dienen. Das<br />
zweimalige Rezipieren entspricht auch Empfehlungen der experimentellen<br />
Lesetrainingsforschung, die die Kombination unterschiedlicher Strategien anstelle von<br />
Einzelstrategien nahe legen (Friedrich 1995: 23ff.). Für die <strong>bei</strong>den Rezeptionsdurchgänge<br />
boten sich folgende Methoden an 3 :<br />
<strong>Rezeptionsstrategien</strong> zeigen Schüler/innen in der Haupt- <strong>und</strong> Realschule? Welche Unterschiede bestehen<br />
zwischen Schüler/innen deutscher Erstsprache <strong>und</strong> Schüler/innen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />
2 Die ausführliche Diskussion leseverstehenstheoretischer Modelle als Gr<strong>und</strong>lage für die <strong>Rezeptionsstrategien</strong><br />
findet sich in Belgrad/Grütz/Pfaff (2003): Forschungsbericht zur Studie in der Gr<strong>und</strong>schule sowie in<br />
Grütz/Belgrad/Pfaff (2004): Forschungsbericht zur Studie in der Sek<strong>und</strong>arstufe 1.<br />
www.ph-weingarten.de/deutsch.<br />
3 Zur ausführlichen kognitionspsychologischen Begründung der einzelnen Methoden: ebda.<br />
ISSN 1615-3014